Monatsarchive: Januar 2014

Dendritenflipper – eine Szene mit Lichterblinken und Pling

Ralf Boscher - Engel

Alex Unbehagen stieg mit jeder Stufe, die er im Hausflur hinabging, und plötzlich, auf dem Fuß der Treppe, hatte Alex die Frage. Und nur einen Schritt weiter hatte er auch die Antwort.

Wann hatte Helen eigentlich den Unfall? so lautete die drängende Frage, und sie ging zusammen mit dem bohrenden Unbehagen in genau der Antwort auf, die er am wenigsten hören wollte: An dem Abend, an dem ich sie abgekanzelt habe! Er schlug die Tür des alten Audi zu, drückte die Zigarette aus, startete, gab Gas und KLACK! schoss er los. Sein schlechtes Gewissen katapultierte ihn in einen ganzen Apparat von Schuldgefühlen. Dendritenflipper: Überall blinkten Lichter, und PLING! stieß ihn das Vonsichselbstenttäuschtsein durch den Raum, durch den er, konfus sich um alles andere als um seine Achse drehend, raste.

Er knallte vor das ZU SPÄT! und das BRÜLLEN des Schaffners ertönte wieder: ABGELAUFEN! Abgelaufen! dröhnte es in Alex Ohren, während eine Art magnetischer Sog ihn auf der Stelle festhielt. Abrupt hörte das Dröhnen auf, Farben wechselten rasend schnell und der Sog löste sich. Alex bekam einen Schlag von hinten und schoss wieder quer durch den Flipper. AN DEM ABEND, DA ICH SIE ABGEKANZELT HABE! sang quäkend eine etwas leiernde Automatenstimme und bei: ICH HAB‘ ES NOCH NICHT MAL GEWUSST! gab es ein Freispiel.

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Nicht mehr in die Röhre gucken – wieder über Sex schreiben können…

Endlich kann ich wieder über Sex schreiben oder, wenn ich denn je auf diese Idee komme, über Xavier Naidoo.

Gebraucht_Neu
Gebraucht – ein Wort, dass mich seit dem Auszug bei meinen Eltern begleitet. Was habe ich nicht alles mitgenommen. Einen gebrauchten Herd, einen Kühlschrank, die Kaffeemühle… Und nicht zu vergessen, die schönen alten Küchenutensilien meiner Oma, die ich in einem alten Schrank ausgegraben hatte. Der Quirl, das Besteck, der Suppenschöpflöffel, alles mit Holzgriff. Fein – und auch heute noch in Gebrauch. Gebraucht – ein Gedanke, der altmodisch ist und dennoch in seiner Nachhaltigkeit topaktuell.

Altmodisch: Weil doch heutzutage alles neu sein muss. Denn Neu!, das heißt doch: Gut!
Nachhaltig: Weil vieles auf dem Müll landen würde, wenn ein anderer es nicht im gebrauchten Zustand in Gebrauch nehmen würde.

Jemand, wie ich zum Beispiel. Blicke ich in meinem Arbeitszimmer herum, dann sehe ich viele gebrauchte Gegenstände. Der Tisch, an dem ich gerade sitze. Das Regal zu meiner Linken, bestehend als alten Brettern und Weinkisten. Alles erzählt eine Geschichte. Dort und dort besorgt. Von dem oder der geschenkt bekommen. Mitgenommen aus meiner ersten Wohnung, meiner zweiten, mit mir von Wuppertal an den Bodensee umgezogen… Der Schrank in meinem Rücken zum Beispiel. Der stammt aus der Auflösung eines Büros in Wuppertal. Wie viele Möbel haben wir nicht damals, als ich mir am Wochenende einen Teil meiner Miete als Möbelpacker verdiente, diverse Treppen hinunter geschleppt, sie in den 7,5 Tonner gewuchtet, nur um sie, weil sich kein Abnehmer fand, zur Müllverbrennungsanlage zu karren. Aber nicht diesen schönen, alten Dokumentenschrank mit variabler Fächereinteilung. Ein schweres Teil, dass mich schon einige Umzüge begleitet hat. Ideal, um meine CDs aufzunehmen.

