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Am Bodensee – Leseprobe aus „Abschied ist ein scharfes Schwert. Ein Mordsroman“

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„Gemütliche Spaziergänge am Ufer entlang, auf einer Bank am See sitzen und Schwäne und Enten und Blesshühner beobachten und in der Sonne ihren Lauten und der Melodie meiner Aufzeichnungen lauschen, das wäre es gewesen. Dann ein Bummel durch die Altstadt. Ein Guten-Abend-Bier in einem der vielen Biergärten in milder Abenddämmerung. Oder geruhsame Abstecher mit dem gereinigten und wohlriechenden Auto ins Hinterland. In Gaienhofen vor Hesses Haus sitzen und eine Zigarette rauchen. Wie die Mönche vor langer Zeit im Kräutergarten auf der Reichenau die Gedanken gerade so gehen lassen, wie sie kommen. Oder mit dem Schiff stromabwärts und bei Schaffhausen den Rheinfall bestaunen. Gischt wie ein Lächeln im Gesicht und die Gewissheit im Herzen, dass es immer so sein wird. Das Leben ein ruhiger langer Fluss, und wenn etwas rasend den Bach runtergeht, dann ist es keine Tragödie, sondern ein Naturschauspiel, ein Postkartenmotiv.

Das wäre es gewesen, das wäre genauso gewesen, wie Imperia es mir versprochen hatte: Bleib’ auf deinem Platz, und du wirst die Welt in Händen halten! Ein wenig Konstanz wird dir gut tun! Aber eigentlich hätte ich wissen können, was von den Versprechungen einer Frau zu halten ist.

Trotzdem hätte es ruhig weniger anders kommen können. Es hätte doch wirklich gereicht, dass das Wetter nicht hält, was mein erster Morgen in Konstanz versprach. Oder hab’ ich bei Nemesis an der Theke gestanden: Heute im Angebot: Heimsuchungen aller Art! Geschnitten oder am Stück? Darf es noch ein wenig mehr sein? und Ja! Ja! geschrien? Wohl kaum.“

„Am Bodensee – Konstanz“ – Leseprobe aus Boschers Roman „Abschied ist ein scharfes Schwert. Ein Mordsroman“ (aus einem der Kapitel, die am Bodensee spielen).

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„Der Tod des Autors“

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Dies war eindeutig einer der aufregendsten Tage meines bisherigen Lebens. Selbst jetzt noch, nachdem endlich alles gut ist, treibt es mir, denke ich an jenen Tag, den Puls in die Höhe. Kein Wunder, schließlich war es nicht nur einer der aufregendsten Tage meines Lebens, es war auch mein Letzter. Denn dort in dieser Telefonzelle in Konstanz, auf dem mit Schmutz und kalten Pommes bedeckten Boden, bin ich gestorben.

Allerdings habe ich diese entscheidende Wende in meinem Leben nicht sogleich bemerkt. Es musste erst jemand kommen, mir die Augen öffnen und meinen gefesselten Geist befreien. Nicht unbedingt etwas, für das man sich rühmen könnte. Bin nicht gerade als leuchtender Stern zu Boden gestürzt. Aber es ist nicht einfach, ein Ende großen Stils zu finden. Doch was soll’s, letztlich hat Imperia, trotz allem, was mir zugestoßen ist, ja gerade wegen all dem, Recht behalten mit ihrer Bemerkung, dass Konstanz mir gut tun würde. Zwar musste ich erst sterben, um zu verstehen, bzw. musste verstehen, dass ich gestorben bin, um endlich einzusehen, wie ich mein Leben zu leben habe. Aber besser spät als nie. Der Autor ist tot, lang lebe der Autor!

Diese meine Aufzeichnungen kommen somit bald an ihr Ende. Sie haben ihre Aufgabe erfüllt. Nun da Es dort wurde, wo zuvor Ich war, brauche ich die Leiter nicht mehr. Doch der Vollständigkeit halber hier also das Ende meines alten Egos, ein Ende, dem glücklicherweise der Zauber des Anfangs innewohnt.

Nachdem ich mich vom Boden der Telefonzelle erhoben hatte, war ich mit eingezogenem Kopf wie ein geschlagener Hund, begleitet von diesem Kichern, das von überall her zu kommen schien, durch die Gassen der Konstanzer Altstadt zu meiner Pension gehumpelt. Gezittert vor Angst hab’ ich. Schließlich rechnete ich jeden Augenblick damit, dass sich mir etwas in den Weg stellen würde. Was aber nicht geschah, obwohl ich in meinem Kopf eine Stimme hörte, die (was sonst!) This is the end, my friend! sang. Zwar wunderte ich mich, dass die sich nur mehr auf höhnisches Kichern beschränkten und dass selbst dies verstummte, als ich die Tür meines Pensionszimmer hinter mir verschloss, aber eigentlich war ich dermaßen erleichtert, den Kopf so gerade eben noch aus der Schlinge gezogen zu haben, dass mir das Wieso? Weshalb? Warum? ganz unphilosophisch egal war. Drinnen ist gut, draußen ist schlecht. So einfach ist das. Dachte ich.

Es war nicht so einfach. Ich war ängstlich. Ich war geräuschempfindlich. Ich hatte Rückenschmerzen. Ich fühlte mich eingesperrt. Und es wurde schlimmer von Stunde zu Stunde. Das Schreiben half schließlich nur noch bedingt. Ich versuchte mir einzureden, dass ich in meinem Zimmer sicher bin, dass ich nur ausharren muss, bis ich eine Lösung finde. Es half nichts. Der Eindruck, dass meine ganze Existenz an einem hauchdünnen Faden hängt, der mir zudem mehr und mehr aus den Händen gleitet, wurde immer stärker. Ich ahnte, dass ich meinen Zufluchtsort und die relative Sicherheit, die er mir bot, bald würde verlassen müssen und glaubte, dass es gelinde gesagt gut wäre, bis dahin eine Antwort auf die Frage zu haben: Wie werde ich die los?

Auf die Unscheinbare brauchte ich nicht mehr zu hoffen. Das Thema war endgültig durch. Schon allein deswegen, weil ich mein Zimmer nicht verlassen wollte, um mich in Wuppertal auf die Suche zu machen. Zudem hatte ich ja ihre Telefonnummer vergessen.

Ich war auf das Höchste angespannt. Zerbrach etliche Male, während ich meine Erlebnisse zu Papier brachte, unwillkürlich den Bleistift zwischen meinen Fingern. Ein paar Mal war ich sogar – wie ich zugeben muss – beinahe so weit, mich einfach in die Ecke zu kauern, den Rest meiner Schmerztabletten zu schlucken und bitterlich weinend dem Selbstmitleid freien Lauf zu lassen. Dann soll mich halt der Teufel holen!

Er hatte mich schon längst geholt. Es war wirklich die Hölle, in der ich mich quälte, meine ganz persönliche Hölle. Über ihrem Eingang hatten weder die Worte Der, der du hier eintrittst, lass’ alle Hoffnung fahren! gestanden, noch war sie ein geordnetes, geometrisches Gebilde, das strengen Regeln gehorchte, angefüllt mit unzähligen, sündigen Seelen. Nein, in meiner Hölle war ich allein, allein in einem Durcheinander von Gedanken, das ich durch ein Portal betreten hatte, auf welchem die Worte standen: Wieso? Weshalb? Warum? Nicht auszudenken, wenn meine Seele in dieser Finsternis verharrt hätte, wenn ich auf meinem Weg, den ich zugehen hatte, weiterhin auf halber Strecke stehen geblieben wäre…

Aber glücklicher- und überraschenderweise bekam ich einen Führer zur Seite gestellt, der mich ins Licht führte. Doch bevor mir die Erlösung zuteilwurde, wurde mein Nervenkostüm noch auf eine letzte Probe gestellt. Ich beschrieb gerade meinen Zusammenbruch in der Telefonzelle auf der Marktstätte, da klopfte es an meiner Tür. Mein Herzschlag setzte einige Male aus, der Stift glitt mir aus den Händen, ich sah ihn wie in Zeitlupe fallen. Ich weiß noch, dass ich erwartete, ihn mit einem riesigen Getöse aufprallen zu hören, aber er blieb, ohne ein Geräusch zu machen, auf dem Teppich liegen. Auch ich blieb leise. Öffnete zwar meinen Mund zu einem Aufschrei, aber kein Laut kam über meine Lippen. Allmählich drang wie durch Schleier die leise, freundliche Stimme meiner Zimmerwirtin, die meinen Namen rief, an mein Ohr. Und nachdem ich es geschafft hatte, mich halbwegs wieder zu beruhigen, nicht ohne misstrauisch ein Ohr an die Zimmertür gedrückt, diese Stimme auf ihre Echtheit hin abzuhorchen, öffnete ich vorsichtig meine Tür. Es dauerte keine zwei Minuten, und ich bereute diesen Schritt. Überbrachte meine Vermieterin mir doch nichts anderes als die Nachricht, dass ich mein Zimmer am nächsten Morgen um zehn Uhr geräumt haben müsste, da sie schon länger Reservierungen vorliegen habe.

Früher oder später hatte es passieren müssen. Und mit der Wahl meines Zimmers hatte ich Glück gehabt. Andere Zimmerwirte hätten mich wahrscheinlich schon längst auf die Straße gesetzt. Schon nach den ersten Schreien. Trotzdem war ich geschockt, als mir meine Vermieterin das Unvermeidliche mitteilte. Im ersten Impuls hätte ich die zierliche, ältere Dame beinahe an ihrer Strickjacke gepackt und hinausgeworfen, um mich anschließend in meinem Zimmer zu verbarrikadieren. Ich tat dies natürlich nicht. Vielmehr fügte ich mich in mein Schicksal. Ich legte mich ins Bett, schlang die Decke um mich, bis ich beinahe so eng eingepackt war wie zu Gipsbett-Zeiten, und atmete gegen meine Rückenschmerzen an. Kurz: Ich hoffte auf ein Wunder. Doch als es wirklich eintraf, hätte niemand überraschter und überwältigter sein können, als ich es war.

2.

Regen prasselte gegen die Jalousie vor dem Fenster. Es donnerte. Blitze drangen durch Ritzen der Jalousie, die ich seit Tagen heruntergelassen hatte. Der stürmische Wind wehte Kirchenglockengeläut herbei. Es klopfte an der Tür. Nein! schrie ich auf, wähnte ich doch schon den Moment gekommen, da ich meine Zuflucht verlassen musste.. Nein, murmelte ich, die Decke über den Kopf ziehend, beruhige dich, es war nur ein Donner! Aber da konnte ich noch so oft beschwörend Es donnert! Nur der Donner! murmeln, daran, dass da jemand (oder ein Etwas?!) an meine Tür klopfte, ja, hämmerte, führte kein Weg vorbei. Took! Took! TOOOOK! Es war unüberhörbar. TOOOOK! Und dann…?! Ja, und dann rief plötzlich diese Stimme: »Jung’, ich weiß, dass du da drin bist! Mach’ schon! (ich traute meinen Ohren nicht) Oder willst du mich hier draußen verschimmeln lassen? (konnte das sein?) Du musst mich schon reinlassen (seine Stimme?) Jung’! Sonst wird das nix!« Took! Took! (und was, wenn es ein Trick ist?) Doch da hatte ich mich bereits gegen alle Vorsicht von der Aussicht überwältigen lassen, dass es wahr sein könnte, und die Tür geöffnet.

