Monatsarchive: November 2013

Autor? Keine Ahnung. Buchtitel? Irgendwas mit 100 und Fenster… Kindle und die Folgen

Kindle und die Folgen... Das Ende des Buches?

Kindle und die Folgen… Das Ende des Buches?


Welches Buch liest Du gerade? Dies fragte ich eine Arbeitskollegin, die mit ihrem Kindle in der Mittagssonne saß und die Pause genoss. Oh, weiß gar nicht. Aber es gefällt mir. Ich bohrte nach. Autor? Keine Ahnung. Der Titel ist irgendwas mit 100 und Fenster. War eine Empfehlung bei Amazon. Kurz angelesen, Leseprobe gefallen, heruntergeladen. Sie, die ihre Brötchen als Grafikerin verdient, konnte sich noch nicht einmal an das Cover erinnern.

Das war bei gedruckten Büchern anders, wie ich mich erinnere und sie bestätigt dies. Früher hätte sie immer gewusst, aus wessen Feder das Buch mit dem Titel „So und so“ stammt – und an die Cover hätte sie sich natürlich auch erinnern können. Aber da hätte sie ja auch immer, wenn sie das Buch zugeklappt oder zur Hand genommen hat, den Titel vor Augen gehabt. Aber seitdem sie fast alles auf dem Kindle liest, verschwinden Autor und Titel schnell hinter den vorwärts gescrollten Seiten.

Was bedeutet das, so frage ich mich, für das Buch, für den Autor? Habe ich hier vielleicht in der Mittagspause auf meiner Arbeitsstelle das viel beschworene Ende des Buches erlebt?

Ich bohrte weiter. Meine Kollegin konnte mir lebhaft von dem Text erzählen, den sie bereits gelesen hatte. Auch das zuvor gelesene eBook hatte sie präsent. Nur eben nicht den Autor, nicht den Titel, nicht das Cover.

Ist das eine persönliche Eigenart von ihr oder ist dies symptomatisch für die Leseerfahrungen mit einem eBook? Gesetzt es wäre Letzteres, so scheint das, was vom Buch übrig bleibt, jenes Gebilde zu sein, das in der in der guten alten Zeit zwischen den Buchdeckeln lag: der Text. Oder genauer: es bleibt der Text ohne Titelei und ohne Impressum.

Es bleibt also die Geschichte, die erzählt wird.

Was fehlt, ist der Rahmen: Im materiellen Sinne die Buchdeckel, bei einem gebundenen Buch der Umschlag. Die vorangestellten Papierseiten mit Autor, bibliographischen Angaben, dem Verlagsnamen… Im ideellen Sinne der Interpretationsrahmen, den Cover mit Titel, gegebenenfalls Untertitel, der Autorennamen, der Verlag vorgeben: Denn ein Cover schürt Erwartungen, gibt eine Leserichtung vor, genauso wie ein Autorenname, ein Verlag, dies können: Steht Stephen King oder Walser auf dem Cover? Ist Bastei Lübbe oder Surkamp der Verlag?

Namen lenken Leser.

Wenn also der Rahmen fehlt, haben wir kein Buch mehr vor uns? Liest der Leser den reinen Text, liest er dann keine Bücher mehr? Oder anders gefragt: Braucht der Leser diesen Rahmen, um richtig lesen zu können? Oder noch anders gefragt: Reagieren viele etablierte Autoren und Verlage deswegen so allergisch auf eBooks, weil sich der Leser von den vorgegebenen Interpretationsrahmen emanzipiert? Das Ende des Buches…

Das Ende des Buches?

Was macht ein Buch zum Buch?

Ich würde sagen: Erstens jemand, der einen Text in der Absicht schreibt, diesen Text über einen intimen Rahmen hinaus zu veröffentlichen. Zweitens ein Leser, der diesen Text nicht aus intimen Gründen nach Veröffentlichung liest. Gehört noch mehr dazu? Seitenanzahl? Anspruch? Rechtschreibung? Genre? Eine Instanz, die sagt: Ja, dieses Buch ist wert veröffentlicht zu werden? Eine Instanz, die sagt: Ja, dieses Buch ist es wert, gelesen zu werden? Braucht ein Buch einen Rahmen? Einen Autornamen, einen Buchdeckel, einen Umschlag, ein Cover, einen Verlag?

Ich würde sagen nein. Ist der formlose Ausdruck eines Manuskriptes, das von Hand zu Hand gereicht wird, kein Buch, weil es nicht gebunden ist? Sind Texte, die aus Furcht vor Verfolgung anonym an Leser weitergegeben werden, keine Bücher?

