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Ein Blick hinter die Buchstaben… Fragen an die Schriftstellerin Kay Noa

Spannende Romane, faszinierende Geschichten, Figuren, die sich den Leserinnen und Lesern einprägen – ohne die Möglichkeiten des Self-Publishing wären vielleicht viele literarische Schätze nach wie vor verborgen geblieben. Aber seit einigen Jahren ist die Auswahl jenseits der Verlagswerke größer geworden – und das interessante, breit gefächerte Angebot in Eigenregie publizierender Autoren wird, wie z.B. die Bestsellerlisten bei Amazon zeigen, mit Begeisterung angenommen. Einigen dieser Autorinnen und Autoren aus der Self-Publisher-Szene habe ich einen Fragenkatalog vorgelegt. Ich fragte, was mich als Leser oder als Kollege interessierte. Diese so entstandenen „Interviews“ werde ich in loser Folge auf meinem Blog veröffentlichen.

Ich danke allen, die sich meinen Fragen gestellt haben und so allen Interessierten einen Blick hinter die Buchstaben ihrer Bücher gewähren.

Ralf Boscher

Auge
Heute zu Gast auf Boschers Blog: Kay Noa

Hallo Kay, schön, dass ich Dich auf meinem Blog begrüßen darf! Um gleich einzusteigen:

Was siehst Du als Deinen bisher größten schriftstellerischen Erfolg an?

Mein Staatsexamen – nein, das kommt schon darauf an, wie man Erfolg definiert. Kommerrziell sicherlich die Vampire Guides-Serie.

Wer ist Dir die liebste Figur in einem Deiner Romane oder in einer Deiner Geschichten?
Vampire_Beginners_Guide
Das ist schwer, letztlich sind sie alle irgendwie meine Kinder und auch wenn ich sie oft erschlagen könnte (und das gelegentlich auch tue) – ich liebe sie alle. Aber an Lexa, die sehr viel von meiner Schwester hat, hänge ich schon besonders.

Wer ist Dir die liebste von Dir nicht erschaffene Figur in einem Roman oder einer Geschichte?

Kara ben Nemsi – das war in meiner Kindheit meine erste Liebe (aber nur der, Old Shatterhand war nicht so toll)

Der für Dich gelungenste erste Satz einer Deiner Geschichten?

Wahr ist das, woran man glaubt. Daran hänge ich ein 12bändiges High Fantasy Epos auf.

Wenn Du nicht Schriftstellerin, sondern Musikerin wärst – welche Musik würdest Du machen?

Sehr schräge – ich bin so unmusikalisch wie ein Stock. In der Musikschule durfte ich bei den Vorführungen meiner Taktlosigkeit wegen nur Luftgitarre spielen. Obwohl ich sehr gern und ausdauernd Musik höre.

Was macht einen Menschen zum Schriftsteller? Das Schreiben oder das Gelesen werden? Oder…?

Der innere Zwang, einer Geschichte einen Weg in diese Welt zu öffnen. Sie ist in dir und will raus. Da gibt es nichts zu wählen, das passiert.

Deine Einschätzung: Ist es förderlicher für eine gute Schreibe, mit seiner schriftstellerischen Arbeit seine Brötchen zu verdienen oder einem anderen Brotberuf nachzugehen?

Das hat beides Vor- und Nachteile. Wenn man damit seine Brötchen verdient, dann schreibt man unwillkürlich mit dem Blick nach draußen, also mit dem Fokus darauf, was der Leser mag. Ein „Hobby-Autor“ hingegen schreibt vorrangig nach innen, also wie er die Geschichte haben will. Am Ende sind das verschiedene Blickwinkel auf dieselbe Story. Was besser ist? Hängt vom Autor, der Geschichte und tausend anderen Dingen ab.

Von der Grundidee zur fertigen Geschichte: Ist das bei Dir ein gerade Weg oder passiert es Dir, dass Du Dich weit von der Grundidee entfernst?

Ja, ich plotte nicht wirklich. Bei mir ist es eher so, dass ich schreibe, weil ich selbst wissen will, was passiert. Da ich sehr viel Wert auf die Charakterbildung meiner Protagonisten lege, kommt es regelmäßig vor, dass die antiautoritär erzogenen Ungeheuer mir meine wohlfeil vorgestellten Szenen total verbeulen.

Welcher Art sind die Szenen, die für Dich die größten Herausforderungen stellen?

Die jeweils aktuelle! Ich leide immer beim Schreiben. Ob das jetzt Dialoge, Sex- oder Actionszenen, Schilderungen oder Monologe sind – wenn ich schreibe, quäle ich mich immer.

Was bereitet Dir die größte Freude beim Schreiben?

Die fertige Szene, wenn wieder eine Facette vom großen Bild dazugekommen ist, eine lustige Bemerkung, die das Werk zum Funkeln bringt.

Der für Dich wertvollste Schreibtipp, den Du erhalten hast?

Lies Deine Texte laut, wenn Du redigierst. Es ist faszinierend, wie anders die dann plötzlich daher kommen.

Manchmal noch Papier und Stift? Oder nur noch Schreiben am Rechner?

Seit vielen, vielen Jahren nur noch am Rechner.

Welches Schreibprogramm nutzt Du?

Word.

Schreibzeiten: Wann schreibst Du? Schreibst Du an festgelegten Uhrzeiten oder setzt Du Dir zum Beispiel pro Tag eine Zeichenmenge?

Nein, ich schreibe immer und überall…. 24/7, wobei – aufgrund anderweitiger Verpflichtungen – schon ein Schwerpunkt nachts passiert.

Wie viel Zeit verwendest Du am Tag für das Marketing? Und welche Kanäle nutzt Du für die Werbung?

Ich setze bei Marketing auf Social Media wie Facebook, G+ und neuerdings etwas Twitter. Dabei geht es mir mehr darum, meinen Autorennamen als Marke zu etablieren, als ein bestimmtes Buch. Für die konkreten Titel geht viel über Gewinnspiele, Lesungen und andere Events sehr gezielte Preisaktionen in den Online-Portalen, meinen Blog und sorgsam geschaltete Anzeigen in Online-Magazinen.

Um professionelles Marketing als Selfpublisher zu betreiben, muss man sicherlich fast die Hälfte der „Autorenzeit“ hierfür aufwenden. Das unterschätzen viele, woher der Erfolg der Autoren kommt, die in den Charts vorne stehen. Nur am Anfang war das Buch. Mit „Ende“ geht es erst los.

Die „Thomas Mann“-Frage: Du schreibst, Dein Mann kommt herein oder ein guter Freund ruft an oder Dein Kind möchte etwas von Dir wissen – verbittest Du Dir die Störung, weil Du schreibst, oder lässt Du Dich auf die „Planänderung“ ein?

Och weiß schon, wieso ich Thomas Mann nicht mag – das kommt darauf an. Wenn mein Mann mit den Worten „Es brennt“ reinkommt, werde ich sicherlich anders reagieren, als wenn er beginnt, „Weißt Du, was ich vorher im Supermarkt von Frau Schulzes 3. Mann gehört habe…?“

Die „Charles Bukowski“-Frage: Hältst Du Alkohol für eine sinnvolle Stimulanz beim Schreiben?

Nein. Mir wird schlecht bevor ich blau bin.

Die Kay Noa-Frage würde genauso lauten, nur mit Kaffee statt Alkohol – and that’s a different matter.

Du gehst schlafen, liegst bereits im Bett, das Licht ist aus – da kommt Dir eine Schreibidee in den Kopf: Stehst Du auf und notierst Dir die Idee?

Nein. Erstens schlafe ich nur sehr wenig… 3-4 h/Nacht und zweitens verfolgen mich meine Geschichten. Da sind Notizen nicht nötig.

Hast Du mit einer Geschichte abgeschlossen, wenn Du unter sie ein „Ende“ gesetzt hast?

Nein, da geht die Arbeit ja erst los – Korrektorat, Lektorat, Beta-Leser-Meinungen, Cover, Satz, Marketing… Und dann sind ja die meisten meiner Geschichten ja auch Fortsetzungsgeschichten.

Vielen Dank Kay, dass Du Dir die Zeit genommen hast, diesen „Blick hinter die Buchstaben“ zu ermöglichen!

Vampire_Practice_Guide
Die Münchner Juristin und Autorin mit dem Pseudonym „Kay Noa“ schreibt aus Leidenschaft (Quelle). Sie lebt mit ihrem Mann zusammen mit einem alten Hund und zwei egozentrischen Katzen in einem noch älteren und egozentrischeren Haus am Münchner Stadtrand. (Quelle). Ihr neustes Werk „Vampire Beginners Guide“ ist eine augenzwinkernde Hommage an die großen Vampirromane unserer Zeit. Mit Witz und Münchner Lokalkolorit widmet sie sich einer Vampir-Community, in der garantiert nichts glitzert (Quelle).

Unter Hochdruck schreibt Kay Noa derzeit an ihrer „Schwerttanz-Saga“. Die Arbeit an den Fantasybüchern hatte sich aufgrund der – zum Glück erfolgreich besiegten – Krebserkrankung der Autorin verzögert (Quelle). Doch nun wird Ende 2014 ihre High-Fantasy-Schwert-Saga mit neuen Covern und reichlich Bonusmaterial neu aufgelegt (Quelle).

Homepage der Autorin
Facebook-Profil der Autorin Kay Noa
Amazon-Autorenprofil von Kay Noa
Blog von Kay Noa

© Profilbild Kay Noa: Nils Mehlhorn

  • Demnächst zu Gast auf Boschers Blog: die Schriftstellerin Nika Lubitsch

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Mixed Pickles #3: Vom Weg allen Fleisches bis zur Umsatzsteuer auf eBooks

In den „Mixed Pickles“-Beiträgen auf Boschers Blog findet Ihr ein buntes Gemisch diverser Fundstücke aus dem Netz und aus der noch realeren Welt.

Der Weg allen Fleisches

Hermann_Kinder_Weg_allen_Fleisches
Als ich ihn das letzte Mal traf, zufällig in einem Konstanzer Bus, ging es ihm gesundheitlich nicht gut. Ohne dass er ins Detail ging, war ihm anzusehen, dass er eine schwere Zeit durchmachte. Gleichwohl – und das fand ich bemerkenswert – pendelte er zwischen seinen Lebensschwerpunkten Konstanz – Köln hin und her. „Zäher Kerl.“, dachte ich., „Der Kinder.“

„Mich hat es auch gefreut, Sie wieder zu sehen. Und dabei besonders, daß ich den Eindruck hatte, daß es Ihnen gut geht mit Ihrem Beruf. Darum zittert man als Ausbilder ja am meisten: Daß man die Studis ins Nichts schickt.“ (E-Mail) Bemerkenswert.

Hermann Kinder.

Natürlich fand ich, der den Traum vom Schriftsteller träumte, es faszinierend, dass unter meinen Hochschullehrern an der Uni Konstanz ein bekannter – und vor allem anerkannter – Schriftsteller war. „Ach, wer kennt mich denn noch.“, meinte Kinder, als ich ihn, der meiner Bitte nachgekommen war, meinen ersten Roman zu lesen, fragte, ob ich seinen Kommentar zu meinem Roman in der Werbung verwenden durfte.

„Ach, wer kennt mich denn noch?“

Von der Frankfurter Rundschau bis zur Neuen Zürcher Zeitung sind in den vergangenen Wochen Besprechungen von Hermann Kinders neuer Erzählung „Der Weg allen Fleisches“ erschienen – verbunden mit Geburtstagsgrüßen zu Kinders 70.

Kinder 70.? Kann das denn sein? Ist dies wirklich schon so lange her, dass ich ihn als Hochschullehrer kennenlernen durfte? 1995 bin ich an die Uni Konstanz gewechselt – vor beinahe 20 Jahren. Wirklich: Der Weg allen Fleisches… Was ist nicht alles seitdem geschehen.

Und jetzt sein neues Buch. Angesichts meiner letzten Begegnung mit ihm (und den letzten gewechselten E-Mails) fällt es mir schwer, es nicht autobiografisch zu lesen. Sollte ich natürlich nicht tun, um dem Buch nicht Bedeutungsebenen zu nehmen, um es ernst zu nehmen. Weiß ich ja auch. „Was ist ein Autor?“ Habe in meiner Konstanzer Uni-Zeit „meinen“ Foucault gelesen. Weiß ich ja auch, weil ich es in meiner eigenen Schreibe liebe, meine eigene Autobiografie als Stoff zu behandeln, als eine Art Kristallkeim, aus dem von meiner Person getrennte Geschichten erwachsen. Ich ist beleibe nicht Ich. Wo Kinder drauf steht, ist also nicht „Kinder“ drin.

Schön fand ich in diesem Zusammenhang die Unsicherheit, was Kinders Geburtsdatum angeht. 18. Mai oder 18. Juni 1944? In den Besprechungen seines neuen Buches taucht mal das eine, dann das andere Datum auf. Anscheinend von Kinder selbst kolportiert. Also: Biografie ist immer auch ein Spiel. Ein Spiel, dass – in Literatur gegossen – zu seinem wahren Ernst findet: Leben ist das, was wir daraus machen. Interpretation. Der Weg allen Fleisches ist nicht einfach durch Daten und Fakten vorgezeichnet. Unsere Haltung zu diesen „Hardfacts“, die wir nicht beeinflussen können, bestimmt unseren Weg. Den Weg unseres Fleisches.

Besprechungen „Der Weg allen Fleisches“ (Auswahl): Frankfurter Rundschau, Fixpoetry, Neue Zürcher Zeitung

Zum Buch: Hermann Kinder, Der Weg allen Fleisches, Weissbooks Verlag, ISBN 978-3-86337-077-0, ca. 130 S., mit farbigen Illustrationen des Autors.

