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Warum in die Ferne schweifen… Resturlaub oder der Tourist am eigenen Wohnort – Bodensee-Sightseeing

Die Imperia und das Zeppelin-Denkmal am Konstanzer Hafen

Die Imperia und das Zeppelin-Denkmal am Konstanzer Hafen

„Wenn einer eine Reise tut, dann kann er was erzählen…“ – so heißt es. Und wir hatten vor, meine Resturlaubstage zu nutzen und gen Süden zu fliegen. Das mit dem Hinwegfliegen hat sich dann allerdings zerschlagen. So ist dies manchmal im Arbeitsleben. Aus dem „wir“, das zusammen in den Urlaub hätte fliegen wollen, wurde ein „ich“, das Urlaub nehmen musste. Resturlaub eben.

Aber schließlich sagt das Sprichwort: „Warum in die Ferne schweifen, wenn das Gute doch so nahe liegt!“ Zumal ich in einer ausgesprochen schönen Gegend wohne: am Bodensee.

„Dort arbeiten, wo andere Urlaub machen.“, so steht es in Stellenanzeigen, wenn Fachkräfte angelockt werden sollen. Wobei ich diesen speziellen Spruch wenig gelungen finde. Klingt in meinen Ohren, als wenn eine Fastenklinik mit dem Spruch werben würde: „Darbe da, wo andere schlemmen!“ Oder wie wäre es mit einem neuen Spruch für die Stadt der Liebe: „Sei einsam dort, wo Paare sich romantisch lieben!“

Blick über den Bodensee, Einfahrt in den Fährhafen Konstanz Staad

Blick über den Bodensee, Einfahrt in den Fährhafen Konstanz Staad

Wie auch immer. Ich lebe jedenfalls dort, wo andere Urlaub machen, in einer sehr schönen Gegend. Die Ausblicke auf den See und die Berge, die sich mir manchmal auf meinem Arbeitsweg bieten, wenn ich auf der Bodenseefähre Konstanz-Meersburg unterwegs bin, sind atemberaubend. Für jemanden wir mich, der auf alte Gemäuer steht, ist Konstanz und Meersburg zum Beispiel ein sehr gutes Pflaster: Wenn ich nach der Arbeit auf dem Roller die Serpentine hinauffahre und dann um eine bestimmte Kurve biege, geht mir bei dem Anblick der Burg vor dem Panorama des Sees (egal bei welchem Wetter) das Herz auf.

Diese besondere Mischung zwischen schöner Landschaft und historischem Ambiente war es schließlich auch (neben der Liebe und einer Arbeitstelle) gewesen, die mich damals am See hatte bleiben lassen – diese ist es denn auch, die Jahr für Jahr Tausende Urlauber an den See zieht.

Und jetzt hatte ich dort, wo andere Urlaub machen, ebenfalls Urlaub. Ich war fest entschlossen, wirklich ein paar Tage Urlaub zu machen (und nicht wie ein Jahr zuvor – „Yippiejaja-yippie-yippie-yeah“ – Farben im Baumarkt zu kaufen oder einen Hochdruckreiniger zu organisieren etc.).

Im Geiste verreisen, das wollte ich, so dass all das, was ich daheim machen könnte, ja wirklich mal erledigen müsste, weit, weit weg wäre, und nur das zu machen, was ich wollte. Tourist sein am eigenen Wohnort. Endlich die Sehenswürdigkeiten in der Nähe besuchen, die ich noch nicht gesehen hatte, bei denen „immer etwas dazwischen gekommen war“. Die mir an den Tagen, wenn ich sie hätte besuchen können, also an Wochenenden oder Feiertagen, immer zu überfüllt mit Touristen erschienen waren.

Die Meersburger Burg und der Bodensee

Die Meersburger Burg und der Bodensee

Die Meersburger Burg, das Neue Schloss, das Droste-Häuschen, die Bibelgalerie, das Meersburger Zeppelinmuseum (nicht zu verwechseln mit dem Zeppelinmuseum Friedrichshafen) – um einige Meersburger Sehenswürdigkeiten zu nennen. Dann der Affenberg in Salem. Das Ravensburger Spieleland. Der Rheinfall von Schaffhausen. Die Birnau. Mainau. Die Reichenau mit Klöstern. Dann die Konstanzer Sehenswürdigkeiten. Die Konstanzer Altstadt. Das Münster mit dem Heiligen Grab. Rosgartenmuseum. Archäologisches Landesmuseum. Jan Hus-Haus. Die Imperia. Sealife. Konzilsgebäude. Hier an meinem Wohnort gibt es viel zu entdecken und zu sehen. Viel schöne Gegend und historische Gebäude, Spuren der Geschichte.

Warum in die Ferne schweifen…

„Warum also in die Ferne schweifen, wenn das Gute doch so nahe liegt!“ Und so wurde ich für einige Tage Tourist am eigenen Wohnort, eine Erfahrung, die mich aufstellte. Mir Erholung brachte und gleichzeitig meinen Geist anregte. Ich besuchte also Sehenswürdigkeiten, die ich bislang noch nicht gesehen hatte. Ich besuchte das Pfahlbaumuseum in Unteruhldingen, das Traktormuseum in Gebhardsweiler / Uhlingen-Mühlhofen, das Das Zeppelin Museum Friedrichshafen. Und hatte die Jahreszeit auf meiner Seite. Es war noch ruhig am See, die Saison hatte noch nicht begonnen. Ich würde Tourist sein können – ohne in einem Strom anderer Touristen mitschwimmen zu müssen: Wann erlebt man den Landungssteg in Unteruhldingen schon einmal menschenleer? Über 100.000 Besucher zählte das Traktormuseum im vergangenen Jahr – doch ich war bei meinem morgendlichen Besuch nahezu alleine.

  • Das Pfahlbaumuseum in Unteruhldingen. Ein Klassiker des Bodensee-Sightseeing (das Museum besteht seit 1922), den ich – im Gegensatz zu meiner Liebsten und den Kids, die alle hier am See geboren waren und somit das Museum bereits zu Schulzeiten mehrmals besucht hatten – bislang nur vom Vorüberfahren mit einem Bodenseeschiff kannte. Es gab an jenem Tag nur eine Führung je Tag (Vor-Saison), pünktlich um 14.30 Uhr fand ich mich ein, und mit mir noch 5 weitere Gäste. Es wurde ein sehr interessanter Ausflug in die Stein- und Bronzezeit. Und aufgrund der kleinen Besuchergruppe konnte ich auch alle Fragen stellen, die mir klärenswert erschienen. So lernte ich u.a.: die für die Ansicht des Pfahlbaumuseums so charakteristischen Holzstege zwischen den einzelnen Häusern hatte es damals nicht gegeben. Die waren nur für die Besucher errichtet worden. Ein weiteres Zugeständnis an uns Touristen: Die Höhe der Türen der Pfahlbauten war an moderne Durchschnittsgrößen angepasst worden, die originalen Türen wären wesentlich niedriger gewesen.