Es sind also drei Elemente, die ein Buch ausmachen: Ein Verfasser, eine Veröffentlichung, ein Leser.

Ein Buch brauchte, um veröffentlicht zu werden, noch nie einen Verlag – nur den Ehrgeiz des Verfassers, gelesen zu werden. Ein Buch braucht keinen Autorennamen, dies beweisen anonym verfasste Bücher. Ein Buch ist eine Geschichte, die jemand erzählenswert fand, eine Geschichte, die öffentlich verfügbar ist, und ein Leser, der diese Geschichte lesen möchte. Ja, ein Buch ist sogar ein Buch, wenn reale Leser fehlen – selbst ein imaginärer Leser, für den ein Text geschaffen wird, lässt ein Buch entstehen.

Zerstören eBooks diese Trinität und bedeuten das Ende des Buches?

EBooks haben einen Verfasser. Liegen die Dateien zum Herunterladen vor, so sind sie veröffentlicht. Und wurden diese Dateien zum Download bereit gestellt, so gibt es zumindest den imaginären Leser. Folglich ein Buch.

Warum also „Ende des Buches?“ Warum also zerstören Kindle und Co. unsere Lesekultur?

Weil es nicht um das Ende des Buches geht, sondern um das Ende des guten Buches. Oder genauer: Um die Frage, wer die Macht hat, zu bestimmen, was ein gutes Buch ist. Kurz: es geht wieder einmal um nichts anderes als um den Kanon.

Aber warum redet niemand über Kanon, die Macht über die Leser, oder über die Sorge, dass Leser nicht das Richtige lesen?

Sieht man sich die neueren Äußerungen zum Kulturverfall aufgrund von eBooks (und hier steht vor allem Amazon und seine KDP Praxis am Pranger) an, so geht es interessanter Weise vor allem um eines: die verloren gegangene Haptik. Der Geruch der Bücher, der fehlt. Die Gebrauchsspuren der gelesenen Bücher. Im Text verankerte Argumente, wie jenes, dass durch das Lesen von eBooks liebgewordene Figuren aus den Geschichten verloren gehen, sind sicherlich nicht ernst gemeint: Den ob als gebundenes Buch, Originalmanuskript des Autors auf Schmierpapier, Taschenbuch oder eBook – die Figur in der Geschichte bleibt sich gleich. Und warum sollte ich einen Charakter, der mittels Buchstaben zum Leben erweckt wird, weniger eindrucksvoll finden, wenn die Buchstaben auf einem Bildschirm zu sehen sind und nicht auf Papier? Ein Buch kann ich auf einem Kindle (oder Tolino oder oder…) genauso gut unter der Bettdecke, auf dem Sofa, auf dem Lieblingssessel lesen wie ein Taschenbuch. Wenn wenigstens in der Diskussion das Argument der Badewanne Erwähnung finden würde… etwa der Gedanke, die Sorge, dass das elektrische Gerät durch das Wasser, vielleicht nur den Wasserdampf, geschädigt wird, hält einen vom genussvollen, intensiven Lesen ab…

Also Haptik. Ein Buch ist ein Buch, wenn es sich nach einem Buch anfühlt. Wurde es öfter gelesen, muss es riechen. Lag es in der Sonne, muss es vergilbt sein. Las ich es am Küchentisch, so dokumentieren die Kaffeeflecken sein Buchsein.

Das kann ein eBook-Reader natürlich nicht bieten. Gleichwohl wage ich zu behaupten: Es ist nicht die Haptik, die aufgrund der neuen Lesegerättechnik verloren geht. Diese Veränderung der Haptik gab es schon immer. Ein von Mönchen abgeschriebener Foliant hatte eine andere Haptik als ein Buch, das durch Gutenbergs Druckmaschine entstand. Ein in Leder gebundenes Buch eine andere Haptik als ein in Pappe eingebundenes Hardcover, dieses eine andere als ein Taschenbuch. Auch Kindle oder ein Tolino haben ihre Haptik.

Es ist nicht die Haptik, auch wenn es gerne als Hauptargument herangezogen wird, die das eBook manchen Autoren und Verlagen so bekämpfenswert erscheinen lässt. Es ist auch nicht die Marktmacht von Amazon, der Monopolkapitalismus, welche den wirklichen Angriffspunkt bilden.

Kindle und die Folgen?

