Da komme ich nach Hause, alles ruhig, ich bin der Erste daheim, ich bin allein. Ein kurzer Durchgang durchs Haus, alles in Ordnung, was letzter Zeit vor allem heißt: Es liegen keine toten Mäuse in unterschiedlichsten Zerstörungsgraden im Flur, neben dem Kleiderschrank, vor der Badewanne oder oder. Ich habe es ja schon einmal erwähnt. Wir haben eine Katze. Nomen est omen. Benannt wurde sie nach einer Figur aus einem Manga, einem sympathischen Exorzisten, also eigentlich dem Helden der Geschichte. Und der Held unserer Haustiergeschichte, Lenalee, exorziert im Schnitt eine Maus am Tag (also kurz gerechnet, wir haben unsere Katze seit etwas 2 Jahren…) – und pi mal Daumen eine zunächst einmal nicht, die lässt sie laufen. Man will ja schließlich seinen Spaß haben und noch ein wenig jagen. Nicht im Garten, nicht auf den Wiesen in der Nähe, sondern bei uns im Haus. Doch als ich heimkam, da sah es nicht nach einem Jagdtag aus. Keine Blutspritzer auf dem Boden, keine Mäuseköpfe in der Ecke. Alles ruhig.
Später dann am Abend, in der Nacht, alle sind schon zu Bett gegangen. Ich mache noch einen kurzen Durchgang durchs Haus. Gehe die Treppe hinunter. Öffne eine Tür – und da höre ich dieses Summen, Brummen. Es klingt beinahe elektrisch. Jedenfalls stellen sich mir, als ich die Ursache des Geräusches sehe, meine Nackenhaare auf. Ich öffne noch eine Tür, stehe in einem Gang, an der Wand ein Schrank, in dem wir Bettwäsche aufbewahren – und überall Fliegen. Dicke, fette, schwarze Schmeißfliegen. Wenige Stunden zuvor war noch alles ruhig. Aber nun: Ein Summen, Brummen, Wuseln an den Wänden, unter der Decke. Und mittendrin unser Exorzist. Mauzt um den Schrank herum, ein kurzer Blick aus dunklen Katzenaugen, „wie lieb ich doch bin, kann kein Wässerchen trüben“, mauz mauz. Summ brumm. Ein erster Anflug von Ekel macht sich breit. Weniger wegen dem, was ich entdeckt habe, als wegen dem, was ich vielleicht noch entdecken werde.
Ich öffne den Schrank, wappne mich gegen einen satten Aufschwung von noch mehr dicken, fetten, schwarzen Schmeißfliegen, die aus dem Schrank aufsteigen. Aber nichts. Ich greife nach dem ersten Stoß gefalteter Bettwäsche, schüttele ihn aus. Mäuseköttel fallen zu Boden. Ich packe mir den nächsten Stoß. Schüttele. Und eine Maus springt heraus, springt mir gegen das Bein, rutscht an meiner Hose zu Boden. Direkt vor Lenalees Schnauze. Sie lässt die Maus laufen, die durch die Tür entwischt und die Treppe hinunterhuscht. Man will ja schließlich seinen Spaß haben. Schaut mich aus dunklen Katzenaugen an. Mauz. Und beginnt in der Bettwäsche, die noch im Schrank liegt, zu wühlen.
Hausmaus, Zwergmaus, Brandmaus, Feldmaus, Gelbhalsmaus, Hausspitzmaus, Waldmaus, Waldspitzmaus, Zwergmaus, Hausratte, Wanderratte… Die heimische Nagetierfauna ist vielfältig – und alle hat unser Exorzist ins Heim gebracht, teils in Teilen, teils ganz. Das kleinste Exemplar hatte die Größe meines Daumens, das größte Exemplar füllte die ganze Breite eines Kehrblechs aus – und der Schwanz hing sogar noch über die Kante hinaus. Was mir am Bein heruntergerutscht war, war eine Hausmaus gewesen. Was ich im Schrank schließlich finde, ist ein wenig größeres Kaliber.
Ich denke der Schrank muss die Tage zuvor offen gestanden sein. Durch die Ritzen konnte sich diese kapitale Wühlmaus nicht gequetscht haben, vor allem nicht mit diesen Verletzungen. Aufgrund ihrer Größe kann ich mir ein recht genaues Bild machen, wo unsere Katze zugebissen, ihre Krallen in ihr Opfer geschlagen hat. Mauz. Jetzt schnüffelt sie nur friedlich an dem Kadaver, der die Bettwäsche, zwischen die sich die Wühlmaus, um zu sterben, verkrochen hatte, durchnässt hat. Mauz. Als eine einzelne Fliege hinter dem Kadaver hervorkriecht und zu ihren Kameraden an der Wand fliegt. Mauz. Als ich die Maus mit einer dreifachen Lage Küchentücher packte. Mauz. Als ich, nachdem ich die tote Maus aus dem Haus gebracht hatte, den Staubsauger packe – egal wie spät es schon ist – und versuche, der Fliegen Herr zu werden, sie einzusaugen.
Nun, an dem Abend werde ich der Fliegen nicht mehr Herr. Schließlich gebe ich auf. Ziehe noch alle Bettwäsche aus dem Schrank, bringe sie in die Waschküche. Im gleichen Gang steht ein Kleiderschrank, in welchem wir unsere Mäntel und Jacken aufbewahren. Ich komme aus der Waschküche. Mauz. Lenalee kratzt am Kleiderschrank – und in diesem Moment spüre ich, wie ich müde werde. Sehr müde. Dennoch öffne ich den Schrank. Lenalee springt hinein und packt sich die Hausmaus. Schaut mich an. Öffnet ihre Fänge. Die Maus fällt zu Boden. Bevor sie wegspringen kann, beißt unsere Katze einmal zu, in den Hinterlauf der Maus. Dann eine Tatze, beinahe zart, Lenalee stupst die Maus nur an. Beobachtet neugierig, wie die sich schwer verletzt ein wenig zur Seite schleppt. Mauz. Lenalee sieht mich aus dunklen Augen an. Will ja nur spielen. Und in diesem Moment entkommt die Maus unter den Schrank, dorthin, wo Lenalee sie nicht erreicht. Auch wenn sie mit ihren Krallen in den Spalt langt. Mauz. Was bin ich müde. Ich gehe die Treppe hinauf, ignoriere das Summen und Brummen. Gehe zu Bett. Morgen ist auch noch ein Tag, um nach Mäusen, toten oder lebendigen, zu suchen. Um der Fliegen Herr zu werden. Mauz
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