Und es war wahr. Mir war, als würde ein riesiger Stein von meinem Herzen gerollt. »Junge, Junge, Holland ist ganz schön in Not, was?!«, bemerkte er mit einem breiten Grinsen im Gesicht, dann rollte mein Opa in mein Zimmer hinein, »Aber wo viel Feind, da viel Ehr!« Opa rollte am Bett vorbei zum Fenster, »Also Jung’, jetzt heißt‘s den Arsch zusammengekniffen und durch!«

Er zog mit einem Ruck die Jalousie hoch. Als es in diesem Moment blitzte es, sank ich ehrfürchtig in die Knie. Das plötzlich aufflammende Licht ließ Opas Gestalt auf ein Vielfaches ihrer Größe anwachsen. Einen Moment lang schien er im Licht zu schweben. Dann forderte er mich auf, mich neben ihn auf den Boden zu setzen: »Jung’!«, sagte er mit Nachdruck, seine Hand auf meine Schulter legend, »was ich dir nun erzählen werde, wird dir nicht gefallen, jedenfalls anfangs nicht! Also hör’ gut zu! Unterbreche mich nicht, es sei denn, ich stelle dir eine Frage! Hast du verstanden?« Da ich kein Wort über die Lippen brachte, nickte ich nur. »Gut!«, meinte Opa zufrieden, »so soll es also sein!«

Dann lehnte er sich in seinem Stuhl zurück und sprach: »Ich bin hier, um dir die Augen zu öffnen. Du stehst an einem Scheideweg, und ich wurde geschickt, um dir die Wahl zu erleichtern. Wohlgemerkt nicht, um dir die Wahl abzunehmen. Denn der Herr legt Wert auf freie Willensentscheidungen. Der freie Wille ist geradezu das Fundament Seiner Herrschaft!«

Opa musste bemerkt haben, dass ich nach der Identität dieses Herrn fragen wollte, denn er schnitt mir mit einer unwirschen Handbewegung das noch nicht erhobene Wort ab.

»Ich muss nicht hier sein!«, sagte er dann, und er sagte es in einem ziemlich ruppigen Tonfall, »Du hast die Wahl! Kannst mich sagen lassen, was ich zu sagen habe! Oder (er packte die Räder seines Rollstuhls und machte mit ihm eine Bewegung hin zur Tür) es bleiben lassen!« Als Antwort klammerte ich mich am Rollstuhl fest und legte meinen Kopf ergeben an eine seiner Hände, die gelassen auf den Rädern ruhten. »Jung’, Jung’!«, meinte mein Opa dann, wieder mit sanfter Stimme, mir dabei eine Hand auf die Schulter legend, »keine Sorge, das kriegen wir schon hin! Lass’ das mal den Opa machen! Und jetzt lass’ los!«

Ich tat wie geheißen, und Opa rollte zum Tisch. Dort nahm er meine Aufzeichnungen zur Hand, er schien ihr Gewicht abzuschätzen. Dann klopfte er mit dem Handrücken auf den Stapel Papier: »Erstmal: Respekt, einen solchen Stapel zustande zubringen! Aber du redest bis zum bitteren Ende dermaßen um den heißen Brei herum, dass man dir am liebsten den ganzen Schinken um die Ohren hauen möchte! Und ich denk’ die ganze Zeit: Ist das mein eigen Blut? Anfangs ist dieses Rumlavieren noch witzig, aber irgendwann reicht es einem und man will, dass du die Hosen herunterlässt!«

Opa blätterte mit ernstem Gesicht in meinen Aufzeichnungen herum: «Ach Jung’, warum hast du es nicht wenigstens einmal ausgesprochen? Es tut mir in der Seele weh, dies sagen zu müssen, aber es sieht ganz danach aus, als seist du ein Schwätzer! Und einen Maulhelden hatte ich damals, als ich von den Dichtern und Denkern sprach, nun wirklich nicht im Sinn. Man könnte fast auf den Gedanken kommen, dass alles erstunken und erlogen ist, die Kopfgeburt eines frustrierten Philosophiestudenten. Oder liegst du vielleicht noch immer in deinem Gipsbett? Bist ihm nie entronnen? Gefesselt von deinem schmerzenden, deformierten Rücken hast du dir ein anderes Leben zusammen gesponnen. Bist du ein Schwätzer? Ist Deine Schwester etwa noch springlebendig? Leben Deine Eltern vielleicht noch? Sucht Udo etwa immer noch seine Rockbitch? Und überhaupt die ganzen Mädchen und Frauen? Was ist zum Beispiel mit Carmen? Lässt sie sich immer noch von ihrem neuen Lover vernaschen? Hast du vielleicht nur das Tier im Rhetorikerpelz gespielt?«

Mir fiel zwar nichts zu meiner Verteidigung ein, aber unwidersprochen wollte ich die Worte auch nicht lassen. So sprang ich auf und sprach: »Aber…!« Doch Opa wischte meinen Widerstand mit einer Handbewegung weg: »Das waren keine Fragen, auf die du antworten sollst! Spitz’ die Ohren!« Er schlug auf meine Aufzeichnungen: »Unfälle! Ha! Selbstmorde!«, und schlug, »Zufälle! Nichts als Andeutungen und Zweideutigkeiten! Warum redest du kein Tacheles? Was glaubst du? Jetzt antworte!«

In meiner Verwirrung fiel mir aber nichts weiter als eine Gegenfrage ein: »Carmen? Lässt sie sich wirklich immer noch von diesem Typ vernaschen?« Kaum hatte ich das ausgesprochen, wusste ich auch schon, wie dumm dies von mir gewesen war, und zog, in Erwartung einer deftigen Rüge, den Kopf ein. Opa aber kicherte und rief theatralisch aus: »Oh Herr, schmeiß Hirn vom Himmel! Vom Himmel!«, lachte er und rutschte ganz außer sich auf seinem Sitz herum, »Vom Himmel, ha! Das ist gut!« Schließlich beruhigte er sich wieder: »Spaß beiseite! Du weißt so gut wie ich, dass man in dem Bett, in dem dieses Weibsstück heute liegt, nur noch von Würmern vernascht wird! Um uns aber weitere Peinlichkeiten zu ersparen, will ich dir nun sagen, weswegen die Kacke am Dampfen ist, stärker am Dampfen, als es dir klar ist und lieb sein kann!«

Während Opa die letzten Worte aussprach, bekam seine Haut etwas Durchscheinendes, und einen schrecklichen Augenblick lang meinte ich, Würmer unter seiner Haut wimmeln zu sehen. Doch dieser grausige Eindruck verschwand so schnell wieder, wie er gekommen war, denn nun sprach Opa mit feierlichem Nachdruck in der Stimme:

»Um es in deiner Sprache auszudrücken: Es ist der Wurm des schlechten Gewissens, der an dir nagt! Der an dir nagt, seitdem du begonnen hast zu tun, was du tun musst! Du leidest an der Erbsünde des Bösen, von der man sich nur in einem reinen Akt der Bosheit befreien kann. Und zu dieser reinen, unverstellten Bösartigkeit warst du bislang nicht fähig. Das ist es, was dein Buch auf Schritt und Tritt offenbart. Es ist das schlechte Gewissen, das den Ton angibt, und deswegen – und jetzt setzt du dich besser wieder hin – bist du letztlich zerbrochen!

Ja, mein Junge, zerbrochen! Da kannst du noch so ungläubig gucken! Glaubst du wirklich, dein alter und vor allem toter Opa wäre hier, wenn nicht etwas wirklich Einschneidendes vorgefallen wäre?«

[…]

Cover_Abschied_Boscher_kleinEnde der Leseprobe aus Boschers Roman „Abschied ist ein scharfes Schwert. Ein Mordsroman“ (Neuntes Kapitel „Der Tod des Autors“, in der Taschenbuch-Ausgabe des Romans die Seiten 219-225).

Liebe, Lust und Leichen im Keller. Leben und Sterben zwischen Nietzsche, dem Niederrhein und der Müllverbrennungsanlage in Wuppertal, in einer Nebenrolle: die Imperia in Konstanz außer Rand und Band.

Abschied ist ein scharfes Schwert. Ein Mordsroman

„Abschied ist ein scharfes Schwert“ ist ein ungewöhnlich erzählter, an Ironie reicher Mordsroman über einen Schriftsteller und einen Fan, über Gewalt und Gier, Tod und Wiederauferstehung. Eine Lebensgeschichte voller skurriler, ja grotesker Momente. Wir begegnen interessanten Charakteren (mit meist nur kurzer Lebenserwartung) und dämonischen Gestalten. Würzig abgeschmeckt wird das Ganze mit einem Hauch von Philosophie, einem satten Pfund Sex and Crime, einer guten Prise Wahnsinn und zwei Messerspitzen Horror.

„Abschied ist ein scharfes Schwert. Ein Mordsroman“ – ein Buch, das in vielen Genres wildert.

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Das Jojo-Herz – Leseprobe aus Boschers Roman über Liebe, Tod und Teufel


Leseprobe aus dem Roman „Engel spucken nicht in Büsche: Roman über Liebe, Tod und Teufel“ von Ralf Boscher (aus dem Kapitel „Das Jojo-Herz“).

 

Das Jojo-Herz

I.

 

Etwa zur selben Zeit, da Krish schreiend erwachte, wurde Tanja beerdigt. Der Pfarrer, der sie getauft hatte, bei dem sie die erste heilige Kommunion empfangen und der sie zur Firmung begleitet hatte, begrub sie auch.

Den Sonntag zuvor hatte er aus gegebenem Anlass über ein, bei vielen seiner Schäfchen seiner Meinung nach in Vergessenheit geratenes Jesuswort gepredigt: Wer ohne Sünde sei, werfe den ersten Stein! Denn es war bekannt geworden, was mit der kleinen Stewens geschehen war, und vor allem unter welchen Umständen. Daraufhin waren einige Gemeindemitglieder an den Pfarrer herangetreten und hatten es als seine Pflicht bezeichnet, hier eindeutig und unmissverständlich, unmissverständlich! Stellung gegen Abtreibung zu beziehen. Es sei geradezu eine moralische Notwendigkeit, der kleinen Stewens das kirchliche Begräbnis zu verweigern, habe sich ihre Familie auch noch so verdient um die Gemeinde gemacht, und sei das alles auch noch so tragisch, denn solcherlei Frauen seien wegen ihrer sündigen Tat unweigerlich, unweigerlich! aus dem Schoß der Kirche zu entfernen.

 

II.

 

Der Himmel lächelte blau und klar aus einem Gesicht mit zwei strahlenden Augen und atmete eisig frischen Wind, als der Pfarrer Tanja dann doch nach katholischem Ritus in geweihter Erde beerdigte. Alex kam erst, als der Leichenzug bereits am offenem Grab stand. Zu spät! Aber eigentlich hatte er sich die Beerdigung eh sparen wollen. Denn er fürchtete sich vor den Gedanken, die ein so klares und befreiendes Gefühl wie Kummer nicht aufkommen lassen, Gedanken, die lähmen, indem sie alle Gefühle mit grauen Schleiern überziehen, alles dumpf verwischen und keine Tränen aus dem Herz lösen: einen nicht weinen, nicht mehr lachen lassen und depressiv machen. Kreisende Schlussfolgerungen, Spekulationen, Zurechtweisungen, Ausflüchte. Gequält schleuderndes Innenleben um eine quälende Klarheit: Ich habe nichts davon gewusst!