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  • Das Traktormuseum in Gebhardsweiler / Uhlingen-Mühlhofen. Eine neue Attraktion hier am See, eröffnet 2013 (Quelle). Als mein (damals noch kleiner) Neffe mit seiner Technikbegeisterung hier am See war, da gab es das Museum noch nicht. Leider. Ein Eldorado für Technikbegeisterte. Wie ich fand riesig in seinen Ausmaßen, wobei dieser Eindruck vielleicht nur entstand, weil es solche Menge zu entdecken gab. Ich war schwer beeindruckt. Traktoren (Trecker, wie es bei uns daheim hieß), über Traktoren. Vom ersten Traktor von 1906 bis hin zu moderneren Schleppern. Dazwischen verschiedenste Werkstätten, welche die Entwicklung der Techniken der Landwirtschaft greifbar machten. Alles viel Liebe zum Detail aufgebaut. „Die Ausstellung zeigt nicht nur Traktoren in historischem Ambiente, sondern auch all das Drumherum einer Dorfgemeinschaft: Viele alte Handwerkstätten wie Holzschuhmacher, Schmied oder Küfer, eine Schule, einen Spielwarenladen und viele technische Geräte, die im Lauf der Jahrzehnte für Erleichterung im täglichen Leben sorgten.“ (Quelle). Mir hat es sehr gut gefallen und ich werde bestimmt noch einmal das Museum besuchen (und dabei auch sehen, wie mein Hinweis bezüglich Exponat Nr. 261 behandelt wurde).

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  • Das Zeppelin Museum Friedrichshafen. Noch so ein Klassiker, den alle Schulkinder hier am See zu sehen bekommen. Und den nun auch ich endlich besuchte. Anreise mit dem Bus, der direkt am Museum hielt. Abreise mit dem Katamaran nach Konstanz (noch eine Premiere für mich). Dazwischen: Einige Exponante, die ich interessant fand, in einem imposanten Gebäude. Aber insgesamt war ich ein wenig enttäuscht. Ich hatte mir „mehr“ vorgestellt. Mehr Exponante. Mehr Stimmung. Das Zeppelinmuseum in Meersburg (eher kunterbunte Ansammlung eines Fans zum Thema als wissenschaftliche Sammlung) fand ich interessanter. Und ehrlich gesagt: Wenn ich Kunst sehen will, dann gehe ich in ein Kunstmuseum…. Viel Fläche des Gebäudes war Kunstwerken vorbehalten. Wenn diese sich wenigstens um Zeppeline gedreht hätten… So aber nahm ich die Kunst kurz zur Kenntnis (ein wenig länger verweilte ich nur bei den Werken von Otto Dix), stattete dem schönen Café einen Besuch auf Kaffee und lecker Apfelkuchen ab und stieg zum Abschluss meines Besuches noch einmal die Stiegen in den Hindenburg-Nachbau, der wirklich eindrucksvoll war, empor.

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Nützliche Links Bodensee-Sightseeing:

Stadt Meersburg Sehenswürdigkeiten
Wikipedia Sehenswertes in Konstanz
Bodensee.de Ausflugsziele
Pfahlbauten – offizielle Seite der UNESCO Welterbestätte
Traktormuseum Bodensee und Restaurant Jägerhof – offizielle Homepage
Besuch im Traktormuseum Uhldingen-Mühlhofen am Bodensee“ von Erich Hirsch
Zeppelin Museum Friedrichshafen Homepage

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Ich alter Sack und die AfD

Selbst unter Tage – also sogar in der alten Wohnung einer guten Freundin, die im Keller eines Mehrfamilienhauses lag (blickte ich aus einem der Fenster, dann waren meine Augen auf Grasnaben-Niveau. Blickte sie aus dem Fenster, dann sah sie gewissermaßen das Gras von unten wachsen). – Also selbst an einem solchen Ort, an dem es nur selten einen Handyempfang gab, an dem das Sonnenlicht nur für Minuten durch die Kellerfenster schien und Radiosender, die auch schon einmal gute Musik spielten, wie SWR3 oder Antenne Bayern, nur ein Rauschen und Knistern von weit weit weg waren – ja, selbst dort war der regionale Radiosender zu empfangen. Ganz klar. Ohne Knistern. Fünf Balken. Und auf Schlager festgelegt.

Als noch eine 19 vorne stand

Radio Seefunk, so sage ich mal, war ein Sender der seine Zielgruppe in den über 50jährigen sah. Gerne auch noch älter. Und viel älter. In der  Zeit, von der ich jetzt spreche, schreiben wir noch eine 19 vorne. Die Generation, die der Sender ansprach, hatte den Blauen Bock, Ernst Mosch, Dieter Thomas Hecks Hitparade in den 70igern bei vollem Bewusstsein, freiwillig als Erwachsene erlebt (und nicht wie ich als hilfloses Kind, das, um überhaupt ein wenig fernzusehen, einfach mit noch unfertigem Hirn dabei saß und hilflos Melodien ausgeliefert war, die es nie mehr vergessen sollte).

Der Sender war also, um es klar zu sagen, in meiner damaligen Perspektive was für alte Säcke. Ein Faktotum, weil er selbst Six feed under zu empfangen war. Aber ein No go. War ich bei einem meiner Studentenjobs damals unterwegs und wurde das Radio aufgestellt – und es gab nichts anderes als Radio Seefunk –, dann ließen wir das Radio aus. Ja, so war das damals. Als noch eine 19 vorne stand. Und heute?

Der Mainstream meiner Generation

Ganz klar. Ohne Knistern. Fünf Balken. Selbst unter der Tage – ja, das gilt noch heute für den Sender, aber er spielt keinen Schlager mehr. Er hat sich ein „Neu“ vor seinen Namen gesetzt. Und was er spielt, ist so ziemlich die Setlist, die läuft, wenn wir Party feiern. Eine Mischung aus „Kennen alle“ und „Tut keinem weh“ (meine Metal-Platten und dramatischen Prog-Alben und Trällerelsen-Metall-Opern spiele ich da lieber nicht): Es läuft also Queen, die Best of, rauf und runter, 80iger Jahre Rock von Journey bis Blondie, dazu jede Menge 80iger Pop (Visage und so ein Zeug, ja Spandau Balllet Goooooolddd , puh), 70iger Jahre Perlen wie Earth Wind & Fire, Led Zeppelin, The Doors und Supertramp. Und immer wieder Michael Jackson. Kurz: Es läuft der Mainstream meiner Generation. Der Generation, die in den 70igern Kind war – und jetzt in die Zielgruppe des Senders hineingewachsen, hineingealtert ist. Ich bin zu einem der alten Säcke geworden. Heute, da schon eine Weile die 20 vorne steht.

