Monatsarchive: Dezember 2013

Ein alter Feind neu entdeckt. Die Saat, von Guillermo Del Toro und Chuck Hogan – Rezension

Die Saat, del Toro
Kennt Ihr das? Ihr lest ein Buch und findet plötzlich einen alten Bekannten wieder? Ich dachte schon, es gäbe ihn nicht mehr. Den bösen Vampir, den alten Feind der Menschheit. Ich dachte schon, diese Art des literarischen Blutsaugers wäre ausgestorben, ersetzt durch nette, sensible Vampire, sehr ansehnlich, gut gebaut, in der Sonne glitzernd, mit guten Umgangsformen.

Aber Pustekuchen. Es gibt sie noch, und was das Wiedersehen erfreulich macht: Sie sind wieder da, die Bezüge zum wirklich Beängstigenden. Unter der Oberfläche der von uns Menschen so fein eingerichteten Welt lauert etwas Mächtiges, was uns alle auslöschen kann. Der alte Hauch von Pestilenz. Der alte Gedanke, dass nur ein dünne Haut zwischen unserer zivilisierten Welt und dem Chaos liegt. Dass jeder von uns im Handumdrehen (und nicht durch eine gewollte romantische Handlung) das, was uns als Menschen ausmachte, verlieren kann. Der Vampir hatte immer etwas von einer Krankheit an sich. Und in „Die Saat“ wurde dieser Gedanke (man denke nur an die Blutbild-Bilder aus Coppolas Dracula) konsequent und in aller Grausamkeit durchgespielt.

Ein sehr spannendes Buch. Hart. Apokalyptisch. Aber nicht ohne Hoffnung. Sei wachsam, sei mitmenschlich, achte auf die Zeichen (und besorge dir richtigen Waffen!). Ein Buch für alle, die „The Stand“ von Stephen King mochten (gerade wenn sie bei allem Mögen sich des Eindrucks einer gewissen Langatmigkeit nicht erwehren konnten und sich ein wenig mehr Action gewünscht haben). Ein Buch für alle, denen es im Zwielicht zu wenig zwielichtig zuging.

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Da lachte das Herz des Eisenbahner-Kindes… Erlebnis Bahnfahren

Wenn einer eine Reise unternimmt, dann kann er was erzählen… Nun, ich habe wieder einmal meinen Koffer gepackt und habe eine Bahnreise quer durch Deutschland unternommen. Ob ich etwas anderes zu erzählen habe, als nach meiner letzten Bahnfahrt vergangenen Sommer?

Lok Sept 76
Da lachte das Herz des Eisenbahner-Kindes…

„Du fährst mit der Bahn? Auch noch ICE? Na dann viel Spaß ohne Klimaanlage!“ „Über Mainz? Ha, Mainz, wie es singt und alles über das Bahnchaos lacht!“ „Grüße die Merkel von mir, Bahn ist ja jetzt Chefsache, vielleicht stellt sie ja euch persönlich die Weichen!“

HA HA HA! Ich, das Kind eines Lokführers, schmiss mich weg vor Lachen. Hat man einmal als Dreikäsehoch im Führerstand einer mächtigen E-Lok auf dem Sitz des Lokführers sitzen dürfen (natürlich im Betriebswerk, mit nicht laufender Maschine), dann betrachtet man Deutschlands Eisenbahnen wohl nicht mehr wirklich objektiv – selbst wenn man den Kindheitstraum, Lokführer zu werden (und die Tausende PS mal zum Dröhnen zu bringen) nicht verwirklicht. HA HA HA! Also zückte ich unverdrossen meine Kreditkartennummer und buchte 1. Klasse. Ein Schnäppchen, knapp über der 2. Klasse. 700 Kilometer First-Class-Reisen – und dann ließ ich mir übers Internet die Staumeldungen und -prognosen heraus: A81 Unfall, 5 Kilometer Stau, A5 Stau, A8… A61 Prognose rot, Alternativen noch röter. Ha Ha, der Klügere fährt Bahn. Prognose: 6,5 Stunden Fahrtzeit, angenehme Buchlektüre nur unterbrochen durch 2x Umsteigen (mit hoffentlich nahe gelegener Raucherecke an den beiden Bahnhöfen), und sollte ich mir andere Lektüre wünschen: übers WLAN im ICE einlocken und einfach ein neues eBook auf mein Tablett laden. Und also trat ich meine Reise an.

Pünktlich ging es los. Der Zug wurde an meinem Startbahnhof eingesetzt, da kann man dies auch erwarten. Nicht erwartet hatte ich, dass der 1. Klasse Wagen, in dem ich reserviert hatte, nicht an den Zug angehängt worden war. Nun gut, man ist ja flexibel. Es gab genügend freie Plätze – in der 2. Klasse. Aber man ist ja kein Snob. Wobei mir bei der nicht gereinigten Toilette die Augenbraue hoch ging (ein frisch eingesetzter Zug…). Aber das ficht einen alten Bahner, jedenfalls einen männlichen, nicht an. Wenn ich da nur an die ersten Fahrten mit dem frisch eingeführten Wochenendticket denke… 20 Stunden im Regional-Zug, 5x so viele Passagiere wie Sitzplätze, eine halbe Stunde nach Fahrtbeginn waren die Toiletten unbenutzbar. Aber nun fahre ich ja ICE – wobei alles Sagrotan auf der Welt nicht gereicht hätte, mich zum Sitzen zu bewegen (It’s a man’s world).

Aber pünktlich sind wir. Ich erreiche problemlos meinen Anschlusszug – allerdings reicht es nicht für einen Zug aus einer Zigarette. Aber was soll’s. Immerhin bin ich flott unterwegs – wieder in der 2. Klasse. Zwar haben sie dieses Mal den Wagen, in dem ich reserviert habe, nicht vergessen, an den Zug anzuhängen, aber HA HA, ja der Klassiker: „Na dann viel Spaß ohne Klimaanlage!“ Vor gefühlten 50 Grad an meinem reservierten Platz floh ich in die 2. Klasse. Man ist ja kein Snob. Wobei mir bei dem Hinweis des Service-Personals, dass sie in der 2. Klasse keinen Kaffee servieren dürften, die Augenbraue hoch ging. Immerhin war das Zugrestaurant im Wagen nebenan, also las ich bei einer Tasse fast heißen Kaffees in meinem eBook – und ehe ich mich versah: Ende. Ein Krimi. Ein guter Krimi aus einer Reihe. Und freundlicherweise hatte der Autor am Ende seines eBooks einen Link zum nächsten Band seiner Serie eingefügt. Also gleich angeklickt, WLAN im Zug sei Dank. Doch: WLAN im Zug nicht verfügbar. Also back to the roots. Bei kaltem Kaffee aus dem Fenster starren. Aber immerhin waren wir pünktlich unterwegs – Mainz ließen wir ohne Probleme links liegen. Und also stieg ich zur geplanten Zeit zum zweiten Mal um. Da die Raucherecke auf dem Bahnhof in ungefähr 5 Kilometer Entfernung hinter der Bahnhofsmission lag, biss ich die Zähne zusammen. Ein einfaches Unterfangen angesichts jetzt nur noch einer halbstündigen Fahrt.