Er fürchtete sich vor seinem schlechten Gewissen, und am liebsten hätte er Tanja vergessen, seinen Laden geöffnet und einfach weitergearbeitet. Aber schließlich zog er sich doch einen schwarzen Anzug an und fuhr zum Friedhof, Tanja war immerhin mal seine Freundin gewesen.

Alex blieb unter einem kahlen Baum abseits von den anderen stehen, aber der Wind wehte ihm die Stimme des Pfarrers an die geröteten Ohren:

Wir haben uns hier versammelt, um Abschied zu nehmen von Tanja Stewens, die so unerwartet aus unserer Mitte gerissen wurde…“

Verabschiedet habe ich mich schon lange, dachte Alex bitter: Tschüß! habe ich gesagt, als sie beim letzten, und zum letzten Mal von mir wegging. Dann erinnerte er sich an den ersten Abend, den er bei Tanja verbracht hatte. Sie hatten in ihrer Küche gesessen inmitten von Kerzen und dem Duft von Räucherstäbchen, Gras geraucht und Tee getrunken. Sie hatten sich angeregt unterhalten und waren vom Höcksken aufs Stöcksken gekommen, und Tanja hatte das: Was kommt nach dem Tod? aufs Tapet gebracht. Sie hatte gesagt, sie glaube daran, dass es nach diesem Körper irgendwie weitergehe, und Alex hatte erwidert, ihn interessiere diese Frage nicht sonderlich:

Was danach kommt, kommt danach!“ hatte er gesagt, und wichtiger wäre doch, jetzt zu leben und mit sich und den Menschen um einen herum in Einklang zu sein. Der Gedanke an den eigenen Tod würde in ihm auch keine besonderen Emotionen auslösen, hatte er behauptet, und genauso egal sei ihm auch, was mit seinem Leichnam geschehe:

Wenn ich tot bin, und es existiert kein Danach, dann existiere Ich nicht mehr, dann gibt es für mich nicht MEINEN Leichnam, denn dann gibt es kein Für Mich mehr. Es gibt kein Ich mehr, nur noch auseinanderfallende Materie ohne Erinnerung, und was all die anderen mit meinen Überresten zu ihrer Erinnerung an das Alex war anstellen, wird mir dann egal sein. Und sollte doch etwas den Tod überleben, dann…“

Tanja hatte ihn unterbrochen:

Ist das deine Vorstellung vom Paradies?“

Was?“

Ja, dass dir das Alex war egal wird. Ist das dein Paradies?“

Alex hatte daraufhin den Stuhl zurechtgerückt, Holzbeine auf PVC schleifend, Kratzer, dumpfer Laut vom energisch sich aufrecht Hinsetzenden, und:

Paradies ist so ein christlich besetzter Begriff!“ hatte er sich ereifert, „Vor dem Paradies wacht der Richtergott, welcher alles sieht und all das Gesehene dann abwägt. Und je nachdem wie schwer deine Sünden in seinen Augen wiegen, lässt er dich ein ins Wahre Leben, oder aber er verfrachtet dich direkt in die Hölle, wo es allein in seiner Gnade liegt, ob du jemals wieder aus dem Ofen herauskommst.“

Plötzlich war die Stimmung war sehr angespannt gewesen, Tanja hatte die erste Kostprobe von Alex‘ Kirchenfeindlichkeit bekommen.

Paradies!“ hatte Alex noch verächtlich geschnaubt und beißend hinzugesetzt:

Benutz’ Pille oder Kondom, und du bist abgetrieben aus dem Schoß des Herrn!“

Aber beinahe traurig hatte es dann geklungen, als er meinte:

Wer kann heute noch wagen, auf ein Paradies zu hoffen.“

In die darauffolgende Stille hinein hatte Tanja gesagt, und das, was sie sagte, war das Eigentliche, woran Alex sich hier auf dem Friedhof erinnerte. Sie hatte gesagt, die Vorstellung beerdigt zu werden, löse Beklemmung, ja Angst, aber vor allem Ekel in ihr aus.

Daran erinnerte Alex sich nun in aller Deutlichkeit, während der Pfarrer Schäufelchen voll Erde auf den Sarg poltern ließ, und ihm fielen auch genau Tanjas Worte ein:

Auf keinen Fall ein Sarg. In massivem Holz konserviert für die langsame Verfäulnis.“

Und dann sah er auch ihren Gesichtsausdruck, sie war angewidert gewesen, denn: auf keinen Fall ein Sarg! und: „…eingebettet in Seide noch möglichst lange lebendig aussehend der Ewigkeit entgegenstinken. Dann schon lieber direkt in die Erde eingebuddelt werden, den Würmern gleich zum Fraß.“

AUF KEINEN FALL EIN SARG! Tanja hatte verbrannt werden wollen. Jetzt fiel es ihm wieder ein, jetzt, wo ihm der schneidende Wind das Poltern der Erde auf Tanjas Sarg zutrug, schwerer Eichensarg, Bewährte Qualität!, vier starke Männer notwendig, um Tanja, die immer so gerne gelaufen war und leicht über die Wege sprang, auf ihrem letzten Gang zum Erdloch zu schleppen. Aber Tanja wollte verbrannt werden, nicht konserviert, nicht von schwitzenden, traurigen Gestalten in Bewährter Qualität! über den Schotter geschleppt werden. Sie wollte nicht zugeschüttet unter einem Haufen Dreck langsam, sehr langsam ihren leiblichen Zusammenhalt verlieren und verfügbar bleiben für irgendwelche Ansprüche an ihren Körper. Die Materie, die sich zu Tanja zusammengefunden hatte, sollte möglichst schnell auseinanderfallen, um den Teil freizugeben, der aus der Materie herausfällt. Denn Tanja hatte einmal gehört, dass die Seele eines Toten so lange in seiner letzten Materieform gefangen bliebe, bis diese Form, der Körper, aufgehört habe, zu existieren: dann erst sei Wiedergeburt möglich. Und das hatte Tanja sich vorstellen können. Sie hatte verbrannt werden wollen, damit ihre Seele, falls es ein Danach gibt, nicht in Bewährter Qualität! konserviert und eingebuddelt würde und so gefangen bliebe. SIE WOLLTE VERBRANNT WERDEN!

Amen!“ schallte es von den Abschied nehmenden Christen herüber, und im selben Moment tippte ihn Susanne an. Tanjas Schwester hatte ihn unter dem Baum entdeckt.

Hallo, Alex!“ Er war so in Gedanken, dass er zusammenzuckte. Susanne lächelte, dachte, dass sie momentan wohl alle ein wenig überreizt waren. In ihren Armen schlummerte endlich ihre Tochter, die sie den ganzen Tag in Atem gehalten hatte. Nur Piep zu sagen brauchte jemand, schon flossen die Tränen. Als Anne auch während der Andacht zu weinen begann und spazieren gehen wollte, mit ihr und Tante Tanja, da konnte Susanne sie nicht mehr beruhigen, war sie doch selbst den Tränen nah, mürbe gemacht durch Alptraumnächte, in denen sie wieder und wieder aus der Krankenhaushalle zurückkam, vorsichtig, um Tanja nicht zu wecken, die Tür zu ihrem Zimmer aufmachte, und…

Mürbe gemacht auch durch den Streit in der Gemeinde, wie denn Tanja nun beerdigt werden sollte, als Christin oder als Gottlose. Während der Andacht zitterte Susanne dermaßen am ganzen Körper, dass sie sich nicht getraute, aufzustehen und durch die kleine Kapelle nach draußen zu gehen. So ließ sie Anne weiter weinen, wiegte sie nur in ihren Armen und summte leise ein Lied, was Anne zwar nicht beruhigte, Susanne selbst aber in eine wohltuende Apathie versetzte. Köstliche Gleichgültigkeit, die sie die Andacht überstehen ließ.

Draußen, bei dem schönen Wetter, ging es ihr dann besser, die Sonne beruhigte auch ihre Tochter. Die Luft war klar und kalt, und tief einatmend füllte sich Susanne wieder mit Energie. Sie ging nicht mit den anderen hinter dem Sarg her, sondern setzte sich auf eine Bank und spielte mit der Kleinen Tsching Tschang Tschong, bis der Kummer Susanne plötzlich wieder überwältigte, und Anne daraufhin ihre kleinen Ärmchen um den Hals ihrer Mutter schlang, die rosige Wange an ihr tränennasses Gesicht drückend, um sie zu trösten.

Das Wetter würde Tanja gefallen“, meinte Susanne nun zu Alex, „Meinst du nicht auch?“

Die Beerdigung war vorbei. Ein Schlurfen von schweren Winterschuhen auf Schotter schwoll an, und die ersten Trauergäste gingen Susanne zunickend, Alex musternd vorüber. Am offenen Grab machte ein Reporter die letzten Fotos, noch einmal die Eltern in Trauer, und Herr und Frau Stewens wehrten sich nicht mehr, warfen auf des Reporters Zuruf gar noch einen letzten Blick auf das noch offene Grab, ein rührendes Bild in Bewährter Qualität!

TANJA WOLLTE VERBRANNT WERDEN! ging derweil Alex nicht aus dem Kopf, und er war nahe daran, Susanne zu fragen, ob sie das denn nicht gewusst hätte; mehr noch, ihr vorzuwerfen: HABT IHR DAS DENN NICHT GEWUSST! Aber das verkniff er sich. Susanne sah so kaputt aus, wie er sich fühlte. Und was, wenn sie sagen würde: Nein, nichts haben wir gewusst! Nichts! Und er wäre plötzlich der Einzige, der gewusst hatte, dass Tanja… Und: WARUM HAST DU NICHTS GESAGT?

Da sagte sich Alex, dass irgendwann Schluss sein musste mit der Auseinandersetzung.

Wiedersehen, Susanne!“, man muss ja schließlich weiterleben, darf sich nicht von der Vergangenheit beherrschen lassen. Weitere Erinnerungen kann man sich ersparen. Helfen ja doch keinem, behindern einen nur bei dem, was wirklich wichtig zu tun ist.

Ich hab’ jetzt keine Zeit mehr. Ich hab’ noch in meinem Laden zu tun. Ruf mich doch mal an!“ verabschiedete sich Alex von Tanjas Schwester, fuhr nach Hause und legte sich, obwohl es noch früh am Tag war, wieder schlafen…

 

III.

 

Sie haben Tanja begraben. Hand in Hand, schweigend, durchnässt frierend, waten Susanne und Alex nun durch den zähen Matsch des menschenleeren Gottesackers. Hinter den grauen Wolken geht die Sonne unter, und nun fasst der Wind mit noch frostigeren Fingern in die Mäntel der beiden traurigen Gestalten, die den Sonnenuntergang mehr spürten, als dass sie ihn sehen.

Plötzlich ist es dunkel. Laut weht da das Läuten der nahen Friedhofskapelle durch die kahlen Bäume, und mit jedem Mal dröhnender, durchdringender, furchtbarer klingt diese Glocke, schlägt Bronze gegen Eisen die nächste Stunde, die Nacht herbei. Und Susanne presst die Hände auf ihre Ohren, sie sinkt in die Knie, bricht in sich zusammen und stürzt von Schmerz überwältigt in den kalten Matsch. Die Glocke verstummt.

Tanja!“ schreit Susanne hinauf in den sternlosen Nachthimmel, streckt die eine Hand, mit welcher sie Tanjas, vom Skalpell des Mörders sauber entzwei geschnittenes, Nachthemd festhielt, verzweifelt hoch, damit der ehemals reinweiße Stoff nicht noch mehr beschmutzt wird.