Der Soundtrack eines alten Sacks

Und ich alter Sack habe das Neue Radio Seefunk oft gehört. Beim Pendeln im Auto zur Arbeit, auch daheim, „Alexa, spiel das Neue Radio Seefunk“. Queen geht immer. Und vielleicht bin ich auch ruhiger geworden und der Mainstream läuft mir deswegen gut rein (wobei: bei Journey erinnere ich mich an meine Hochzeit, und die war nicht Mainstream, und beim Nordic Walking läuft schon eher Metal und Drama und Prog …) – jedenfalls: Radio Seefunk gehörte zum Soundtrack meines Alltags. Ich alter Sack. Selbst wenn wir Besuch hatten, ließ ich den Sender manchmal laufen – obwohl wir keine Kellerwohnung haben, jeder Radiosender über DAB klar reinkommt und Alexa alles spielt, was wir wollen.

Und dann kurz vor der Landtagswahl 2021 in BaWü sendete Radio Seefunk einen Wahlwerbespot der AfD. Vielleicht weil gedacht wird, dass so ein alter Sack wie ich zur Zielgruppe gehöre. Aber das fand ich wirklich unterirdisch. Seitdem habe ich den Sender nicht mehr gehört. Habe ihn für mich begraben. Six feed under. Und dort ist für mich kein Empfang. Manchmal muss einfach ausgeschaltet werden. Gerade von einem alten Sack, der in diesem Punkt hofft, zum Mainstream zu gehören.

 

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Männer… Von „Hör mal, wer da hämmert“ bis zu Liegestützen auf der Fähre…

Maenner
Also Männer… Wie komme noch einmal auf dieses Thema? Ach, ja, Donnerstag auf der Bodenseefähre, da gab es sehr geballt einige einprägsame Beobachtungen. Und ja, ich habe Samstag ein Lattenrost zusammengebaut und dann im Getränkemarkt, beim Kauf eines Kasten Warsteiner, einen Gratis-Rasierer bekommen (im Rahmen einer sogenannten „Männerbox“).

„Wann ist ein Mann ein Mann…?“ Anscheinend dann, wenn er unrasiert in Arbeitsklamotten einen Kasten Bier kauft (ich trug meine mit Farbe besprenkelten Malerjeans, dazu ein kariertes Arbeitshemd, ebenfalls mit Farbe besprenkelt, denn angestrichen haben wir an diesem Wochenende auch).

Also bekam ich die Männerbox. Logisch. Mit Tusch. Aber lieber als ein Gratis-Rasierer, den ich doch nicht benutzen werde. Bin da eigen, rasiere mich, wenn ich mich denn rasiere, mittlerweile nur noch trocken (rasiere ich mich nass, dann seh‘ ich gleich 10 Jahre jünger und so brav aus, und das will doch keiner…) – also lieber als ein Gratis-Rasierer wäre mir irgendetwas Vitalisierendes für meine Augenpartie gewesen. Oder etwas, das mir die Stressfalten aus dem Gesicht bügelt… So ungern, ich das hier schreibe…. Hallo, es ist Wochenende, und da sollte es doch genügen, einmal Auszuschlafen, um wie ein junger Gott auszusehen (zumal ich mir den zweiten Teil von Thor unters Kopfkissen gelegt habe…). Kann doch nicht sein, oder?

Und warum sah ich am frühen Abend nicht wie ein junger Gott aus? Weil ich die Lehren aus „Hör mal, wer da hämmert“ vergessen habe. Mea Culpa.

Wie oft habe ich geschmunzelt, wenn Tim der Heimwerkerkönig wieder einmal eine Gebrauchsanweisung oder eine Zusammenbauanleitung ignorierte, weil er glaubte, er könne es eh besser. Er bräuchte keine Hilfe. Und Tims Bemühungen dann in einem Chaos endeten.

Wir hatten an diesem Samstag zunächst unser zukünftiges Gästezimmer frisch gestrichen, anschließend nahm ich mir das dafür neu angeschaffte Lattenrost vor.

Ja, und da war ich also. Der Mann und das Lattenrost (zerlegt). Ein Mann und circa 100 Einzelteile. Klingt beinahe so heroisch wie „300“ (300 Spartaner gegen 100mal so viele Perser). Das konnte doch nicht so schwer sein! Also ordnete ich erst einmal die Einzelteile gemäß der Beschriftungen in der Zusammenbauanleitung. Ja, bis hierhin hatte ich meine Lektion aus „Hör mal, wer da hämmert“ gelernt. Erst lesen, dann zusammenbauen. Und ich muss sagen, ich hatte schon wesentlich schlechterer Anleitungen gelesen. Und ich freute mich daran, dass die Bohrungen sauber ausgeführt worden waren und die Schrauben griffen (das hatte ich schon anders erlebt).

Die Arbeit ging schnell voran. Die zerlegten Außenholme zusammenschrauben, die verschraubten Außenholme mit Querstrebe und Kopf- und Fußteil verschrauben – also überhaupt, viel schrauben. Und merkte nicht, dass ich gleich zu Beginn eine winzige, aber wichtige Kleinigkeit übersehen hatte – war ja doch alles nicht so kompliziert, recht intuitiv…

Nun, eine halbe Stunde und etliche Schrauben später sagte mir meine Intuition: Da kann etwas nicht stimmen. Ich… Tief durchatmen. In diesem Moment kam meine Liebste herein. „Wie läuft es? Eine Menge Teile, oder?“ „Oh ja!“, entgegnete ich (…also es waren mindestens 1000mal so viele Perser wie wir…), „Bin aber gleich fertig!“, sagte ich, während ich dachte Wie doof kann man eigentlich sein? Ich habe die Außenholme falsch herum angeschraubt.

Männer halt. Ich wartete, bis ich wieder allein war und drehte die ganzen Schrauben aus den Außenholmen wieder heraus, tauschte deren Position und schraubte alles wieder zusammen. Präsentierte dann stolz das Ergebnis, als hätte ich gerade gottweißwas Bedeutendes geschaffen, das Rad erfunden oder so. „Super, Schatz!“, sagte meine Liebste, „Baust Du dann bitte eben noch das Bett auf, und dann tragen wir noch den Schrank ins Zimmer, hoffe nur, der passt durch die Tür!“

Also baute ich das Bett auf – ein Klacks. Mein altes Bett. Ikea. 8 Schrauben. 8! 5 Minuten auseinander bauen, 5 Minuten zusammen. Dann der Kleiderschrank – wie viele Schrauben der hat, daran wollte ich gar nicht denken. Aber der Aufbau von dem Schrank ist eine andere Geschichte, denn die Götter waren uns hold. Der Schrank passte durch die Tür. Anschließend ging ich besagten Kasten Bier kaufen.