Zwei Bahnhöfe vor meiner erwarteten Ankunft rief ich meinen Vater an, dass ich fahrplanmäßig unterwegs sei, er könne mich zur erwarteten Zeit am Zielbahnhof abholen. Vielleicht sollte man solche Anrufe unterlassen? Vielleicht gibt es ja einen rachsüchtigen Dämon des Bahnfahrens, der HA HA HA seinen Spaß an unvorhergesehenen Verzögerungen hat. Jedenfalls hieß es 5 Minuten später beim letzten Halt vor meiner Ankunft, dass auf der Strecke unmittelbar hinter dem Bahnhof ein Gleis unterspült worden sei (wobei es seit Tagen nicht geregnet hatte, es geschweige denn sintflutartige Güsse gegeben hatte). Jedenfalls mussten wir – da die Strecke nur noch eingleisig befahrbar sei – auf den Gegenzug warten. Ich rief meinen Vater an (Handys sei Dank), aber der war schon zum Bahnhof gefahren (wie ich von meiner Mutter erfuhr) und hatte sein Handy nicht dabei. Aber nun gut, er ist ein alter Bahner, also wirkte er nach dreiviertelstündiger Verspätung nicht allzu gestresst. Fazit: Etwas über 7 Stunden Fahrt – als ich mir bei einer Zigarette die Stauberichte übers WLAN bei meinen Eltern ansah, musste ich lächeln.

Und lächelnd ging es nach einer schönen Woche auf die Rückreise. Der Zug wurde an meinem Startbahnhof eingesetzt. Wobei er eine Viertelstunde später bereit gestellt wurde… Immerhin gab es kein Problem mit der Klimaanlage. Allerdings hatten sie den Zugteil, in dem sich der von mir reservierte Platz befand, nicht an den Zug gehängt. Statt einem ganzen ICE fuhr nur ein halber. Alle Reservierungen obsolet. Aber: Der frühe Vogel fängt den Wurm – alle später eingestiegenen Fahrgäste fanden keinen Sitzplatz mehr. Aber im Stehen 260 zu fahren hat ja auch was. Aber für die Sitzenden wie mich hatte es noch mehr. Immerhin, wir holten die Verspätung auf – und dann auf dem letzten Fahrtabschnitt fand ich den von mir reservierten Platz in einem klimatisierten Wagen. Der Kaffee war heiß – und auch wenn die WLAN nicht funktionierte, egal, ich hatte mir bei meinen Eltern genügend Lesestoff aufs Tablett geladen. 6,5 Stunden für 700 Kilometer. Da lachte das Herz des Eisenbahner-Kindes. Nur gut, dass ich nicht auf die Toilette musste.

Nachtrag: Pünktlich, pünktlich, und noch einmal pünktlich – und dann, ja dann Philipp. So das Résumé meiner Zwischen-den-Feiertagen-Fahrt. „Philipp komm sofort her!“, gefühlte 1000x zwischen Radolfzell und Offenburg – aber der kleine Philipp war in Fahrt. Rannte im Großraumwagen von einem Ende zum anderen. Betrachtete interessiert Mitreisende bei ihrer Buch- oder eBook-Lektüre. Was niemanden störte. Lächeln hier und dort – und schon war Philipp wieder fort. Hin zu neuen Abenteuern. „Philipp komm sofort her!“ Weg von den Rufen seines Vaters. Und dann, in Hornberg, kam zu meiner Erbauung ein anderer Philippe – und zwar in Form eines gigantischen, haushohen Klos (hier zu begutachten…). Was für eine Ortseinfahrt! Hornberg war für mich bislang vor allem ein beschauliches Städtchen mit romantischer Burganlage auf einem Hügel. Doch nun ist der Schwarzwald nach einigen „world biggest cuckoo clocks“ um einen weiteren Superlativ reicher: Das vom französischen Stardesigner Philippe Starck als Aussichtsplattform entworfene Riesen-WC im Neubau von Duravit. Hornberg, Stadt of „the biggest WC of the Black Forrest“, ach was sage ich: „world biggest WC“. Eine interessante Aufgabe fürs Stadtmarketing hier die Kurve zur Romantik hinzubekommen: „Tradition und Innovation, Hornberg – Romantik im Zeichen der Burg, der Zukunft zugewandt im Schatten des Riesen-Klos“. Und meine Rückfahrt? Auch hier pünktlich, pünktlich – selbst nachdem wir eine halbe Stunde auf freier Strecke kurz vor Worms stehenbleiben mussten, weil ein Zug vor uns liegen geblieben war, so dass ich meinen Anschluss in Heidelberg nicht erreichte. Aber: Respekt! Das Zugbegleitpersonal war auf Zack, freundlich informierend. Hat mich in Mannheim in einen ICE gelotst, der dann die verlorene Zeit (und meinen IC nach Konstanz) mit Tempo 250 einholte, so dass ich in Offenburg in meinen ursprünglichen Zug einsteigen konnte. Ankunft nach Plan. Also kurz gesagt: Hier lachte das Herz des Eisenbahner-Kindes.

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Historisches: Multimediale Gehversuche… Erste Literaturvideos…

Literaturvideos_Ralf_Boscher

Als Autor, gerade als Indie-Autor, sollte man keinen der Social Media-Kanäle ungenutzt lassen, so heißt es. Also wohlan. Dachte ich. Youtube – ich komme. Und so versuchte ich mich, weil ich eh sehr visuell orientiert schreibe, sprich immer auch in filmischen Dimensionen denke, an Videos zu meinen Texten…

Meine neuesten Versuche in diese Richtung sind hier anzusehen, die Buchtrailer zu meinem zweiten Roman „Abschied“ und zu meiner Kurzgeschichte-Sammlung „Tiefer“.

Aber es gab schon lange vorher Versuche… Mein Equipment: Headset, Gitarre und Mundharmonika für die musikalische Untermalung (bei meinen neueren Versuchen habe ich auf Profis zurückgegriffen, siehe Credits der Buchtrailer), diverse selbst geschossene Fotos oder mit großem Aufwand an Requisiten und Personal erstellte Videosequenzen, und dann: Der Videoschnitt. Windows Movie Maker sei Dank (oder Undank, je nachdem wie das Urteil über meine Versuche ausfällt).

Wie auch immer: Es macht einfach Spaß, sich auch in dieser Richtung auszutoben, etwa an einem Abend, wenn der Kursor mitten in der tollen Textidee blinkt und blinkt, weil ich mit dieser tollen Textidee nicht weiterkomme, da sie dann doch nicht so toll war… Den Geist mit etwas anderem beschäftigen, ein probates Mittel, um Schreibblockaden aufzubrechen.

Zumeist habe ich mich dann an der „Verfilmung“ eines meiner Gedichte versucht. Viel Spaß beim Durchschauen meines „Videoarchivs“.