„Was machen Sie?“

Oli_Wan
Es folgt nun eine Geschichte aus dem Leben, die ich auf Facebook gelesen habe und die mir so gefallen hat, dass ich den Verfasser gebeten habe, sie in einem meiner Mixed Pickles-Beiträge veröffentlichen zu dürfen. Danke, Oli Wan!

„Hier ein (echter) Dialog zwischen mir und einem Unbekannten, der sich vor einiger Zeit auf einem U-Bahnhof abgespielt hat. Ich in einem meiner besseren Anzüge, gehetzt zwischen zwei Terminen, er locker in Jeans und Polohemd. Er war vielleicht 17 Jahre alt, asiatische Wurzeln. Er lächelte offen und sprach mich an.

– Entschuldigen Sie. Sie sehen so aus, als hätten Sie Erfolg im Job.
– Aha.
– Ich weiß nicht, was ich beruflich machen soll. Also spreche ich einfach ein paar Leute an und frage, was die so machen. Was machen Sie?

Die Idee fand ich bemerkenswert. Wäre ich nicht drauf gekommen, sowas zu machen. Der U-Bahnhof als Inspirationsquelle für eine mögliche Zukunft. Nicht übel. Also gebe ich wahrheitsgemäß Auskunft:

– Ich arbeite in einer Agentur.
– Und sind Sie erfolgreich da?
– Ich würde nicht danach gehen, was vielleicht Erfolg bringt und was nicht. Mach einfach das, was dir Spaß macht. Da ist man dann meistens auch am besten.
– Und Sie? Machen Sie in der Agentur, was Ihnen Spaß macht?
Da musste ich zugeben:
– Nein.

Ich fand meinen eigenen Ratschlag daraufhin plötzlich irgendwie ziemlich verlogen. Immerhin konnte ich wahrheitsgemäß hinzufügen:
Aber ich arbeite dran.

Der Dialog liegt Monate zurück, und monatelang habe ich dran gearbeitet, meine Jobsituation zu ändern. Habe nach Alternativen gesucht, die mir mehr Raum lassen für die kreative (zumeinst ja unbezahlte) Arbeit nebenbei – sei es das Schreiben, meine Radiosendung oder Hörspiele aufzunehmen. Sachen, die mehr Spaß machen. Es hat sich über die Monate gezeigt: Ich würde „stückeln“ müssen. Einige Standbeine parallel aufbauen.

Lange hat es gedauert, aber jetzt endlich habe ich genug kleine neue Einkommensinseln zusammen, dass ich kündigen konnte. Und prompt wurde mir von meinem bisherigen Arbeitgeber angeboten, was bislang „auf keinen Fall möglich“ war, „wir brauchen jeden Mann mit vollem Einsatz“ – ich habe meine Arbeitszeit drastisch reduzieren dürfen, und ich durfte mir die Kunden aussuchen, die Spaß machen. Was nicht plötzlich doch alles möglich ist, wenn man nicht nur nett fragt, sondern Fakten schafft… So ist ein neues Standbein also weiterhin ein altes, nur besser. Eine von den bezahlten neuen Sachen, die dazukommen, hat sogar mit Hörspielen zu tun: Ich habe an einer Volkshochschule die Möglichkeit, einen Kurs zu leiten. Wenn sich da genug Teilnehmer finden, wird das regelmäßig stattfinden.
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Fazit, falls der 17 Jahre alte asiatische Jeans- und Polohemdträger zufällig hier auf Facebook unterwegs sein sollte: Ich habe dran gearbeitet, und es ist ein verdammt gutes Gefühl!“

©Oli Wan (ComicCultureHörspiele)

Oli Wan auf Facebook
Ohrenkino auf Soundcloud
Ohrenkino auf „Alex Berlin“ (Achtung Autoren: Ohrenkino sucht Romananfänge (je die Seite 1)

 

Die Bibel halt… Umsatzsteuer, 7 beste Wege, das eigene E-Book erfolgreich zu bewerben etc.

Self-Publisher-Bibel
Absolut unentbehrlich, lesenswert, topaktuell – die Bibel für alle, die Ihre Romane und / oder Kurzgeschichten, Sachbücher etc. in Eigeninitiative vermarkten: Matthias Mattings Self-Publisher-Bibel. Egal ob die ständig mit neuen Beiträgen angereicherte Online-Version oder die E-Book-Version, Self-Publisher finden hier die wichtigen Informationen.

Aktuelle Beispiele:

1. 1. 2015: Was die faktische Umsatzsteuer-Erhöhung für eBooks für Autoren bedeutet

Neues Regal für Amazon-exklusiv-Autoren: “Exklusive Kindle eBooks”

Autoren-Tipp: Die 7 besten Wege, wie Sie das eigene eBook vermarkten können

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PS: Ihr habt etwas Interessantes für meine Mixed Pickles-Beiträge? Bitte mir eine Nachricht senden!

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Ein Blick hinter die Buchstaben… Fragen an die Schriftstellerin Susanne Gerdom

Spannende Romane, faszinierende Geschichten, Figuren, die sich den Leserinnen und Lesern einprägen – ohne die Möglichkeiten des Self-Publishing wären vielleicht viele literarische Schätze nach wie vor verborgen geblieben. Aber seit einigen Jahren ist die Auswahl jenseits der Verlagswerke größer geworden – und das interessante, breit gefächerte Angebot in Eigenregie publizierender Autoren wird, wie z.B. die Bestsellerlisten bei Amazon zeigen, mit Begeisterung angenommen. Einigen dieser Autorinnen und Autoren aus der Self-Publisher-Szene habe ich einen Fragenkatalog vorgelegt. Ich fragte, was mich als Leser oder als Kollege interessierte. Diese so entstandenen „Interviews“ werde ich in loser Folge auf meinem Blog veröffentlichen.

Ich danke allen, die sich meinen Fragen gestellt haben und so allen Interessierten einen Blick hinter die Buchstaben ihrer Bücher gewähren.

Ralf Boscher

Susanne_Gerdom_Portrait
Heute zu Gast auf Boschers Blog: Susanne Gerdom

Hallo Susanne, schön, dass ich Dich auf meinem Blog begrüßen darf! Um gleich einzusteigen:

Was siehst Du als Deinen bisher größten schriftstellerischen Erfolg an?

Ich glaube, das ist immer noch der Glückstreffer, mein allererstes Manuskript gleich bei einem renommierten Verlag untergebracht zu haben. Das ist so etwas wie ein Sechser im Lotto … Ansonsten freue ich mich bei jedem erschienenen Titel, ganz gleich, ob Verlag oder SP, wie ein Wildschwein darüber, wenn ich positives Feedback bekomme. Der Applaus ist leider auch in meiner Branche oft das einzige Brot des Künstlers. 😉

Wer ist Dir die liebste Figur in einem Deiner Romane oder in einer Deiner Geschichten?
Elbenzorn_Susanne-Gerdom
Im Prinzip sind das immer die Figuren, mit denen ich gerade zugange bin. Und da ist es nicht immer die Protagonistin oder der Hauptdarsteller, die mir die liebsten sind, sondern oft auch eine Nebenfigur. (Der Zwerg Trurre in „Elbenzorn“ ist so eine Figur. Der ist mir beim Schreiben so lieb geworden, dass ich ihm fast erlaubt hätte, das Buch zu kapern und aus einem Elbenbuch ein Zwergenabenteuer zu machen …)

Im Moment bin ich allerdings sehr verliebt in Magnus – Lord Magnus Algernon Seymour, der Protagonist des „Blauen Todes“. (Clockwork Cologne)

Wer ist Dir die liebste von Dir nicht erschaffene Figur in einem Roman oder einer Geschichte?

Einfache Antwort: Samuel Mumm. (Terry Pratchett)

Der für Dich gelungenste erste Satz einer Deiner Geschichten?

Ich bin kein „erste Sätze“-Fanatiker. Deshalb feile ich daran auch nicht besonders herum und ich hab sie auch beileibe nicht parat. Ein wirklich schöner erster Satz stammt von jemand anderem: „Wes Herd dies auch sei, hier muss ich rasten“. ;-))

Wenn Du nicht Schriftstellerin, sondern Musikerin wärst – welche Musik würdest Du machen?

Arrrrgh. Klassik, definitiv. Ich wollte, ich könnte singen, aber Klavierspielen wäre auch schon schön. Oder klassische Gitarre.

Was macht einen Menschen zum Schriftsteller? Das Schreiben oder das Gelesen werden? Oder…?

Das ist eine komplexe Frage. Schreiben allein reicht nicht, das ist ein Volkssport. Und genauso wenig, wie jemand, der in seiner Freizeit ein bisschen kickt, professioneller Fußballspieler ist, kann sich jemand, der in seiner Freizeit ein bisschen schreibt, sich gleich „Schriftsteller“ nennen. Das Gelesen-Werden ist aber auch kein ausreichendes Indiz.

Vielleicht ist es, wie bei allen Tätigkeiten, die eine gewisse Formung, Ausbildung und Disziplin erfordern, genau das: die Professionalität, mit der man sein Tun betreibt. Also muss ein Schriftsteller nicht notwendigerweise auch einen Leserstamm haben, aber er braucht auf jeden Fall die Ernsthaftigkeit und die Fähigkeit, sein Tun auch dann fortzuführen, wenn es eben keinen Beifall, keinen Erfolg, keine Sichtbarkeit erzielt. Dennoch dranbleiben, sich weiterentwickeln, nie stehenbleiben, nie zufrieden sein, jeden Tag schreiben, auch wenn tausend andere Dinge locken, auch wenn es weh tut … So jemanden würde ich Schriftsteller nennen, auch wenn er nie ein Wort veröffentlicht hat.

Deine Einschätzung: Ist es förderlicher für eine gute Schreibe, mit seiner schriftstellerischen Arbeit seine Brötchen zu verdienen oder einem anderen Brotberuf nachzugehen?

Förderlich für eine gute Schreibe ist Übung und Weiterentwicklung. Förderlich für ein ruhiges Kissen zum Schreiben ist ein Brotjob. Kaum zehn Prozent der Autoren können von ihrem Tun leben (und davon sind die Mehrzahl Sachbuchautoren, keine Belletristen). Und „davon leben“ heißt in der Regel: am Existenzminimum. Ich würde niemals einem jungen Autor mit Erstveröffentlichung raten, seinen Job zu schmeißen.

Von der Grundidee zur fertigen Geschichte: Ist das bei Dir ein gerader Weg oder passiert es Dir, dass Du Dich weit von der Grundidee entfernst?

Ich bin Pantserin. Ich habe eine Grundidee (und bei meinen Verlagsprojekten auch ein relativ ausgefeiltes Exposé), aber wenn man sich das fertige Manuskript anschaut, dann hält diese Grundlage maximal bis zur Hälfte. Meistens nur fürs erste Viertel. Ab da geht es holterdiepolter über Stock und Stein quer durch die Wildnis.

Welcher Art sind die Szenen, die für Dich die größten Herausforderungen stellen?

Die „Verbindungsszenen“. Die Stellen, an denen ich von einem Ereignis irgendwie zum nächsten überleiten muss. Zu bewältigende Wege und Strecken. Ich hasse Reisebeschreibungen. Und ich habe gelernt, wo es geht, einfach einen Schnitt zu machen. Wenn ich eine Szene schon mit langen Zähnen schreibe … wie soll sie einem Leser dann gefallen?

Die zweite Kategorie sind Sexszenen. Ich muss zugeben, dass ich sie in der Mehrzahl der Bücher für überaus überflüssig halte und auch hier eher dazu tendiere, einen Schnitt zu setzen.

Was bereitet Dir die größte Freude beim Schreiben?

Das Tüfteln. Ich liebe das Entwerfen von Szenerien, Welten, Konstellationen, Figuren, Sprachen … Und natürlich ist es immer wieder ein Gefühl, als würde man fliegen, wenn der Flow einsetzt. Das passiert nicht jeden Tag, aber wenn es passiert, ist es schöner als alles andere.

Der für Dich wertvollste Schreibtipp, den Du erhalten hast?

Ich habe bisher wenig Schreibtipps von anderen bekommen, aber ich höre mir immer gerne an, wie KollegInnen mit ihrer Arbeit umgehen. Das Wichtigste, denke ich, was ein Autor wirklich befolgen sollte, ist die Kontinuität. Wenn möglich, sollte man jeden Tag schreiben, und wenn es nur ein paar Zeilen sind.

Manchmal noch Papier und Stift? Oder nur noch Schreiben am Rechner?

Eindeutig und ausschließlich am Rechner. Ich habe ein Notizbuch, das ich noch mit Bleistift nutze, aber alles, was über das reine Aufschreiben von Gedankenfetzen hinausgeht, verlangt nach einer Tastatur. Mit der Hand schreibe ich zu langsam und zu unleserlich, das macht mich irre. Und auch, dass man nicht einfach löschen, verschieben, überschreiben kann, wenn man die altmodische Hardware benutzt. Ich tippe blind und im Zehnfingersystem, das ist schon sehr komfortabel.

Welches Schreibprogramm nutzt Du?

Angefangen habe ich mit Word. Das ist ja für umfangreiche Dokumente unpraktisch, also habe ich nach einer Alternative gesucht, bin bei Papyrus gelandet, hab mich damit aber nicht wirklich wohl gefühlt und schreibe jetzt seit ein paar Jahren in Scrivener, das bietet eine Reihe von ungeheuer praktischen Features neben der Textverarbeitung. Ich habe immer alle meine Notizen, Personenlisten, Recherchelinks usw gleich bei der Hand, ich kann den Text in jedes denkbare Format ausgeben (sogar, wenn ich das wollte, in ein ganz brauchbares epub oder mobi) und das Programm ist erstaunlich absturzsicher. Ich denke, damit habe ich mein Programm für den Rest des Schreiberlebens gefunden.