„Wann ist ein Mann ein Mann…?“ Manchmal dann, wenn er Arm in Arm mit seiner Liebsten, ein Bier in der Hand, das frisch gestrichene, nun gemütlich eingerichtete Gästezimmer begutachtet, dass einen Tag zuvor kaum mehr als eine ungemütliche Rumpelkammer gewesen war („Und er sah, dass es gut war“).

Manchmal wohl auch dann (um auf die versprochenen Beobachtungen auf der Fähre zurückzukommen):
Faehreerlebnisse
Klack, klack. Ich hörte ihn, bevor ich ihn sah. Wobei ich im ersten Moment dachte, es sei eine Frau auf hohen, für die Fährestiegen unpraktischen Absätzen, die das Passagierdeck betrat. Klackkkk. Nein, es waren keine hohen Absätze von Damenschuhen, die je Schritt nur einmal eindrücklich Klack machen. Es war eher ein Klackkkk, wie ich es von früher kannte, wenn die Läufer auf dem Sportplatz die Tartanbahn verließen und ihre Spikes auf den Steinplatten klackten. Mehrere Klacks, die zu einem verschwammen. Klackkkk. Und dann sah ich ihn. Sein neonfarbener Ganzkörperfahrradanzug saugte sich mit dem Licht der untergehenden Sonne voll und schoss es dann in Richtung meiner Augen: Helles Gelb dominierte seine blendende Erscheinung, hinter der die Sonne nur noch ein Schatten war. Eingeflochtene schwarze Streifen vervollständigten das dynamische Design des hautengen Anzugs. Ach, was sage ich. Hauteng… Der Anzug ging unter die Haut. Denkt Euch Batman in seinem Panzer, Superman in seinem Dress – ok? Ok. Dann zieht von diesem Bild vor Eurem inneren Auge die Muskeln ab. Minus Sixpack. Minus kräftige Oberschenkel. Minus mindestens einer Kopfgröße. Setzt der Gestalt einen ebenfalls neongelben Fahrradhelm auf – dann habt Ihr ein ungefähres Bild vom Beeman. Nein, ein wichtiges Detail habe ich noch vergessen: Entweder trug er ein Suspensorium, dessen Größe sich zu seiner schmächtigen Gestalt umgekehrt proportional verhielt, oder der Bienenmann hatte einen mächtigen Stachel. Jedenfalls konnte er kaum Laufen. Breitbeinig setzte er vorsichtig Fuß vor Fuß. Nun gut, vielleicht taugte sein Fahrradsattel einfach nichts. Vielleicht lag sein merkwürdiger Gang auch an diesen das Klackkkken erzeugenden speziellen Fahrradfahrschuhen, welche offensichtlich nicht zum Laufen gemacht waren… Ja, vielleicht.

„Wann ist ein Mann ein Mann…?“

Wohl auch dann:

Als der Beeman breitbeinig an mir vorbei gestakst war, stand ich auf, um vom Heck der Fähre noch ein paar Fotos von der untergehenden Sonne zu schießen. Da stand ich also an die Reling gelehnt, der Blick gen untergehender Sonne, freute mich an meiner Zigarette ziehend an den wechselnden Farben des Sees, als ein Mann im Anzug ein paar Bänke weiter plötzlich sein Jackett auszog und begann – mit den Füßen auf der Bank, seine Hände auf dem Boden – Liegestütze zu machen. Mindestens 20. Dann Sit-Ups, auf der Bank liegend, die Füße an der Reling. Die machte er noch, als ich meine Kamera wegpackte, weil die Sonne untergegangen war, und ich eine sms an meine Liebste schrieb, dass ich nun bald daheim sei.

Und dann wohl auch:

Ich stand schon neben meinem Roller, die Fähre fuhr in den Meersburger Fährhafen ein. Klackkkk, klackkkk, der Beeman stakste die Treppe hinunter, an deren Fuß sein Hightech-Fahrrad an der Reling lehnte. Lässig das Jackett mit einem Finger über die Schulter gehängt, ging hinter ihm der Liegestützenmann die Treppe hinunter, wobei sich sein weißes Anzughemd über einem kräftigen Brustkorb spannte. Scheint ja doch was zu bringen, dachte ich, diese Liegestütze auf der Fähre. In dem Moment rempelte mich ein junger Mann an, als er an mir vorbei zu seinem Wagen ging. „FRAUEN MÜSSEN NICHTS VERSTEHEN, SIE MÜSSEN NUR JA SAGEN!“, rief er in sein Handy hinein und stieg ein. Die Autotür schlug zu, so dass nicht zu verstehen war, was er noch Behämmertes ins Handy rief. Er startete den Wagen, obwohl es noch Minuten dauern würde bis wir von der Fähre würden fahren können, und nebelte Beeman, den Liegestützenmann und mich mit Abgasen ein.

Männer halt…

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Am Bodensee – Leseprobe aus „Abschied ist ein scharfes Schwert. Ein Mordsroman“

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„Gemütliche Spaziergänge am Ufer entlang, auf einer Bank am See sitzen und Schwäne und Enten und Blesshühner beobachten und in der Sonne ihren Lauten und der Melodie meiner Aufzeichnungen lauschen, das wäre es gewesen. Dann ein Bummel durch die Altstadt. Ein Guten-Abend-Bier in einem der vielen Biergärten in milder Abenddämmerung. Oder geruhsame Abstecher mit dem gereinigten und wohlriechenden Auto ins Hinterland. In Gaienhofen vor Hesses Haus sitzen und eine Zigarette rauchen. Wie die Mönche vor langer Zeit im Kräutergarten auf der Reichenau die Gedanken gerade so gehen lassen, wie sie kommen. Oder mit dem Schiff stromabwärts und bei Schaffhausen den Rheinfall bestaunen. Gischt wie ein Lächeln im Gesicht und die Gewissheit im Herzen, dass es immer so sein wird. Das Leben ein ruhiger langer Fluss, und wenn etwas rasend den Bach runtergeht, dann ist es keine Tragödie, sondern ein Naturschauspiel, ein Postkartenmotiv.

Das wäre es gewesen, das wäre genauso gewesen, wie Imperia es mir versprochen hatte: Bleib’ auf deinem Platz, und du wirst die Welt in Händen halten! Ein wenig Konstanz wird dir gut tun! Aber eigentlich hätte ich wissen können, was von den Versprechungen einer Frau zu halten ist.