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Am liebsten hätte er nicht hingesehen – eine Familientragödie in 7 Strophen

Tragoedie
Am liebsten hätte er nicht hingesehen

Er ist zufrieden und sitzt wohlig warm
Vor dem Fernseher, das Töchterchen im Arm,
Plötzlich hört er einen schrillen Schrei,
Besorgt eilt Inge, seine Frau, herbei:

„Wo kam das her, dieses Schreien?“
„Es wird aus dem Fernseher gekommen sein!
Ich bringe jetzt die Kleine ins Bett,
Und dann machen wir es uns so richtig nett!“

Als er am Bett des Töchterchens steht,
Hört er, dass das Schreien weitergeht.
Er gibt ihr ein Küsschen und sagt ihr im Gehn:
„Träume schön, ich werd den Fernseher leiser drehn,

Jetzt schließ die Augen. Gute Nacht!“
Ganz leise er die Tür zumacht.
Das Schreien unterdessen hat aufgehört.
Endlich, denkt er, ist man ungestört.

„Endlich ruhig!“, sagt Inge, „Gott sei Dank!
Und Karin übernachtet heut bei Frank!“
Ja, und die Kleine schläft, endlich allein.
Komm, lass uns etwas gemütlich sein!“

Später, als sie ein Wimmern hören,
Lassen sie sich davon nicht mehr stören.
Am Fernseher drehen sie die Lautstärke rauf,
Da hört das Wimmern auch schon auf.

Am Morgen dann, er wollte zur Arbeit gehn,
Hat er, am liebsten hätt er nicht hingesehn,
Karin neben der Garage gefunden,
Nackt, tot, einen Gürtel um den Hals gebunden.

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Kommentare, Reaktionen, Gedanken: „8400 Wörter für 7,95 Euro – ist der Preis korrekt? – ein Nachtrag

Umfrage_Preis_Ralf_Boscher
In meinem Beitrag „8400 Wörter für 7,95 Euro – ist der Preis korrekt?“ ging es um folgende Ausgangssituation: Der günstige Preis (manchmal sogar gratis) war für Indie-Autoren auf dem neu entstandenen eBook-Markt der Fuß, den sie in die Tür zu den Lesern bekamen. Daran schlossen sich meine Fragen an: Aber befinden wir uns heute immer noch in dieser Situation? Oder verkaufen wir Indie-Autoren uns unter Wert? Gleichzeitig habe ich auf meinem Blog zu diesem Thema eine kleine Umfrage gestartet.

Im Folgenden möchte ich die Reaktionen auf meinen Beitrag skizzieren, wie sie sich aus den Kommentaren auf meinem Blog und auch in einigen Literatur-Gruppen auf Facebook ergeben haben.

Es gibt zwei divergierende Haupteinschätzungen zur Preisgestaltung.

1. Die Qualität bestimmt den Preis. Also können auch Indie-Autoren höhere Preise verlangen – wenn sie denn Qualität bieten.
2. Indie-Autoren sind nicht in der Lage höhere Preise zu verlangen, da der günstige Preis das bislang wirksamste Mittel ist, um bekannt zu werden.

Zu 1.: Wichtigstes Kriterium für die preisrelevante Qualität eines Buches ist die handwerkliche Qualität zu sein.

Rechtschreibung, Grammatik, Stil, Cover-Aufmachung, Formatierung, Schriftbild, Satz, gravierende logische Fehler, Lektorat, Korrektorat.. All das sind Punkte, die – wenn sie denn ordentlich abgearbeitet wurden – für ein Indie-Buch einen Preis rechtfertigen, der auf dem derzeitigen Niveau von Verlagsbüchern liegt.

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dies irae – Liebeskummer-Gedichte

Liebeskummer

Wir sind uns so fern

Du bist mir so fern,
Dabei wäre ich so gern
Dir so nah und Du
Wirfst Blicke mir zu,
Diese Blicke.
Wir lieben uns und sehen,
Wir wollen nicht auseinander gehen.
Dies hätte ich so gern,
Aber ich bin Dir so fern.

circulus vitiosus

Ich lag auf dem Bett,
Versuchte, zu lesen,
Und dachte doch an Dich.
Da fielen mir die Augen zu,
Und ich träumte davon,
Dass ich, als mir die Augen zu fielen,
An Dich dachte,
Obwohl ich versuchte, zu lesen,
Dort auf dem Bett,
Auf dem ich liege,
versuche, zu lesen,
Und doch an Dich denke.