Schreibzeiten: Wann schreibst Du? Schreibst Du an festgelegten Uhrzeiten oder setzt Du Dir zum Beispiel pro Tag eine Zeichenmenge?

Ich schreibe den Löwenanteil abends bis nachts. Und ich habe eine Mindestseitenzahl, die ich erreichen will (pro Woche 50 Seiten). Das heißt, es ist ein „Sieben-Seiten-pro-Tag“-Ziel, das ich anstrebe.

Wie viel Zeit verwendest Du am Tag für das Marketing? Und welche Kanäle nutzt Du für die Werbung?

Immer noch zu wenig Zeit, obwohl mir das natürlich schmerzlich von der Schreibzeit abgeht. Zwei Stunden am Tag? Könnte Pi mal Daumen hinkommen. Dazu gehört es auch, Leserbriefe zu beantworten. (Oder Leserpostings, wenn man es genauer nimmt …)

Ich nutze meine eigene Website, Facebook und Google + – Twitter eher weniger, obwohl das dumm von mir ist.

Bereitet Dir das Schreiben größere Freude, seitdem es mehr Möglichkeiten der Veröffentlichung gibt (E-Books, Selfpublishing…)?

Größere Freude … nein. Es ist mehr Arbeit geworden, es ist weniger Schreiben, weil es Spaß macht, mehr Job. Aber das birgt ja seine eigenen Freuden und Befriedigungen. Die Möglichkeit, ein Projekt nach eigenem Gusto schreiben und gestalten zu können, hat viel Schönes. Auch wenn hier, genau wie beim Schreiben für den Verlag, das kaufmännische Denken leider wieder Grenzen setzt. Wenn ich schreiben will, um zu verkaufen, muss ich Kompromisse eingehen. Mein „unverkäufliches Buch“ – Projekt Armageddon – hat einen kleinen, begeisterten Leserkreis gefunden, aber das Verdikt meiner Verlage („Das kriegen wir nicht verkauft, das ist zu anspruchsvoll“) über das ich damals ungläubig gelacht habe, scheint verdammt zu stimmen.

Die „Thomas Mann“-Frage: Du schreibst, Dein Mann oder Freund kommt herein oder ein guter Freund ruft an oder Dein Kind möchte etwas von Dir wissen – verbittest Du Dir die Störung, weil Du schreibst, oder lässt Du Dich auf die „Planänderung“ ein?

Ich lebe in einer beständigen Planänderung, weil ich unser gemeinsames Arbeitszimmer nutze, in dem immer auch ein Teil unserer Katzen herumhängt. Ich bin inzwischen Meisterin im Ausblenden. Aber meine Familie bemüht sich, mich in Ruhe zu lassen. Weitgehend. In der Regel. (Ich schrieb oben, dass ich den Löwenanteil meiner Arbeit abends/nachts erledige. Noch Fragen? *g*)

Die „Charles Bukowski“-Frage: Hältst Du Alkohol für eine sinnvolle Stimulanz beim Schreiben?

LOL. Nein. Wenn ich unter Alkohol schreibe, was mir gelegentlich passiert ist, dann kann ich das Zeug morgens nüchtern besehen wegwerfen. Also lass ich es. Ein Glas Wein NACH dem Schreiben. Das kommt besser.

Du gehst schlafen, liegst bereits im Bett, das Licht ist aus – da kommt Dir eine Schreibidee in den Kopf: Stehst Du auf und notierst Dir die Idee?

Ja. Ich hab ein Notizbuch am Bett liegen.

Hast Du mit einer Geschichte abgeschlossen, wenn Du unter sie ein „Ende“ gesetzt hast?

Notgedrungen. (Es gibt keine Enden. Jede Geschichte geht im Prinzip endlos weiter, das ist das Leben.) Aber da ich in der Regel nach drei Monaten von jedem Projekt die Nase gestrichen voll habe und längst mindestens zwei andere Projekte dringend an die Tür klopfen, fällt es mir leicht, ein Manuskript abzuschließen. Ich leide in der Regel nicht unter Trennungsschmerz. Dass mir nachträglich eine Menge Verbesserungswürdiges ein- und auffällt – das ist normal. Da muss man lernen, die Finger davon zu lassen.

Vielen Dank Susanne, dass Du Dir die Zeit genommen hast, diesen „Blick hinter die Buchstaben“ zu ermöglichen!

Ich danke dir für die schönen Fragen!

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Susanne Gerdom wurde am 17. November 1958 in Düsseldorf geboren, aufgewachsen ist sie im niederrheinischen Rheinhausen. Nach Abschluss ihrer Lehre als Buchhändlerin begann sie sich mit Pantomime und Clownerie zu befassen und arbeitete mehrere Jahre als Schauspielerin und Regisseurin (Quelle)

Susanne Gerdom schreibt Fantasy für Jugendliche und Erwachsene (u.a. für die Verlage Piper, ArsEdition und Ueberreuter, man findet sie dort auch unter den Pseudonymen Frances G. Hill und Julian Frost). Zudem veröffentlicht sie unter ihrem Geburtsnamen im Self-Publishing-Bereich (Quelle).

Sie ist Gründungsmitglied der „42erAutoren – Verein zur Förderung der Literatur e.V.“ und gründete darüber hinaus 2013 mit einer Gruppe von AutorInnen und Autoren die Indie-Plattform „Qindie“, welche sich als unabhängige Plattform für Selfpublisher versteht und ein Qualitätssiegel für Indie-Literatur ins Leben gerufen hat. (Quellen: Wikipedia, Qindie)

Susanne Gerdom lebt, wohnt und arbeitet im Familienverband mit vier Katzen und zwei Menschen in einer kleinen Stadt am Niederrhein (Quelle).

Homepage von Susanne Gerdom
Amazon-Autorenprofil
Wikipedia-Artikel
Facebook-Seite der Autorin

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Mixed Pickles #2: Von E-Book Flips bis Liebe & Lust gratis

In den „Mixed Pickles“-Beiträgen auf Boschers Blog findet Ihr ein buntes Gemisch diverser Fundstücke aus dem Netz und aus der noch realeren Welt.

Flip den neuen E-Book Klub

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Was wären die Social Media ohne die Macher, also diejenigen, die es in die Hand nehmen, einen Knotenpunkt zu schaffen, an dem andere Menschen mit ihren Postings anknüpfen können.

Ein solcher Macher, der in der Self Publishing-Szene sehr engagiert ist, ist der Schriftsteller Lutz Schafstädt. Nicht nur, dass er tolle Geschichten schreibt, er hat auch die gerne genutzte Facebook-Gruppe „Der E-Book Klub“ ins Leben gerufen – und nachdem diese Gruppe von Marketinghaien gekapert wurde, flugs den „Neuen E-Book Klub“ ins Leben gerufen (mit mittlerweile über 1.100 Mitgliedern).

Von Schafstädt hier initiierte Highlights: die elektronische Klubzeitung, deren Beiträge aufgrund des Hashtags #debk zusammengestellt werden und die täglich erscheint.

Und seit kurzem auch ein bunter Bilder-Reigen aus den Postings des Neuen E-Book-Klubs, das Flipboard „Flip den neuen E-Book-Klub“, welches täglich wächst und anhand der geposteten Bilder und Buchcover die Vielfalt der Szene dokumentiert. Schön. Danke Lutz!

Amazon & der klassische Buchhandel die Hundertfünfte…

Das Börsenblatt Online hat einen lesenswerten Beitrag zum Thema „Literaturagenten zum Machtkampf mit Amazon“ veröffentlicht, der den Kampf um Marktmacht auch hinsichtlich der Self Publishing-Autoren beleuchtet.

Auch der Tagesspiegel widmet sich in seiner neuen Ausgabe dem Thema „Self Publishing“: „Die Selfpublishing-Branche boomt. Einige verdienen prächtig, die Mehrheit wenige Euro im Monat.“

Apropos Self…

Keine Lust, den eigenen Geburtsnamen auf einem Buchcover zu sehen? Du suchst einen für „Dein Genre“ passenden Autorennamen, ein einprägsames Pseudonym? Dann grübel nicht mehr nach, sondern lasse Dir einen Künstlernamen generieren

Pavillonimplosion und Pflanzenexplosion

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Bisher sind wir im Gegensatz zu meiner Heimatgegend Niederrhein hier am Bodensee von den ganz groben Unwettern verschont geblieben, Gott sei Dank. Gleichwohl gab es unschöne Winderhebungen – so wie letztens Nachts. Ich liege bereits im Bett, plötzlich höre ich ein entferntes Rauschen, ein Branden, ein Geräusch, als wenn ein nahender Zug die Luft vor sich herschiebt. Ein durchaus unheimliches Geräusch, das näher kommt. Und näher. Das lauter wird. Unheimlicher. Und dann ein Schlag. Eine Windböe, welche die Fenster zittern lässt. Die zu einem Dauerwind anhebt, der wild ums Haus pfeift. Erste Gegenstände höre ich durch die Gegend fliegen, auf den Boden krachen. Äste brechen. Ich sehe aus dem Fenster. Sehe unseren Pavillon (nicht alt, hübsches Teil, mit zwei Leuten anderthalb Stunden lang zusammengeschraubt) über den Rasen tanzen als wäre er einer dieser Ginsterbüsche aus einem Western.

Ich raus in das Windgeschehen, den anhebenden Regen, das Blitzen des Wetterleuchtens. Da hat es den Pavillon schon auf den Kopf geworfen. Er wird vom Wind über den Rasen geschoben, scheint beinahe abzuheben. Da ich Sorge habe, dass er mit seinen Metallstreben in eines unserer Fenster kracht, binde ich ihn mit einem alten Verlängerungsstromkabel am Kirschbaum fest. So weit so gut. Doch am nächstem Tag sehe ich, dass der Wind ganze Arbeit geleistet hat: Seitenstreben nicht nur abgeknickt, sondern durchgebrochen. Die im „Dach“ des Pavillons zusammenlaufenden Streben zerbrochen. Unser Sommerschatten ein Fall für den Sperrmüll – schade.

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Merkwürdigerweise hat diese regnerische Windnacht unserem Schmetterlingsbusch sehr gut getan: Er ist nahezu explodiert. Als hätte er die Energie des Wetterleuchtens in sich aufgenommen – und wäre dann in einem vegetativen Kraftakt über sich hinausgewachsen. Erstaunlich, was aus so einem kleinen, auf halbe Mannhöhe zurückgestutzten Büschchen werden kann. Des einen Leid, des anderen Freud… Schade nur, dass wir nun nicht unter dem Pavillon im Schatten den (bestimmt noch kommenden) Hochsommer genießen können und dabei all die Schmetterlinge beobachten, die sich an Schmetterlingsbusch gütlich tun.

Liebe & Lust gratis

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Du liest dies hier erst später? Bitte bei Amazon auf den Preis achten. Nach Ablauf der Aktion kosten die E-Books je wieder 99 Cents.

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Ein Blick hinter die Buchstaben… Fragen an die Schriftstellerin Elsa Rieger

Spannende Romane, faszinierende Geschichten, Figuren, die sich den Leserinnen und Lesern einprägen – ohne die Möglichkeiten des Self-Publishing wären vielleicht viele literarische Schätze nach wie vor verborgen geblieben. Aber seit einigen Jahren ist die Auswahl jenseits der Verlagswerke größer geworden – und das interessante, breit gefächerte Angebot in Eigenregie publizierender Autoren wird, wie z.B. die Bestsellerlisten bei Amazon zeigen, mit Begeisterung angenommen. Einigen dieser Autorinnen und Autoren aus der Self-Publisher-Szene habe ich einen Fragenkatalog vorgelegt. Ich fragte, was mich als Leser oder als Kollege interessierte. Diese so entstandenen „Interviews“ werde ich in loser Folge auf meinem Blog veröffentlichen.

Ich danke allen, die sich meinen Fragen gestellt haben und so allen Interessierten einen Blick hinter die Buchstaben ihrer Bücher gewähren.

Ralf Boscher

Elsa_Rieger_Portrait
Heute zu Gast auf Boschers Blog: Elsa Rieger

Hallo Elsa, schön, dass ich Dich auf meinem Blog begrüßen darf! Um gleich einzusteigen:

Was siehst Du als Deinen bisher größten schriftstellerischen Erfolg an?

Wenn es bei der Frage um ein Buch geht, das meine Leser sehr schätzen, ist es mein Roman „LiebesWellen“, in dem es um eine junge Frau mit Persönlichkeitsspaltung geht.

Mein persönlich größter Erfolg hat jedoch damit zu tun, dass ich nach langen Übungsjahren begriffen habe, wie man Gedichte, Geschichten und Romane baut, ohne dass die Texte vor Adjektiven oder Kitsch triefen. Ich weiß, das ist kein Kriterium dafür, dass man seine Bücher gut verkauft, ich fürchte fast, das Gegenteil ist der Fall. Aber damit kann ich leben, mir geht es um literarischen Anspruch in meinen Texten. Dafür schreibe ich, dafür übe ich, noch besser zur werden.

Frau_die_sich_nicht_umdrehte
Wer ist Dir die liebste Figur in einem Deiner Romane oder in einer Deiner Geschichten?