Es ist der Verlust des Rahmens, der beunruhigt.

In eBooks fehlt der physische Buchdeckel, der jedes Buch vom anderen abgegrenzt hat: Das kleine schwarze Gerät mit Bildschirm löst den Buchdeckel ab. Da beim Wiederaufruf des gerade gelesenen Buches nicht der Titel erscheint, sondern die zuletzt gelesene Seite, verlieren Autorenname und Verlagsname, die Titelei, an Bedeutung. Und damit schwindet die Macht der hergebrachten Instanzen zu sagen, was lesenswert ist.

Die erzählte Geschichte steht also wesentlich mehr für sich selbst als zuvor. Was manche Autoren und Verlage beunruhigt, ist: Die Beziehung zwischen Verfasser und Leser wird enger, ohne dass eine kritische Instanz vermittelt. Oder genauer: Die Beziehung zwischen Text und Leser wird enger, ohne dass die vermittelnde Hand zur Seite steht.

Brauchen Leser diese kritische Instanz? Brauchen Leser eine Hand, die sie leitet und zu der richtigen Literatur führt?

Eine Geschichte gefällt oder nicht. Eine Geschichte gefällt nicht, regt aber zum Nachdenken an. Ein Text beeindruckt – und der Leser befasst sich mehr mit ihm. Ein Text lässt mich kalt.

Kann es sein, dass Autoren und Verlage, die gegen eBooks wettern, ihren Geschichten nicht trauen? Den Lesern nicht trauen?

Kanon versus Kindle? Elite versus eBook?

Wie auch immer. Was zählt ist die Geschichte, die fesselt. Die Figuren, die im Gedächtnis bleiben. Und was im Gedächtnis von vielen Lesern bleibt, dies wird den Kanon bestimmen. Egal ob auf einem eBook Reader gelesen oder als Taschenbuch oder gebundenes Buch. Egal ob Verlagsprodukt oder Indie-Gewächs. Was bleibt, ist was den Leser das Lesegerät vergessen lässt, was ihn ganz in die Geschichte eintauchen lässt. Was mit dem Ende der Geschichte kein Ende findet.

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Historisches: Ralf Boscher und die Presse…

Meine erste Veröffentlichung, für mich ein historisches Highlight: Vom Höcksken aufs Stöcksken

Meine erste Veröffentlichung, für mich ein historisches Highlight: Vom Höcksken aufs Stöcksken

Ich habe mal ein wenig in meinem Archiv geblättert – und es ist nicht von der Hand zu weisen, 2004 war ein sehr aktives und auch erfolgreiches Jahr, ein für meine anschließende Arbeit bedeutendes Jahr: Denn 2004 habe ich meine erste eigene Veröffentlichung auf den Markt gebracht, meinen Kurzgeschichtenband „Vom Höcksken aufs Stöcksken. Zartes und Hartes in Geschichten und Gedichten“. Damals noch ganz klassisch als gedrucktes Buch. Ebooks waren noch in weiter Ferne. Einige hundert Exemplare des mittlerweile vergriffenen Buches wechselten in Leserhand und auch die Presse am Niederrhein und am Bodensee interessierte sich für meine Arbeit. Hier Kostproben aus Boschers Archiv:

Am 20. September 2004 wurde Ralf Boscher in den Redaktionsräumen der Rheinischen Post in Geldern von Herrn Michael Klatt interviewt. Der Artikel erschien am 22.10.2004:

Rheinische_Post-Autorenportrait_Ralf_Boscher

Am 10. September wurde Ralf Boscher von Karin Stei, Redakteurin beim Anzeiger Südwest, in Konstanz interviewt. Der Artikel erschien am 3. November 2004:

Anzeiger_Artikel_Ralf_Boscher

Auch die Konstanzer Tageszeitung Südkurier brachte am 16.07.2004 einen Artikel (hier liegt mir leider nur der Text vor):

Wenn Imperia vom Sockel steigt
Der Horror-Schriftsteller Ralf Boscher lebt und schreibt in Konstanz

Ein sonniger, warmer Tag in Konstanz. Ein Mann sitzt bei einer Tasse Kaffee auf der Marktstätte, beobachtet die Menschen, und langsam stellt sich ein Gefühl der Entspanntheit ein. Doch dann hört der Café-Gast die Melodie von ‚House of the rising sun‘ von einem Gitarrenspieler und all die schrecklichen Erlebnisse kommen wieder hoch. Die Kinder auf der Marktstätte starren ihn an, ihre Luftballone platzen, die Menschenmassen sind in Feuer gehüllt. Er wird panisch, ängstlich. Und da steigt Imperia von ihrem Sockel im Konstanzer Hafen und kommt auf ihn zu. Zwölf Meter hoch steht geballte Laszivität vor ihm. Er will flüchten…

