Monatsarchive: April 2020

Und täglich grüßt der Laubbläser

Laubblaeser
Unglaublich: Ich höre Phil Collins. Über den Kopfhörer. Weil seine Stimme so beruhigend dahin plätschert, weil die Stücke so harmonisch sind. Und wer mich kennt, weiß: PHIL COLLINS! PUH! Obwohl: Und …Then there were three hat mir damals sogar gefallen. Vielleicht aus einem ähnlichen Grund, vielleicht weil ich mich damals auch nach Ruhe sehnte – und diese nur mit Musik zu haben war.

Lärm. Kennt jemand Rilkes Episode aus dem „Malte Laurids Brigge“, von diesem Wesen, das einem in die Gehörgänge kriecht, einen nicht mehr loslässt, schleicht es sich doch durch die Mauern des Hauses in das eigene Leben ein, ohne dass man sich dagegen wehren könnte?

Dieses Wesen ist der Nachbar. Es kann der Frömmste nicht in Frieden leben… wenn es bei Aldi, Lidl, Norma etc. wieder einmal Laubbläser im Angebot hat.

Meine Nerven vibrieren wohl noch immer nach. Dabei liegt das Wochenende noch nicht lange zurück. Ach, Wochenende. Luft holen. Durchatmen. Den Stress der Arbeitswoche hinter sich lassen. Ja, vielleicht sogar einmal ausschlafen… Ach, die lieben Nachbarn. Liegt Samstagmorgens um 9 Uhr das Laub vielleicht besonders günstig? Ist es die Romantik des sich lichtenden Herbstnebels, die den feschen Gartenfreund, sein von der Morgenfeuchte lockiges Haar zurückstreifend, nach seinem Laubbläser greifen lässt? Das kernige Epos des zupackenden Kerls, welches nur unter einer gewissen Geräuschentwicklung gedeihen kann? Da ein paar Äste am Busch, die nicht wie gewollt wachsen: Heraus aus dem Fundus die Elektrobaumschere! Hier am Rasenrand einige Büschel, welche die Harmonie stören: Der Elektrorasentrimmer wird es richten!

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Ein Patient 1. Klasse – „Der eingebildete Kranke“ von Molière, eine Rezension

Moliere_eingebildete_Kranke
Ein Sommer, der zu oft unter dem Zeichen „Patient 3. Klasse“ stand, ließ mich zu einem feinen, gemeinen Stück Literatur greifen, das sehr oft mit dem schwerfüßigen Attribut „Klassiker“ belegt wird (Klassiker = schwer = angestaubt).

Aber da hier auch nach über 300 Jahren nichts angestaubt ist, wusste ich, dass mir die Lektüre ein Lächeln in Gesicht zaubern wird.

Die Wahrheit, heißt es, sei das Gute und Schöne. Die Wahrheit ist: Es ist gut und schön, wenn es einem gelingt, in einer Welt, die weder gut noch schön ist, ein lächelndes Herz zu behalten.

Ein Patient 1. Klasse – „Der eingebildete Kranke“ von Molière, eine Rezension

Der Vorhang geht auf und ohne Umschweife ist der Zuschauer (und der Leser) mittendrin in der wahnhaften Welt des Herrn Argan, einer Welt, deren Lauf nicht durch den Fluss der Zeit, die Wanderung der Gestirne oder durch den Wechsel von Tag und Nacht bestimmt wird, sondern durch das Fließen der Einläufe und Tinkturen und des Geldes an Ärzte. Argan ist ein Hypochonder wie er im Buche steht, für die Ärzte, die ihm das Geld aus der Tasche ziehen, ist er ein Patient 1. Klasse. Seine Vernarrtheit in Krankheit geht sogar soweit, dass er seine Tochter nur an einen Arzt oder einen Apotheker verheiraten will. Herr Argan leidet, und das ist gut so, ist ihm das Gefühl des Leides doch so vertraut wie die Klistierspritze im Körper. Ein Tag ohne Darmreinigung… – undenkbar.

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