Verlorene Zeit

 

Es bleibt ein Lächeln

 

Epilog

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Verbunden, umschlungen Rose und Wolf sich küssen – Liebesgedichte

Lange bevor ich die erste Prosageschichte zu Papier gebracht habe, schrieb ich Gedichte. Poesie der Freude, der Trauer, Wut, Angst - und auch Liebeslyrik. Und auch wenn ich seit Jahren vor allem Prosa schreibe, fließen mir doch immer mal wieder einige Verse aus der Feder. Die Liebesgedichte sind im Laufe der Jahre entstanden. Das neueste Gedicht „Gefunden“ habe ich im Herbst 2013 geschrieben.

Die Liebesgedichte sind im Laufe der Jahre entstanden. Das neueste Gedicht „Gefunden“ habe ich im Herbst 2013 geschrieben.

Ihre Augen

Sie zogen mich tief in sie hinein,
Und ich brachte ihr meine Augen dar.
Sie suchte mich, sie suchte sich
In meinem Blick,
Und dann
Fanden wir uns.

 

 

 

Zwischen Himmel und Erde

Eingetaucht in das Laken lagst Du nackt
Unter dem Abendhimmel Deines Haares,
Und weich bog sich Dein Körper meinem Blick,
erzählte mir nächtliche Geschichten,
geschwungen eingeschrieben
in den Fluss Deiner Weiblichkeit.

Mit Sternen geschrieben

Ich gab es dem Wind mit,
Damit er es Dir ins Ohr flüstert.
Spürst Du die Tropfen auf Deiner Haut,
Fühlst Du, was sie Dir von mir erzählen?

Könnt‘ ich’s doch den Donner brüllen lassen,
Mit Blitzen es in Wolken schreiben!
Nein, nein! Leise … heimlich … Dein …
Kannst Du es aus den Sternen herauslesen?

 

Ungesagt

Ich hätt‘ ihr gern einen Liebesbrief geschrieben,
Von ihren Haaren, ihren Lippen, hab‘ ich gedacht,
Von ihren Händen und Blicken im Fahrstuhlschacht
Könnte ich schreiben.
Aber ich träumte und träumte, sah sie in mir,
Sah sie an, sah ihr zu, brachte nichts zu Papier.
Und was ich erblickte, ist ungesagt geblieben.

 

Gefunden

Verbunden, verschlungen
Ineinander seit dem ersten Blick,
Verbunden, umschlungen,
Zwei Leben in eins, und Stück für Stück
Wurde aus dieser Eins mehr als einfach nur zu zweit.

Das ist des Rätsels Lösung, das sie band.
Ein Puzzle, das endlich zusammenfand.
Verbunden, umschlungen
Rose und Wolf sich küssen,
Zart, wild, ungezwungen,
Aneinander wachsend ohne zu müssen.

Verbunden, verschlungen
Auch nach dem tausendsten Blick,
Verbunden, umschlungen
Bin ich dankbar für dieses Glück,
Die Eine gefunden zu haben.

Die Eine, die mich an sich band,
Die mich vollständig macht, da ich sie fand.
Verbunden, umschlungen
Rose und Wolf sich küssen,
Zart, wild, ungezwungen,
Ich will es nicht missen müssen.

 

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Historisches: Lesungen – Literatur ist geil oder Futter für die Bestie im Secondhand

Lesungen… das heißt Lampenfieber, die spannende Frage, ob ich das Publikum packe, die Freude, wenn ich spüre, ja, jetzt habe ich die Anwesenden gepackt. Was für ein Gefühl, wenn diese unglaubliche Verbindung zwischen Lesendem und Hörenden hergestellt ist, eine ganze eigene Art von Kribbeln, auch ein Gefühl der Macht, wenn man spürt, wie sie mit dem Text mitgehen, wenn man die Reaktionen der Zuhörer voraussagen kann „Gleich lachen sie, gleich stöhnen sie auf, gleich gefriert ihn das Lächeln im Gesicht, nun werden sie aufatmen…“ Wie wichtig dabei auch Humor ist, ein gewisses Augenzwinkern, vermitteln einige der Bilder, und mein Video zu meinem Gedicht „Epilog“. Denn dies ist ja bei einer Lesung unter anderem das Schöne: Hier ist der Dichter nicht alleine, hier gibt es ganz direkt Feedback. Ich denke: Ich sollte wirklich wieder einmal lesen.

Ein Rückblick:

Literatur_ist_geil_qlt_Artikel
„Unter anderem gibt es ein Wiedersehen mit der Krähe des Todes, Tante Marthas Hintern, dem in Weihnachtslieder vernarrten Metzger und einem liebeslüsternen Briefeschreiber. Achtung: auch dieses Mal wird gesungen. “ (so lautete ein Teil der Ankündigung der letzten „Literatur ist geil“-Lesung im Lebensart, dem Weinfachgeschäft der Spitalkellerei, welches es in dieser Form leider nicht mehr gibt).

Schwaebische_gross
“Sie mögen es lustvoll? Genießen es den Atem anzuhalten, wenn es gruselig wird? Dann kommen Sie in die SEEROSE, den Secondhand-Laden in Meersburg. Geboten werden spannende, erotische und gruselige Kurzgeschichten von und mit dem Schriftsteller Ralf Boscher. Bitte beachten: die Lesung ist für Kinder nicht geeignet.“ (Auszug aus der Pressemitteilung zu der „Futter für die Bestie“-Lesung in der Seerose, damals der schönste Secondhand-Laden am Bodensee, den es leider auch nicht mehr gibt).

25 Jahre… Ja, vor 25 Jahren hatte ich meine erste Lesung. Die Vorstellung meines ersten Romans „Engel spucken nicht in Büsche“. Ein Freund hatte das Plakat entworfen. 16:30 im Cafe Zweistein in Wuppertal. An meinem 25. Geburtstag. Rund 70 Zuhörer. Für mich unvergesslich. Seitdem gab es u.a. Lesungen in der Uni, organisiert vom AstA, im Konstanzer Neuwerk (auch eine interessante Erfahrung mit meinen Geschichten an einem Slam Poetry Abend mitzumachen).
Literatur_ist_geil_Weihnachten_anzeiger Dann zwischen November 2004 und April 2005 alle vier Wochen die Literatur ist geil-Lesungen im Lebensart (gemeinsam mit Katharina Heyartz, damals Geschäftsführerin Lebensart, heute Bloggerin und Mitinhaberin einer Kreativagentur).
Seerose_Meersburg_Lesungen
Von Dezember 2006 bis Dezember 2007 veranstaltete ich zusammen mit Esther Shepherd (damals Inhaberin Seerose Secondhand und mehr…, Meersburg) vierteljährlich Lesungen.

 

 

Weitere Lesungen von Ralf Boscher:

12. September 2009, Karlsruhe Prinz-Max-Palais

„13 Vortragskünstler: Erste „Karlsruher Lesenacht“ am Samstag

Karlsruhe (ps/pat) – Lange Nacht für Literaturfreunde: Im Karlsruher Literaturhaus im Prinz-Max-Palais findet am Samstag, 12. September, erstmals eine Lesenacht statt. Abwechslung ist Trumpf; die Veranstaltung zeigt die ganze Vielfalt der Literatur – von Lyrik über kurze Prosatexte bis hin zur szenischen Lesung ist für Liebhaber des geschriebenen Wortes alles dabei.