Alex sieht auf Susanne hinunter, streckt ihr schließlich seine Hände entgegen, um sie aufzuheben. Er hat sie in den Schmutz fallen sehen und sie aufschreien hören, als geschehe dies in weiter Ferne. Zu spät ist ihm eingefallen, zuzufassen und sie vor dem Sturz zu bewahren. Quälend langsam nähern sich seine Hände nun Susanne, strecken sich ihr entgegen, als wäre die Luft zähflüssig wie der Matsch, in dem sie liegt, und trotz der Dunkelheit sieht Alex deutlich, sehr deutlich!, das getrocknete Blut auf Tanjas ehemals reinweißem Nachthemd. Wie in Zeitlupe fixieren seine Augen die dunklen Flecken, und sinnlos erscheint ihm da, was für Susanne offenbar so wichtig ist: das sauber entzwei geschnittene Nachthemd aus dem Matsch herauszuhalten. Sinnlos, weil der Matsch ja doch dieselbe Farbe wie das Blut zu haben scheint. Sie stehen ja regelrecht in Tanjas Blut. Der ganze Friedhof ist durchtränkt damit, und Tanjas Blut regnet vom Himmel herab, und der Blutregen rinnt Alex durchs Haar und über die Kopfhaut ins Gesicht, in seine Augen. Er riecht es und schmeckt es und atmet Tanjas von feiger Mörderhand vergossenes Blut tröpfchenweise ein, und…

Plötzlich sind sie in Licht getaucht. Eine große Gestalt, und das Licht geht von ihr aus, schwebt über die Gräber auf Susanne und Alex zu, die sich sofort beide wie durch ein Wunder beruhigen und gebannt das Licht erwarten. Susanne erhebt sich aus dem Dreck, und ihre Augen nicht von dem Licht nehmend, ein Engel!, Alex ist überzeugt, einen Engel vor sich zu haben, greift sie mit einer Hand nach Alex, mit der anderen presst sie Tanjas Nachthemd an ihre Brust. Alex schlägt ein Kreuzzeichen. Die Lichtgestalt kommt näher, bleibt dann wenige Meter vor Susanne und Alex schwebend stehen und blickt die beiden aus tiefnichtirdischen Augen in einem gütig, allwissend strahlenden Antlitz an. Ein weißer Bart umrahmt einen wahr und sinnvoll lächelnden Mund. Die Lichtgestalt hält Tanja, die erlöst lächelt, an der Hand. Tanja wirft mit der freien Hand verträumt ihr Herz in die Luft, um es anschließend mit einer spielerisch und anmutig, aber keinesfalls obszön wirkenden Vorwärtsbewegung ihres Beckens in der offenen Bauchhöhle aufzufangen. Die Lichtgestalt lächelt darüber, und also spricht sie mit tiefer Stimme, während Tanja weiter mit ihrem Herzen spielt:

Nichts für ungut. Wir haben alles im Griff. Es macht schon einen Sinn, auch wenn ihr ihn nicht versteht, also grämt euch nicht zu sehr.“

Alex spürt, wie er sich vor Aufregung in die Hose macht. Die Lichtgestalt und Tanja drehen sich um und entfernen sich langsam wieder. Alex sieht noch, dass Tanja ihr Herz, nun mit einer Arterie an einen Finger gebunden, wie ein Jojo zu Boden glitschen lässt, und als das Herz beinahe den Schlamm berührt, erinnert er sich wieder an die Gedankenkette Schlamm Regen Blut, und nun, Tanja rollt ihr Herz fröhlich lachend wieder auf, überkommt ihn der große Wunsch, sich zu übergeben. Aber bevor er dies in die Tat umsetzen, und den Gedanken, dies sei aber in Gegenwart eines Engels unpassend, zu Ende denken kann, dreht Tanja sich noch einmal um und winkt Alex zu:

Lass es dir nicht so zu Herzen gehen! Du hast es nicht gewusst, na und! Weißt du, selbst wenn du mir zur Seite gestanden hättest, irgendwann muss jeder mal gehen, so oder so“, sind ihre letzten Worte, bevor sie und das Licht verschwinden, und…

…und Alex aufwachte, weil die warme Nässe seiner Hose bis in sein Bewusstsein gedrungen war. Er stand auf, warf die eingenässte Hose in den Mülleimer, wechselte das Bettlaken, legte sich wieder hin und nach einigem Rumwälzen in quälenden Augenblicken und Gedanken schlief er erneut ein.

 

[…]

 

Engel spucken nicht in Büsche: Roman über Liebe, Tod und Teufel - Cover der für das eBook bearbeiteten 2. Auflage

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Zum Roman:

Ein überzeugend komponierter Roman, der seine Leser einer außergewöhnlich breiten Palette an Emotionen aussetzt. Ein guter Unterhaltungsroman!“ (Hermann Kinder).

Engel spucken nicht in Büsche: Roman über Liebe, Tod und Teufel: Ein Krimi. Ein Roman über den Verlust der Unschuld. Erotisch. Hart. Zärtlich. Schonungslos. Ein spannendes Buch über Hoffnung und Schmerz, über Liebe, Leid und Lust.

Der Roman ist über Amazon als eBook und Taschenbuch erhältlich.

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Die Seite 99 aus „Abschied ist ein scharfes Schwert. Ein Mordsroman“

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Die Idee bei einem unbekannten Roman die Seite 99 zu lesen, um sich von der Qualität zu überzeugen, geht auf den britischen Autor Ford Maddox Ford (u.a. „Keine Paraden mehr“) zurück. Gefällt einem diese Seite, will man erfahren, was auf den 98 Seiten zuvor geschah, wird man neugierig auf das, was noch folgen mag. Das erste Mal von dieser Idee von Maddox habe bei Béla Bolten gelesen. Auf der Internetplattform Seite 99 findet Ihr viele entsprechende Leseproben.

Und hier nun die Seite 99 meines zweiten Romans „Abschied ist ein scharfes Schwert. Ein Mordsroman“:

„Sie hätte mich ja auch wirklich sehr gern. Richtig verliebt hätte sie sich in mich. Doch dann sagte sie, in einem Tonfall, als wäre dies das Selbstverständlichste auf der Welt, ja, gerade als sie ihre liegende Haltung verlassen hatte und auf mir sitzend ihre Arme und Beine um mich schlang, da meinte sie mir ins Gesicht lächelnd: »Ich habe meinem Freund die letzten Tage so viel von dir erzählt, er ist schon ganz gespannt, dich kennenzulernen!«

Hier hatten wir also den wahren Grund für Magdalenas Zurückhaltung, ihr Noch nicht! usw., ihr Jetzt bin ich soweit! Sie erklärte mir, dass sie ihrem Freund treu sei, deswegen hätte sie mit mir auch erst was angefangen, als er von einer Reise zurückkehrte und sie ihm von mir erzählen konnte. Tja, so kann man sich also täuschen. Ich hätte sie am liebsten… Auf der Stelle. Während Magdalena versuchte, mich über die nicht ausgeschöpften, nur von unserer Erziehung verschütteten Möglichkeiten des Konzeptes Liebe aufzuklären…

Aber ich bin ganz ruhig geblieben, sah nicht rot. Denn mittlerweile war ja mein Mörder in mein Leben getreten, und während Magdalena versuchte, mich über die Chancen der Liebe aufzuklären, wenn man sie nur endlich aus den Zwängen der Normalität befreien könnte und sie als etwas Offenes begriff, das in einer klassischen Zweierbeziehung – diesem Mythos, wie Magdalena es nannte, der allein selig machenden Zweierkiste – zugrunde gehen würde, da spann ich schon an meinem Roman weiter, verwob Magdalena ins Netz meiner Geschichte, genauso wie ich es mit Johanna und Raphaela und all den anderen tat, die ich aus meiner Brust heraus aufs Papier riss.

You can’t always get what you want, but sometimes you get what you need! heißt es doch so schön. Ja, da es endlich mit meinem Roman zügig voranging – und wie es voranging, wie im Rausch, Seite um Seite, in etwa einem halben Jahr schrieb ich ihn nieder – trat alles andere, also vor allem meine Hoffnung auf Liebesglück, in den Hintergrund. Ich stellte meine ganze Kraft, meine Gedanken, meine Gefühle, meine Phantasien, in den Dienst meines Mörders und ließ den roten Faden selbst im Schlaf, wo ich im Traum seine Geschichte weiterspann, nicht mehr aus der Hand. Was für ein Gefühl der Befriedigung und Erfülltheit, und wie ruhig ich doch, trotz allen Schaffensfuror, war, ein Gefühl, als wäre ich nach endloser Odyssee endlich zu Hause angekommen.“

 

Zum Roman:
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Abschied ist ein scharfes Schwert. Ein Mordsroman von Ralf Boscher

Liebe, Lust und Leichen im Keller. Leben und Sterben zwischen Nietzsche, dem Niederrhein und der Müllverbrennungsanlage in Wuppertal, in einer Nebenrolle: die Imperia in Konstanz außer Rand und Band.

„Abschied ist ein scharfes Schwert. Ein Mordsroman“ – ein Buch, das in vielen Genres wildert.

Der Roman ist als eBook und Taschenbuch erhältlich.

 

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Zwischen Nietzsche und viel zu kurzem Bademantel: Ein Diskurs über Serienmörder

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Ein Diskurs über Serienmörder, aus: „Abschied ist ein scharfes Schwert. Ein Mordsroman“

Magdalena studierte Literaturwissenschaft und Philosophie, wobei ihre Lektürevorlieben nicht ganz dem Bild einer Geisteswissenschaftlerin entsprachen: »Ich les’ furchtbar gerne Krimis, Psychothriller und Horrorromane. Wenn mir beim Lesen das Blut gefriert, wie man so sagt, dann bin ich in meinem Element. Hauptsache heftig packend! Möglichst abgedreht! Denn mit der Normalität, da hab’ ich es nicht so!«, wie sie mir sagte, als wir in der Cafeteria der Universität aufgrund des Buches, das ich las, Die Seele des Mörders von John Douglas, jenem FBI-Agenten, der als Vorbild für die Ermittler in Der Rote Drache und Das Schweigen der Lämmer gedient hat, ins Gespräch gekommen waren.

»Na!«, hatte sie lächelnd gemeint, »ein bisschen gruseln?«, als sie sich mir gegenüber an den Tisch gesetzt und meinen Tabak zur Hand genommen hatte, um sich eine Zigarette zu drehen. »Das ist aber keine Lektüre, die uns im Nietzsche-Seminar empfohlen wurde«, meinte sie noch, »Obwohl, wenn man Douglas’ Analyse der Serienmörder-Motive folgt (offensichtlich hatte Magdalena das Buch gelesen), gibt es schon gewisse Berührungspunkte, man braucht ja nur an Nietzsches Satz von der Geschlechtlichkeit zu denken, die bis in die höchsten Äußerungen des Geistes reiche.« Da wusste ich auch, woher ich ihr Gesicht und dieses knappe Kleid kannte, das ihre barocken Formen geradezu aufklärerisch mehr ent- als bedeckte.