Tja, eigentlich liebe ich alle Figuren, die ich entwickelt habe; die Guten und die Bösen. Im Moment liebe ich vielleicht am meisten die Claudette aus der Geschichte: Aus der Asche, die in meinem Erzählband „Die Frau, die sich nicht umdrehte“ zu lesen ist.

Wer ist Dir die liebste von Dir nicht erschaffene Figur in einem Roman oder einer Geschichte?

John Irvings „Garp“

Der für Dich gelungenste erste Satz einer Deiner Geschichten?

Nach seiner Sturzgeburt im Supermarkt war Pit fürs Leben geprägt. (aus „Die Frau, die sich nicht umdrehte“)

Wenn Du nicht Schriftstellerin, sondern Musikerin wärst – welche Musik würdest Du machen?

Rock’n‘Roll

Was macht einen Menschen zum Schriftsteller? Das Schreiben oder das Gelesen werden? Oder…?

Ich glaube, das lässt sich nicht verallgemeinern. Die einen werden dazu getrieben, weil sie etwas loswerden wollen, die anderen, weil sie wirklich etwas zu sagen haben. Wieder andere wittern Erfolg, weil sie überzeugt von ihren Ideen sind, manche bleiben dann enttäuscht zurück oder beginnen zu malen. Was mich angeht, ist es schon das Schreiben selbst; die Neugier auf meine Figuren und wie sie sich entwickeln. Klar freut man sich über Leser.

Deine Einschätzung: Ist es förderlicher für eine gute Schreibe, mit seiner schriftstellerischen Arbeit seine Brötchen zu verdienen oder einem anderen Brotberuf nachzugehen?

Der Prozentsatz jener, die vom Schreiben leben können, ist so gering, dass er nahezu nicht ins Gewicht fällt. Besser, einen Brotberuf zu haben, bevor man in seinem Schreibstübchen verhungert, denn das ist nicht gerade förderlich für Kreativität.

Von der Grundidee zur fertigen Geschichte: Ist das bei Dir ein gerade Weg oder passiert es Dir, dass Du Dich weit von der Grundidee entfernst?

Passiert mir selten. Ich bin da ziemlich pedantisch im Planen eines Plots und meiner Charaktere.

Welcher Art sind die Szenen, die für Dich die größten Herausforderungen stellen?

Liebesszenen. Da muss man schrecklich aufpassen, nicht in Klischees abzurutschen.

Was bereitet Dir die größte Freude beim Schreiben?

Wenn ich ENDE unter den Text schreiben kann, denn dann beginnt das Überarbeiten.

Der für Dich wertvollste Schreibtipp, den Du erhalten hast?

Das Buch „Story“ von Robert McKee. Meine Bibel.

Manchmal noch Papier und Stift? Oder nur noch Schreiben am Rechner?

Lyrik immer zuerst auf Papier, Plotline, Storyoutline für Romane ebenfalls.

Welches Schreibprogramm nutzt Du?

Das simple Word. Ich halte nichts von den vielen anderen Helferleins, die angeboten werden. Bin eher konservativ diesbezüglich.

Schreibzeiten: Wann schreibst Du? Schreibst Du an festgelegten Uhrzeiten oder setzt Du Dir zum Beispiel pro Tag eine Zeichenmenge?

Gerne in der Früh und am Abend, in der Nacht. Zeichenmenge setze ich mir nur, wenn ich Lektorat für Kollegen mache. Bei meinen Texten achte ich darauf, eine Szene zu vollenden, nicht mittendrin aufzuhören, denn wenn schon der Flow da ist, muss ich ihn nutzen.

Wie viel Zeit verwendest Du am Tag für das Marketing? Und welche Kanäle nutzt Du für die Werbung?

Ich werbe nicht täglich für meine Bücher. Mir fällt es immer schon schwer, anzuklopfen und mich anzubieten. Ist vielleicht, nein, sicher sogar, ein Fehler. Vielleicht würde ich mehr verkaufen, wäre ich da fleißiger. Ich nutze die social media Kanäle wie Google+, Facebook, Twitter.

Bereitet Dir das Schreiben größere Freude, seitdem es mehr Möglichkeiten der Veröffentlichung gibt (E-Books, Selfpublishing…)?

Nein, denn schreiben ist immer Freude für mich. Aber entgegen kommt mir natürlich, dass man nicht mehr auf die Gnade der Verlage angewiesen ist.

Die „Thomas Mann“-Frage: Du schreibst, Dein Mann oder Freund kommt herein oder ein guter Freund ruft an oder Dein Kind möchte etwas von Dir wissen – verbittest Du Dir die Störung, weil Du schreibst, oder lässt Du Dich auf die „Planänderung“ ein?

Anrufe lassen sich ignorieren. Menschen, die im Zimmer stehen, eher nicht. Ich lasse mich drauf ein, auch wenn ich es ärgerlich finde, aber man sollte das Leben neben dem Schreiben nicht vergessen.

Die „Charles Bukowski“-Frage: Hältst Du Alkohol für eine sinnvolle Stimulanz beim Schreiben?

Manchmal … nein, Spaß. Beim Schreiben saufen könnte ich nicht. Aber wenn ich mal was trinke, kann schon vorkommen, dass sich eine Idee für einen neuen Text manifestiert.

Du gehst schlafen, liegst bereits im Bett, das Licht ist aus – da kommt Dir eine Schreibidee in den Kopf: Stehst Du auf und notierst Dir die Idee?

Nein. Ich merke sie mir einfach für den nächsten Tag. Soweit funktioniert mein Gedächtnis gerade noch.

Hast Du mit einer Geschichte abgeschlossen, wenn Du unter sie ein „Ende“ gesetzt hast?

Aber nein! Da fängt das Spiel doch erst richtig an! Das Ringen um die besten Sätze, der Kampf um die stärksten Dialoge und das Abklopfen des Plots, ob er Hand und Fuß hat.

Vielen Dank Elsa, dass Du Dir die Zeit genommen hast, diesen „Blick hinter die Buchstaben“ zu ermöglichen!

Ich bedanke mich herzlich, Fragen, die mir Spaß gemacht haben!

LiebesWellen
„Mich fasziniert das Menschsein, Menschbleiben in unserer Welt der Polaritäten. Ist es nur möglich, ein kriegerisches ‚Entweder – Oder‘ ins Leben hinauszubrüllen und darauf zu beharren, Recht zu haben? Oder haben wir die Chance, uns auf ein behutsames ‚Sowohl – als auch‘ einzulassen und in die Welt zu tragen, damit sich die Akzeptanz unter uns ausbreiten kann? Die Akzeptanz, dass schwarz nicht immer einfach schwarz und weiß nicht unbedingt für jeden gleich weiß ist. Sowohl als auch. Das verbinde ich in meinen Texten.“ (Quelle)

Elsa Rieger wurde 1950 in Wien als Kind eines Schauspieler-Ehepaares geboren. Für sie war schon als Vierjährige klar, dass sie ebenfalls diesen Beruf ergreifen würde. Nach Schauspielausbildung und Buchhandelslehre war sie in der Inspizienz und Abendregie des Theater der Courage beschäftigt, verliebte sich ‚unsterblich‘, gründete eine Familie und ging einem bürgerlichen Beruf nach, dem Buchhandel. 
Mitunter quälte sie sich durch das Leben. Der Beginn ihres neuen Berufswegs, der Atemsynthese, die sie erfolgreich verbreitet, eröffnete Elsa Rieger andere Sichtweisen. Sie begann wie besessen zu schreiben. Ihre Texte zeichneten sich zunächst vor allem dadurch aus, dass sie schlecht waren. Sie gab jedoch nicht auf und fand ihren Schreib- und Lebensweg. Es ist das Alltägliche, es sind die ganz normalen Merkwürdigkeiten, die  Elsa Rieger faszinieren. So geht sie durch ihre Heimatstadt und staunt und schreibt. (Quelle).

Homepage von Elsa Rieger
Amazon-Autorenprofil
Schreibtalk – Blog von Elsa Rieger
Facebook-Profil der Autorin
Der (e)-Book-Salon -Elsa Rieger stellt AutorInnen vor
Elsa Rieger – Lektorat

  • Demnächst bei „Ein Blick hinter die Buchstaben“: Susanne Gerdom
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Zwischen Nietzsche und viel zu kurzem Bademantel: Ein Diskurs über Serienmörder

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Ein Diskurs über Serienmörder, aus: „Abschied ist ein scharfes Schwert. Ein Mordsroman“

Magdalena studierte Literaturwissenschaft und Philosophie, wobei ihre Lektürevorlieben nicht ganz dem Bild einer Geisteswissenschaftlerin entsprachen: »Ich les’ furchtbar gerne Krimis, Psychothriller und Horrorromane. Wenn mir beim Lesen das Blut gefriert, wie man so sagt, dann bin ich in meinem Element. Hauptsache heftig packend! Möglichst abgedreht! Denn mit der Normalität, da hab’ ich es nicht so!«, wie sie mir sagte, als wir in der Cafeteria der Universität aufgrund des Buches, das ich las, Die Seele des Mörders von John Douglas, jenem FBI-Agenten, der als Vorbild für die Ermittler in Der Rote Drache und Das Schweigen der Lämmer gedient hat, ins Gespräch gekommen waren.

»Na!«, hatte sie lächelnd gemeint, »ein bisschen gruseln?«, als sie sich mir gegenüber an den Tisch gesetzt und meinen Tabak zur Hand genommen hatte, um sich eine Zigarette zu drehen. »Das ist aber keine Lektüre, die uns im Nietzsche-Seminar empfohlen wurde«, meinte sie noch, »Obwohl, wenn man Douglas’ Analyse der Serienmörder-Motive folgt (offensichtlich hatte Magdalena das Buch gelesen), gibt es schon gewisse Berührungspunkte, man braucht ja nur an Nietzsches Satz von der Geschlechtlichkeit zu denken, die bis in die höchsten Äußerungen des Geistes reiche.« Da wusste ich auch, woher ich ihr Gesicht und dieses knappe Kleid kannte, das ihre barocken Formen geradezu aufklärerisch mehr ent- als bedeckte.

»Nein!«, antwortete ich ihr, »nicht gruseln, Recherche.« »Recherche?«, fragte sie, sich lächelnd dergestalt über den Tisch beugend, um das Feuerzeug zur Hand zu nehmen, dass ich mich kaum auf ihre Worte konzentrieren konnte, »So nach dem Motto: serialkilling for runaways?«

»Recherche für einen Roman, an dem ich arbeitete!«, gab ich zurück, mich dabei bemühend, ihr in die Augen und nicht in den Ausschnitt zu schauen. Man weiß ja schließlich, was sich gehört. »Schöne dunkle Augen hast du!«, meinte ich also zu ihr, woraufhin sie mir mit einem so speziellen Lächeln antwortete, dass ich nicht sicher war, ob meine Bemühungen, mich auf ihre Augen zu konzentrieren wirklich erfolgreich gewesen waren, und ich ihr vor lauter Schamhaftigkeit schnell einen kurzen, improvisierten Monolog hielt, der sich darum drehte, dass das Verfahren der Tätersuche wie sie in Die Seele des Mörders beschrieben wird Ähnlichkeiten mit gängigen Textinterpretationstechniken aufweisen würde.

Ich glaub’ nicht, so sagte ich in etwa zu Magdalena, dass es ein bloßer Zufall sei, dass es sich bei beiden Verfahren um Stilanalysen handle. Vielmehr sei von einer Strukturhomologie zwischen dem, was ein Schriftsteller tue, und dem, was ein Serienmörder mache, auszugehen, die sich in der Interpretationsmethode niederschlage: »Manipulation. Dominanz. Kontrolle sind die drei Gesichtspunkte, unter denen sich die Eigenheiten der Stoffbehandlung sowohl bei Mördern wie bei Schriftstellern fassen lassen, hier die Behandlung von Menschen, dort die Behandlung der Sprache. Und so ist es okay, wenn man – wie Douglas es ja tut – in Analogie zu hermeneutischen Textinterpretationsverfahren davon spricht, dass es bei der Täterprofilerstellung darauf ankomme, eine Handschrift, einen Stil zu entziffern. Geht es bei der einen Methode darum, die Eigenheiten eines Sprachstils herauszuheben, die Besonderheiten der Behandlung der Sprache durch den Dichter, um Aufklärung über sein Schreibverfahren, seine Handschrift zu erhalten, so bei der anderen eben um den spezifischen Stil eines Mörders, in dem er die Opfer behandelt hat, um ihm auf die Spur zu kommen!«

Ich hatte mich so richtig in Fahrt geredet. Kam mir unheimlich klug und begehrenswert vor. Wie Magdalena da auf der anderen Seite des Tisches saß, ihr Kinn auf eine Hand gestützt, zwischenzeitlich an der Zigarette ziehend, mich mit ihrem Lächeln dabei aber nie aus dem Blick lassend, war das aber auch ein anregender Anblick. Also sprach ich einfach weiter, meinte, man könne mit Douglas berechtigterweise von den Taten eines Mörders als seinem Werk sprechen. Denn genauso wie man sich das Werk eines Künstlers anschauen müsse, um zu verstehen, was er damit meine, müsse man das Werk des Mörders betrachten, um seine Handschrift zu entziffern und so den Sinn, den er seiner Tat zu geben versucht. Denn wie bei einem Künstler stehe auch am Beginn der Tat eines Mörders die Phantasie. Schon lange bevor das Werk in die Tat umgesetzt würde, sei diese in der Phantasie schon vorhanden.