Die 13 Autoren sind Vortragskünstler, die bislang noch wenig Gelegenheit hatten, ihre Texte in einem größeren Forum zu präsentieren. In lockerer Folge lesen Simone Adams, Andrea Bayer, Inka Kleinke-Bialy, Ralf Boscher (liest die Kurzgeschichte „Grenze des guten Geschmacks“), Hartmut Brie, Birgit Jennerjahn-Hakenes (stellt preisgekrönte Geschichten vor, unter anderem das in der „Allmende“ erschienene „Bett 29“), Gesine Heinrich, Oliver Koch, Kajo Lang, Maurice Meijer (aus der Slampoetry-Szene), Paula Menzel, Nora Noe (liest aus ihrem zweiten Roman „Mitten im Jungbusch“ und dem neuen dritten „Zwischen Jungbusch und Filsbach“) sowie Jasmin Hambsch, die mit feiner Prosa die erste Karlsruher Lesenacht“ beschließt.

Es moderieren Hansgeorg Schmidt-Bergmann und Matthias Walz.“ (Quelle: ka-news.de)

Pressemitteilung des AStA zur Lesung (18. Mai 2005):

Ralf Boscher liest aus „Vom Höcksen aufs Stöcksken“
Konstanzer Autor trägt im Rahmen der AStA-Literaturreihe am 23. Juni an der Universität vor

Der Konstanzer Autor Ralf Boscher wird am 23. Juni um 20 Uhr an der Universität Konstanz aus seiner Textsammlung „Vom Höcksken aufs Stöcksken“ lesen. Die Veranstaltung findet im Internationalen Besucherzentrum der Universität Konstanz statt. Mit Ralf Boscher ist es dem AStA gelungen, einen vielsprechenden jungen Autor aus der Region für eine Lesung zu gewinnen.
Boscher, der 1968 in Aldekerk am Niederrhein geboren wurde und sein Studium an der Universität Konstanz abgeschlossen hat, legt mit „Vom Höcksken aufs Stöcksken“ nicht seine erste Veröffentlichung vor. Viele Texte Boschers sind bereits in Literaturanthologien erschienen. Mit Spannung darf sein Romandebüt erwartet werden.“Vom Höcksken aufs Stöcksken“ ist beleibe nicht das das literarische Motto der Texte Boschers, denn erzählerisch begibt sicher der Konstanzer sicherlich nicht vom Hundersten ins Tausendste. Eher geradlinig ist die literarische Produktion des Konstanzer angelegt, sie kommt ohne prätentiöse Abschweifungen aus. Aussagekräftiger ist der Untertitel von Boschers Buch: „Hartes und Zartes in Geschichten und Gedichten“.

K9 Konstanz … Am 3. März 2005 trat Boscher im Rahmen der Splitternacht im Kulturzentrum K9 in Konstanz auf. Er las das Gedicht ‚Ungesagt‘ und die Kurzgeschichte ‚Der Bierdeckel und das Warten‘.

Neuwerk Konstanz … „Kalter Kaffee“, „Ruhe im Kartong“ und „Winzkriecher“ waren die Geschichten, die Boscher auf der vom AStA der Universität Konstanz veranstalteten Kulturnacht am 15.12.2004 im Neuwerk aus seinem Buch Vom Höcksken aufs Stöcksken gelesen hat.

Schnappschüsse aus Boschers Lesungen:

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Zu einem kurzen Clip umgearbeitete Lesungspremiere meines Gedichts „Epilog“

Der Text zum Video:

Epilog

Einsam und traurig ist des Dichters Herz,
Denn zu wahrer Dichtung gerinnt nur Schmerz.
Und wenn er einmal glücklich ist,
Er den Schmerz schon bald vermisst.

Auf Glück, da kennt er keinen Reim,
Im Unglück liegt der Dichtung Keim.
Und ist er wirklich einmal froh,
Kneift er sich in den eigenen Po,

Das tut weh und so ist’s fein,
Denn nur auf Schmerz fallen Reime ihm ein.
Und reicht der Schmerz am Arsch nicht aus
Springt er einfach aus dem Fenster raus.

Der Weg ist weit und so ist’s recht
Bei kurzem Wege reimt sich’s schlecht.
Er fällt und fällt, und das ist’s fein,
Den Abgrund vor Augen, so soll es sein,

Des Wahren Dichters Dichterleben.
Im freien Fall nach Höherem Streben
Als Glück und Lust und Lachen viel.
Der Dichter lebt und stirbt mit Stil.

Und Stil ist Schmerz, das ist doch klar,
Denn auf Schmerz reimt sich Herz, wie wunderbar.
Ein steter Fall so’n Dichter Leben,
So ist das eben.

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Mehr als Klischees… meine wissenschaftliche Baustelle: Topik. Eine Rezension

Lothar_Bornscheuer_Topik
Es gibt Menschen, über welche man auch im Zeitalter von Google und weltweiter Vernetzung nur wenig erfährt. Was von ihnen als Person bleibt, bleibt im Privaten. Wertvolle Erinnerungen, nur den Vertrauten anvertraut. Was von ihrem Denken bleibt, ist manchmal ein Werk.

Topik. Zur Struktur der gesellschaftlichen Einbildungskraft, Frankfurt/Main 1976 (Suhrkamp) von Lothar Bornscheuer

Lothar Bornscheuer war ein deutscher Literaturwissenschaftler, Hochschullehrer und Buchautor. Topik war eines seiner Hauptthemen, sein Buch von 1976 ist sein umfassendster und spannendster Beitrag zur Thematik „Topik“.

Was ist Topik?
Topik beschäftigt sich mit Topoi. Laut Wikipedia versteht man unter „einem Topos (Plural Topoi; altgr. τόπος topos „Ort“, „Gemeinplatz“; lat. locus communis) … einen Ort im übertragenen Sinn, aber auch eine Formkategorie. Im modernen Verständnis bedeutet Topos Gemeinplatz, stereotype Redewendung, vorgeprägtes Bild, Beispiel oder Motiv (z. B. navigatio vitae, das „Lebensschiff“)“.

Topik als die Lehre von den Topoi beschäftigt sich demnach mit dem Auftreten dieser Gemeinplätze, Motive, kurz Klischees, vor allem in Literatur und Kunst. Das ist richtig, aber auch falsch. Denn Topik, so wie sie Bornscheuer analysiert, geht es nicht allein um Klischees, sondern vielmehr um die Vorurteils-Struktur menschlicher Wahrnehmung und Produktivität (als Mensch, Künstler, Wissenschaftler). Topik ist diese Vorurteils-Struktur – und gleichzeitig ihre Kritik.