»Nein!«, antwortete ich ihr, »nicht gruseln, Recherche.« »Recherche?«, fragte sie, sich lächelnd dergestalt über den Tisch beugend, um das Feuerzeug zur Hand zu nehmen, dass ich mich kaum auf ihre Worte konzentrieren konnte, »So nach dem Motto: serialkilling for runaways?«

»Recherche für einen Roman, an dem ich arbeitete!«, gab ich zurück, mich dabei bemühend, ihr in die Augen und nicht in den Ausschnitt zu schauen. Man weiß ja schließlich, was sich gehört. »Schöne dunkle Augen hast du!«, meinte ich also zu ihr, woraufhin sie mir mit einem so speziellen Lächeln antwortete, dass ich nicht sicher war, ob meine Bemühungen, mich auf ihre Augen zu konzentrieren wirklich erfolgreich gewesen waren, und ich ihr vor lauter Schamhaftigkeit schnell einen kurzen, improvisierten Monolog hielt, der sich darum drehte, dass das Verfahren der Tätersuche wie sie in Die Seele des Mörders beschrieben wird Ähnlichkeiten mit gängigen Textinterpretationstechniken aufweisen würde.

Ich glaub’ nicht, so sagte ich in etwa zu Magdalena, dass es ein bloßer Zufall sei, dass es sich bei beiden Verfahren um Stilanalysen handle. Vielmehr sei von einer Strukturhomologie zwischen dem, was ein Schriftsteller tue, und dem, was ein Serienmörder mache, auszugehen, die sich in der Interpretationsmethode niederschlage: »Manipulation. Dominanz. Kontrolle sind die drei Gesichtspunkte, unter denen sich die Eigenheiten der Stoffbehandlung sowohl bei Mördern wie bei Schriftstellern fassen lassen, hier die Behandlung von Menschen, dort die Behandlung der Sprache. Und so ist es okay, wenn man – wie Douglas es ja tut – in Analogie zu hermeneutischen Textinterpretationsverfahren davon spricht, dass es bei der Täterprofilerstellung darauf ankomme, eine Handschrift, einen Stil zu entziffern. Geht es bei der einen Methode darum, die Eigenheiten eines Sprachstils herauszuheben, die Besonderheiten der Behandlung der Sprache durch den Dichter, um Aufklärung über sein Schreibverfahren, seine Handschrift zu erhalten, so bei der anderen eben um den spezifischen Stil eines Mörders, in dem er die Opfer behandelt hat, um ihm auf die Spur zu kommen!«

Ich hatte mich so richtig in Fahrt geredet. Kam mir unheimlich klug und begehrenswert vor. Wie Magdalena da auf der anderen Seite des Tisches saß, ihr Kinn auf eine Hand gestützt, zwischenzeitlich an der Zigarette ziehend, mich mit ihrem Lächeln dabei aber nie aus dem Blick lassend, war das aber auch ein anregender Anblick. Also sprach ich einfach weiter, meinte, man könne mit Douglas berechtigterweise von den Taten eines Mörders als seinem Werk sprechen. Denn genauso wie man sich das Werk eines Künstlers anschauen müsse, um zu verstehen, was er damit meine, müsse man das Werk des Mörders betrachten, um seine Handschrift zu entziffern und so den Sinn, den er seiner Tat zu geben versucht. Denn wie bei einem Künstler stehe auch am Beginn der Tat eines Mörders die Phantasie. Schon lange bevor das Werk in die Tat umgesetzt würde, sei diese in der Phantasie schon vorhanden.

Mit dem – wie ich fand, sehr gelungenen – Satz »Und hat er erst einmal mit der Verwirklichung begonnen, dann gibt es kein Halten mehr, den Serienmörder drängt es genauso wie den Künstler zur Vollendung!« beendete ich meinen Monolog und drehte mir nun meinerseits eine Zigarette, nervös auf eine Reaktion von Magdalena wartend. Sie setzte sich betont aufrecht hin und streckte sich ausgiebig. Das war – wie ich fand – schon mal eine sehr angenehme Reaktion. Als sie mich dann aber wieder ansah – mir gelang es erneut kaum, meinen Blick auf ihre Augen zu zentrieren –, widersprach sie mir allerdings. Lächelnd griff sie über den Tisch, drückte kurz meine Hand, dann wieder meinen Tabak nehmend, und sagte:

»Vollendung! Du bist ja ein richtiger Romantiker!« Und dann meinte sie noch, dass das Böse – ihrer Meinung nach – nichts Romantisches an sich habe, überwiegend banal sei es, so banal, dass es im eigentlichen Sinne nicht mal böse zu nennen sei, sondern einfach nur krankhaft. Dass im kollektiven Gedächtnis vor allem Mörder mit – wie ich gesagt hätte – Stil, mit einer unverwechselbaren Handschrift gespeichert seien, ginge – so Magdalena – auf deren überwiegende Präsenz in den Medien zurück. Es sei ein Effekt der medialen Vermittlung in Kunstfiguren wie dem Todsündenmörder aus dem Film Sieben oder Hannibal Lecter die Prototypen des Serienmörders zu sehen. Solche Monster in Szene zu setzen, sei halt in. Bräuchte mir doch nur mal die Programme der Privaten ansehen, da käme fast jede Woche irgendwas mit einem Serialkiller drin, und je abstruser dessen Konzept (»immer wieder gerne aus der Bibel genommen«), umso besser. Vielleicht, so mutmaßte Magdalena, fänden diese Figuren ja deswegen ihr Publikum (»Mich ja schließlich auch!«, sagte sie), da sie an einen Nerv der heutigen Zeit rühren, vielleicht das Bedürfnis, das Böse nicht einfach als banal hinzunehmen.

So kamen wir also über besagtes Buch, und alles, was uns an Romanen und Filmen, in denen Serienmörder eine Rolle spielen, einfiel – natürlich auch meinen Roman und meine noch nichtexistente Hauptfigur –, gut ins Plaudern. So gut, dass Magdalena mir anbot, dieses Gespräch doch an selbem Abend bei einem Glas Wein fortzusetzen, was ich leider ablehnen musste, weil ich an jenem Abend Dienst in der Kneipe hatte, und ich mir sicher war, so kurzfristig keinen Ersatz für mich zu finden.

»Macht nichts!«, sagte Magdalena da, ohne lange zu überlegen, »Komm doch einfach nach der Arbeit bei mir vorbei, ich bin ein Nachtmensch!«, und ich nahm ihr Angebot natürlich begeistert an.

Was mich begeisterte, war natürlich nicht nur die Aussicht, dieses sehr anregende Gespräch in anregenderer Umgebung fortsetzen zu können, sondern auch jener Gedanke, der sich aufgrund von Magdalenas Verhalten in mir herausgebildet hatte: nämlich, dass sie keinen Freund hatte, haben konnte. Warum sollte sie sich auch so aufreizend kleiden, wenn sie einen Freund gehabt hätte? Wenn sie dem Markt nicht mehr zur Verfügung gestanden hätte? Allein aus dem Reiz heraus, anders als normal zu sein? Nein, wenn sie einen Freund gehabt hätte, dann hätte sie sich nicht – ohne zu überlegen, ohne dies mit ihm abzuklären – nachts mit einem Mann zum Wein verabredet. In ihrer Wohnung. Mit einem fremden Mann. Zum Wein.

Ich fand mich nach meiner Arbeit bei Magdalena ein. Und sie ging, als ich in ihrem Wohnzimmer auf einem Sessel Platz genommen hatte, gleich in medias res:

»Ich hab’ mir das noch mal durch den Kopf gehen lassen. Was du da heute Mittag gesagt hast, hat mit der schmutzigen Realität wirklich nichts zu tun!«

Mir gegenüber auf dem Sofa sitzend, äußerst schnuckelig anzuschauen in ihrem viel zu engen, viel zu kurzen, alten, verwaschenen rosa Frotteebademantel, öffnete sie eine Flasche Rotwein.

»Es mag ja sein«, so gab sie zu, »dass es auf manche Mörder zutrifft, bei ihnen von Stil und Handschrift zu sprechen, und da führt die hermeneutische Methode der Täterprofilerstellung ja anscheinend auch zu Erfolgen…«, wobei ihr ein guter Schluck aus der Flasche über eines ihrer vom Bademantel nicht bedeckten Knie und einen ihrer ebenfalls nackten Oberschenkel schwappte –
»Aber denk doch nur mal an die Zahlen! Einer Minderheit von aufgeklärten Fällen steht eine Masse an nicht gelösten Taten von Serienmördern gegenüber.«
– was es mir ein wenig schwer machte, mich auf ihre Worte zu konzentrieren, vor allem, da sie den Wein einfach über ihre Haut und auf den Teppich laufen ließ, während sie weiter redete –
»Und nicht deswegen«, betonte sie, »weil nicht genügend Personal zur Verfügung steht, welches sich durch interpretatorisches Geschick auszeichnet, sondern schlicht und einfach aus dem Grund, dass die nicht gefassten Serienmörder unsystematisch, konzeptlos sind, und ihnen mit Methoden, die mit Kategorien wie Werk und Handschrift und Stil arbeiten, nicht beizukommen ist!«

Mir fiel daraufhin nichts Kluges als Erwiderung ein. War zu abgelenkt. Sah nur den Rotwein rinnen und rinnen, was sich recht negativ auf meinen Gedankenfluss ausübte, derweil Magdalena von Gedanken nur so überzufließen schien: Sie gab zu, dass es auf der Ebene der Methoden Ähnlichkeiten geben mag zwischen der Aufklärung von Gewaltverbrechen und der von Kunst, man brauche ja nur an Foucaults Gedanken der Epistéme zu erinnern, um solche strukturellen Gleichförmigkeiten nicht verwunderlich zu finden. Aber von dieser Ähnlichkeit auf der Metaebene auf eine ebensolche auf der Objektebene zu schließen, sei schlicht unzulässig.

»Serienmörder sind in der Regel keine Künstler!«, stellte Magdalena kategorisch fest, während vor meinem inneren Auge der Satz: Leck ihr den Rotwein vom Bein! Leck ihr…! blinkte und –
»Nicht künstlerisches Kalkül, so pervers und abstrus es auch sein mag, zeichnet ihre Taten aus«, sagte Magdalena, »sondern grauenhafte Belanglosigkeit…«
– blinkte –
»Es mag ja sein, dass es da Phantasien gibt, die hat schließlich jeder, auch wenn sie zumeist nicht von dieser Art sind, aber normalerweise, wenn ich in diesem Falle überhaupt von normal reden kann,…«
– blinkte –
»…werden sie nicht zum Werk. Da wird ein mörderischer Trieb ausgelebt, ausgestaltet wird da nichts!«
– und blinkte, bis Magdalena sich endlich mit einem Tempo säuberte, so dass ich dergestalt aus meiner erotischen Abgelenktheit wieder auf den Teppich gebracht, den Magdalena mit einem anderen Tempo trocken tupfte, ihren weiteren Ausführungen wieder konzentrierter folgen konnte:
»Diese Mörder sind einfach Tiere! Auch wenn diese Metapher schon beinahe einer Beleidigung der Tiere gleichkommt«, meinte sie, »Wenn sie der Trieb packt, schlagen sie willkürlich und zufällig das Opfer, was sich ihnen gerade anbietet. Das hat aber rein gar nichts mit Kunst zu tun, das ist nun wirklich eine naive Romantisierung von Mordlust!«

Ich wollte zu einer Erwiderung ansetzen, aber Magdalena kam meinem Einspruch mit einem Positionswechsel auf dem Sofa zuvor. Hatte sie zuvor gesessen, so legte sie sich nun auf die Seite und stütze ihren Kopf auf eine Hand, was Magdalenas ausgeprägte Kurven noch betonte, vor allem da sie sich mit ihrem Bademantel vollständiger nur hätte bedecken können, wenn sie sich größere Mühe damit gegeben hätte. Jedenfalls veranlasste mich mein Rückenmark, den Mund zu halten, stattdessen hinzugucken und Magdalena – genüsslich an meinem Wein nippend – einfach nur zuzuhören:

»Verbrechen, bei denen zwischen Täter und Opfer eine Verbindung besteht, sind bekanntermaßen leichter aufzuklären«, sagte sie, »weil allein schon diese persönliche Verbindung eine gewisse Einzigartigkeit stiftet, die Hinweise auf den Täter liefert!«

Weiterhin meinte sie: »Und deswegen sind diese Mörder, die du hier mit Künstlern auf eine Stufe stellst, auch einfacher zu fassen als die viel zu vielen, die ohne erkennbares Konzept, ohne weitergehendes Motiv als der puren Mordlust zur Tat schreiten. Diese fassbare Verbindung zwischen Täter und Opfer – und da mag das Opfer auch nur reines Objekt sein – ist schließlich auch dann vorhanden, wenn einer deiner stilvollen Mörder zur Sache geht!«

Und sie sagte auch noch: »Auch wenn er sein Opfer nicht persönlich kennt, so ist es dennoch nicht willkürlich ausgewählt. Es mag zwar Zufall sein, dass es gerade diesen besonderen Menschen trifft, aber die Auswahl des Typus, den dieser Mensch verkörpert, ist nicht dem Zufall überlassen. Die Wahl des Opfers ist notwendiger Teil der Inszenierung, und so stellt er durch seine Handschrift, seinen Stil eine Verbindung zum Opfer her. Und diese inszenierte Verbindung zwischen Täter und Opfer stellt jene Einzigartigkeit dar, die es leichter macht, solchen Mördern auf die Spur zu kommen, hier hilft wirklich Einfühlung. Denn die Interpretation seiner speziellen Objektivierung von Menschen lässt Rückschlüsse auf den Urheber zu«

Dies seien aber, wie Magdalena erneut betonte, nur die Ausnahmen, und während sie weitersprach, setzte sie sich wieder hin und wickelte sich, da ihr anscheinend kalt geworden war, von ihren Knien bis zum Hals in eine Decke ein. Die große Masse an Serienmördern sei stillos, sagte sie also, bei ihnen fehle (leider müsse man sagen, sagte sie) diese Verbindung, sie seien konturlose, zutiefst gestörte Persönlichkeiten, die nichts an Einzigartigkeit an sich hätten, und deswegen liefen die meisten von ihnen auch noch frei herum.

Nun nicht mehr stumm gemacht durch ihr dahingeräkelte Pose, hatte ich bereits den Mund geöffnet, um ihr zu erwidern, dass ich die von ihr kritisierten Überlegungen ja gar nicht im Hinblick auf das, was in der Welt wirklich passiere, geäußert hätte, sondern in Gedanken an die zu schaffende Romanfigur, aber da lenkte Magdalena ihren Redefluss schon von selbst in diese Richtung:

»Aber klar«, gab Magdalena zu, »dass dir als Schriftsteller so konturlose Mördergestalten nicht zusagen. Mir als Leserin übrigens auch nicht. Solche Typen – fiktionalisiert – sind wohl einfach zu nah an der Realität dran, als dass man sie genussvoll rezipieren könnte. Nein, nein, literarische Mörder müssen zwar so realistisch sein, dass es sie geben könnte, aber nicht so real, dass man das Gefühl hat, sie bei nächster Gelegenheit zu treffen. Da gibt es eine schmale Grenze, die uns erlaubt, Spaß bei Lektüre oder beim Schauen von Filmen zu haben, zumindest für mich, denn bei Aktenzeichen XY hatte ich nie Spaß, wenn meine Eltern wollten, dass ich mir das anschaue, um mich auf die Gefahren vorzubereiten, die draußen in der Welt auf Mädchen wie mich warten. Das war mir einfach zu real, weil es da um Menschen ging, die es wirklich gab oder gegeben hatte!«

Den Rezipienten interessiere nicht die Einszueins-Übertragung der Wirklichkeit, meinte Magdalena, die einfach nicht zu stoppen schien, was mir allerdings auch fernlag, denn während ihres ausschweifenden Monologes rutschte ihr die Decke von den Schultern, so dass ich wieder in den Genuss ihres, aus dem Bademantel quellenden Oberkörpers kam. Selbst beim sogenannten Reality-TV, meinte sie, sei klar, dass es – obwohl gefilmte Wirklichkeit – Fiktion sei, denn die mediale Vermittlung ermögliche die erforderliche Distanz. Mediale Vermittlung, also Kameraausschnitte, Schnitttechnik, Kommentare oder auch nur Stimmen aus dem Off etc. seien im Bewusstsein des Zuschauers nie die Wirklichkeit selbst, sondern eine ihm mundgerecht servierte, das hieße übertriebene Darstellung derselben.

»Ist es auch dasselbe Blut, das fließt, ob man nun direkt dabei steht oder es im Fernseher sieht, so ist es doch nicht das Gleiche…«
– Ein Gedanke, den ich sehr einleuchtend fand, wobei ich allerdings nicht an Blut, sondern an den entscheidenden Unterschied zwischen wohlgeformten Frauenkörpern im Fernsehen und an Magdalenas Körper hier vor mir auf dem Sofa dachte: Letzterer ist einfach zum Greifen nah –
»Im Fernsehen ist alles einen Tick roter, knalliger, dramatischer als im wirklichen Leben.«
– ja, praller, sonnengebräunter, williger, aber nicht so verdammt nah! –
»Und dieser Tick mehr ermöglicht den Genuss. Übertreibung ist Pflicht. Natürlich muss die Übertreibung im Rahmen des Wahrscheinlichen bleiben, wie ja schon Aristoteles gefordert hat, die Fiktion darf nicht so unwahrscheinlich und Zufällen ausgeliefert sein wie die Wirklichkeit. Aber eine gewisse Übertreibung…«
– übertreib’ es, schlag den Bademantel doch ganz auseinander! –
»…ist wohl konstitutiv für den Genuss an der medialen Vermittlung von Grusel, Spannung oder Horror. Durch die Übertreibung entsteht in unserer Phantasie eine Als ob…-Situation, wir tun so, als ob es dies und das geben könnte, und innerhalb dieses Als ob… können wir genießen.«
– genau, als ob du die Decke fallen lässt und dich auf den Rücken und verlangst, dass ich dich wärme –
»Da kann die Wirklichkeit noch solche Monster von Mensch hervorbringen, wenn sie durch die mediale Vermittlung nicht noch monströser gemacht werden, haben wir keinen Spaß an ihnen. Selbst deine Künstlermörder werden aus diesem Grunde noch übertrieben dargestellt, so dass sie nicht einfach mehr als pathologische Abweichung von der Norm angesehen werden, sondern als das Böse selbst. Gleichzeitig getrieben und kühl kalkulierend an der Vollendung ihres perversen Werkes arbeitend, können sie einfach nicht mehr menschlich sein. Sie sind Teufel in Menschengestalt, und da den meisten von uns diese theologische Anschauung noch vertraut ist, ohne dass wir wirklich noch daran glauben, eignet sich diese Übertreibung vom Kranken hin zum Dämonischen natürlich sehr gut, um die erforderliche Distanz entstehen zu lassen. Ihre Monstrosität stellt sicher, dass ihr Auftreten in den Medien als Ausnahmen von der Regel mit einem gewissen Genuss rezipiert werden kann. Sie sind einfach zu anormal, als dass der Leser oder Zuschauer das Gefühl haben müsste, ihnen um die nächste Ecke zu begegnen!«

Ein Erschaudern ging durch ihren Körper.

»Ist dir kalt?«, fragte ich und rückte sprungbereit auf die Kante des Sessels vor.

»Nein, nein!«, entgegnete Magdalena, »Ich dachte nur daran, wie ich mich damals an jedem Samstag, der auf das freitagabendliche XY folgte, gefürchtet habe, wenn ich aus dem Haus ging.« Dann zog sie sich die Decke sorgfältig über die Schulter, und ich dachte: Und ihr ist doch kalt! Vielleicht sollte ich forscher sein und sie einfach in den Arm nehmen? Doch bevor ich mich zu einer Tat entschließen konnte, trank sie ihr Glas in einem Zug leer und schickte mich nach Hause. Im ersten Moment war ich enttäuscht, hatte ich doch das Gefühl, den richtigen Augenblick verpasst zu haben, mich ihr zu nähern. Vielleicht denkt sie, ich hätte kein Interesse an ihr?, dachte ich. Doch im Wohnungsflur fragte sie mich, was ich denn morgen vorhabe. Sie würde mich gern wiedersehen. Und so ging ich beschwipst vom Wein und all den sinnlichen Eindrücken und beseelt von dem Gefühl, dass dies doch ein sehr vielversprechender Anfang gewesen war, durch das nächtliche Wuppertal nach Hause. Wie sagte Hesse: Jedem Anfang wohnt ein Zauber inne. Und einen Zauber spürte ich sehr deutlich. Allerdings ahnte ich nicht, dass es nicht die Vorboten einer glücklichen Liebesbeziehung waren, die mich erfüllten. Es war die Magie der Inspiration, die ich zu spüren bekam. Die Ankunft meines Mörders rückte näher.

Ende der Leseprobe aus Boschers Roman „Abschied ist ein scharfes Schwert. Ein Mordsroman“. Der Roman ist bei Amazon als eBook und als Taschenbuch erhältlich.

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Liebe, Lust und Leichen im Keller. Leben und Sterben zwischen Nietzsche, dem Niederrhein und der Müllverbrennungsanlage in Wuppertal, in einer Nebenrolle: die Imperia in Konstanz außer Rand und Band.

„Abschied ist ein scharfes Schwert“ ist ein ungewöhnlich erzählter, an Ironie reicher Mordsroman über einen Schriftsteller und einen Fan, über Gewalt und Gier, Tod und Wiederauferstehung. Eine Lebensgeschichte voller skurriler, ja grotesker Momente. Wir begegnen interessanten Charakteren (mit meist nur kurzer Lebenserwartung) und dämonischen Gestalten. Würzig abgeschmeckt wird das Ganze mit einem Hauch von Philosophie, einem satten Pfund Sex and Crime, einer guten Prise Wahnsinn und zwei Messerspitzen Horror.

„Abschied ist ein scharfes Schwert. Ein Mordsroman“ – ein Buch, das in vielen Genres wildert.

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Die Seite 99 aus „Engel spucken nicht in Büsche. Roman über Liebe, Tod und Teufel“

Ralf Boscher - Engel
Die Idee bei einem unbekannten Roman die Seite 99 zu lesen, um sich von der Qualität zu überzeugen, geht auf den britischen Autor Ford Maddox Ford (u.a. „Keine Paraden mehr“) zurück. Gefällt einem diese Seite, will man erfahren, was auf den 98 Seiten zuvor geschah, wird man neugierig auf das, was noch folgen mag. Das erste Mal von dieser Idee von Maddox habe bei Béla Bolten gelesen. Auf der Internetplattform Seite 99 findet Ihr viele entsprechende Leseproben.

Und hier nun die Seite 99 meines ersten Romans „Engel spucken nicht in Büsche. Roman über Liebe, Tod und Teufel“:

„Das Geschirr ließ Hartmut auf dem Tisch stehen. Er pustete die Kerze aus, und zufrieden gestimmt durch das gute Essen blieb er eine Weile im Dunkeln sitzen. Dann ging er auf die Toilette.