Mit dem – wie ich fand, sehr gelungenen – Satz »Und hat er erst einmal mit der Verwirklichung begonnen, dann gibt es kein Halten mehr, den Serienmörder drängt es genauso wie den Künstler zur Vollendung!« beendete ich meinen Monolog und drehte mir nun meinerseits eine Zigarette, nervös auf eine Reaktion von Magdalena wartend. Sie setzte sich betont aufrecht hin und streckte sich ausgiebig. Das war – wie ich fand – schon mal eine sehr angenehme Reaktion. Als sie mich dann aber wieder ansah – mir gelang es erneut kaum, meinen Blick auf ihre Augen zu zentrieren –, widersprach sie mir allerdings. Lächelnd griff sie über den Tisch, drückte kurz meine Hand, dann wieder meinen Tabak nehmend, und sagte:

»Vollendung! Du bist ja ein richtiger Romantiker!« Und dann meinte sie noch, dass das Böse – ihrer Meinung nach – nichts Romantisches an sich habe, überwiegend banal sei es, so banal, dass es im eigentlichen Sinne nicht mal böse zu nennen sei, sondern einfach nur krankhaft. Dass im kollektiven Gedächtnis vor allem Mörder mit – wie ich gesagt hätte – Stil, mit einer unverwechselbaren Handschrift gespeichert seien, ginge – so Magdalena – auf deren überwiegende Präsenz in den Medien zurück. Es sei ein Effekt der medialen Vermittlung in Kunstfiguren wie dem Todsündenmörder aus dem Film Sieben oder Hannibal Lecter die Prototypen des Serienmörders zu sehen. Solche Monster in Szene zu setzen, sei halt in. Bräuchte mir doch nur mal die Programme der Privaten ansehen, da käme fast jede Woche irgendwas mit einem Serialkiller drin, und je abstruser dessen Konzept (»immer wieder gerne aus der Bibel genommen«), umso besser. Vielleicht, so mutmaßte Magdalena, fänden diese Figuren ja deswegen ihr Publikum (»Mich ja schließlich auch!«, sagte sie), da sie an einen Nerv der heutigen Zeit rühren, vielleicht das Bedürfnis, das Böse nicht einfach als banal hinzunehmen.

So kamen wir also über besagtes Buch, und alles, was uns an Romanen und Filmen, in denen Serienmörder eine Rolle spielen, einfiel – natürlich auch meinen Roman und meine noch nichtexistente Hauptfigur –, gut ins Plaudern. So gut, dass Magdalena mir anbot, dieses Gespräch doch an selbem Abend bei einem Glas Wein fortzusetzen, was ich leider ablehnen musste, weil ich an jenem Abend Dienst in der Kneipe hatte, und ich mir sicher war, so kurzfristig keinen Ersatz für mich zu finden.

»Macht nichts!«, sagte Magdalena da, ohne lange zu überlegen, »Komm doch einfach nach der Arbeit bei mir vorbei, ich bin ein Nachtmensch!«, und ich nahm ihr Angebot natürlich begeistert an.

Was mich begeisterte, war natürlich nicht nur die Aussicht, dieses sehr anregende Gespräch in anregenderer Umgebung fortsetzen zu können, sondern auch jener Gedanke, der sich aufgrund von Magdalenas Verhalten in mir herausgebildet hatte: nämlich, dass sie keinen Freund hatte, haben konnte. Warum sollte sie sich auch so aufreizend kleiden, wenn sie einen Freund gehabt hätte? Wenn sie dem Markt nicht mehr zur Verfügung gestanden hätte? Allein aus dem Reiz heraus, anders als normal zu sein? Nein, wenn sie einen Freund gehabt hätte, dann hätte sie sich nicht – ohne zu überlegen, ohne dies mit ihm abzuklären – nachts mit einem Mann zum Wein verabredet. In ihrer Wohnung. Mit einem fremden Mann. Zum Wein.

Ich fand mich nach meiner Arbeit bei Magdalena ein. Und sie ging, als ich in ihrem Wohnzimmer auf einem Sessel Platz genommen hatte, gleich in medias res:

»Ich hab’ mir das noch mal durch den Kopf gehen lassen. Was du da heute Mittag gesagt hast, hat mit der schmutzigen Realität wirklich nichts zu tun!«

Mir gegenüber auf dem Sofa sitzend, äußerst schnuckelig anzuschauen in ihrem viel zu engen, viel zu kurzen, alten, verwaschenen rosa Frotteebademantel, öffnete sie eine Flasche Rotwein.

»Es mag ja sein«, so gab sie zu, »dass es auf manche Mörder zutrifft, bei ihnen von Stil und Handschrift zu sprechen, und da führt die hermeneutische Methode der Täterprofilerstellung ja anscheinend auch zu Erfolgen…«, wobei ihr ein guter Schluck aus der Flasche über eines ihrer vom Bademantel nicht bedeckten Knie und einen ihrer ebenfalls nackten Oberschenkel schwappte –
»Aber denk doch nur mal an die Zahlen! Einer Minderheit von aufgeklärten Fällen steht eine Masse an nicht gelösten Taten von Serienmördern gegenüber.«
– was es mir ein wenig schwer machte, mich auf ihre Worte zu konzentrieren, vor allem, da sie den Wein einfach über ihre Haut und auf den Teppich laufen ließ, während sie weiter redete –
»Und nicht deswegen«, betonte sie, »weil nicht genügend Personal zur Verfügung steht, welches sich durch interpretatorisches Geschick auszeichnet, sondern schlicht und einfach aus dem Grund, dass die nicht gefassten Serienmörder unsystematisch, konzeptlos sind, und ihnen mit Methoden, die mit Kategorien wie Werk und Handschrift und Stil arbeiten, nicht beizukommen ist!«

Mir fiel daraufhin nichts Kluges als Erwiderung ein. War zu abgelenkt. Sah nur den Rotwein rinnen und rinnen, was sich recht negativ auf meinen Gedankenfluss ausübte, derweil Magdalena von Gedanken nur so überzufließen schien: Sie gab zu, dass es auf der Ebene der Methoden Ähnlichkeiten geben mag zwischen der Aufklärung von Gewaltverbrechen und der von Kunst, man brauche ja nur an Foucaults Gedanken der Epistéme zu erinnern, um solche strukturellen Gleichförmigkeiten nicht verwunderlich zu finden. Aber von dieser Ähnlichkeit auf der Metaebene auf eine ebensolche auf der Objektebene zu schließen, sei schlicht unzulässig.

»Serienmörder sind in der Regel keine Künstler!«, stellte Magdalena kategorisch fest, während vor meinem inneren Auge der Satz: Leck ihr den Rotwein vom Bein! Leck ihr…! blinkte und –
»Nicht künstlerisches Kalkül, so pervers und abstrus es auch sein mag, zeichnet ihre Taten aus«, sagte Magdalena, »sondern grauenhafte Belanglosigkeit…«
– blinkte –
»Es mag ja sein, dass es da Phantasien gibt, die hat schließlich jeder, auch wenn sie zumeist nicht von dieser Art sind, aber normalerweise, wenn ich in diesem Falle überhaupt von normal reden kann,…«
– blinkte –
»…werden sie nicht zum Werk. Da wird ein mörderischer Trieb ausgelebt, ausgestaltet wird da nichts!«
– und blinkte, bis Magdalena sich endlich mit einem Tempo säuberte, so dass ich dergestalt aus meiner erotischen Abgelenktheit wieder auf den Teppich gebracht, den Magdalena mit einem anderen Tempo trocken tupfte, ihren weiteren Ausführungen wieder konzentrierter folgen konnte:
»Diese Mörder sind einfach Tiere! Auch wenn diese Metapher schon beinahe einer Beleidigung der Tiere gleichkommt«, meinte sie, »Wenn sie der Trieb packt, schlagen sie willkürlich und zufällig das Opfer, was sich ihnen gerade anbietet. Das hat aber rein gar nichts mit Kunst zu tun, das ist nun wirklich eine naive Romantisierung von Mordlust!«

Ich wollte zu einer Erwiderung ansetzen, aber Magdalena kam meinem Einspruch mit einem Positionswechsel auf dem Sofa zuvor. Hatte sie zuvor gesessen, so legte sie sich nun auf die Seite und stütze ihren Kopf auf eine Hand, was Magdalenas ausgeprägte Kurven noch betonte, vor allem da sie sich mit ihrem Bademantel vollständiger nur hätte bedecken können, wenn sie sich größere Mühe damit gegeben hätte. Jedenfalls veranlasste mich mein Rückenmark, den Mund zu halten, stattdessen hinzugucken und Magdalena – genüsslich an meinem Wein nippend – einfach nur zuzuhören:

»Verbrechen, bei denen zwischen Täter und Opfer eine Verbindung besteht, sind bekanntermaßen leichter aufzuklären«, sagte sie, »weil allein schon diese persönliche Verbindung eine gewisse Einzigartigkeit stiftet, die Hinweise auf den Täter liefert!«

Weiterhin meinte sie: »Und deswegen sind diese Mörder, die du hier mit Künstlern auf eine Stufe stellst, auch einfacher zu fassen als die viel zu vielen, die ohne erkennbares Konzept, ohne weitergehendes Motiv als der puren Mordlust zur Tat schreiten. Diese fassbare Verbindung zwischen Täter und Opfer – und da mag das Opfer auch nur reines Objekt sein – ist schließlich auch dann vorhanden, wenn einer deiner stilvollen Mörder zur Sache geht!«

Und sie sagte auch noch: »Auch wenn er sein Opfer nicht persönlich kennt, so ist es dennoch nicht willkürlich ausgewählt. Es mag zwar Zufall sein, dass es gerade diesen besonderen Menschen trifft, aber die Auswahl des Typus, den dieser Mensch verkörpert, ist nicht dem Zufall überlassen. Die Wahl des Opfers ist notwendiger Teil der Inszenierung, und so stellt er durch seine Handschrift, seinen Stil eine Verbindung zum Opfer her. Und diese inszenierte Verbindung zwischen Täter und Opfer stellt jene Einzigartigkeit dar, die es leichter macht, solchen Mördern auf die Spur zu kommen, hier hilft wirklich Einfühlung. Denn die Interpretation seiner speziellen Objektivierung von Menschen lässt Rückschlüsse auf den Urheber zu«

Dies seien aber, wie Magdalena erneut betonte, nur die Ausnahmen, und während sie weitersprach, setzte sie sich wieder hin und wickelte sich, da ihr anscheinend kalt geworden war, von ihren Knien bis zum Hals in eine Decke ein. Die große Masse an Serienmördern sei stillos, sagte sie also, bei ihnen fehle (leider müsse man sagen, sagte sie) diese Verbindung, sie seien konturlose, zutiefst gestörte Persönlichkeiten, die nichts an Einzigartigkeit an sich hätten, und deswegen liefen die meisten von ihnen auch noch frei herum.

Nun nicht mehr stumm gemacht durch ihr dahingeräkelte Pose, hatte ich bereits den Mund geöffnet, um ihr zu erwidern, dass ich die von ihr kritisierten Überlegungen ja gar nicht im Hinblick auf das, was in der Welt wirklich passiere, geäußert hätte, sondern in Gedanken an die zu schaffende Romanfigur, aber da lenkte Magdalena ihren Redefluss schon von selbst in diese Richtung:

»Aber klar«, gab Magdalena zu, »dass dir als Schriftsteller so konturlose Mördergestalten nicht zusagen. Mir als Leserin übrigens auch nicht. Solche Typen – fiktionalisiert – sind wohl einfach zu nah an der Realität dran, als dass man sie genussvoll rezipieren könnte. Nein, nein, literarische Mörder müssen zwar so realistisch sein, dass es sie geben könnte, aber nicht so real, dass man das Gefühl hat, sie bei nächster Gelegenheit zu treffen. Da gibt es eine schmale Grenze, die uns erlaubt, Spaß bei Lektüre oder beim Schauen von Filmen zu haben, zumindest für mich, denn bei Aktenzeichen XY hatte ich nie Spaß, wenn meine Eltern wollten, dass ich mir das anschaue, um mich auf die Gefahren vorzubereiten, die draußen in der Welt auf Mädchen wie mich warten. Das war mir einfach zu real, weil es da um Menschen ging, die es wirklich gab oder gegeben hatte!«

Den Rezipienten interessiere nicht die Einszueins-Übertragung der Wirklichkeit, meinte Magdalena, die einfach nicht zu stoppen schien, was mir allerdings auch fernlag, denn während ihres ausschweifenden Monologes rutschte ihr die Decke von den Schultern, so dass ich wieder in den Genuss ihres, aus dem Bademantel quellenden Oberkörpers kam. Selbst beim sogenannten Reality-TV, meinte sie, sei klar, dass es – obwohl gefilmte Wirklichkeit – Fiktion sei, denn die mediale Vermittlung ermögliche die erforderliche Distanz. Mediale Vermittlung, also Kameraausschnitte, Schnitttechnik, Kommentare oder auch nur Stimmen aus dem Off etc. seien im Bewusstsein des Zuschauers nie die Wirklichkeit selbst, sondern eine ihm mundgerecht servierte, das hieße übertriebene Darstellung derselben.