“Alle theoretischen und praktischen Produktivitäten unterliegen jeweils einer bestimmten historisch-gesellschaftlichen Charakteritik, der Bewegungsspielraum schöpferischer Ideen und ihrer Realisierungsmöglichkeiten in allen Bereichen einer bestimmten Kulturepoche (in ihrem Bildungssystem, ihren Wissenschaften, ihrer Technologie sowie in ihren ökonomischen, politischen und gesellschaftlichen Organisationsformen) ist durch eine jeweils epochencharakteristische Tiefenstruktur bestimmt. Diese Tiefenstruktur eines je bestimmten gesellschaftsgeschichtlichen Bildungshabitus könnte als eine der Bedeutungsschichten des Begriffs >Topik< verstanden werden” (Bornscheuer, Topik, S. 19-20). Bornscheuers Nachdenken über diese Tiefenstruktur trifft sich mit dem Denken von u.a. Michel Foucault. Es ist ein Denken, welches Vorurteils-Struktur und Freiheit nicht als Gegensatz vorstellt: Alle Produktivität, alles Nachdenken, alles Überzeugen, jede Lebensgestaltung, jedes Werk (ob nun Kunstwerk oder wissenschaftliches Werk) findet auf dem Boden der herrschenden Topik statt. Hier auf diesem Boden der Topik ergeben sich für den Menschen und Künstler aber auch Möglichkeiten der Freiheit. Kurz gesagt: Mit Bornscheuer Topik zu betreiben, bedeutet, nahe an Foucaults Auffassung von Philosophie zu sein als einer Denkhandlung, deren eigentlicher Sinn in der Veränderung eingeübter Denk-, Sprach- und Erfahrungsweisen besteht, „um damit ein freies und souveränes Selbstverhältnis zu ermöglichen [...]“ (Kögler, Hans Herbert: Michel Foucault, Stuttgart, Weimar 1994 (Sammlung Metzler), S. 4). Topik, so wie sie Bornscheuer analysiert hat, ist, um es Foucault zu sagen: „[...] eine Analyse der Zivilisationstatsachen, die unsere Kultur charakterisieren, definieren [...] eine Ethnologie der Kultur, der wir angehören“ (Foucault, Michel: Von der Subversion des Wissens, hrsg. u. aus d. Franz. u. Italien. übers. von Walter Seitter, Frankfurt/M., Berlin, Wien 1974 (Ullstein, S. 13). Noch heute ein wichtiges Buch, vielleicht gerade heute ein wichtiges Buch. PS: Im Jahr 2004 wurde mir der wissenschaftliche Nachlass von Lothar Bornscheuer anvertraut. Die Universität Konstanz bot sich an, den Nachlass in Obhut zu nehmen und der wissenschaftlichen Arbeit zugänglich zu machen. Somit befindet sich der wissenschaftlicher Nachlass seitdem in der Universitätsbibliothek Konstanz. Er wurde im Rahmen des von Frau Prof. Almut Todorow betreuten Forschungsprojektes 52/97 gesichtet und für die Archivierung vorbereitet. Archiviert ist er in den Rara-Beständen der Universitätsbibliothek. Leider waren auch die Rara-Bestände der Konstanzer Universitätsbibliothek von der Asbestverseuchung betroffen, die im Herbst 2010 zur Schließung der Universitätsbibliothek Konstanz führten. Mittlerweile sind die Rara-Bestände und auch Bornscheuers Nachlass von Asbest gereinigt und können wieder wissenschaftlich genutzt werden. Facebook-Seite zu Bornscheuer

Cover_Topik_Boscher
Meine Zusammenfassung des Themas

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Ein haariger Heiligabend – „Ho! Ho! Ho! oder Tante Marthas Hintern“, eine unbesinnliche Weihnachtsgeschichte

Ungekürzte Weihnachts-Kurzgeschichte aus Ralf Boschers eBook / Taschenbuch „Tiefer in die Dunkelheit. Von Frauen, Männern und Monstern“

Haariger_Heiligabend_Ralf_Boscher
Ein haariger Heiligabend

Es traf mich völlig unvorbereitet. Wenn es bereits November gewesen wäre, oder wenigstens Ende Oktober, ja dann hätte ich damit gerechnet, aber doch nicht Mitte Oktober. Ich hatte gerade die Obsttheke im Supermarkt hinter mir gelassen und bog Richtung Tiefkühlkost ab, da sah ich sie. Eine ganze Palette. Lebkuchen. Ich versuchte noch, meinen Blick abzuwenden, aber es war zu spät. Und es geschah, wie es jedes Jahr seit diesem verhängnisvollen Heiligabend damals geschah. Ich sah das Bild vor mir.

Meine Therapeutin hatte es bei mir mit Desensibilisierung versucht, schließlich wollte ich einmal eine Familie gründen und würde es meinen Kindern schuldig sein, ihnen ein schönes Weihnachtsfest zu bereiten. Da konnte ich doch nicht bei der kleinsten weihnachtlichen Kleinigkeit zusammenbrechen. Aber all ihre Versuche, mich allmählich an Weihnachten zu gewöhnen, zum Beispiel indem sie mir winzig kleine Weihnachtsmänner in der Absicht in die Hand gab, mich durch den Anblick gewissermaßen abzuhärten und mich so aus dem Bann des Bildes zu befreien, fruchteten nicht. Da mochte sie auch noch so beruhigend auf mich einreden, ich begann zu zittern, mein Puls raste, mir brach der Schweiß aus, ich sah das Bild vor meinem inneren Auge und zerquetschte so manchen Schokoweihnachtsmann in meiner sich verkrampfenden Hand. Die Therapie scheiterte. Und so war ich dem Anblick der Lebkuchen hilflos ausgeliefert.

Es war an jenem Heiligabend des Jahres geschehen, in dem ich 14 Jahre alt geworden war. Zusammen mit meinem Vater hatte ich wie jeden Heiligabend zuvor den Tannenbaum vom Garten ins Wohnzimmer geschleppt und aufgestellt. Das war ein Männerjob. Schmücken würden ihn meine Mutter und meine kleine Schwester, die – als Vater und ich uns mit dem Baum abmühten – in der Küche waren und Plätzchen backten. Auf diese Plätzchen freute ich mich schon seit Wochen, gab es bei uns im Elternhaus doch nur selten Süßigkeiten, und war Weihnachten eine der wenigen Gelegenheit im Jahr – vor allem neben Ostern und Nikolaus – an denen wir Kinder nach Herzenslust Süßes essen durften. Ich mochte Weihnachten. Daran änderte auch der Umstand nichts, dass ich schon längst nicht mehr an den Weihnachtsmann glaubte. Ich hatte damit aufgehört, kurz nachdem ich entdeckte, dass es Tante Martha war, die Jahr für Jahr als Nikolaus verkleidet unser Haus besuchte (was sie mit offensichtlicher Freude tat, vielleicht allein schon deswegen, weil sie sich als Nikolaus ihren sprießenden Damenbart nicht rasieren musste). Von einer Tante Martha als Nikolaus zu ernsten Zweifeln an der Existenz auch anderer im Kinderleben wichtiger Gestalten war es kein weiter Weg, und als ich ihn einmal eingeschlagen hatte, dauerte es nicht lange und ich eröffnete meinen Eltern, dass es den Weihnachtsmann und den Osterhasen genauso wenig gäbe wie den Nikolaus. Meine kleine Schwester ahnte von all dem nichts. Ich brachte es einfach nicht über mich, sie in meine Erkenntnisse einzuweihen. So wie ihre Augen glänzten, wenn der 6. Dezember nahte und sie ihren Stiefel (oder wie sie es einmal in der Hoffnung tat, mehr Süßes zu bekommen, ein ganzes Dutzend Stiefel) vor die Tür stellte. Zauber der Weihnachtszeit. Und meine Eltern gaben sich alle Mühe, diesen Zauber nicht verfliegen zu lassen. Sie verkleideten sich sogar.