Er zog den Seidenmantel aus. Nackt setzte er sich auf die kalte Klobrille, stützte seine Hände auf seine Oberschenkel und betrachtete sich in dieser Pose lange in dem Spiegel, den er vor geraumer Zeit direkt davor an die Wand geschraubt hatte. Stolz tastete er mit den Augen seinen flachen, muskulösen Bauch ab, dem man das gerade verzehrte üppige Mahl nicht ansah. Dann spannte er seine Brustmuskulatur ein wenig an, und darüber vergaß er fast seinen Stuhlgang. Aber auch nur fast. Schließlich ließ Hartmut von seinen Betrachtungen ab und konzentrierte sich auf die Kontraktion der Enddarmmuskulatur und die Erschlaffung seines Schließmuskels bei gleichzeitiger Betätigung der Bauchpresse.

Körpergefühl war ihm enorm wichtig, und wie Zahnpflege, Muskeltraining und ab und zu Sex gehörte auch ausgiebiger Stuhlgang zu einem gelungenen Tag. Zu spüren, wie der Körper und dass er gut funktionierte, war für ihn eine Form von Glück. Und in diesem Sinne lag Hartmut dann wenig später mit dem Rücken und nackt auf der Hantelbank, stemmte wieder und wieder das Gewicht über den Kopf.

Wie immer, wenn er seine Übungen durchzog, dachte er an das Mädchen, dachte er an diesen düstersten Punkt seiner Vergangenheit. Er riss die Hantel hoch und sah ihre Augen, die ihn erst voller Hoffnung angeblickt hatten und dann nur noch tot gewesen waren. Er saugte neue Luft in seinen Brustkorb hinein und stemmte das Gewicht: die Jungen hatten ihn auf den Boden geschmissen, unfähig und schwach, wie er damals gewesen war. Langsam senkte er die Hantel herab… Hartmut lag wieder auf dem Mädchen, Wange an Wange, sah in ihre toten Augen, fühlte sich schuldig, ihr nicht geholfen zu haben… und stemmte die Hantel wieder hoch… unfähig und schwach war er… Sein Schweiß tropfte auf den Boden, er kämpfte gegen das Gewicht an… und dann kamen die Tritte, und er, unfähig und schwach, ließ sie geschehen. Und wieder Tritte. Und Blut tropfte auf den Boden und… die Hantel hoch, sein Schweiß rann durch die Haare auf seiner Brust und die Hantel wieder hoch und wieder… Tritte und schwach, SCHWACH lag er mit dem Kopf in ihrem Blut und… Schweiß tropfte von seiner Stirn und sein Körper glänzte“

Zum Roman:

Engel spucken nicht in Büsche: Roman über Liebe, Tod und Teufel, von Ralf Boscher

Der Tod ist in die Stadt gekommen, und er ist auf einer Mission. „Abtreibungskiller“ nennt ihn schon bald die Presse. Der Polizei gelingt es nicht, den heimtückischen Frauenmörder zu stoppen. Gelingt dies Hartmut, dem Krankenpfleger mit einer ausgeprägten Vorliebe für Prostituierte? Der Tod ist in die Stadt gekommen, und düstere Visionen quälen den aufstrebenden Künstler Krish. “Kann es sein, dass ich nicht nur male, was war, sondern auch, was sein wird?” Wo ist seine große Liebe Helen? Ist ihr etwas zugestoßen? Nein. Ja. Aber sie lebt. Noch. Denn nun ist der Mörder auf dem Weg zu ihr.

“Engel spucken nicht in Büsche” – eine packende Geschichte. Lebendige Figuren, die Sie nicht vergessen werden. Starke Frauen. Ein teuflischer Mörder. Männer zwischen Sehnsucht und Furcht, getrieben. Ein Krimi. Ein Roman über den Verlust der Unschuld. Erotisch. Hart. Zärtlich. Schonungslos. Ein spannendes Buch über Hoffnung und Schmerz, über Liebe, Leid und Lust.

Erhältlich Taschenbuch in allen Buchhandlungen

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Smaugs Einöde – wie passend. Filmkritik

Drache7
Was für ein passender Titel. Dabei habe ich ein Faible für Drachen. Und auch den „Kleinen Hobbit“ mag ich sehr. Als Buch. Als kleinen, feinen, spannenden, eng gestrickten Roman.

Aber was ist hier geschehen?

Jacksons Verfilmung des „Herr der Ringe“ fand ich sehr gelungen, weil er es meiner Meinung nach geschafft hatte, vieles von dem, was mir an Tolkiens „Herr der Ringe“ nicht gefiel, außen vor zu lassen. Dieses Langatmige, Ausgedehnte, dieses allzu ins Details gehende Beschreiben von für die Handlung unwichtigen Dingen – auch wenn sie für die zugrunde liegende Mythologie (die erschaffene Welt) vielleicht bedeutsam sind.

Und bei seiner Verfilmung von „Der kleine Hobbit“?

Hier ging Jackson den umgekehrten Weg: Er hat den „Kleinen Hobbit“ auf „Herr der Ringe“-Niveau aufgeblasen. Ringdisiert.

Dies empfand ich so beim ersten Teil – und trotz des angehobenen Actionlevels empfinde ich es auch beim zweiten Teil der Hobbit-Verfilmung.

Dabei hatte ich mich so auf den zweiten Teil gefreut – hey Smaug, neben Fuchur und Grisu der coolste Drache, den ich in noch jungen Jahren kennengelernt habe. 5. Klasse. Schullektüre – und „Der kleine Hobbit“ war so ziemlich die einzige Schullektüre, die ich mit Begeisterung gelesen habe.

Und jetzt? Was ist Smaug doch für ein Schwätzer. War das schon damals so? Trübt mich jetzt meine Erinnerung an mein erstes Leseerlebnis des Hobbits? Wie auch immer: In der Verfilmung smaugt er rum und smaugt er her, rasselt mit Wortzähnen und Feuersätzen, diskutiert mit Bilbo auf Beutlin-komm-raus. Wie lange? Eine gefühlte halbe Stunde. Natürlich: Seine Optik haben sie gut hinbekommen. Und das Drachenbad in geschmolzenem Gold ist eindrucksvoll. Aber dennoch: Manchmal sind weniger Worte mehr Bedeutung.

Smaugs Einöde – leider ein passender Titel. Denn obwohl zweite Teil von Jacksons Hobbit rasanter war als der erste Teil, hat er mich auf eine gewisse Weise angeödet. Weil er mich emotional nicht berührte. Weil er alles, was an der Romanvorlage bemerkenswert war, in die Breite gewalzt hat. Weder Zwerge, noch Bilbo, noch Gandalf – und schon gar nicht Smaug haben mich mitgerissen. Ihr Schicksal ließ mich unberührt. Der Zauber, der mich damals die Schullektüre verschlingen ließ, war geschwunden.

Schade. Bezeichnend für mein Filmerlebnis: Ich habe Smaug seine letzten Worte nicht abgenommen: Ich bin das Feuer. Ich bin der Tod. Sein ganzes vorheriges Geschwätze hat ihm die apokalyptische Wucht genommen.

Wie wird wohl der dritte Teil beginnen? Bilbo mit großen Augen in die Ferne blickend. Monolog: Oh, was haben wir nur getan. Wie konnten wir nur? Den Drachen wecken. Verderben. Verdammnis. Feuer. Tod. Dann Aufblenden. Die Kamera schwenkt, damit wir sehen, was Bilbo mit großen, schreckensweiten Augen sieht: Den Drachen im Anflug auf die Stadt. Eindrucksvolles Bild. Der schwarze Schatten. Schnitt in die Stadt. Schreiende Menschen. Panisch umherlaufende Menschen. Schnitt. Smaug Nahaufnahme. „Oh ja, lauft, lauft. Hier kommt Smaug. Das Feuer. Der Tod.“ Smaug dreht eine Runde. Seine Stimme aus dem Off. „Unheil. Hier kommt es. Meine Klauen sind Speere. Meine Flammen die Hölle. Lauft ruhig. Lauft. Ihr könnt euch nicht verstecken. Ich bin das Feuer. Ich bin der Tod.“ Schnitt. Schreiende Menschen. Panischer Blick gen Himmel, wo Smaug noch eine Runde dreht. Stimme aus dem Off: „Ihr seid Futter für mein Feuer. Gleich komme ich über euch, eure Heimsuchung, Nemesis, Plage. Von Zwergen geweckt. Ach die Narren. Und ihr müsst es büßen. Merkt es euch: Ich bin Smaug. König unter dem Berge. Ich bin das Feuer. Bin der Tod.“ Schnitt. Bilbo blickt dramatisch. Ein Zwerg legt ihm eine Hand auf die Schulter. Menschen schreien. Smaug dreht noch eine Runde, Stimme aus dem Off… „Ich bin…“

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Buchvorstellung: „Abschied ist ein scharfes Schwert. Ein Mordsroman“

Ralf_Boscher_Krimi_Mordsroman_Abschied

Bin ich ihm auf den Leim gegangen, indem ich seine Briefe, seine bei unserem Treffen geäußerten Drohungen ernst nahm? Indem ich hinter seinen Geschichten, seinem ganzen Gehabe, einen dunkel dräuenden, bedrohlich wahren Kern vermutete? Aber vielleicht bestand in Wahrheit nie eine wirkliche Bedrohung. Vielleicht war er nur ein wunderlicher Kauz, der einen Narren an mir gefressen hatte. Alles nur Fiktion, Teil seines Spiels. Wie auch immer. Vorsicht ist die Mutter der Porzellankiste. Mir genügte es zu wissen, dass seine Hände so wenig fiktiv waren wie meine eigenen. Hände, die zupacken könnten, eine Bremsflüssigkeit ablassen, ein Feuer legen, ein Messer greifen…

„Der etwas andere Roman… Die einzelnen Charaktere sind gut herausgearbeitet und beschrieben, glaubhaft, wenn auch manchmal völlig abgedreht. Die zum Ende des Romans forcierten Elemente aus Krimi, Horror und Psychothriller münden in einem gewaltigen Finale der Haupthandlung; die Rahmenhandlung endet ebenfalls dramatisch. „Eine gute Geschichte. Eine Geschichte, die es wert war, veröffentlicht und gelesen zu werden“ – diesem Zitat aus der Nachbemerkung schließe ich mich gerne an.“ (Peka auf Amazon).

„Skurriler Krimi… Schräge Charaktere, eine “mordsmäßig spannende Story” (Leser) und dazwischen philosophisch verstiegene Gedankengänge – das liest sich gut und frisch, ist manchem Rezensenten aber dann doch “too much”. Ausprobieren!“ (Johannes Zum Winkel auf xtme).

„Eine außergewöhnliche Geschichte , spannend erzählt , am Ende vielleicht etwas dick aufgetragen. Daher vier Sterne. Ich kann das Buch empfehlen für Leser die keine Geschichte nach Standardschema lesen wollen.“ (Malika auf Amazon)

Abschied ist ein scharfes Schwert. Ein Mordsroman von Ralf Boscher

Liebe, Lust und Leichen im Keller. Leben und Sterben zwischen Nietzsche, dem Niederrhein und der Müllverbrennungsanlage in Wuppertal, in einer Nebenrolle: die Imperia in Konstanz außer Rand und Band.