Eine Szene aus dem Grusel-Roman ‚Abschied ist ein scharfes Schwert‘ von Ralf Boscher. Imperia und Marktstätte, die Boscher in seinen Roman einbaut, sind auch Fixpunkte in seinem täglichen Leben. Der Schriftsteller lebt in Konstanz. Und mittlerweile schreibt er an seinem dritten Roman. Vor kurzem erschien der Sammelband von Horror-Geschichten ‚Futter für die Bestie‘. Ralf Boscher schrieb die Titelgeschichte. Boscher, Jahrgang 1968, ist in Aldekerk am Niederrhein geboren. Schon als Kind las er mit Vorliebe Detektiv- und Krimi-Geschichten, wie ‚Die drei Fragezeichen‘. Auch hat er schon immer gerne Geschichten erzählt – mit Hang zur Übertreibung, Dramatik und Melancholie. Vielleicht erste Anzeichen dafür, dass er sich später als Autor dem Horror-Genre zuwenden würde? Nach Abschluss seines Grundstudiums in Wuppertal fand er in Konstanz eine neue Heimat. ‚In Wuppertal schrieb ich meinen ersten Roman, Die Heimsuchung‘, erinnert sich Boscher an seine Anfänge. Das Studium war damals Nebensache. Mit allen möglichen Jobs finanzierte er sich eine kleine Dachwohnung, in der er jede freie Minute an der Schreibmaschine saß. Nach seinem Wechsel nach Konstanz schrieb er zunächst nicht. Er konzentrierte sich auf sein Studium der Philosophie und der deutschen Literatur. Doch bald darauf entstand sein zweites Werk. Der Titel: ‚Abschied ist ein scharfes Schwert‘. Inzwischen arbeitet er an einem Lehrstuhl für Philosophie an der Konstanzer Universität. ‚Schließlich muss ich ja Geld verdienen‘, so der Schriftsteller. Mit ein wenig Disziplin bringt er sein wissenschaftliches Arbeiten mit seinem künstlerischen Schaffen unter einen Hut. Bis heute wurden zahlreiche Kurzgeschichten von Ralf Boscher in Fachzeitschriften oder in Sammelwerken veröffentlicht. Zurzeit entsteht sein dritter Roman, und vielleicht passt er ja mit diesem in die ‚Schublade‘ der Verlage. Ralf Boschers Art zu erzählen, erzeugt Bilder beim Leser. Ein wenig ist es wie ein Film. Oft beinhalten seine Grusel-Geschichten historische Bezüge. ‚Manchmal denk ich mir selbst, dass ich gar nicht gut bin zu meinen Figuren‘, überlegt der Geschichtenerzähler. Doch es gibt auch rührende Züge in den Grusel-Storys. ‚Außerdem spielen Liebe und Verlassenwerden oftmals mit‘, erzählt Boscher. Für ihn ist der Unterschied wichtig zwischen dem, was er schreibt und was er ist. Er schreibt groteske, tragische Horror-Geschichten, doch seine persönliche Welt ist nicht grau in grau. In einem Satz, den der Philosoph Friedrich Nietzsche über sich selbst sagte, fühlt Boscher seine eigene Persönlichkeit widergespiegelt: ‚Ich bin gesegnet mit fröhlichem Fatalismus.’“

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„Hat Amazon für Indie-Autoren nichts mehr übrig?“ Lesenswerter Beitrag von Matthias Czarnetzki auf seinem Blog Lesen – Schreiben – ePublishing

Krimi von Czarnetzki

Krimi von Czarnetzki


Matthias Czarnetzki schreibt:

„Ich habe kürzlich in einem Forum den Satz gelesen, dass Amazon in letzter Zeit nicht mehr so viel für Indie-Autoren übrig hat. Das ist falsch.

Richtig ist: Amazon hatte noch nie etwas für Indie-Autoren übrig.

Wenn man sich mit Amazons Strategie auseinandersetzt, dem Managementstil, ein paar Interviews mit Jeff Bezos liest und durch die Hilfeseiten und Verkaufsratgeber im Sellercentral geht, stellt man schnell fest, das Amazon nur für einen was übrig hat: den Kunden. Und den Umsatz, den er bringt.