Am Morgen des besagten Heiligabends wurden wir – wie in den Jahren zuvor – von einem Engel geweckt. Mutter trug ein strahlend-weißes Nachthemd, aus dem an ihrem Rücken Engelsflügel herausragten, außerdem hatte sie ihre blonden, langen Haare zu einer Lockenpracht frisiert. Am Frühstücktisch wartete dann unser Vater als Weihnachtsmann verkleidet auf uns, in einem langen, roten Mantel, mit einem langen, weißen, umgehängten Bart und einer Weihnachtsmannmütze auf dem Kopf, wobei er – während er uns Kindern heißen Kakao einschenkte – immer aufpassen musste, dass der weiße Bommel am Ende der Mütze nicht in unsere Tassen fiel. Diesen Bommel hatte ich den ganzen Heiligabend vor Augen. Er baumelte vor meinem Gesicht, als Vater und ich den Weihnachtsbaum aufstellten, er baumelte hin und her, während Vater und ich auf den Wegen rund ums Haus die abgefallenen Blätter zusammenfegten, und später am Abend dann, während meine Eltern uns Kinder vor dem Fernsehapparat wähnten, würde ich ihn bei einer Gelegenheit baumeln sehen, bei der ich den Bommel nicht hätte baumeln sehen wollen…

Bis zu dieser Gelegenheit verlief alles so, wie es sich für einen Heiligabend gehört (inklusive jäher Übelkeitsattacken bei meiner kleinen Schwester aufgrund übertriebenen Keksgenusses, was sie aber nicht daran hinderte, auch noch die Lebkuchen zu probieren und eine ganze Packung Marzipankartoffeln zu essen). Nach dem Aufstellen des Baumes, dem Backen der Plätzchen, dem allgemeinen Herrichten eines weihnachtlichen Hauses, aßen wir festlich zu Abend (was der Magen meiner Schwester zunächst einmal gut verkraftete). Im Sonntagsstaat saßen wir Kinder mit Engel und Weihnachtsmann am Tisch, wobei mir zwar die Blicke auffielen, die sich meine Eltern zuwarfen, aber ich dachte, dass aus ihnen die Vorfreude auf die Bescherung spricht, wenn wir Kinder nach dem Essen mit strahlenden Gesichtern die Geschenke auspacken würden. Ein paar Mal zupfte der Weihnachtsmann dem Engel neckisch am Flügel, wobei ich mir gar nichts dachte. Darüber, dass sich meine Eltern öfter als sonst einen Kuss gaben, regte ich mich nicht auf, ich nicht (meine kleine Schwester kommentierte es jedes Mal mit einem „das ist eklig!“), schließlich war ich schon vierzehn, hatte schon selbst ein Mädchen geküsst (den Sommer zuvor, im Freibad, hinter der Pommes-Bude) und natürlich wusste ich, dass meine Eltern auch andere Dinge taten. So Dinge, die Erwachsene halt tun. Ich glaubte wenigstens, zu wissen, was Erwachsene so tun.

Nach dem Essen kam die Bescherung, während der der Engel dem Weihnachtsmann einmal herzhaft an den Hintern fasste, was der mit einem „Ho! Ho! Ho!“ quittierte. Das bekam ich aber nur aus den Augenwinkeln mit, war ich doch viel zu sehr damit beschäftigt, das Papier von dem größten aller Geschenke abzureißen, von dem ich vermutete, dass es die ersehnten Rollerskates sein würden. Nach der Bescherung sah sich unsere ganze Familie wie jedes Jahr den Kleinen Lord an, ich im Sessel mit meinen Rollerskates an den Füßen, meine Eltern und meine kleine Schwester, die sich herzhaft von dessen Kopf abwärts einem Schokoweihnachtsmann widmete, auf dem Sofa, während eine Kerze auf dem Tisch heimeliges Licht spendete. Tante Martha und Onkel Peter kamen kurz vorbei und brachten uns Kindern noch mehr Geschenke. Wir müssen aber gleich wieder weiter, sagte Onkel Peter, der der Bruder von Papa war. Aber auf ein Eierlikörchen bleiben wir noch! meinte Tante Martha. Nachdem die Erwachsenen ihr Gläschen getrunken hatten, meinte Mutter, sie bringe die beiden noch zur Tür und stand auf. Außerdem müsse sie in der Küche nach dem Braten für Morgen schauen, sagte sie noch. Und so begann meine heile Weihnachtswelt aus den Fugen zu geraten. Denn nur wenig später brummelte Vater etwas von „Schauen, wo Mutter bleibt!“ in seinen umgehängten Bart und ging ebenfalls hinaus. Meine Schwester hatte sich mittlerweile ihrer Tafel Kinderschokolade angenommen und schob sich einen Riegel nach dem anderen in den Mund. Ich versuchte in diesen unbeobachteten Momenten meine ersten Schritte mit den Rollerskates zu unternehmen, was aber auf dem Teppichboden nicht so gut ging, so dass ich mehr lief als rollte. Plötzlich begann meine Schwester zu husten, was ich zunächst nicht weiter beachtete, saß ich doch mittlerweile auf dem Boden und lauschte fasziniert dem surrenden Geräusch der Rollen, die ich mit der Hand drehte. Erst als meine Schwester aufhörte zu husten und stattdessen würgende Geräusche von sich gab, sah ich auf. Ich sah auf und erschrak. Offensichtlich hatte sie sich verschluckt, ihr kleines Gesicht war vor Anstrengung bereits rot angelaufen, während sie mich aus großen Augen anschaute und verzweifelt versuchte, das in der Luftröhre festsitzende Stück Schokoriegel herauszubefördern. Ich sprang sofort auf, um ihr zu helfen, vergaß in meinem Schrecken aber die Rollerskates an meinen Füßen, so dass ich das Gleichgewicht verlor. Leider stand ich neben dem Weihnachtsbaum. Hilflos ruderte ich mit meinen Armen, versuchte meine Füße sicher auf den Boden zu bekommen, aber nun taten die Rollerskates, was sie tun sollten, sie rollten, und so fand ich mich stürzend in der Rückenlage wieder, hörte noch für einen kurzen Augenblick das Surren der Rollen, dann krachte ich in den Weihnachtsbaum. Glücklicherweise kippte der Baum nicht um, und glücklicherweise erschrak sich meine Schwester, als sie mich fallen sah, so sehr, dass ihr reflexhafter Aufschrei das Schokostück aus ihrem Hals beförderte. Allerdings begann sie nun vor lauter Aufregung, sich wieder zu übergeben, ihre Händchen verkrallten sich in der Tischdecke, als sie der Krampf schüttelte und sie sich über den Teppich beugte. Und nun war es an mir, der ich mich aus dem Tannenbaum aufrappelte, aufzuschreien, denn meine Schwester zog an der Tischdecke, und die Kerze, die auf dem Tisch stand, kippte um. Kippte um und blieb brennend auf der Fernsehzeitung liegen. Als ich es endlich geschafft hatte, mich vom Weihnachtsbaum zu befreien, brannte die Zeitung bereits lichterloh, wovon meine Schwester nichts bemerkte, schüttelte sie sich doch noch immer in Krämpfen. Ich erreichte den Tisch, als auch noch der weihnachtliche Tischschmuck aus Trockenblumen Feuer gefangen hatte. Das passierte alles so schnell, dass mir keine Zeit blieb zu fragen, wo denn meine Eltern blieben, die doch sicherlich vom ganzen Lärm und unseren Schreien hätten alarmiert sein müssen. Weil ich mir nicht anders zu helfen wusste, packte ich mein Schwesterlein und zog es vom Tisch und dem Feuer weg, das mittlerweile auf die Tischdecke übergriff, während meine Schwester immer noch würgte und statt dem Teppich nun mich bekleckerte. Ich brauchte Wasser, das war mir klar. Schnell. So ließ ich meine Schwester im Raum neben dem Wohnzimmer einfach auf dem Boden liegen und stakste so schnell es ging auf meinen Rollerskates Richtung Küche. Dort gab es Wasser und Töpfe, in denen ich das Wasser würde tragen können. Dort war sicher auch Mutter, die nach dem Braten schaute. Und Vater würde auch nicht weit sein. Dies war der Moment, in dem ich mich das erste Mal fragte, wo sie bei all dem Lärm denn blieben. Ich rief nach ihnen: „Mama! Papa!“ Rief: „Es brennt, es brennt!“ „Mama, Papa, es brennt!“ rief ich, als ich über den glatten Boden des Flures rollte, an dessen Ende die Küche lag, rief es in dem Augenblick, als ich die Küche erreichte und die Küchentüre aufriss und –