carpe diem

Der Tag verlor sich in Stunden,
Da ich nur Zeit durch Adern presste.
Geronnen in Trägheit klumpten Sekunden
Zu Minuten, die aufhäuften sich zu Stunden,
In denen Tag um Tag belanglos verstrich
Und ich allmählich verblich.

dies irae

Bleib, wo du bist,
Und wo das auch ist,
Ich will es nicht wissen,
Will nicht erfahren müssen,
Wie es dir geht,
Wie es um dich steht,
Rühr mein Herz nicht an,
Damit es irgendwann
Nicht mehr wehtut,
Nicht so wehtut.

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Alter Wein in neuen Schläuchen? Was interessiert uns heute an einer uralten Denkmethode?

Bornscheuer Gemaelde_SonnenblumenMehr Material von meiner „wissenschaftlichen Baustelle“…

Topik. Warum Topik? Was interessiert uns heute an einer Denkmethode, die weit über 2000 Jahre auf dem Buckel hat? Schnee von gestern? Ist, was heute zu diesem Thema geschrieben wird, nicht alter Wein in neuen Schläuchen? Schließlich gibt es nichts Neues unter der Sonne. Also warum Topik?

Vielleicht weil uns hier ein sehr nützliches Werkzeug an die Hand gegeben wurde, um herrschende Meinungen, sowohl in der alltäglichen wie auch in der wissenschaftlichen Kommunikation, zu untersuchen. Ein Werkzeug, das in einem gut sortierten Analysewerkzeugkoffer neben Kuhns Paradigmen, Bourdieus Habitus und Foucaults Epistemen nicht fehlen sollte.

Foucault dachte darüber nach, wie das-was-ist nicht länger das-was-ist zu sein braucht. Vielleicht gibt es ja doch etwas Neues unter der Sonne? Und Topik hilft dem Denken, die Stelle zu finden, an der dieses Neue entstehen kann.

Eine „Stelle“, die mich immer fasziniert hat, war Lothar Bornscheuers Buch zur Topik – eben weil das Denken, das sich in diesem Buch zeigte, mir half, meine Leseerfahrungen mit Foucault und den anderen oben genannten Autoren „zu verbinden“.

Es ist ein Denken, welches Vorurteils-Struktur und Freiheit nicht als Gegensatz vorstellt:

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SuperBuchTrailer – eine Chance für Autoren – Bucherfolg über die Lust am Schauen?

Youtube_Kanal_Super_BuchtrailerGänsehaut. Die dramatische Musik schwillt an, Trommelwirbel, Pauken – schnelle Schnitte verstärken den Eindruck des „Hier darfst du keinen Moment wegsehen!“

Aus der Tiefe des Raumes wächst der Titel zu riesigen Lettern heran, während einen die Musik in den Sitz drückt… Ich sehe mir Filmtrailer wirklich gerne an. Andeutungen, die einen neugierig aufhorchen lassen, rasante und dadurch unscharfe Einstellungen, die beabsichtigen, Lust auf deutlichere Einblicke zu machen, Vorfreude erzeugen.

Und – so die Frage des Schriftstellers – können wir Schreiblinge das auch? Potentielle Leser über die Augen gewinnen?

Laut einem interessanten Artikel auf Börsenblatt.net können wir das, sollten wir das, wie eine dort kolportiere Erfolgsstory belegt – nicht ohne ein bissel Werbung zu machen für ein Buchtrailer-Portal, das gleichzeitig ebensolche herstellt.

Apropos.

In einer Facebook-Gruppe deutschsprachiger Indie-Autoren kam die Frage auf, ob es nicht eine Idee wäre, einen Facebook-Kanal zu erstellen, auf dem Gruppenmitglieder ihre Buchtrailer gemeinsam präsentieren könnten, um so mehr Aufmerksamkeit zu erhalten. Eine Idee, die gut ankam, auch bei mir. Und als dann nur wenig später eine Facebook-Gruppe zu dieser Idee ins Leben gerufen wurde, trat ich gleich bei. Wie habe ich es letztens formuliert: „Als Autor, gerade als Indie-Autor, sollte man keinen der Social Media-Kanäle ungenutzt lassen…“

