Die Idee bei einem unbekannten Roman die Seite 99 zu lesen, um sich von der Qualität zu überzeugen, geht auf den britischen Autor Ford Maddox Ford (u.a. „Keine Paraden mehr“) zurück. Gefällt einem diese Seite, will man erfahren, was auf den 98 Seiten zuvor geschah, wird man neugierig auf das, was noch folgen mag. Das erste Mal von dieser Idee von Maddox habe bei Béla Bolten gelesen. Auf der Internetplattform Seite 99 findet Ihr viele entsprechende Leseproben.
Und hier nun die Seite 99 meines ersten Romans „Engel spucken nicht in Büsche. Roman über Liebe, Tod und Teufel“:
„Das Geschirr ließ Hartmut auf dem Tisch stehen. Er pustete die Kerze aus, und zufrieden gestimmt durch das gute Essen blieb er eine Weile im Dunkeln sitzen. Dann ging er auf die Toilette.
Er zog den Seidenmantel aus. Nackt setzte er sich auf die kalte Klobrille, stützte seine Hände auf seine Oberschenkel und betrachtete sich in dieser Pose lange in dem Spiegel, den er vor geraumer Zeit direkt davor an die Wand geschraubt hatte. Stolz tastete er mit den Augen seinen flachen, muskulösen Bauch ab, dem man das gerade verzehrte üppige Mahl nicht ansah. Dann spannte er seine Brustmuskulatur ein wenig an, und darüber vergaß er fast seinen Stuhlgang. Aber auch nur fast. Schließlich ließ Hartmut von seinen Betrachtungen ab und konzentrierte sich auf die Kontraktion der Enddarmmuskulatur und die Erschlaffung seines Schließmuskels bei gleichzeitiger Betätigung der Bauchpresse.
Körpergefühl war ihm enorm wichtig, und wie Zahnpflege, Muskeltraining und ab und zu Sex gehörte auch ausgiebiger Stuhlgang zu einem gelungenen Tag. Zu spüren, wie der Körper und dass er gut funktionierte, war für ihn eine Form von Glück. Und in diesem Sinne lag Hartmut dann wenig später mit dem Rücken und nackt auf der Hantelbank, stemmte wieder und wieder das Gewicht über den Kopf.
Wie immer, wenn er seine Übungen durchzog, dachte er an das Mädchen, dachte er an diesen düstersten Punkt seiner Vergangenheit. Er riss die Hantel hoch und sah ihre Augen, die ihn erst voller Hoffnung angeblickt hatten und dann nur noch tot gewesen waren. Er saugte neue Luft in seinen Brustkorb hinein und stemmte das Gewicht: die Jungen hatten ihn auf den Boden geschmissen, unfähig und schwach, wie er damals gewesen war. Langsam senkte er die Hantel herab… Hartmut lag wieder auf dem Mädchen, Wange an Wange, sah in ihre toten Augen, fühlte sich schuldig, ihr nicht geholfen zu haben… und stemmte die Hantel wieder hoch… unfähig und schwach war er… Sein Schweiß tropfte auf den Boden, er kämpfte gegen das Gewicht an… und dann kamen die Tritte, und er, unfähig und schwach, ließ sie geschehen. Und wieder Tritte. Und Blut tropfte auf den Boden und… die Hantel hoch, sein Schweiß rann durch die Haare auf seiner Brust und die Hantel wieder hoch und wieder… Tritte und schwach, SCHWACH lag er mit dem Kopf in ihrem Blut und… Schweiß tropfte von seiner Stirn und sein Körper glänzte“
Zum Roman:
Engel spucken nicht in Büsche: Roman über Liebe, Tod und Teufel, von Ralf Boscher
Der Tod ist in die Stadt gekommen, und er ist auf einer Mission. „Abtreibungskiller“ nennt ihn schon bald die Presse. Der Polizei gelingt es nicht, den heimtückischen Frauenmörder zu stoppen. Gelingt dies Hartmut, dem Krankenpfleger mit einer ausgeprägten Vorliebe für Prostituierte? Der Tod ist in die Stadt gekommen, und düstere Visionen quälen den aufstrebenden Künstler Krish. “Kann es sein, dass ich nicht nur male, was war, sondern auch, was sein wird?” Wo ist seine große Liebe Helen? Ist ihr etwas zugestoßen? Nein. Ja. Aber sie lebt. Noch. Denn nun ist der Mörder auf dem Weg zu ihr.
“Engel spucken nicht in Büsche” – eine packende Geschichte. Lebendige Figuren, die Sie nicht vergessen werden. Starke Frauen. Ein teuflischer Mörder. Männer zwischen Sehnsucht und Furcht, getrieben. Ein Krimi. Ein Roman über den Verlust der Unschuld. Erotisch. Hart. Zärtlich. Schonungslos. Ein spannendes Buch über Hoffnung und Schmerz, über Liebe, Leid und Lust.
Erhältlich Taschenbuch in allen Buchhandlungen