„Ho! Ho! Ho!“, rief der Weihnachtsmann wieder und wieder, er hatte die Augen geschlossen und der Bommel seiner Weihnachtsmannmütze baumelte hin und her, „Ho! Ho! Ho!“ Auch die auf dem Küchentisch liegende Tante Martha hatte die Augen geschlossen, dafür waren ihre Bluse und ihre Schenkel geöffneter, als ich es je hätte sehen wollen, vor allem weil mein Vater zwischen ihnen stand und den Bommel baumeln ließ, hin und her, wie der Kopf des Engels hin und her, der strahlendweiße Engel, der wie zum Gebet auf dem Boden kniete und seinen Blick andächtig erhoben hatte, nur dass dieser Engel nicht hinauf zum Himmel blickte, sondern hoch zu Onkel Peter, der genüsslich an einer Zigarre paffend und mit heruntergelassener Hose am Kühlschrank lehnte und wieder und wieder sagte: „Mein Engel, mein Engel!“, bis er mich, der ich fassungslos in der Küchentür stand, endlich bemerkte und nach einer Schrecksekunde, in der er wie in Zeitlupe die Zigarre aus dem Mund nahm, tonlos sagte: „Martha, Du solltest doch die Tür abschließen!“ „Ho! Ho! Ho!“, rief der Weihnachtsmann noch einmal, während Tante Martha die Augen öffnete und mich erblickte und dermaßen erschrak, dass sie nach dem Weihnachtsmann trat, der aufstöhnend in der Mitte zusammenklappte, woraufhin Tante Martha vom Tisch fiel.

In diesem Moment sah ich, was sich mir dergestalt wie glühende Kohlen in mein Gedächtnis einbrennen sollte, dass mir Weihnachten vielleicht für alle Zeit verleidet ist. Da lag sie auf dem Boden, Tante Martha, sie lag auf dem Bauch, den Rock bis über die Hüften hinaufgezogen. Ich hörte kaum, wie mein Vater fluchte, wie meine Mutter wieder und wieder Oh Gott, Oh Gott rief, und Onkel Peter meinte Hier riecht es verbrannt (glücklicherweise schafften Vater und er es nur wenig später mit vereinten Kräften das Feuer im Wohnzimmer zu löschen). Alles um mich herum schien zu verschwimmen, nur Tante Marthas Hintern sah ich klar und deutlich vor mir aufragen, ich konnte meinen Blick nicht von ihrem Hinterteil nehmen, das, ich wage es kaum auszusprechen, behaart war wie ihre Oberlippe zu Nikolaus, dunkle Haare noch und nöcher, und jedes dieser auf ihren Pobacken sprießenden Haare prägte sich mir ein. Erst als mein kleines Schwesterlein plötzlich inmitten der geschockten Erwachsenen stand, mit klarer Stimme rief: „Mir ist schlecht!“, und sich noch einmal mit Nachdruck auf die Küchenfliesen erbrach, nur um uns alle dann anzustrahlen, als hätte sie gerade Gottweißwas vollbracht, konnte ich mich von diesem erschreckenden Bild losreißen. Ich begann zu lachen, lachte noch, als bereits alle die Küche Richtung Wohnzimmer verlassen hatten, lachte noch, als mir bereits Tränen über die Wangen liefen. Akuter Schockzustand, nannte es Jahre später meine Therapeutin, eine vegetative Überreaktion aufgrund pathogener Reizüberflutung, dann drückte sie mir den kleinsten Schokoweihnachtsmann in die Hand, den sie hatte finden können, und lächelte mich aufmunternd an: „Versuchen wir es doch mal mit dem!“

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Da gehst Du dahin alter Freund

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Deine Ankunft war in Lichterglitzern gehüllt, als ein dunkler, mächtiger Schatten kamst Du zu mir inmitten von Freude und Strahlenglanz. Gänzlich unerwartet wurdest Du nun zu einem Teil meines Lebens, ein Geschenk, ein treuer Freund mit gewissen Allüren, der mich dann 5 Jahre begleiten sollte.