»Ist es auch dasselbe Blut, das fließt, ob man nun direkt dabei steht oder es im Fernseher sieht, so ist es doch nicht das Gleiche…«
– Ein Gedanke, den ich sehr einleuchtend fand, wobei ich allerdings nicht an Blut, sondern an den entscheidenden Unterschied zwischen wohlgeformten Frauenkörpern im Fernsehen und an Magdalenas Körper hier vor mir auf dem Sofa dachte: Letzterer ist einfach zum Greifen nah –
»Im Fernsehen ist alles einen Tick roter, knalliger, dramatischer als im wirklichen Leben.«
– ja, praller, sonnengebräunter, williger, aber nicht so verdammt nah! –
»Und dieser Tick mehr ermöglicht den Genuss. Übertreibung ist Pflicht. Natürlich muss die Übertreibung im Rahmen des Wahrscheinlichen bleiben, wie ja schon Aristoteles gefordert hat, die Fiktion darf nicht so unwahrscheinlich und Zufällen ausgeliefert sein wie die Wirklichkeit. Aber eine gewisse Übertreibung…«
– übertreib’ es, schlag den Bademantel doch ganz auseinander! –
»…ist wohl konstitutiv für den Genuss an der medialen Vermittlung von Grusel, Spannung oder Horror. Durch die Übertreibung entsteht in unserer Phantasie eine Als ob…-Situation, wir tun so, als ob es dies und das geben könnte, und innerhalb dieses Als ob… können wir genießen.«
– genau, als ob du die Decke fallen lässt und dich auf den Rücken und verlangst, dass ich dich wärme –
»Da kann die Wirklichkeit noch solche Monster von Mensch hervorbringen, wenn sie durch die mediale Vermittlung nicht noch monströser gemacht werden, haben wir keinen Spaß an ihnen. Selbst deine Künstlermörder werden aus diesem Grunde noch übertrieben dargestellt, so dass sie nicht einfach mehr als pathologische Abweichung von der Norm angesehen werden, sondern als das Böse selbst. Gleichzeitig getrieben und kühl kalkulierend an der Vollendung ihres perversen Werkes arbeitend, können sie einfach nicht mehr menschlich sein. Sie sind Teufel in Menschengestalt, und da den meisten von uns diese theologische Anschauung noch vertraut ist, ohne dass wir wirklich noch daran glauben, eignet sich diese Übertreibung vom Kranken hin zum Dämonischen natürlich sehr gut, um die erforderliche Distanz entstehen zu lassen. Ihre Monstrosität stellt sicher, dass ihr Auftreten in den Medien als Ausnahmen von der Regel mit einem gewissen Genuss rezipiert werden kann. Sie sind einfach zu anormal, als dass der Leser oder Zuschauer das Gefühl haben müsste, ihnen um die nächste Ecke zu begegnen!«

Ein Erschaudern ging durch ihren Körper.

»Ist dir kalt?«, fragte ich und rückte sprungbereit auf die Kante des Sessels vor.

»Nein, nein!«, entgegnete Magdalena, »Ich dachte nur daran, wie ich mich damals an jedem Samstag, der auf das freitagabendliche XY folgte, gefürchtet habe, wenn ich aus dem Haus ging.« Dann zog sie sich die Decke sorgfältig über die Schulter, und ich dachte: Und ihr ist doch kalt! Vielleicht sollte ich forscher sein und sie einfach in den Arm nehmen? Doch bevor ich mich zu einer Tat entschließen konnte, trank sie ihr Glas in einem Zug leer und schickte mich nach Hause. Im ersten Moment war ich enttäuscht, hatte ich doch das Gefühl, den richtigen Augenblick verpasst zu haben, mich ihr zu nähern. Vielleicht denkt sie, ich hätte kein Interesse an ihr?, dachte ich. Doch im Wohnungsflur fragte sie mich, was ich denn morgen vorhabe. Sie würde mich gern wiedersehen. Und so ging ich beschwipst vom Wein und all den sinnlichen Eindrücken und beseelt von dem Gefühl, dass dies doch ein sehr vielversprechender Anfang gewesen war, durch das nächtliche Wuppertal nach Hause. Wie sagte Hesse: Jedem Anfang wohnt ein Zauber inne. Und einen Zauber spürte ich sehr deutlich. Allerdings ahnte ich nicht, dass es nicht die Vorboten einer glücklichen Liebesbeziehung waren, die mich erfüllten. Es war die Magie der Inspiration, die ich zu spüren bekam. Die Ankunft meines Mörders rückte näher.

Ende der Leseprobe aus Boschers Roman „Abschied ist ein scharfes Schwert. Ein Mordsroman“. Der Roman ist bei Amazon als eBook und als Taschenbuch erhältlich.

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Liebe, Lust und Leichen im Keller. Leben und Sterben zwischen Nietzsche, dem Niederrhein und der Müllverbrennungsanlage in Wuppertal, in einer Nebenrolle: die Imperia in Konstanz außer Rand und Band.

„Abschied ist ein scharfes Schwert“ ist ein ungewöhnlich erzählter, an Ironie reicher Mordsroman über einen Schriftsteller und einen Fan, über Gewalt und Gier, Tod und Wiederauferstehung. Eine Lebensgeschichte voller skurriler, ja grotesker Momente. Wir begegnen interessanten Charakteren (mit meist nur kurzer Lebenserwartung) und dämonischen Gestalten. Würzig abgeschmeckt wird das Ganze mit einem Hauch von Philosophie, einem satten Pfund Sex and Crime, einer guten Prise Wahnsinn und zwei Messerspitzen Horror.

„Abschied ist ein scharfes Schwert. Ein Mordsroman“ – ein Buch, das in vielen Genres wildert.

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Ein Blick hinter die Buchstaben… Fragen an den Schriftsteller Jürgen Schmidt

Spannende Romane, faszinierende Geschichten, Figuren, die sich den Leserinnen und Lesern einprägen – ohne die Möglichkeiten des Self-Publishing wären vielleicht viele literarische Schätze nach wie vor verborgen geblieben. Aber seit einigen Jahren ist die Auswahl jenseits der Verlagswerke größer geworden – und das interessante, breit gefächerte Angebot in Eigenregie publizierender Autoren wird, wie z.B. die Bestsellerlisten bei Amazon zeigen, mit Begeisterung angenommen. Einigen dieser Autorinnen und Autoren aus der Self-Publisher-Szene habe ich einen Fragenkatalog vorgelegt. Ich fragte, was mich als Leser oder als Kollege interessierte. Diese so entstandenen „Interviews“ werde ich in loser Folge auf meinem Blog veröffentlichen.

Ich danke allen, die sich meinen Fragen gestellt haben und so allen Interessierten einen Blick hinter die Buchstaben ihrer Bücher gewähren.

Ralf Boscher

Juergen_Schmidt_Portrait
Heute zu Gast auf Boschers Blog: Jürgen Schmidt

Hallo Jürgen, schön, dass ich Dich auf meinem Blog begrüßen darf! Um gleich einzusteigen:

Was siehst Du als Deinen bisher größten schriftstellerischen Erfolg an?

Wenn man Erfolg nicht mit Verkaufszahlen gleichsetzt, ist es „Chiliherzen“. Dieses gemeinsame Buch mit Sandra Wagner hat uns alles abverlangt, obwohl es kein dickes Buch geworden ist. Es war schwierig, mich immer wieder auf Ideen, Launen und Streichvorschläge einzulassen, die aus Sandras Sicht natürlich ihre Berechtigung hatten. Ich war schließlich nicht anders als sie, jeder hat um seine Person im Roman gekämpft. Dass am Ende mit dem Buch eine runde Sache entstanden ist, betrachte ich als Erfolg.

Wer ist Dir die liebste Figur in einem Deiner Romane oder in einer Deiner Geschichten?
Lange_Weg_Amouliani
Ganz klar der Frank aus dem „langen Weg nach Amouliani“. Er ist der Typ, der ich gerne mit Anfang zwanzig gewesen wäre. Ich glaube, dass er mit all seinen Fehlern und seiner Tollpatschigkeit ganz liebenswürdig beim Leser ankommt.

Wer ist Dir die liebste von Dir nicht erschaffene Figur in einem Roman oder einer Geschichte?

Der Jakob aus „Jakob der Lügner“ von Jurek Becker.

Der für Dich gelungenste erste Satz einer Deiner Geschichten?

„Normalerweise machten wir das nicht, aber normalerweise waren auch die Stehplätze in der Nordkurve unser Zuhause.“ (Beginn der Kurzgeschichte „Als Uli Hoeneß mir seinen Platz anbot“, 2015 erscheint ein Buch mit Fußballgeschichten)

Wenn Du nicht Schriftsteller, sondern Musiker wärst – welche Musik würdest Du machen?

Ganz bestimmt deutschsprachige Musik. Rosenstolz, Silly, Revolverheld und die Toten Hosen finde ich sehr gut. Auch ältere, fast vergessene Bands, wenn ich zum Beispiel an Grobschnitt oder Novalis denke. Von den jungen Musikern gefällt mir Christina Stürmer am besten.

Was macht einen Menschen zum Schriftsteller? Das Schreiben oder das Gelesen werden? Oder…?

Schriftsteller ist für mich jemand, der vom Schreiben leben kann. Davon bin ich weit entfernt. Aber jeder Autor möchte natürlich auch gelesen werden. Für mich ist beides wichtig.

Deine Einschätzung: Ist es förderlicher für eine gute Schreibe, mit seiner schriftstellerischen Arbeit seine Brötchen zu verdienen oder einem anderen Brotberuf nachzugehen?

Das kann ich nicht generell beurteilen: Manche benötigen gerade den Druck, um kreativ zu sein. Andere lähmt es … Ich arbeite lieber ohne Zeitdruck.

Von der Grundidee zur fertigen Geschichte: Ist das bei Dir ein gerader Weg oder passiert es Dir, dass Du Dich weit von der Grundidee entfernst?

Die Grundidee bleibt! Was allerdings zwischendurch so alles passiert, entwickelt sich mit der Zeit. Manchmal erstaunt mich die Entwicklung. „Chiliherzen“ war bis 2011 nur eine achtseitige, unveröffentlichte Kurzgeschichte mit dem simplen Titel „Dazwischen“. Aus einigen sinnvollen Ergänzungen wurde am Ende tatsächlich ein langer Prozess und ein Taschenbuch mit 160 Seiten.

Welcher Art sind die Szenen, die für Dich die größten Herausforderungen stellen?

Alles Neue ist eine große Herausforderung. Vor zwei Monaten habe ich angefangen, einen Krimi zu schreiben. Ich weiß nicht einmal, ob ich das kann. Es ist aber eine riesige Herausforderung, das solange zu versuchen, bis alles stimmig ist und Leute das mögen. Im Moment bin ich mit großer Begeisterung dabei und lege ein Schreibtempo vor, das mir bislang fremd war.

Was bereitet Dir die größte Freude beim Schreiben?

Gelungene Formulierungen. Bei manchen meiner Sätze kann ich später gar nicht glauben, dass die von mir sein sollen.

Der für Dich wertvollste Schreibtipp, den Du erhalten hast?

Kam von Heinz Körner, dem Autor von „Johannes“. Damals wäre ich fast im Lucy-Körner-Verlag untergekommen. Der letztendliche Ablehnungsgrund lautete, im gesamten Manuskript wären die Soldaten immer die schlechten Menschen, Kriegsdienstverweigerer dagegen grundsätzlich die guten. Der Vorwurf war berechtigt. Ich war gerade über zwanzig und hatte zu sehr auf meine Freunde aus der Friedensbewegung gehört. Seitdem versuche ich alles auch aus der Perspektive des Anderen zu betrachten.

Manchmal noch Papier und Stift? Oder nur noch Schreiben am Rechner?

Rechner! Notizen zu den Personen, Orten oder der zeitlichen Übersicht mache ich mir in einem extra Heft. Da kommt alles rein, denn sonst passiert es, dass Paula einmal blaue und später braune Augen hat.

Welches Schreibprogramm nutzt Du?

Microsoft Word.

Schreibzeiten: Wann schreibst Du? Schreibst Du an festgelegten Uhrzeiten oder setzt Du Dir zum Beispiel pro Tag eine Zeichenmenge?

Nein, davon halte ich nichts! Manchmal schreibe ich drei Wochen gar nichts, dann an drei Tagen hintereinander ganze Abende. Ein gelungener Tag kann 3.000 Wörter beinhalten oder auch nur die Idee zu einer zusätzlichen Person in der Geschichte. Die Menge allein besagt wenig.

Wie viel Zeit verwendest Du am Tag für das Marketing? Und welche Kanäle nutzt Du für die Werbung?

Nur ein bisschen Werbung bei Facebook und auf meiner Homepage. Die Verlockung bei Facebook ist natürlich riesengroß: Wenn ich Werbung in einige Gruppen poste, werden nach einigen Stunden Verkäufe bei Amazon sichtbar. Allerdings erhöht sich mit jedem Posting auch die Gefahr, Leute zu nerven. Das möchte ich nicht. Einige Autoren mit extremer, fast aggressiver Werbung sind mir inzwischen sehr unsympathisch geworden. Das ist mir eine Warnung.

Die „Thomas Mann“-Frage: Du schreibst, Deine Frau oder Freundin kommt herein oder ein guter Freund ruft an oder Dein Kind möchte etwas von Dir wissen – verbittest Du Dir die Störung, weil Du schreibst, oder lässt Du Dich auf die „Planänderung“ ein?

In der Regel sollten Menschen wichtiger sein. Sollte ich gerade tatsächlich eine super Idee haben, mache ich mir Notizen, dann müssen die Leute vielleicht zehn Minuten warten. Wenn gerade niemand zur Notaufnahme gefahren werden muss, ist das doch ein guter Kompromiss, oder?

Die „Charles Bukowski“-Frage: Hältst Du Alkohol für eine sinnvolle Stimulanz beim Schreiben?

Überhaupt nicht. Wenn ich was trinken will, mache ich vorher Schluss. Das schließt natürlich nicht aus, dass sich beim Feierabend-Bier noch brauchbare Ideen entwickeln können. Das kommt sogar häufig vor.

Du gehst schlafen, liegst bereits im Bett, das Licht ist aus – da kommt Dir eine Schreibidee in den Kopf: Stehst Du auf und notierst Dir die Idee?