Trotzdem hätte es ruhig weniger anders kommen können. Es hätte doch wirklich gereicht, dass das Wetter nicht hält, was mein erster Morgen in Konstanz versprach. Oder hab’ ich bei Nemesis an der Theke gestanden: Heute im Angebot: Heimsuchungen aller Art! Geschnitten oder am Stück? Darf es noch ein wenig mehr sein? und Ja! Ja! geschrien? Wohl kaum.“

„Am Bodensee – Konstanz“ – Leseprobe aus Boschers Roman „Abschied ist ein scharfes Schwert. Ein Mordsroman“ (aus einem der Kapitel, die am Bodensee spielen).

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Wolkenwesen – Gestalten im Himmel über dem Bodensee

Mal sieht man sie, dann sieht man wieder nicht. Sind sie überhaupt real? Oder nur real in dem Sinn, dass wir sie in unserem Kopf formen? Wolkenwesen. Gestalten in den Wolken, Gestalten aus Wolken. Flüchtig vom Wind und unserer Phantasie in den Himmel gemalt.

Im Auge des Betrachters – was für Schönheit gilt, hat auch für Wolkenwesen seine Gültigkeit. Hirngespinste? Vorgaukelungen des noch müden Hirns eines Berufspendlers morgens auf der Bodensee-Fähre? Das Auge irrenführende Synapsen-Schnappschüsse eines müden Verstandes am Abend auf der Bodensee-Fähre auf dem Heimweg nach der Arbeit? Täuschende Taschenspielertricks eines Hans-Guck-In-Die-Luft-Hirns, das aus Chaos uns bekannte Formen entstehen lässt?

Wie auch immer. Wenn ich Wolkenwesen sah – und eine Kamera zur Hand hatte – habe ich drauf gehalten. Hier das Ergebnis. Seht Ihr, was ich gesehen habe?

Wolkenwesen – Gestalten im Himmel über dem Bodensee

Der Elefant:

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Der Adler:

Der Adler in den Wolken, Sturm über dem Bodensee

Der Schnauzer:

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Die Ratte:

Die Ratte in den Wolken

Der Wolf:

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Das Eichhörnchen:

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Von deplatzierter Werbung bis zu einer historischen Erektion – Mixed Pickles #9

In den Mixed PicklesBeiträgen auf Boschers Blog findet Ihr ein buntes Gemisch diverser Fundstücke aus dem Netz und aus der noch realeren Welt (mehr zur Bedeutung von Mixed Pickles – und mehr Beiträge – findet Ihr hier…).

Youtube-Fund: Haarpflege für Chemoglatzen – etwas aus der Abteilung „Deplatzierte Werbung“

Es ist ja nichts ungewöhnlich, dass auf Youtube, bevor der eigentliche Videoclip beginnt, Werbung eingeblendet wird – so wie hier die Werbung von Garnier für das Haarpflegeprodukt Fructis Kraft Zuwachs…

Garnier_Werbung_beiHodenkrebs_Video

Das es aber – wahrscheinlich automatisch zugesteuert – bei diesem Video zum Thema „Hodenkrebs“ passiert, lässt dann doch stutzen…

Garnier_Werbung_beiHodenkrebs_Video1

Das Video des sympathischen jungen Mannes namens Nik fand ich auf Youtube. Er erzählt von seiner Hodenkrebs-Erkrankung, von seinen Operationen und den anschließenden 3 Zyklen PEB Chemotherapie aufgrund eines Rezidiv. NMDK Design heißt sein Kanal auf Youtube (hier geht es zum Video „Hodenkrebs – Meine Geschichte“ von Nik)

Eine andere Hodenkrebsgeschichte findet Ihr hier auf Boschers Blog.

 

Apropos Stutzen – wieder etwas aus der Abteilung „Katze“

Benennung einer Internetseite, die einen stutzen lässt. Nach einer Zubereitungsart für unsere Katze hatte ich nicht gesucht…

Boschers-Blog_Rezepte_Katze-selberkochen-fund

Entdeckt als ich nach besonderem Futter für unsere kranke Katze, die partout nicht essen wollte, recherchierte, um sie wieder aufzupäppeln. Auf der Seite von Christel W fand ich neben der in die Irre führenden Benennung „Rezepte für Katzenfutter zum Selberkochen“.

 

Noch ein Youtube-Fund: Running To The Sea

Flüchtings-Video des Überlinger Filmemachers Alexander Bergmann zum gleichnamigen Song von Röyksopp:

Boschers-Blog-Running-to-the-sea-alexander-bergmann-röyksopp

Aufs Bild klicken, der Link führt zum Video auf youtube

Der 1994 geborene Überlinger Filmemacher Alexander Bergmann, der zusammen mit Phil Nylund für den Kurzfilm Momentum (2013) viele Preise einheimste, u.a. eine Einladung zum Filmfestival Cannes (Quelle), nahm mit seinem Video „Running To The See“ an dem von Genero TV und den Musikern Röyksopp ausgerufenen Wettbewerb für das offizelle Musikvideo zu dem gleichnamigen Song teil und konnte sich unter den besten Videos qualifizieren (Quelle). Das Video läuft zudem im Programm des 12. Wettbewerbs um den Jugendfilmpreis (Stuttgart, 3.-6. Dezember 2015):

„Das Video ‚Running To The See’ zum gleichnamigen Song von Röyksopp zeigt Bilder aus dem Leben von vier jungen Flüchtlingen, die sich inzwischen in Deutschland in einer Unterkunft befinden. Ihre Gefühle werden hier auf einfühlsame Weise inzensiert –  so werden sie und ihre Reaktionen unter anderem beim Ansehen dramatischer Bilder aus dem Flüchtlingsalltag auf dem Mittelmeer gezeigt. Außerdem wird die Einsamkeit, die viele von ihnen hier in Deutschland erleben müssen, zum Thema; aber auch Gastfreundschaft und Nächstenliebe die viele Deutsche an den Tag legen ist Gegenstand von ‚Running To The Sea’.“

Credits: Regie: Alexander Bergmann. Produzent: Benjamin Tomoff. Drehbuch: Alexander Bergmann, Mathis von der Berg. Kamera: Nicolai Rissmann. Schnitt: Benjamin Tomoff, Alexander Bergmann. Musik: Royksopp. Ton: Phil Nylund. Visual Effects: Dschafar El Kassem. Cast: Gibbi Sillah, Lamin Travally, Jammeh Ousmann, Mbye Sillah, Mathis van den Berg (Quelle, Hervorhebungen R.B.)

Hier nochmals der Link zum Video auf Youtube…

Nachtrag 13. Dezember 2015 – Jugendfilmpreis „Bestes Musikvideo“: Überlinger Filmteam holt Jugendfilmpreis für bestes Musikvideo.