Für den Kunden tut Amazon alles: kostenlose, schnelle Lieferung, niedrigste Preise, unkomplizierte Rückgabe – nichts wird unversucht gelassen, um das Kundenerlebnis zu optimieren.

Was ist aber mit Kindle Publishing?

Weiterlesen auf seinem Blog

Kindle und die Folgen – Boscher zum Thema

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Boscher liest… „Ein Liebesbrief“ aus „Tiefer in die Dunkelheit. Erotik, Thrill, Horror“

Ralf Boscher liest seine Kurzgeschichte „Ein Liebesbrief“ aus dem eBook / Taschenbuch „Tiefer in die Dunkelheit. Erotik, Thrill, Horror“.

Ralf Boscher - Tiefer
Es ist dunkel geworden, ein Glas Rotwein steht neben mir, und ich bin müde. Es ist ein wohliges Müde-Sein, weiß ich doch genau, warum ich es bin, habe ich doch wegen Dir nur so wenig Schlaf bekommen. Du. Ich denke an Dich. Gerade habe ich erneut versucht, Dich anzurufen, Deine Stimme zu hören. Aber ich konnte Dich nicht erreichen, und so schreibe ich Dir wieder einmal, von Dir, von uns, horche Deiner Stimme in mir nach, lausche auf Deine Worte, Deinen Tonfall, der nach mir greifenden Händen klingt, nach Deinen Lippen auf den meinen, Deinem Körper ganz nah …, und versuche, Dich mit meinen Worten zu berühren. …

 

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Der Exorzist ist wieder da – Gott sei Dank

Lenalee
24 – tick tack tick tack – was bisher geschah: 24 Stunden zwischen Bangen und Hoffen. Die Zeit, als alles begann: circa 13.30. Unsere Jüngste kommt nach der Schule nach Hause. Haarbüschel im Bad auf dem Boden, Kampfspuren – und die Katze ist nirgendwo zu finden. Einziges Lebenszeichen: eine tote Maus in der Ecke. Ich habe es ja schon einmal an anderer Stelle erwähnt: Unsere Katze, benannt nach einer Figur aus einem Manga, Lenalee, einem sympathischen Exorzisten, ist äußerst rege, was das Anbringen von Mäusen aller Arten angeht. Aber jetzt – tick tack tick – nur eine tote Maus. Keine Katze, die schnurrend verlangt, dass man ihre Tat genügend bewundert. Die Stunden vergehen. Lenalee bleibt aus.

Nun gut, sie ist zäh, hat ihren eigenen Kopf, und ist auch gerne mal einen halben Tag, eine Nacht auf Tour. Dennoch: Die Kampfspuren, die Haarbüschel auf dem Boden, beunruhigen. Eigentlich ist Fütterzeit. tick tack tick tack. Vorbei. Was wohl geschehen ist? Es gibt ein paar Häuser weiter einen schwarzen Kater. Der ist frech. Kam auch schon einige Male durch die Katzenklappe und versuchte, sein Revier auch bei uns zu beanspruchen. Katzenkämpfe in der Nacht. Am Morgen. Am Tag. Ganz normal. Aber nun: Haarbüschel. Und auch am Abend noch keine heimkehrende Lenalee. Keine Lenalee in der Nacht.

Tick tack tick tack. Der Morgen brach an. Das Futter unberührt. Fotos wurden ausgedruckt, Fotokopien beschriftet. „Wer hat unsere Katze gesehen?“ Dann das Tingeln von Haus zu Haus. „Ja, die kennen wir. Die ist so lieb. Hockt ab und zu unter den Büschen. Oh ja, eine Glückskatze!“ Und dann der Schwarze. Schleich schleich. Ist die Narbe über seiner Nase neu? Anrufe bei den Tierheimen in der Gegend. Beim Bürgerbüro. Bei der Polizei („Oh, dreifarbig, eine Glückskatze, ich halte meine Augen offen, wenn ich Runde fahre“). Anruf beim Tierarzt. „Wir suchen unsere Glückskatze. Falls jemand anruft, bitte bei uns melden.“ Tick Tack Tick Tack.