Selbst mitten in der Nacht mach ich das, wäre doch sonst schade um die Idee!

Hast Du mit einer Geschichte abgeschlossen, wenn Du unter sie ein „Ende“ gesetzt hast?

Nein, eine Geschichte ist abgeschlossen, wenn sie veröffentlicht ist. Vorher gibt es immer noch etwas zu verbessern. Theoretisch auch später noch, aber dann sag ich mir: Es ist, wie es ist. Irgendwann muss auch Schluss sein.

Vielen Dank Jürgen, dass Du Dir die Zeit genommen hast, diesen „Blick hinter die Buchstaben“ zu ermöglichen!

Ich danke dir, Ralf. Mir hat es Spaß gemacht.

Chiliherzen
Jürgen Schmidt, geboren in Geldern am Niederrhein, erlernte zunächst den Beruf des Buchdruckers. Später besuchte er die Fachoberschule für Sozialpädagogik. Heute ist er als Fachkraft für Arbeits- und Berufsförderung bei den Nordeifelwerkstätten beschäftigt. Er wohnt in Grevenbroich und Bad Münstereifel. Jürgen Schmidt ist Herausgeber und Autor der Bücher „Herz kopfüber“, „Zwischen Heine und Altbier“, „Die Nebelfrau“ und „Dichter Nebel am Niederrhein“. Im Herbst 2012 erschien sein Roman „Der lange Weg nach Amouliani“, zusammen mit Sandra Wagner schrieb er den Roman „Chiliherzen“ (2013). Im Moment arbeitet er an einem Münstereifel-Krimi und an einem Erzählband mit Geschichten aus dem Mönchengladbacher Stadion.

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  • Demnächst zu Gast auf Boschers Blog: Die Schriftstellerin Elsa Rieger
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Ein Blick hinter die Buchstaben… Fragen an den Schriftsteller Béla Bolten

Spannende Romane, faszinierende Geschichten, Figuren, die sich den Leserinnen und Lesern einprägen – ohne die Möglichkeiten des Self-Publishing wären vielleicht viele literarische Schätze nach wie vor verborgen geblieben. Aber seit einigen Jahren ist die Auswahl jenseits der Verlagswerke größer geworden – und das interessante, breit gefächerte Angebot in Eigenregie publizierender Autoren wird, wie z.B. die Bestsellerlisten bei Amazon zeigen, mit Begeisterung angenommen. Einigen dieser Autorinnen und Autoren aus der Self-Publisher-Szene habe ich einen Fragenkatalog vorgelegt. Ich fragte, was mich als Leser oder als Kollege interessierte. Diese so entstandenen „Interviews“ werde ich in loser Folge auf meinem Blog veröffentlichen.

Ich danke allen, die sich meinen Fragen gestellt haben und so allen Interessierten einen Blick hinter die Buchstaben ihrer Bücher gewähren.

Ralf Boscher

Béla Bolten
Heute zu Gast auf Boschers Blog: Béla Bolten

Hallo Béla, schön, dass ich Dich auf meinem Blog begrüßen darf! Um gleich einzusteigen:

Was siehst Du als Deinen bisher größten schriftstellerischen Erfolg an?

Die Frage ist nicht leicht zu beantworten, denn ich muss trennen zwischen dem Krimiautor Béla Bolten, den du hier befragst, und dem Sachbuchautor, der ich unter meinem bürgerlichen Namen bin. Als solcher habe ich 1988 ein Buch mit dem Titel „Nach unbekannt verzogen“ geschrieben, in dem ich die Schicksale der jüdischen Bürger meiner Heimatstadt in der NS-Zeit dokumentiere. Dass dieses Buch in die Bibliothek der Gedenkstätte Yad Vashem aufgenommen wurde und ich damit einen winzigen Beitrag wider das Vergessen leisten konnte, betrachte ich noch heute als meinen größten Erfolg als Autor.

Da du mich aber als Béla ansprichst, will ich dir auch hier die Antwort nicht schuldig bleiben. Ich hätte nie geglaubt, dass man es mit zeithistorischen, im Zweiten Weltkrieg spielenden Kriminalromanen in die TOP 10 der Amazon-Charts schafft. Das ist ja nun wirklich kein Mainstream und es macht mich stolz, das erreicht zu haben.

Wer ist Dir die liebste Figur in einem Deiner Romane oder in einer Deiner Geschichten?
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Alexander Thal, der Ermittler in meinen Bodenseekrimis. Er ist mir einfach ans Herz gewachsen mit seiner Trauer, die er in Leas Vermächtnis durchleben muss und die ihn fast um den Verstand bringt. Ein paar seiner Eigenschaften habe ich außerdem bei mir selbst entlehnt, und einige andere hätte ich selber gerne.

Wobei, wenn ich jetzt so darüber nachdenke: Seit Claras Schatten gefällt mir Madlaina Veicht immer besser, Thals Schweizer Kollegin und …. – das lassen wir mal noch offen. Mit der Figur habe ich jedenfalls noch einiges vor.

Wer ist Dir die liebste von Dir nicht erschaffene Figur in einem Roman oder einer Geschichte?

Tom Ripley, der Titelheld in gleich fünf Romanen von Patricia Highsmith. Wobei hier der Begriff „liebste Figur“ missverständlich ist, denn Ripley ist der amoralische Held schlichtweg. Für mich ist Patricia Highsmith bis heute die Königin des „Suspense“. Sie leuchtet ihren Helden bis in den letzten Winkel seiner Seele aus und treibt uns Leser dazu, diesen Widerling zu mögen, mit ihm zu fiebern, ihm zu verfallen. Einfach großartig!

Der für Dich gelungenste erste Satz einer Deiner Geschichten?

Sehr schwierige Frage. Meine ersten Sätze sind oft stakkatohaft kurz, weil ich die Leser direkt in die Geschichte ziehen möchte. Vielleicht ist es der Anfang des Thrillers „Das Jesuskomplott“, weil er die Stimmung der Situation, in der sich der Protagonist befindet, gut einfängt: „Engel nahm den Finger von Sanikas Hals und wischte ihn an seiner Hose ab, als müsse er die Erinnerung an die kühle Haut von jeder Nervenfaser tilgen. „

Wenn Du nicht Schriftsteller, sondern Musiker wärst – welche Musik würdest Du machen?

Rock und Rhythm and Blues, wie ihn die Stones in ihren besten Tagen gespielt haben.

Was macht einen Menschen zum Schriftsteller? Das Schreiben oder das Gelesen werden? Oder…?

Schreiben und gelesen werden zusammen, denke ich. Es kann einen Menschen sehr bereichern, nur für sich zu schreiben, allerdings würde ich ihn dann nicht Schriftsteller oder Autor nennen. Dazu gehört der Wille, das Ergebnis seiner Arbeit der Öffentlichkeit zu übergeben und zuzusehen, wie sich das Werk durch die Leser verändert.

Deine Einschätzung: Ist es förderlicher für eine gute Schreibe, mit seiner schriftstellerischen Arbeit seine Brötchen zu verdienen oder einem anderen Brotberuf nachzugehen?

Das kann ich kaum beantworten, weil mein Brotberuf seit nunmehr elf Jahren das Schreiben ist, konkret die Auftragsschreiberei bzw. das Ghostwriting. Ich sitze also Tag für Tag am Computer und schreibe, was, so glaube ich zumindest, meinem Stil sehr gut getan hat. Schreiben ist zu einem großen Teil Handwerk und das will geübt werden. Mein belletristisches Schreiben hat zudem sehr davon profitiert, dass ich mich mit verschiedenen Genres beschäftigen musste. Inzwischen hat sich der Schwerpunkt meiner Arbeit mehr und mehr vom Auftragsautor weg und zum Schriftsteller hin verschoben, trotzdem genieße ich es, immer mal wieder etwas ganz anderes schreiben zu dürfen.

Von der Grundidee zur fertigen Geschichte: Ist das bei Dir ein gerade Weg oder passiert es Dir, dass Du Dich weit von der Grundidee entfernst?

Ich bin ein fanatischer und detaillierter Plotter. Ich konstruiere meine Geschichten sehr exakt, sodass beim Schreiben nicht mehr viel Spielraum für Veränderungen bleibt. Während der Entwicklungsphase eines Plots kann es aber vorkommen, dass ich eine ursprüngliche Idee abwandele oder sogar ganz verwerfe.

Welcher Art sind die Szenen, die für Dich die größten Herausforderungen stellen?

In meinen zeithistorischen Krimis um den Berliner Polizisten Axel Daut treten Figuren der Zeitgeschichte auf. In „Codewort Rothenburg“ zum Beispiel die Widerstandskämpfer Libertas und Harro Schulze-Boysen oder in „Der Aufbewarier“ die Schauspielerin und Sängerin Zarah Leander. Diese Figuren lebendig agieren und sprechen zu lassen, ohne dass ihre Darstellung zu einer Kolportage oder gar einer überzeichneten Karikatur verkommt, ist immer wieder eine große Herausforderung. Um diesen Menschen gerecht zu werden, schaue ich mir so viel Bild- und Filmmaterial wie möglich an. Keine anderen Textpassagen überarbeite und verändere ich so oft, wie die Dialoge mit Personen der Zeitgeschichte.

Was bereitet Dir die größte Freude beim Schreiben?

Gott zu spielen, Menschen und ihre Geschichten zu erfinden. Anders gesagt: die Entwicklung des Plots.

Der für Dich wertvollste Schreibtipp, den Du erhalten hast?

Es sind zwei Tipps und sie scheinen sich sogar zu widersprechen. Der erste lautet: Du musst lesen. Sehr viel lesen und vor allem Bücher, deren Schöpfer besser schreiben als du selbst. Es bringt einen als Autor nicht weiter, wenn man sagt, „das kann ich auch“. Ich lerne nur von den Meistern, nicht von den anderen Lehrlingen. Der zweite Tipp lautet: Schreiben, schreiben, schreiben! Denn nur durch die beständige Übung verbessert man sich.

Manchmal noch Papier und Stift? Oder nur noch Schreiben am Rechner?

Nur am Rechner – ausschließlich und schon lange. Mein erstes Schreibprogramm war Wordstar und wurde auf 5,25 Zoll Floppy Disk ausgeliefert. Vermutlich weiß der größte Teil der Leser dieses Interviews nicht mal mehr, wovon der Opa hier erzählt, deshalb konkret: Ich schrieb zum ersten Mal 1984 auf einem Computer und so halte ich es seit dreißig Jahren.

Welches Schreibprogramm nutzt Du?

Papyrus Autor. Das ist für mich das mit Abstand beste Werkzeug, das ein Autor zur Verfügung hat. Kein Wunder, hat doch mit Andreas Eschbach ein Großer unserer Zunft bei der Entwicklung Pate gestanden. Kein anderes Programm ist so durchdacht und bietet so viele Hilfestellungen – ich nenne hier nur den perfekt integrierten Duden Korrektor, den Thesaurus und vor allem die für mich inzwischen unverzichtbare Stilanalyse. Wenn ein Schreibprogramm einen Autor besser machen kann, dann Papyrus.

Schreibzeiten: Wann schreibst Du? Schreibst Du an festgelegten Uhrzeiten oder setzt Du Dir zum Beispiel pro Tag eine Zeichenmenge?

Schreiben ist mein Beruf, dem ich täglich nachgehe. Ich setzte mir jeden Tag ein bestimmtes Ziel. In der Phase des Plottens lege ich fest, wie viele Kapitel ich an einem Tag planen will. In der eigentlich Schreibphase definiere ich eine bestimmte Textmenge, in der Regel sind es zwei- bis dreitausend Wörter pro Tag. Kolleginnen und Kollegen, die einem nicht schreibenden Brotberuf nachgehen, werden das vielleicht für utopisch halten, aber ich sitze nun mal einen kompletten Arbeitstag – und der kann auch schon mal mehr als acht Stunden haben – am Schreibtisch und arbeite am Manuskript. Da relativiert sich das.

Wie viel Zeit verwendest Du am Tag für das Marketing? Und welche Kanäle nutzt Du für die Werbung?

Das ist sehr unterschiedlich. Wenn ein Buch neu erscheint, wende ich mehr Zeit dafür auf als zu anderen Zeiten. Ich nutze Facebook und Twitter und habe meine eigene Website. Meinen Schreibtäter-Blog habe ich in der letzten Zeit sträflich vernachlässigt, ich gelobe meinen Leserinnen und Lesern Besserung.

Bereitet Dir das Schreiben größere Freude, seitdem es mehr Möglichkeiten der Veröffentlichung gibt (E-Books, Selfpublishing…)?

Vor allem haben mir diese neuen Publikationsmöglichkeiten die Chance eröffnet, den Schwerpunkt meiner Arbeit mehr und mehr vom Auftragsschreiben zum selbstbestimmten belletristischen Schreiben zu verschieben. Ich muss heute nicht mehr jeden Auftrag annehmen, damit mein Kühlschrank gefüllt ist. Für diese Freiheit bin ich sehr dankbar. Außerdem behalte ich über den gesamten Prozess bis zur Publikation des fertigen Buches die Kontrolle. Es macht mir großen Spaß, an jedem einzelnen Schritt beteiligt zu sein und meine Wünsche einbringen zu können.

Die „Thomas Mann“-Frage: Du schreibst, Deine Frau oder Freundin kommt herein oder ein guter Freund ruft an oder Dein Kind möchte etwas von Dir wissen – verbittest Du Dir die Störung, weil Du schreibst, oder lässt Du Dich auf die „Planänderung“ ein?