 

Apropos „See“: Fundstück auf der Fähre – fliegauf Seele

Auf der Fähre über den Bodensee, die zwischen Meersburg und Konstanz verkehrt, gibt es einiges zu entdecken. Zum Beispiel diesen treffenden Namen eines Bestattungsunternehmens: Für jede gläubige Seele ein Name, der einen mit Zuversicht in die Zukunft blicken lässt…

Boschers-Blog-Bestattungen-Fliegauf-DeggenhauserTal

Als ich das entdeckte, fiel mir noch ein weiterer, auf seine, andere Weise durchaus passender Name eines Bestattungsunternehmens vom See ein:

Bestattungsdienst_Wurm_Markdorf_Friedrichshafen

 

Und noch etwas vom See: Zuguterletzt die historische Erektion

Boschers-Blog-Konstanz-Standbild-LeopoldI-Rheinsteig_Ständer

Mittlerweile steht er nicht mehr in seiner ganzen Pracht dort am Konstanzer Seerhein. Das hervorstechende Merkmal des historischen Standbildes am Rheinsteig direkt neben dem alten Pulverturm wurde wieder einmal mutwillig entfernt.

Die Fotografie habe ich beim Stöbern in einer alten Bilderkiste gefunden. Mehr Infos zum Standbild von Großherzog von Leopold I. findet Ihr hier…

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Pavillonimplosion und Pflanzenexplosion – von den Schwingen des Sturmadlers gestreift

Sturmadler
Bisher sind wir hier am Bodensee von den ganz groben Unwettern verschont geblieben. Gott sei Dank. Der Sturmadler, der aus den Bergen herabstößt und die Schwüle, die über dem See liegt, mit seinen Schreien zerreißt, hat uns bislang mit seinen Schwingen nur einige Male gestreift. Aber selbst das war jedes Mal heftig genug – so wie in jener Nacht.

Ich erwache, ohne im ersten Moment den Grund dafür zu erkennen. Draußen ist alles ruhig. Alles scheint so zu sein, wie es sein soll. Nur dass ich wach bin und spüre, dass mein Herz schneller schlägt. Plötzlich höre ich ein entferntes Rauschen, ein Branden, ein Geräusch, als wenn ein nahender Zug die Luft vor sich herschiebt. Ein durchaus unheimliches Geräusch, das näher kommt. Schnell näher. Das lauter wird. Und lauter. Und dann ein Schlag. Eine Windböe, welche die Fenster zittern lässt. Die zu einem Dauerwind anhebt, der wild ums Haus streicht. Erste Gegenstände höre ich draußen auf den Boden krachen. Morsche Äste brechen. Ich sehe aus dem Fenster. In diesem Augenblick blitzt es, für einige Momente sehe ich nichts, dann schiebt sich der riesige, im Wind ächzende Schatten des Walnussbaumes im Nachbarsgarten in mein sich normalisierendes Blickfeld. Es donnert einmal, als gäbe es kein Morgen, und nun öffnet der Himmel seine Schleusen. Einem Sturzbach gleich strömt der Regen auf die Erde. Es blitzt noch einmal – und da sehe ich unseren hübschen, ein wenig altmodischen Pavillon. Nicht einmal eine Woche zuvor von zwei Leuten in anderthalb Stunden langer, beharrlicher Arbeit zusammengeschraubt. Der Pavillon tanzt über den Rasen, als wäre er einer diese Ginsterbüsche aus einem Western.

Pavillon2Ich raus in das Windgeschehen, hinaus in den mich binnen Sekunden bis auf die Haut durchnäßenden Regen, hinein in das Blitzen des Gewitters. Da hat es den Pavillon schon auf den Kopf geworfen. Er wird vom Wind über den Rasen geschoben, hin und her, dann packt ihn der Wind und hebt ihn hoch, nur um ihn anschließend um so härter auf den Rasen aufschlagen zu lassen. Bevor ich überhaupt eingreifen kann, höre ich die erste Metallstrebe brechen.

Dann habe ich den Pavillon erreicht. Ich packe zu, versuche das Stoffdach von den Verstrebungen zu lösen, um dem Wind den Widerstand zu nehmen, an dem er zupacken kann. Aber bevor ich die erste Verschnürung lösen kann, reißt mir der Wind den Pavillon aus den Händen und schleudert ihn mit aufbrausender Gewalt gegen den Stamm des Kirchbaumes, der in der Ecke des Garten dem Sturm trotzt. Doch in diesem Moment bricht ein größerer Ast des Kirchbaumes unter der nun durch den Garten peitschenden Windböe und kracht auf eine der Seitenstreben des Pavillons, bricht diese in der Mitte entzwei. Ast und Pavillon werden dann vom Wind über den Rasen geschoben. Ich versuche erneut, das Stoffdach zu packen, um es von den Metallverstrebungen zu lösen. Muss aber aufpassen, dass mich nicht der abgebrochene Ast trifft, den der Wind hin- und herpeitscht. Als ich es endlich geschafft habe, wenigstens einen Teil der Verschnürung zu lösen und das Stoffdach an einer Ecke des Pavillons von den Metallverstrebungen zu ziehen, reißt mir erneut der Wind den Pavillon aus den Händen. Ich rutsche auf dem mittlerweile durchweichten Rasen aus, kann gerade noch den Arm hochreißen, um mein Gesicht vor den Blättern des abgebrochenen und nun herumwirbelnden Kirchbaumastes zu schützen. Erneut höre ich, als der Pavillon wieder zu Boden kracht, Streben brechen. Wieder packt der Wind den Pavillon, hebt ihn hoch, hebt ihn über mich, der ich immer noch auf nassen Rasen kauere. Es blitzt. Unnatürlich kontrastreich heben sich die Metallstreben des Pavillons vor dem Himmel ab, lose Splitter ragen aus den Bruchkanten hervor, scharfe Metallecken glänzen hell, weil die Brüche den Lack abblättern ließen. Für einen Moment glaube ich über mir die Schwingen des Sturmadlers zu sehen, der über unserem Haus kreist. Dann erbebt die Erde unter einem gewaltigen Donner und gleichzeitig lässt der Wind den Pavillon los, der nun auf mich hernieder kracht. Nur Zentimeter neben meinem Kopf bohrt sich das lose Ende einer Metallverstrebung in den Rasen. Mit einem häßlichen Knirschen brechen weitere Verstrebungen, es klingt, als würde er nun implodieren, wundwaid fällt der Pavillon auf die Seite und sackt in sich zusammen. Dann kehrt Ruhe ein. Der Sturm legt sich.

Weil ich der Ruhe in jener Nacht nicht traute, holte ich ein altes Stromverlängerungskabel aus dem Schuppen und band den Pavillon am Kirschbaum fest, damit er nicht doch noch in eines der Fenster im Erdgeschoss kracht. Dann ging ich zu Bett.