Das Scheiden fällt schwer. Was haben wir nicht zusammen durchgestanden, hart uns Forderndes von Hagelunwettern bis zu Schneegestöbern, dann Sonniges es uns gut gehen lassen unter blauem Bodenseehimmel. Ausflüge zum See, wo Du dann treulichst ausgeharrt hast, bis ich aus den Fluten wieder auftauchte, gar zu den Affen hast Du mich begleitet. Vor allem aber: Alltag. Arbeitsjoch, Tag für Wochentag. Tagaus, tagein. In der Früh bei jedem Wetter raus. Das schweißt zusammen. Auch wenn Du ja gerade da so manchmal Deine Allüren hattest, vor allem in unserem letzten gemeinsamen Jahr. Ich gestehe: Allüren, die sich gegen Ende so sehr häuften, dass eine Entscheidung immer drängender wurde.
3
Eine Entscheidung, die Du mir dann abnahmst, alter Freund. Manches ist einfach nicht mehr zu kitten. Du hast so manchen Sturz überstanden, ohne sonderlich Schaden zu nehmen. Nun gut, Dein Lack… Aber hier zeigte sich nur Dein Charakter. Und den werde ich vermissen. Deine Stimme, unter Volllast oder einfach nur gediegen lässig im Stand vor Dich hinbrummend. Aber sobald ich Dich von der Leine ließ, da hast Du sie alle stehen lassen. Die Neuen, die Schicken, selbst die Aufgemotzten. Wie ein dunkler, mächtiger Schatten trugst Du mich über die Berge an allen vorbei.
1
Das Alter. Ja, wem sage ich das. Du weißt es ja am Besten, warst ja dabei, als ich diesen Sommer sturzhaft daran erinnert wurde, nicht unsterblich zu sein. Oft gelingt es einem ja, über die eigene Verletzlichkeit hinwegzublicken, vor allem wenn man mit Verletzungen schon so lange lebt, dass man sie als solche nicht mehr wahrnimmt. Ihre Folgen gehören halt dazu, sie schaffen es nicht mehr, einen an die eigene Sterblichkeit zu gemahnen. Man hat damals überlebt, lebt damit. Aber dann gelingt es einem jähen Ruck, begleitet von einem herzhaften Knacken, dann doch, sich seines Alters, seiner mit den Jahren wachsenden Verletzlichkeit bewusst zu werden. Nun gut, ich bin noch zu kitten. Noch. Im Gegensatz zu Dir.
5
Es tut mir leid alter Freund, Deine Tage waren abgelaufen. Ich habe es versucht, wahrlich, Du weißt es, ich habe es versucht. Jeden Morgen früher aufgestanden bin ich, um Dich noch wenigstens über den kommenden Tag zu retten. Gehegt habe ich Dich. Wenn es nicht anders ging, sogar Kilometer weit geschoben, um für Dich eine Lösung zu finden. Aber es war vorbei. So leid es mir tut, schon allein deswegen, weil Du mir als Geschenk so viel Freude bereitest hast. Ich werde es nie vergessen, wie wir uns zusammen durch überschwemmte Straßen gekämpft haben, während das Wasser mir von oben in die Stiefel lief. Wie wir dem Schnee, dem Eis trotzten. Jeden Regen an uns abprallen ließen. Wie wir zusammen oder auch zusammen mit meiner Liebsten die Sonnentage am See genossen. Erinnerungswürdige Zeiten. Nun Vergangenheit. Lebe wohl. Ich muss weiterziehen, Dich zurücklassen. Es ist nun leider so, Du bist dahingegangen, alter Freund.

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Historisches: Der Zauberer in Blau. Oder: meine Ankunft am Bodensee

Sonnenuntergang Bodensee
1995 zog ich an den Bodensee, die Landschaft, der See, die historische Altstadt von Konstanz und die schönen Orte in der Nähe hatten mich gleich für sich eingenommen. Aus dieser Zeit stammt die kleine Geschichte, die ich – unverkennbar – für den Südkurier, die Tageszeitung hier, geschrieben habe. Die Fotos von „Goldenen Bodensee“ entstanden etwas später.

Der Zauber in Blau

Ohne Gepäck kam ich in Konstanz an. Der Blick auf die Konstanzer Bucht, eingerahmt von Seestraße und altem Kloster, berührten mich tiefer noch als beim ersten Mal, als ich langsam über die Rheinbrücke fuhr: Denn an diesem Freitagnachmittag kam ich nicht als Tourist, Konstanz sollte meine neue Heimat werden. Endlich betrat ich nach einer langen Zugfahrt Konstanzer Boden. Was zu meinem Glück noch fehlte, waren meine eigenen vier Wände.

Goldener Bodensee - Blick auf Mainau
Leider hatte ich nur dieses eine Wochenende Zeit, etwas Bezahlbares zu finden. Und leider war der Wohnungsmarkt nicht gerade übersättigt mit bezahlbaren Wohnungen. So führte mich mein erster Weg hoch zur Universität. Dort suchte ich die schwarzen Bretter nach „meiner kleinen Wohnung“ ab. Erfolglos.

Nach diesem Fehlschlag zog ich mit gemischten Gefühlen durch die Konstanzer Kneipen: die Seekuh, das K9, das Radieschen. Immer in der Hoffnung, dass auf einem Aushang im Eingangsbereich mein neues Zuhause auf mich wartete. Dem war leider nicht so. Alleine saß ich bei einem Bier und keine gute Fee sprach mich an, kein Zauberer zog eine Wohnung aus seinem Hut.

Blick von Meersburg Richtung Überlinger See
Es war genauso gekommen, wie ich es vorhergesehen hatte: die Zeit lief mir davon. Schlaflos verbrachte ich die Nacht in einem Bett der Jugendherberge.

Würde dies in nächster Zukunft mein Dach über dem Kopf sein? So fragte ich mich bang. Ich wusste, dass meine größte, und vielleicht auch letzte Chance, an diesem Wochenende eine Wohnung zu finden, die Samstagsausgabe des Südkurier war. So früh als möglich wollte ich die druckfrische, ja noch beinahe warme Zeitung in meinen Händen halten. Und während mein Zimmergenosse in aller Seelenruhe schlief und schnarchte, betete ich voller Inbrunst zu den Schutzengeln aller Wohnungssuchenden, bis endlich der Morgen graute.

Ich war wieder voller Hoffnung, als ich, ohne gefrühstückt zu haben, in die erwachende Stadt hinunterging. Und wirklich: da stand er an einer Straßenkreuzung. Ich fühlte es ganz deutlich: dies war der Zauberer, den ich am Abend zuvor vermisst hatte. Lächelnd kam er einige Schritte auf mich zu: der Südkurierverkäufer.

Goldener Bodensee - Sonnenuntergang
Mein Gefühl hatte mich nicht getrogen: Heute, wo ich diese kleine, aber für mich sehr wichtige Begebenheit, mein schönstes Zeitungserlebnis, aufschreibe, kauere ich glücklicherweise nicht mit gekrümmten Rücken auf der obersten Etage eines Jugendherbergsbettes. Ich sitze vielmehr in meiner gemütlichen Küche, eine Tasse Kaffee steht vor mir auf dem Tisch, durch das Fenster blicke ich auf einen großen Garten.

Der Zauberer hatte wirklich meine kleine Wohnung aus seiner Tasche gezogen. Denn kaum hatte ich den Immobilienmarkt aufgeschlagen, da hatte ich die Anzeige entdeckt. Und kaum dass ich sie mit dickem, rotem Stift unterstrichen hatte, stand ich auch schon in der nächsten Telefonzelle, den Hörer in der Hand.

Goldener Bodensee - Fähre
„Viel Glück!“ hatte mir der Südkurierverkäufer gewünscht, als er sah, auf welcher Seite ich die Zeitung sofort aufschlug. Und ich konnte es kaum glauben, am Samstagnachmittag unterschrieb ich den Mietvertrag für eine sehr schöne, bezahlbare Wohnung. Ich hatte wirklich Glück gehabt. Und einen Zauberer in Blau.

Mehr lesen: Am Bodensee – Leseprobe aus “Abschied ist ein scharfes Schwert. Ein Mordsroman”

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