Das lässt sich pauschal nicht beantworten. Grundsätzlich habe ich das Problem aller Freiberufler, die ausschließlich zu Hause arbeiten, Störungen zu minimieren. Ich kommuniziere klar und deutlich, wenn ich nicht gestört werden will. Außerdem schreibe ich gerne am Abend, da habe ich eh mehr Ruhe.

Die „Charles Bukowski“-Frage: Hältst Du Alkohol für eine sinnvolle Stimulanz beim Schreiben?

Die beste Antwort darauf hat Hemingway, der große Zecher, gegeben. „Write drunk, edit sober.“ Wobei das „drunk“ bei mir sicher nicht funktionieren würde, aber ein Glas Rotwein darf es schon mal sein, wenn ich abends noch spät am Schreibtisch sitze.

Du gehst schlafen, liegst bereits im Bett, das Licht ist aus – da kommt Dir eine Schreibidee in den Kopf: Stehst Du auf und notierst Dir die Idee?

Ich brauche nicht aufzustehen, denn auf dem Nachttisch liegen Notizblock und Stift, die ich relativ häufig benutze. Es ist erstaunlich, wie oft einem etwas einfällt, wenn man völlig abschaltet. Wenn ich es dann nicht sofort aufschreibe, lässt mich die Idee die ganze Nacht am Schlafen hindern.

Hast Du mit einer Geschichte abgeschlossen, wenn Du unter sie ein „Ende“ gesetzt hast?

Wenn sie endgültig publiziert ist – das heißt, wenn die Arbeit vollständig getan ist – lasse ich die Geschichte los. Das gelingt mir am besten, wenn ich gleich mit einer neuen Arbeit beginne, also fange ich unmittelbar mit dem Plot der nächsten Geschichte an.

Vielen Dank Béla, dass Du Dir die Zeit genommen hast, diesen „Blick hinter die Buchstaben“ zu ermöglichen!

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Béla Bolten ist ein Pseudonym des Autors Matthias Brömmelhaus. 1957 im Münsterland geboren, lebt und schreibt er jetzt in Konstanz am Bodensee. Unter seinem Realnamen arbeitete er nach dem Studium zunächst als Historiker und veröffentlichte verschiedene Artikel und Sachbücher zur Zeitgeschichte. 2003 eröffnete er den Autobiografieservice und gehört heute zu den erfolgreichsten »Personal Historians« im deutschsprachigen Raum. (Quelle)

Blog von Béla Bolten
Amazon-Autorenprofil
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Béla Bolten – Schreibtischtäter
Autobiografieservice Matthias Brömmelhaus

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Ein Blick hinter die Buchstaben… Fragen an die Schriftstellerin Birgit Böckli

Spannende Romane, faszinierende Geschichten, Figuren, die sich den Leserinnen und Lesern einprägen – ohne die Möglichkeiten des Self-Publishing wären vielleicht viele literarische Schätze nach wie vor verborgen geblieben. Aber seit einigen Jahren ist die Auswahl jenseits der Verlagswerke größer geworden – und das interessante, breit gefächerte Angebot in Eigenregie publizierender Autoren wird, wie z.B. die Bestsellerlisten bei Amazon zeigen, mit Begeisterung angenommen. Einigen dieser Autorinnen und Autoren aus der Self-Publisher-Szene habe ich einen Fragenkatalog vorgelegt. Ich fragte, was mich als Leser oder als Kollege interessierte. Diese so entstandenen „Interviews“ werde ich in loser Folge auf meinem Blog veröffentlichen.

Ich danke allen, die sich meinen Fragen gestellt haben und so allen Interessierten einen Blick hinter die Buchstaben ihrer Bücher gewähren.

Ralf Boscher

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Heute zu Gast auf Boschers Blog: Birgit Böckli

Hallo Birgit, schön, dass ich Dich auf meinem Blog begrüßen darf! Um gleich einzusteigen:

Was siehst Du als Deinen bisher größten schriftstellerischen Erfolg an?

Hallo Ralf, vielen Dank für die Einladung zum Interview. Mein bislang größter Erfolg war ganz klar der Verlagsvertrag für meinen Krimi Friesensturm. Ich hatte eine Leseprobe auf der Online-Plattform Neobooks eingestellt, wo Autoren ihre Texte vorstellen können und mit etwas Glück von den Mitarbeitern des Lektorats wahrgenommen werden. Schon nach kurzer Zeit wurde mein Buch von den Lesern auf einen der vorderen Ränge geschickt, und da der Roman thematisch genau ins Programm passte, erhielt ich als erster Neobooks-Autor nicht nur einen Ebook- sondern auch einen Taschenbuchvertrag im Knaur Verlagsprogramm. Das war damals sehr aufregend.

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Wer ist Dir die liebste Figur in einem Deiner Romane oder in einer Deiner Geschichten?

Das ist Lore Badowski, die chaotische, aber liebenswerte Hauptfigur aus meinem heiteren Frauenroman Lore macht Urlaub. Lore ist eine Figur, die polarisiert. Mit ihrer schrägen, lauten Art geht sie manchen Lesern wohl ziemlich auf die Nerven, andere hingegen lieben ihre lebensfrohe Art und die oftmals naiven Versuche, ihr Leben zu meistern.

Wer ist Dir die liebste von Dir nicht erschaffene Figur in einem Roman oder einer Geschichte?

Das ist Beverly Marsh aus Stephen Kings ES. Ich finde es toll, wie dieses kleine Mädchen mit den Misshandlungen und der Angst umgeht, die ihr Leben bestimmen, und sich trotzdem ganz selbstverständlich für Gerechtigkeit einsetzt und ihre Freunde verteidigt.

Der für Dich gelungenste erste Satz einer Deiner Geschichten?

„Für Frau Hahn gab es nur eine Sache, die noch unangenehmer hätte sein können als unerträgliche Mieter, und das war die Vorstellung, beim Schnüffeln erwischt zu werden.“ Aus Lore macht Urlaub

Wenn Du nicht Schriftstellerin, sondern Musikerin wärst – welche Musik würdest Du machen?

Ich bin tatsächlich Mitglied in einem Vocalensemble und habe bereits erste Versuche gestartet, eigene Songs zu schreiben. Ich mag am liebsten klassische Popmusik oder RnB.

Was macht einen Menschen zum Schriftsteller? Das Schreiben oder das Gelesen werden? Oder…?

Wer schreibt, ist zunächst einmal ein Autor. Als Schriftsteller betreibt man das Schreiben möglichst professionell und mit dem Ziel, seine Leser zu erreichen. Daher würde ich zu Antwort zwei tendieren, das „Gelesen-Werden“.

Deine Einschätzung: Ist es förderlicher für eine gute Schreibe, mit seiner schriftstellerischen Arbeit seine Brötchen zu verdienen oder einem anderen Brotberuf nachzugehen?

Das hat wohl beides seine Vor- und Nachteile. Zum Schreiben und Überarbeiten der Bücher kommt ja heutzutage meist auch noch das Marketing hinzu, Kontakte müssen geknüpft und gepflegt werden, es gilt, Lesungen zu halten oder Vorträge zu organisieren. All das gemeinsam mit einem Brotberuf zeitlich unter einen Hut zu bringen, ist schon sehr anstrengend. Das liegt nicht jedem gleich gut und kann sicherlich auch zum Erschöpfen der Kreativität führen. Andererseits gibt einem das Feedback der Leser auch einen gewissen Auftrieb, der gerade bei kreativen Berufen sehr wichtig ist. Und wirklich allein vom Schreiben zu leben ist ein Traum, den sich leider nur wenige Autoren erfüllen können. Am wichtigsten, um einen guten Stil zu entwickeln, ist aber meiner Meinung nach, dass der Autor viel schreibt und auch selbst liest.

Von der Grundidee zur fertigen Geschichte: Ist das bei Dir ein gerader Weg oder passiert es Dir, dass Du Dich weit von der Grundidee entfernst?

Meistens bleibt der Grundgedanke erhalten, vorausgesetzt, es gab überhaupt schon einen Plot. Ich habe auch schon Geschichten mit einer einzelnen Szene oder einem bestimmten Satz begonnen, ohne zu wissen, was dabei herauskommen würde.

Welcher Art sind die Szenen, die für Dich die größten Herausforderungen stellen?

Das sind in der Regel die eher unspektakulären Szenen, die aber dennoch für den Verlauf der Handlung unerlässlich sind. Da ist es oft schwer, die Spannung aufrechtzuerhalten.

Was bereitet Dir die größte Freude beim Schreiben?

Am liebsten mag ich die Vorarbeit, die sich eigentlich nur im Kopf abspielt. Wenn sich die Handlung nach und nach entfaltet und ich weiß, dass ich demnächst loslegen kann. Und natürlich den Flow, wenn es ganz einfach läuft, ohne dass ich dabei nachdenken muss.

Der für Dich wertvollste Schreibtipp, den Du erhalten hast?

Es klingt vielleicht seltsam, aber ich bin lange Zeit überhaupt nicht auf die Idee gekommen, dass man eine Geschichte kürzen und überarbeiten muss. Jahrelang war ich der Meinung, eine einmal geschriebene Geschichte sei ein Kunstwerk, das man nicht mehr verändern dürfe, bis ich zufällig in einem Schreibratgeber auf ein Kapitel über die Überarbeitung von Texten stieß.

Manchmal noch Papier und Stift? Oder nur noch Schreiben am Rechner?

Ich arbeite immer noch gerne mit Stift und Papier. Da habe ich eine stärkere Verbindung zum Text als über die Tastatur.

Welches Schreibprogramm nutzt Du?

Ich benutze Word 2007

Schreibzeiten: Wann schreibst Du? Schreibst Du an festgelegten Uhrzeiten oder setzt Du Dir zum Beispiel pro Tag eine Zeichenmenge?

Ich schreibe hauptsächlich vormittags und versuche dabei, eine bestimmte Seitenzahl zu erreichen, manchmal zehn, manchmal auch nur vier Seiten. Je nachdem, wie viel Zeit ich gerade habe und wie dringlich das Projekt ist.

Wie viel Zeit verwendest Du am Tag für das Marketing? Und welche Kanäle nutzt Du für die Werbung?

Das ist sehr unterschiedlich bei mir. Natürlich nutze ich in begrenztem Maße auch die üblichen Kanäle wie Facebook oder Twitter. Ich halte allerdings nichts davon, den Leuten mit Dauerbeschallung auf die Nerven zu fallen, daher streue ich nur hin und wieder kleinere Hinweise zu meinen Büchern ein. Einzelne Aktionen können aber schon mal viel Zeit in Anspruch nehmen. So habe ich auch schon kleinere Offline-Kampagnen gestartet und beispielsweise als Hexe verkleidet Halloween-Schokolade in der Fußgängerzone verteilt, um auf eine neue Gruselgeschichte hinzuweisen.

Bereitet Dir das Schreiben größere Freude, seitdem es mehr Möglichkeiten der Veröffentlichung gibt (E-Books, Selfpublishing…)?

Dass mir das Schreiben an sich dadurch mehr Freude macht, würde ich nicht sagen, aber die Möglichkeiten, die das Netz heutzutage bietet, gefallen mir persönlich sehr gut. Ich arbeite ja zum Teil mit einem Verlag zusammen, gleichzeitig veröffentliche ich aber auch Bücher als Selfpublisher. Ich finde es einfach unheimlich spannend, auszuprobieren, was funktioniert und was nicht und einen direkten Draht zu meinen Lesern zu haben.

Die „Thomas Mann“-Frage: Du schreibst, Dein Mann oder Freund kommt herein oder ein guter Freund ruft an oder Dein Kind möchte etwas von Dir wissen – verbittest Du Dir die Störung, weil Du schreibst, oder lässt Du Dich auf die „Planänderung“ ein?

Für mein Kind bin ich grundsätzlich immer zu sprechen, ich habe sogar schon halbe Bücher geschrieben mit Kind auf dem Schoß. Das Telefon würde ich unter Umständen auch mal klingeln lassen.

Die „Charles Bukowski“-Frage: Hältst Du Alkohol für eine sinnvolle Stimulanz beim Schreiben?

Nein, weder Alkohol noch andere berauschende Drogen.

Du gehst schlafen, liegst bereits im Bett, das Licht ist aus – da kommt Dir eine Schreibidee in den Kopf: Stehst Du auf und notierst Dir die Idee?

Morgens passiert mir das öfter, wenn ich mich an einen interessanten Traum erinnere. Den schreibe ich dann auch auf. Nachts bin ich zu faul dazu.

Hast Du mit einer Geschichte abgeschlossen, wenn Du unter sie ein „Ende“ gesetzt hast?

Nicht immer. Es gibt einzelne Figuren, die mich noch lange nach Vollendung der Geschichte begleiten. Wenn jedoch die Überarbeitung an einem Text sehr anstrengend war, bin ich schon froh, wenn ich die Geschichte endlich abschließen kann.

Vielen Dank Birgit, dass Du Dir die Zeit genommen hast, diesen „Blick hinter die Buchstaben“ zu ermöglichen!

Friesensturm
Birgit Böckli ist Autorin von Krimis und Gruselgeschichten. (Quelle). Geboren 1972 in Mönchengladbach Rheydt, lebt sie seit Anfang der Achtziger in einer Kleinstadt in Nordbaden. Mit dem Schreiben begann sie schon in frühester Kindheit. So entstanden im Laufe der Zeit eine große Anzahl an Kurzgeschichten, in den letzten Jahren auch längere Erzählungen und erste Romane. Mit ihren Texten möchte Birgit Böckli nicht nur unterhalten, sondern auch aufrütteln und zum Nachdenken anregen. (Quelle)

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