Die Stunden vergehen. Die sehr freundlichen Herrschaften bei den Tierheimen haben geraten: Suchen. Falls sie verletzt ist, hat unsere Katze sich vielleicht irgendwo versteckt. Also wird gesucht. In den Gärten. In den Schuppen der Gegend. Unter Büschen. Hinter Hecken. Und immer wieder der Schwarze. Schleich. Schleich. Wir hoffen, dass die Narbe über seiner Nase von unserem Exorzisten stammt. Hat sie ihm wenigstens ordentlich einen mitgegeben. 12 Uhr. Immer noch keine heimkehrende Katze. Nirgends eine Spur. Und schon längst ist die Beunruhigung zur Besorgnis geworden. Sagen uns: Sie ist zäh. Kein zartes Hauskätzchen. Sondern eine Wald- und Wiesenkatze, fit wie ein Turnschuh. Aber dennoch. So lange war sie noch nie unterwegs. Und das Futter nicht angerührt. Die Kampfspuren… Gestern morgen, als ich zur Arbeit fuhr, habe ich sie das letzte Mal gesehen, unterwegs in den Garten der Nachbarn. Alles normal. Ungewöhnlich nur das sie nicht daheim war, als unsere Jüngste von der Schule kam. Ungewöhnlich, dass sie nicht gleich auftauchte, um sie daheim zu begrüßen – und ihr die Maus zu zeigen. Und so langsam kommen Gedanken an das Äußerste auf. Wie reagieren, wenn sie nicht wieder auftaucht? Wenn wir sie tot finden?

13.20 Uhr. Beinahe 24 Stunden sind vergangen, seitdem wir die ausgerissenen Büschel auf dem Badboden entdeckten. Es ist kalt draußen. Und wenn sie irgendwo hilflos liegt? Noch einmal einen Rundgang. Die Jacken an. Aus den Augenwinkeln ein Blick auf den Futternapf. Das Herz schlägt schneller. Das Futter ist angerührt. Ein schneller Blick in die Küche. Keine Katze. Ins Wohnzimmer. Keine Katze. 13.30. 24 Stunden. Und da, ja da hockt sie. Unsere Katze Unser Mäuseexorzist. Im Bad. Auf der Toilettenschüssel. Streckt uns ihren Hintern entgegen, auf dessen Flanke einige Haarbüschel fehlen. Und trinkt aus der Kloschüssel. Tick tack tick tack. Der Exorzist ist wieder da. Gott sei Dank!

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Nicht mehr Herr der Fliegen – über unsere Katze

Lenalee
Da komme ich nach Hause, alles ruhig, ich bin der Erste daheim, ich bin allein. Ein kurzer Durchgang durchs Haus, alles in Ordnung, was letzter Zeit vor allem heißt: Es liegen keine toten Mäuse in unterschiedlichsten Zerstörungsgraden im Flur, neben dem Kleiderschrank, vor der Badewanne oder oder. Ich habe es ja schon einmal erwähnt. Wir haben eine Katze. Nomen est omen. Benannt wurde sie nach einer Figur aus einem Manga, einem sympathischen Exorzisten, also eigentlich dem Helden der Geschichte. Und der Held unserer Haustiergeschichte, Lenalee, exorziert im Schnitt eine Maus am Tag (also kurz gerechnet, wir haben unsere Katze seit etwas 2 Jahren…) – und pi mal Daumen eine zunächst einmal nicht, die lässt sie laufen. Man will ja schließlich seinen Spaß haben und noch ein wenig jagen. Nicht im Garten, nicht auf den Wiesen in der Nähe, sondern bei uns im Haus. Doch als ich heimkam, da sah es nicht nach einem Jagdtag aus. Keine Blutspritzer auf dem Boden, keine Mäuseköpfe in der Ecke. Alles ruhig.

Später dann am Abend, in der Nacht, alle sind schon zu Bett gegangen. Ich mache noch einen kurzen Durchgang durchs Haus. Gehe die Treppe hinunter. Öffne eine Tür – und da höre ich dieses Summen, Brummen. Es klingt beinahe elektrisch. Jedenfalls stellen sich mir, als ich die Ursache des Geräusches sehe, meine Nackenhaare auf. Ich öffne noch eine Tür, stehe in einem Gang, an der Wand ein Schrank, in dem wir Bettwäsche aufbewahren – und überall Fliegen. Dicke, fette, schwarze Schmeißfliegen. Wenige Stunden zuvor war noch alles ruhig. Aber nun: Ein Summen, Brummen, Wuseln an den Wänden, unter der Decke. Und mittendrin unser Exorzist. Mauzt um den Schrank herum, ein kurzer Blick aus dunklen Katzenaugen, „wie lieb ich doch bin, kann kein Wässerchen trüben“, mauz mauz. Summ brumm. Ein erster Anflug von Ekel macht sich breit. Weniger wegen dem, was ich entdeckt habe, als wegen dem, was ich vielleicht noch entdecken werde.