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Eine Menage á trois, weißes Pulver und The Doors – neue Leseprobe aus „Abschied ist ein scharfes Schwert. Ein Mordsroman“

Ralf_Boscher_Krimi_Mordsroman_Abschied„Johanna war Erstsemester Philosophie, hatte aber zuvor schon einige Semester Wirtschaftswissenschaften studiert. Ich lernte sie in der Cafeteria kennen, wo sie bei einer Zigarette über dem kommentierten Vorlesungsverzeichnis Philosophie saß, und sich, wie sie es ausdrückte, ansah und anstrich, was sie sich dann doch nicht ansehen würde. Sie machte einen etwas verlorenen Eindruck auf mich. Das Einzige, was sie sicher wusste, schien zu sein, dass sie Zeit bräuchte, um sich zu entscheiden, was sie denn jetzt aus ihrem Leben machen wollte (deswegen auch Philosophie als Fach, nicht da die Philosophen sich mit Lebenszielen auskennen würden, sondern da das Fach so strukturiert war, dass es einem die Zeit ließ, diese Frage wenn schon nicht zu beantworten, dann doch zu stellen). Und was sie noch sicher wusste, war, dass sie eine feste Liebesbeziehung wollte. »Bin halt hoffnungslos romantisch«, meinte sie, »Glaube halt daran, dass es jemanden da draußen gibt, einen mir vorbestimmten Jemand, mit dem ich mein Leben teilen und alt werden will.« Ob mit Männlein oder Weiblein, war dann schon wieder unsicheres, den gängigen romantischen Vorstellungen nicht entsprechendes Terrain. Als ich meinte, na, wenn bei mir auch manchmal alles zu schwimmen scheint, das wenigstens sei mir klar, schaute sie mich fragend an: »Du sagst das so sicher. Noch nie einen Typen getroffen, der dich anzog? Noch nie dieses Kribbeln gespürt, wenn die Grenzen, die einem so mühsam anerzogen wurden, zu zerfließen scheinen?« Nein, sagte ich, ich könne mir halt nicht vorstellen, einen Mann zu küssen, und dann vielleicht noch einen mit Bart. »Aber das jemand dich küsst, dich Mann mit Dreitagebart, das kannst du dir schon vorstellen?«, meinte sie schnippisch. Und dann meinte sie noch: »Stell’ dir doch nur mal vor, wie viele neue Möglichkeiten sich da für dich ergeben würden. So rein quantitativ!« Typisch Wirtschaftswissenschaftler, erwiderte ich, immer den Mehrwert im Kopf, vor lauter Quantitäten völlig die Qualität aus den Augen verlierend.

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Ich habe es getan – und dann versäumt, es auf Facebook zu posten! Wie konnte ich nur?

Geloescht_Facebook
Ich denke, als bin ich (so die Vernunftoptimisten). Ich lenke, also bin ich (die Automobilisten). Ich fühle, also bin ich (die Innerlichsten) – ich poste, also bin ich (die Social-Medialisten)…

Versäumt. Einfach die Zeichen der Zeit nicht erkannt. Es ist nichts im Verstand, was nicht zuvor in den Sinnen gewesen ist: Also vor allem im Gesichtssinn. Die Welt mit Augen lesen. Kurz: Facebook.

Dabei gibt es sogar Fotos. Aber nein. Das ist zu privat – hieß es. Wurde mir gesagt. Aber dabei weiß man doch: „privat“ kommt von „privare“, und das bedeutet „berauben“.

Kurz: Dadurch, dass ich es nicht gepostet habe, habe ich mich der Möglichkeit beraubt, zu begreifen, was ich da eigentlich getan habe. Mehr noch: Ich habe alle beraubt – der Welt einen wichtigen Moment vorenthalten…

Die Quittung folgte auf dem Fuße: 2013 – Sieh dir deinen Jahresrückblick für 2013 an. Sieh dir deine 20 wichtigsten Momente des vergangenen Jahres an. Und? Nichts und. Woher auch. Plötzlich regte sich mein schlechtes Gewissen: Warum habe ich nur auf die Stimmen gehört, die da sagten „Poste es nicht“?

Vielleicht war ich mir einfach nicht sicher genug? Es hätte nur wenige Mausklicks benötigt, um diesen wichtigen Moment des Jahres sichtbar zu machen. Und ich habe es nicht getan.

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