Schmetterlingsbaum
Am nächsten Tag begutachtete ich die Schäden bei uns im Garten. Der Pavillon war Schrott. Leider. Aber ansonsten hielt sich der Bruch in Grenzen. Morsche Zweige lagen auf dem Rasen, der ansonsten mit herabgefallenen Walnuss- und Kirschbaumblättern übersät war. Ein Blumentopf war von der Fensterbank gestürzt und entzwei gegangen war. Das Sitzpolster eines Gartenstuhl lag nass und verdreckt auf dem Weg. Aber das war es auch schon. Keine größeren Äste waren aus den Bäumen herabgekracht. Die Dachziegeln lagen noch an Ort und Stelle. Es hatte keinen der Fensterläden aus den Angeln gerissen.

Merkwürdigerweise hat diese regnerische Windnacht unserem Schmetterlingsbusch sehr gut getan: Er ist nahezu explodiert. Als hätte er die Energie des Gewitters in sich aufgenommen – und wäre dann in einem vegetativen Kraftakt über sich hinausgewachsen. Vielleicht um sich für das nächste Mal zu wappnen. Für ein dunkleres Mal, wenn aus der Schwüle der Tage ein schlimmerer Sturm über uns hereinbricht und uns der Sturmadler nicht mehr nur mit seinen Schwingen streift. Um stark zu sein, nicht einzuknicken, um uns weiterhin mit seiner Eigenart zu erfreuen, schöne, bunte Schmetterlinge anzuziehen.

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Mixed Pickles #1: Vom Konstanzer Konzilsjubiläum bis zum Vampire Practice Guide

In den „Mixed Pickles“-Beiträgen auf Boschers Blog findet Ihr ein buntes Gemisch diverser Fundstücke aus dem Netz und aus der noch realeren Welt.

Neulich bei einer kurzen Stippvisite auf der Konstanzer Seestraße…

Da biege ich vom Bus kommend, die erste eher graue Unterführung hinter mir lassend, nach links ab, um die Rheinbrücke Richtung Seestraße zu unterqueren, und entdecke diese bunten Kleinode anlässlich des Konstanzer Konzilsjubiläums…

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Mehr Infos zum Künstler Emin Hasirci und zur Aktion auf Facebook…

„Der Künstler Emin Hasirci gestaltet in Zusammenarbeit mit dem Hochbauamt der Stadt Konstanz und der Konzilstadt Konstanz die Unterführung neu. Die Wandflächen werden mit einem thematischen Bezug auf das Konstanzer Konzil im Graffitistil überarbeitet. Bis Ende Juni werden die Arbeiten dauern. 5 Jahre – 5 Köpfe – 5 Themen 2014 – 2018 lädt die Konzilstadt erneut nach Konstanz ein. Unter dem Motto»Europa zu Gast« werden zusammen mit Konstanzer Bürger, Gästen und Künstlern die historischen Ereignisse Rund um das Konstanzer Konzil thematisiert und zeitgenössisch verarbeitet. In einem Gesamtkunstwerk bereitet Emin Hasirci die spannenden Thematiken des Konzils, entlang von fünf faszinierenden Persönlichkeiten, künstlerisch auf: König Sigismund, Jan Hus, Imperia, Papst Martin V. und Oswald von Wolkenstein.“ (Quelle)

Apropos Imperia…

Kay Noa

Vampire_Practice_Guide Kay Noas neuer Vampir-Roman „Vampire Practice Guide“, die Fortsetzung des „Vampire Beginners Guide“ erscheint am 15. Juli 2014

„Schlechtes Wetter – kalte Temperaturen
Dann sollte man was Heißes lesen…
Zumal am 15.07. der 2. Band erscheint- “
(Kay Noa auf Facebook)

Mehr Infos und ein Gewinnspiel findet Ihr auf der Facebook-Seite „Vampire Beginners Guide“

Meine Erfahrung mit dem ersten Band vgl. hier…

Georg Tenner

Georg Tenner empfiehlt auf Twitter:
„Alle Geschichten von #ff @AnneNikolaus sind magische Geschichten? Sie glauben es nicht? Hier schauen!
Georg_Tenner_Monet
Seit kurzem ist Georg Tenners neuer Usedom-Krimi erhältlich: „Monet und der Tod auf der Insel: Ein Fall für Lasse Larsson. Usedom-Krimi“

Tenner postet auf Facebook zu seinem neuen Roman:
„Alles beginnt mit einem verschwundenen Kind am Strand von Bansin. Bei der groß angelegten Suche wird plötzlich eine männliche Leiche entdeckt und das Team um Kriminalhauptkommissar Lasse Larsson auf eine ganz andere Spur aufmerksam.
***** >Anspruchsvoll, unvorhersehbar und spannend!< Rita Hajak
***** >Klug verstrickt und aufgelöst.< DenibaS
***** >Intellektuelles Verwirrspiel mit thrillerhaften Zügen!< Simone Klein“

Game of Thrones

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Während ich („Himmel“loses) Film-Kid unter Game of Thrones Entzug leide, weil die Staffel 4 noch nicht auf DVD erschienen ist (und auch noch kein Veröffentlichungstermin feststeht), fragt Robert Odei auf Qindie hinsichtlich der Romane von Georg R.R. Martin: Schreibt der gut?

Weitere lesenswerte Mittwoch! Beiträge (u.a. auch von mir ) auf Qindie findet Ihr hier…

Thoughts Factory


Und zum Schluss noch ein Musiktipp. Vor kurzem entdeckt: Die erste CD der deutschen Progmetall-Kapelle Thoughts Factory, Lost. Einflüsse: die üblichen Verdächtigen. Ausführung: Spannend inszeniert, Melodien mit Langzeitwirkung. Reinhören („No Way Out“, neues offizielles Video):

Facebook-Seite der Band

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PS: Ihr habt etwas Interessantes für meine Mixed Pickles-Beiträge? Bitte mir eine Nachricht senden!

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„Schau doch mal Alter, was für ein Panorama…“

Schau_Alter_Panorama
Originalton auf der Fähre nach einem offensichtlich entspannten Ausflug am Bodensee mit dem Fahrrad: „Schau doch mal Alter, was für ein Panorama…“

Nach einem wie gewohnt stressfreien Arbeit als Werbetexter, der neben viel Freude an kreativer Textarbeit auch die Befriedigung gut auf wichtige Deadlines zugeschnittene Arbeitsabläufe mit sich brachte, fuhr ich um kurz vor 19 Uhr von Konstanz mit der Fähre nach Meersburg. Die Alpen mit ihrem vom Bodensee aus gesehen visuellen Höhepunkt, dem Säntis, waren gut zu sehen. Föhn schien im Anzug. Der Tag war bisher klimatisch unbeständig gewesen. Der Wind trieb die Wolken wild vor sich her über den See. In einem Moment strahlte die Sonne. Im nächsten Augenblick drohte ein Regenguss. Stand man im Wind, so fröstelte es einem. Im nächsten Moment erhitzte einen für ein paar windstille Atemzüge die durch die Wolken brechende Sonne. Doch nun am frühen Abend schwebten kaum noch Wolken über den Bodensee. Die Sonne hatte sich durchgesetzt. Blau. In welchem Blau strahlte der See. Und so nah die Berge…