Ich öffne den Schrank, wappne mich gegen einen satten Aufschwung von noch mehr dicken, fetten, schwarzen Schmeißfliegen, die aus dem Schrank aufsteigen. Aber nichts. Ich greife nach dem ersten Stoß gefalteter Bettwäsche, schüttele ihn aus. Mäuseköttel fallen zu Boden. Ich packe mir den nächsten Stoß. Schüttele. Und eine Maus springt heraus, springt mir gegen das Bein, rutscht an meiner Hose zu Boden. Direkt vor Lenalees Schnauze. Sie lässt die Maus laufen, die durch die Tür entwischt und die Treppe hinunterhuscht. Man will ja schließlich seinen Spaß haben. Schaut mich aus dunklen Katzenaugen an. Mauz. Und beginnt in der Bettwäsche, die noch im Schrank liegt, zu wühlen.

Hausmaus, Zwergmaus, Brandmaus, Feldmaus, Gelbhalsmaus, Hausspitzmaus, Waldmaus, Waldspitzmaus, Zwergmaus, Hausratte, Wanderratte… Die heimische Nagetierfauna ist vielfältig – und alle hat unser Exorzist ins Heim gebracht, teils in Teilen, teils ganz. Das kleinste Exemplar hatte die Größe meines Daumens, das größte Exemplar füllte die ganze Breite eines Kehrblechs aus – und der Schwanz hing sogar noch über die Kante hinaus. Was mir am Bein heruntergerutscht war, war eine Hausmaus gewesen. Was ich im Schrank schließlich finde, ist ein wenig größeres Kaliber.

Ich denke der Schrank muss die Tage zuvor offen gestanden sein. Durch die Ritzen konnte sich diese kapitale Wühlmaus nicht gequetscht haben, vor allem nicht mit diesen Verletzungen. Aufgrund ihrer Größe kann ich mir ein recht genaues Bild machen, wo unsere Katze zugebissen, ihre Krallen in ihr Opfer geschlagen hat. Mauz. Jetzt schnüffelt sie nur friedlich an dem Kadaver, der die Bettwäsche, zwischen die sich die Wühlmaus, um zu sterben, verkrochen hatte, durchnässt hat. Mauz. Als eine einzelne Fliege hinter dem Kadaver hervorkriecht und zu ihren Kameraden an der Wand fliegt. Mauz. Als ich die Maus mit einer dreifachen Lage Küchentücher packte. Mauz. Als ich, nachdem ich die tote Maus aus dem Haus gebracht hatte, den Staubsauger packe – egal wie spät es schon ist – und versuche, der Fliegen Herr zu werden, sie einzusaugen.

Nun, an dem Abend werde ich der Fliegen nicht mehr Herr. Schließlich gebe ich auf. Ziehe noch alle Bettwäsche aus dem Schrank, bringe sie in die Waschküche. Im gleichen Gang steht ein Kleiderschrank, in welchem wir unsere Mäntel und Jacken aufbewahren. Ich komme aus der Waschküche. Mauz. Lenalee kratzt am Kleiderschrank – und in diesem Moment spüre ich, wie ich müde werde. Sehr müde. Dennoch öffne ich den Schrank. Lenalee springt hinein und packt sich die Hausmaus. Schaut mich an. Öffnet ihre Fänge. Die Maus fällt zu Boden. Bevor sie wegspringen kann, beißt unsere Katze einmal zu, in den Hinterlauf der Maus. Dann eine Tatze, beinahe zart, Lenalee stupst die Maus nur an. Beobachtet neugierig, wie die sich schwer verletzt ein wenig zur Seite schleppt. Mauz. Lenalee sieht mich aus dunklen Augen an. Will ja nur spielen. Und in diesem Moment entkommt die Maus unter den Schrank, dorthin, wo Lenalee sie nicht erreicht. Auch wenn sie mit ihren Krallen in den Spalt langt. Mauz. Was bin ich müde. Ich gehe die Treppe hinauf, ignoriere das Summen und Brummen. Gehe zu Bett. Morgen ist auch noch ein Tag, um nach Mäusen, toten oder lebendigen, zu suchen. Um der Fliegen Herr zu werden. Mauz

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Obszön-religiöse Fresken – Clive Barker, Coldheart Canyon – Rezension