„Abschied ist ein scharfes Schwert“ ist ein ungewöhnlich erzählter, an Ironie reicher Mordsroman über einen Schriftsteller und einen Fan, über Gewalt und Gier, Tod und Wiederauferstehung.

Oft anrührend, manchmal melodramatisch, immer wieder witzig entblättert der Ich-Erzähler der Haupthandlung sein Leben und seine Leiden. Ist er sympathisch? Ja. Ist er abstrus, sogar dubios? Oh ja. Ist er ein psychopathischer Serienmörder? Seine Erzählungen sind temporeich und farbenfroh (von blutrot bis schwarzhumorig). Eine Lebensgeschichte voller skurriler, ja grotesker Momente. Wir begegnen interessanten Charakteren (mit meist nur kurzer Lebenserwartung) und dämonischen Gestalten. Würzig abgeschmeckt wird das Ganze mit einem Hauch von Philosophie, einem satten Pfund Sex and Crime, einer guten Prise Wahnsinn und zwei Messerspitzen Horror.

„Abschied ist ein scharfes Schwert. Ein Mordsroman“ – ein Buch, das in vielen Genres wildert.

Der Roman ist als eBook und Taschenbuch erhältlich.

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Amouröses an der Uni – Deleted Scene aus „Abschied ist ein scharfes Schwert. Ein Mordsroman“

Ralf_Boscher_Krimi_Mordsroman_Abschied
Miriam war mir im Seminar über Phänomenologie aufgefallen. Zurück zu den Sachen! Klar, warum lange drum herumreden. Als ich sie auf einer der wöchentlich stattfindenden Asti-Diskos zusammengesunken in der Ecke sitzen sah, kam ich gleich mutig zur Sache (hatte mich zuvor nicht gerade, was den Alkohol angeht, in phänomenologischer Enthaltsamkeit geübt): „Geht es Dir nicht gut, kann ich Dir helfen?!“ Sie war einige Stunden zuvor von ihrem Freund verlassen worden, sah aber auch mit ihren verweinten Augen sehr ansprechend aus (was ich natürlich nicht nur dachte, sondern auch hervorhob). Miriam war sehr redselig in ihrem Kummer, zeichnete sich auch ansonsten durch besondere Zungenfertigkeit aus, soweit dies unter dem erheblichem Alkoholeinfluss meinerseits noch objektiv festzustellen war. Deswegen hätte ich diese Erfahrung gerne unter günstigeren Bedingungen wiederholt, wozu es aber wegen Schulterzuckens ihrerseits nicht kam. Sie wolle nichts überstürzen. Ihr Freund würde es sich sicher anders überlegen, wäre nicht das erste Mal, und würde Morgen mit Blumen vor ihrer Tür stehen. „Man sieht sich!“, meinte Miriam beim Abschied noch zu mir.

Rahel, ebenfalls ein Gesicht, das mir aus einem Seminar vertraut war, lernte ich auch auf der Asti kennen, exzessiver Tanzstil mit großen Gesten, hat mich, der ich – wie zufällig – auf der Stelle neben ihr tanzte, glatt umgehauen. Gab ein Bier zum Trost. Anschließend war das Trösten wieder mein. Denn sie war ebenfalls von ihrem Freund verlassen worden. War Paris die Stadt der Liebe, so schien Wuppertal die Stadt der einsamen, verlassenen Herzen zu sein. Immerhin sah sie für sich und ihren Freund keine Hoffnung mehr. Was mich hoffen ließ. Auch wenn sie sich meinen Versuchen, sie zu küssen, nicht aufgeschlossen zeigte. Aber: „Nicht jetzt!“ sagte sie, was doch nur soviel heißen konnte, wie: Dann ein anderes Mal! Und dazu kam es dann einige Tage nach unserem Kennenlernen nach der Habilitationsfeier eines unserer Philosophiedozenten. Wir hatten beide ordentlich Wein getrunken, ich wohl mehr als sie, jedenfalls traute ich mich, ihr vorzuschlagen, doch mal ein paar Schritt mit mir zur Seite zu treten. Ich fände, sagte ich in einem Anflug von professoralem Pathos, dass wir lange genug die Wahrheit im Weine gesucht hätten, ich würde doch jetzt lieber die Wahrheit im Weibe suchen. Anscheinend gefiel dies ihr, denn flugs fand ich mich ganz unphilosophisch mit ihr im Aufzug und anschließend noch in einer Toilette wieder. Dieses eine Mal war aber nicht auf Wiederholung angelegt. „Erst mal genug von Männern!“, sagte sie gegen später, als ich sie durch das nächtliche Wuppertal nach Hause brachte, womit sie wohl genug von einem Mann für länger! meinte. Obwohl… vielleicht wäre es mit uns was geworden, wenn ich im Aufzug ihrem oralem Pathos nicht vollends erlegen und auf der Herrentoilette zur Wiederholung aufgelegt gewesen wäre.

Wenig später lernte ich dann Sara kennen, Grundstudium wie ich, kein Freund. Wir haben einige Male nach einem Seminar Kaffee zusammen getrunken. „Mit mir könne man so einfach über alles reden!“, sagte sie. „Klar doch!“ sagte ich. Und schließlich lud sie mich zum Schwimmen in der Bever ein, und wir fuhren zusammen mit einigen ihrer Bekannten hin. Sonne, Nacktbaden, Grillen, Bier, Lagerfeuer. Sie ging dann irgendwann für kleine Mädchen in die Büsche und kam nicht wieder. Besorgt suchte ich sie schließlich, trat ihr aber im mondlichtenen Halbdunkel fast auf die Hände, welche sie ins Gras gekrallt hatte, weil gerade einer ihrer Bekannten mir meine Sorge um sie abnahm. Bevor ich aber meinem spontanen Impuls, meine Hände auch irgendwo hinzukrallen, folgen konnte, spürte ich plötzlich sanfte Hände auf meiner Schulter. Eine Bekannte von Sara, mit der ich zuvor nur ein paar Worte gewechselt hatte, war ihrerseits mir gefolgt. Und so lag ich schließlich mit dem nacktem Rücken im Gras, während Saras Bekannte still rhythmisch auf mir saß, was sehr angenehm war, da ich so Sara hören konnte, die unweit von mir, ebenfalls rhythmisch, aber laut, das ihrige im selben Gras tat und es mir somit leicht fiel, mir vorzustellen, dass es ihre Silhouette war, die sich da über mir vor dem Mondlicht abhob und senkte und hob. Ob ich Saras Bekannte nochmals wiedergesehen habe, kann ich nicht sagen. Ich habe nur sehr verschwommene Erinnerungen an ihr Gesicht, und sie hatte mir weder in dieser Nacht ihren Namen genannt, noch sich später einmal – wenn ich Sara in der Uni oder auf der Asti mit ihren Bekannten und Freundinnen traf – als jene welche zu erkennen gegeben. Sara und ich tranken dann noch einige Male Kaffee zusammen. Einmal fuhren wir sogar Abends nur zu zweit mit einer Flasche Wein an die Bever. Wieder schien der Mond. Die Sterne strahlten. Es lief aber nichts. Auch wenn sie immer noch keinen Freund hatte. Mit mir konnte man halt gut reden.

Rebekka nun war eine junge Angestellte in der Bibliothek. Wir sahen uns oft, aber auch nur, da ich sie ständig um Bücher anging, die laut Katalog nicht verliehen waren und dennoch nicht an ihrem Platz standen. Natürlich hatte ich sie verstellt. Lauter Bücher zur Partnerpsychologie. Was immer das heißen mag. Aber ich hatte sie einmal, als ich auf Recherche für meinen Roman unterwegs war, in einem solchen Buch lesen gesehen und hoffte nun, dass sie mich irgendwann neugierig geworden fragen würde, was ich denn mit diesen Büchern wolle. Und so kam es auch. Ich erzählte ihr dann, dass ich an einer Hausarbeit über die im Laufe einer Partnerschaft verschwindende Kommunikationsbereitschaft arbeiten würde, und besonders an der Frage interessiert sei, ob Sex in diesem Zusammenhang als Kommunikationsform zu gelten habe. Was sie sehr interessant fand, so interessant, dass sie sich lächelnd mit beiden Händen in die Haare greifen musste, um den Sitz ihrer langen Locken zu überprüfen. Und später, nachdem wir schon einige Mal freundlich geplaudert hatten, verstellte ich das Buch Joy of Sex. Dabei bräuchte ich das doch dringend, sagte ich mit niedergeschlagener Miene, das sei doch ein Buch, was gerne auch von Paaren gelesen würde, ich müsse doch schauen, ob die dargestellten Stellungen sich als rhetorische Positionen in einem Kommunikationszusammenhang deuten ließen. Sie hatte wohl schon so viele Wissenschaftler kommen und gehen gesehen, dass sie auch den größten Schwachsinn, der einen forschenden Geist umtrieb, gelassen hinnahm. Na, vielleicht mochte sie mich auch einfach und war – obwohl sie mich und meine Absichten durchschaute – so gutmütig, auf mein kleines Spiel einzugehen. Jedenfalls führte sie mich lächelnd in die hinterste Ecke des Sozialwissenschaftlichen Buchbereichs: „Das kann doch gar nicht sein“, sagte sie, und dann meinte sie noch mit diesem gewissen Lächeln in den Augen, mit dem sie auch ihre Haare geordnet hatte, „das muss doch hier sein, habe ich doch erst letztens in der Hand gehabt, weil ich selbst was nachschlagen musste!“ Was immer sie auch letztens in der Hand gehabt hatte, jetzt war ich es, den sie in die Hand nahm. „Ja, da steht er doch, der gesuchte Joy of Sex!“ meinte sie noch, rhetorisch geschickt mit den Wortbedeutungen und dem Verhältnis von res und verba und handwerklich geschickt mit meiner res spielend. Dann nahm sie mit der freien Hand ein Buch aus dem Regal – Die Prinzenrolle, wie ich auf dem Einband las – und entnahm dessen Seiten ein Kondom. Womit mir schlagartig klar wurde, dass sie nicht nur viele, von ihrem forschenden Geist umgetriebene Wissenschaftler hatte kommen sehen. Mehr als diese einmalige Einführung in ihre bibliographischen Praktiken gab es leider nicht. Gerne hätte ich ihr – wie ich ihr vorschlug – das Bücherregal bei mir Zuhause gezeigt. Aber daran hatte sie kein Interesse. Ich würde doch wohl nicht glauben, meinte sie noch, dass sie sich – bei all den Professoren, die ihr Avancen machen würden – auf einen kleinen Studenten einließe. Ich solle das doch nicht so ernst nehmen. Was ich dann auch versuchte, aber die Bemerkung, dass sie vorhin hinter’m Bücherregal mit meiner Größe wohl zufrieden gewesen sei, konnte ich mir dann doch nicht verkneifen.

Szenen, die es nicht ins veröffentlichte Manuskript meines zweiten Romans geschafft haben.

Abschied ist ein scharfes Schwert. Ein Mordsroman

Liebe, Lust und Leichen im Keller. Leben und Sterben zwischen Nietzsche, dem Niederrhein und der Müllverbrennungsanlage in Wuppertal, in einer Nebenrolle: die Imperia in Konstanz außer Rand und Band.

„Abschied ist ein scharfes Schwert“ ist ein ungewöhnlich erzählter, an Ironie reicher Mordsroman über einen Schriftsteller und einen Fan, über Gewalt und Gier, Tod und Wiederauferstehung. Ein Buch, das in vielen Genres wildert.

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