Es ist schon erstaunlich, über was sich Menschen aufregen. Nein, noch erstaunlicher ist es, mit welcher Vehemenz sich Menschen über Nichtigkeiten aufregen. Menschen im Urlaub sind da erstaunlicherweise eine gute Beobachtungsbasis. Touristen also. Menschen in ausgedehnter Freizeit, die doch eigentlich in einem gewissen Zustand der Entspanntheit sein sollten. Aber nein. Es ist erstaunlich, was bereits 15 Minuten Fährefahrt hier an Stress-Dramen offenlegen. Zum Beispiel die Fahrradfahrer. Die drängeln sich (den durch das Fährepersonal angewiesenen Platz ignorierend) auf der Fähre, um den besten Platz für ihr oft geliehenes Bike zu ergattern, so dass letztlich alles kreuz und quer steht, weil keiner dem anderen einen Fußbreit Platz einräumen will – der könnte ja eher von der Fähre herunterfahren. Und es ist greifbar, dass der eine oder andere nur darauf wartet, dass jemand sein Bike, das er geparkt hat als wäre es ein Auto, nur antippt…

Wobei oben erwähnte Fahrradtouristen so mit sich selbst beschäftigt waren, dass sie weitgreifend andere Fahrradtouristen ignorierten. Wahrscheinlich zwei Ehepaare. Fortgeschrittenen Alters. Die Damen schafften es gerade noch auf die Fähre. Der Schlagbaum war schon geschlossen. Er wurde auf bittendes Zurufen der Damen noch einmal geöffnet, während ihre Männer in einem vehementen Streitgespräch über die letzte Runde in einem Lokal versunken waren, die der eine doch ruhig hätte übernehmen können, als ihre (von ihnen offensichtlich ganz vergessenen) Frauen auf die Fähre radelten. „Warum seid ihr voraus gefahren?“ (Ein Klassiker). „Wir haben doch gesagt, wir nehmen die nächste Fähre, und das ist sie“ (wäre ein Drama gewesen, die Fähre 15 Minuten später zu nehmen). „Du hast deinen Helm nicht auf!“ (ach die Fürsorge). „Stehen tut der dir aber nicht“ (die Fürsorgliche als der Angesprochene seinen Helm demonstrativ aufzieht). „Das Bier schmeckte eh schal“ (der die letzte Runde schuldig gebliebene Beschuldigte). „Abgemacht ist abgemacht!“ (der die Zeche zahlende). „Abgemacht war, wir bleiben zusammen!“ (eine der Frauen). „War doch mal gut, dass ihr auf Trab kommt, habt es ja geschafft!“ (der eine – denke ich – Ehemann).

Da ich nach meinem stressfreien Arbeitstag die Überfahrt ebenso stressfrei auf dem Oberdeck in der Sonne genießen wollte, ließ ich die vier hinter mir zurück. „Toll hier, schöne Aussicht, Wetter gut, aber kein gutes Netz!“, schrie der Herr in der Sitzbank neben mir in sein Handy, während er auf der Suche nach dem guten Netz allerlei Verrenkungen machte, mal mit dem Kopf fast den Boden berührte, mal sich, einen Fuß auf der Bank, gen Himmel streckte, ohne der herrlichen Aussicht überhaupt einen Blick zu würdigen (aber vielleicht hatte er zuvor mit seinem Handy ja ein Bild geschossen). Eine Sitzgruppe weiter stritten sich zwei Kinder um ein halbes Brötchen, weil beide – und das heißt nur eines von beiden – gerne den Möwen Brotkrumen hingeworfen hätten. Der Vater ignorierte den Streit, weil er im Fahrtwind seine Zigarette nicht zum Brennen brachte. Die Mutter löste den Streit, indem sie das ganze halbe Brötchen nahm und es einfach über die Reeling warf, was sich produktiv auf die Stimmung der Kinder auswirkte, und den Vater anregte, eine ziemlich unflätige Tirade über die Fähigkeiten seiner Frau, Kinder zu erziehen, und über den Wind loszulassen. „Scheiß Wind und halt doch endlich mal die Kinder ruhig!“ (zensiertes und gekürztes Zitat).

Es ist schon erstaunlich, über was sich Menschen aufregen. Nein, noch erstaunlicher ist es, mit welcher Vehemenz sich Menschen über Nichtigkeiten aufregen. Wahrscheinlich so wie ich gerade. Da ich mich von derlei nichtigen Beobachtungen anregen lasse, einen Blog-Senf abzugeben. Wobei ich nach meinem stressfreien Arbeitstag diese Worte ganz ruhig, unaufgeregt niederschreibe. Amen, Yoga und Qigong und so. Also quasi locker aus der Hüfte geschossen. Aber wie dem auch sei, die Viererbande war, als ich zurück zu meinem Roller ging, immer noch intensiv dabei, über das Vornewegfahren der Männer (und das nicht Bezahlen der letzten Runde des einen Mannes) zu disputieren.

Aber was heißt schon Nichtigkeit? Jeder Krebs beginnt mit einer kleinen, winzigen Zelle, die aus dem Ruder läuft. Nichtigkeiten, die zu Streitigkeiten führen, sind die Keime, die es behutsam aufzunehmen gilt, zu betrachten – und zu isolieren, denn an ihnen zeigt sich Größeres. Sie sind der kleinste gemeinsame Nenner für das Chaos. Packt man sie nicht, löst diese kleinen Keime nicht auf, dann war es das. „Siehst du, so ist das nach so vielen Jahren Ehe“, meinte der eine Mann, der sich immer noch offensichtlich dämlich mit seinem Fahrradhelm fühlte, als seine Frau, die sich zuvor über das Nichttragen mokiert hatte, in dem Moment, als ich zum Roller zurückkehrte, meinte: „Zieh doch mal den dämlichen Helm ab, noch brauchst du den nicht!“

„Nichts kann man richtig machen!“, meinte er. Dies war der Augenblick, als sie sagte: „Schau doch mal Alter, was für ein Panorama…“ – und die Touristen endlich für einen Moment dort ankamen, wo sie eigentlich hinwollten. Dorthin, wo wir alle sein wollen. Im Angesicht des Schönen. Alle vier blickten gen Alpen. Der eine Mann zückte seine Kamera. Klick. So schön war es am Bodensee. Der andere Mann meinte schnippisch. „Teures Modell. Aber zu geizig, die Runde zu zahlen.“

Nichtigkeiten halt. Der kleinste gemeinsame Nenner für das Chaos in der Welt.

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