Barker_Coldheart
Kennt Ihr das… Ihr hört ein Musikstück und wisst: Diese Töne werden Euch nie wieder loswerden, den ersten Satz von Beethoven Fünfter, die ersten Takte von Dream Theaters „The Spirit Carries On“, Nightwishs „Ghost Love Score“… Ihr lest die ersten Seiten eines Buches und seid gefangen, nein mehr, Ihr wisst, diese Seiten werden Euch immer begleiten. Der Anfang von John Irvings Garp zum Beispiel. Anthony Burgess „Der Fürst der Phantome“. Und die ersten Kapitel von Clive Barkers „Coldheart Canyon“. Die Beschreibung dieser monumentalen, unheimlichen, von düsteren Kräften mit Energie aufgeladenen, obszön-religiösen Fresken. Nur der Anfang, ganz am Anfang von Barkers dickem Wälzer, aber Hallo! Das hat die Qualität seiner „Bücher des Blutes“, vor allem der Titel gebenden Geschichte. Ich bin beeindruckt.

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Ein Pub in Clonakilty oder der brennende Engel, John Connolly – Rezension

Brennender_Engel_Connolly
Kennt Ihr das De Barra in Clonakilty (Geburtsstadt des irischen Freiheitskämpfer Michael Collins)? Ein gemütlicher Pub, damals 2001 noch verraucht und meist Freitags der Auftrittsort von Noel Redding (verstorben 2003), ehemals Bassist der Jimi Hendrix Experience. Dort an der Theke des De Barra, einen Tag nachdem ich Noel Redding live gesehen hatte, erzählte mir ein Einheimischer bei einem Guinness (oder zwei) mit hörbarem Stolz in seiner Stimme von einem jungen irischen Schriftsteller. So gut, nein besser wie Stephen King (über den wir ins Gespräch gekommen waren, er hatte Friedhof der Kuscheltiere in meiner Manteltasche gesehen, meine Reiselektüre).

John Connolly würde der junge Ire heißen, seine Romane seien düster, sehr spannend, viel Gewalt, dämonisch ginge es zu. Kurz: Er weckte mein Interesse, und wieder daheim erinnerte ich mich an diesen Buchtipp. Das schwarze Herz. Gekauft. Verschlungen. Das dunkle Vermächtnis. Gekauft, verschlungen. Der Ire im Pub hatte nicht untertrieben (obwohl ich Connolly nicht über King stellen würde): sehr düster geht es in den Romanen zu, die in Charlie Parker eine Hauptfigur haben, die von dunklen Schatten getrieben ist wie kein anderer „Serienheld“, den ich kenne. Getrieben vom Verlust seiner ersten Frau und seines Kindes, von der Rache an den Schuldigen, getrieben vom Bösen, welches ihn, den ehemaligen Cop, jetzigen Privatdetektiv, ob in menschlicher oder dämonischer Form immer wieder findet.

In „Der brennende Engel“ sind es gefallene Engel, die Parker, der wieder einmal von seinen Freunden Angel und Louis, einem Killer, unterstützt wird, umtreiben. Louis‘ Cousine, auf die schiefe Bahn geraten, wird vermisst. Die letzte Spur führt zu einem Zuhälter in New York und in eine Welt, in der es keine Hoffnung zu geben scheint. Eine Welt, in der aus Knochen Kunst geschaffen wird. In der es nur Gewalt zu geben scheint. Schmerz. Tod. In der ein uralte okkulte Gemeinschaft, „Die Gläubigen“ (wirklich fies die Figur des „Brightwell“), das Tor zur Hölle aufreißen wollen, und dabei vor keiner noch so grausigen Tat zurückschrecken, um die von Gott verstoßenen Engel zu erwecken. Eine Welt am Abgrund. Ein Charlie Parker am Abgrund. Düster, wie gesagt, sehr düster. Aber auch sehr lesenswert. Ein okkulter Thriller in ausladenden Dimensionen. Unheimlich. Spannend.

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Frankreich – Bilder

Einige Bilder vom letzten Urlaub in Frankreich, jenem Urlaub, in dem ich meinen Roman „Abschied ist ein scharfes Schwert. Ein Mordsroman“ überarbeitet und für die Veröffentlichung vorbereitet habe.

Boscher_Frankreich_2
Boscher_Herault_Gewitterabend2
Boscher_Herault_Gewitterabend
Boscher_Frankreich_1
Boscher_Herault_Gewitterabend3

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