Monatsarchive: Mai 2014

Der Frosch sagt: Der Sommer hat begonnen

Thermometer_Frosch
Wie ich an anderer Stelle erwähnt habe, ist guter Kaffee gut für das Betriebsklima. Das guter Kaffee beileibe nicht der einzige für eine angenehme Arbeitsatmosphäre förderliche Faktor ist, eher pekunitär orientierte Persönlichkeiten verweisen gerne auf ein angemessenes Salär, die Romantiker unter den Arbeitnehmern auf freundliche Arbeitsatmosphäre oder Anerkennung für erbrachte Leistungen, hat mir ein alter Freund wieder zu Bewusstsein gebracht.

Ja, es gibt Zustände am Arbeitsplatz, die nicht besser werden, wie viel guten Kaffee man auch trinken mag. Nachdem ich vergangene Woche nach einem angenehmen Arbeitstag in maifeierlicher Atmosphäre auf meinem schnurrenden Roller im prallen Bodensee-Sonnenschein in mein Heim zurückgekehrt war, klingelte, kaum dass ich meiner Liebsten zugelächelt hatte, das Telefon. Mein alter Freund aus der Ferne. Da hört man doch gerne zu – und so erfuhr ich von solchen Zuständen.

„Ich sag Dir, heute hat der Frosch den Sommerbeginn verkündet!“, so lauteten seine einleitenden Worte. Jetzt muss ich, um des Verständnisses Willen vorausschicken, dass besagter Frosch, wie ich von früher wusste, natürlich kein wirklicher Frosch war. Er war nie ein wirklicher Frosch gewesen. Nur ein Thermometer in Froschform, dass mein alter Freund gekauft und zur Verifizierung der gefühlten Temperaturen an seinem Arbeitsplatz an selbigem platziert hatte. Nun, der Frosch war Geschichte. Ein schlichtes Holzthermometer erfüllte, seitdem er den Frosch verschenkt hatte, den nämlichen Zweck – nur die Bezeichnung für den Temperaturmesser war geblieben. Der Frosch sagt… Und wie ich wusste, sprach der Frosch im Winter: 12 Grad nach einem Wochenende, an dem im Büro die Heizung ausgestellt war. Und 39 Grad im Hochsommer, seitdem die Klimaanlage aus Kostengründen nicht mehr angestellt wurde. Da ich wusste, dass mein alter Freund (im Gegensatz zu seinem verflossenen Freund) nicht unbedingt temperaturempfindlich war (es galt sich halt angemessen im Büro zu kleiden, im Winter dicke Socken, Pulli, Strickjacke, Schal, Fingerlinge, im Sommer Flip Flops), war mir schon bei dieser Eröffnung klar, dass der Frosch noch mehr sprach, wenn er den Sommer verkündete.

Der Frosch sagte: „29 Grad im Mai, schon kommt der Gestank des Sommers herbei!“

Wörtliche Rede kann etwas Berauschendes, in ihrer Bildhaftigkeit Mitreißendes haben. So fällt es mir jetzt naturgemäß schwer, in geschriebener Rede den Abscheu meines alten Freundes ob der Ankündigung des Sommers angemessen wiederzugeben. Vor allem, da dieser Abscheu olfaktorischer Natur ist.

Zwei kurze Beschreibungen können hier vielleicht hilfreich für einen gewissen Eindruck sein:

Der Arbeitsplatz meines alten Freundes befindet sich, wie er mir mit hörbarem Widerwillen in der Stimme ausmalte, nahe einer Wand, an deren anderen Seite sich die Männertoilette befindet. Eine Standortlage, die im Winter offensichtlich weniger Probleme bereitet, aber im Sommer entscheidend zur Arbeitsmoral meines Freundes beiträgt. Denn diese Wand ist dünn. Wobei es wohl im Allgemeinen gelingt über die Geräusche, welche sich ungehindert durch die dünne Wand bemerkbar machen, hinweg zu hören. Geräusche, die, wie mein Freund glaubhaft machte, mit dem Öffnen eines Reißverschlusses beginnen und sich dann zu intimeren Lautäußerungen steigern. Wie gesagt, diese Geräusche sind nicht das Problem. Und im Winter ist das Problem auch nicht so ein Problem. Aber diese Toilette verstopft des Öfteren (es geht das Gerücht, dass das ganze Bürogebäude nicht an einen Kanal angeschlossen sei) – und dieses Verstopfen bringt im Sommer das olfaktorische Fass zum Überlaufen. Denn, so mein alter Freund, dann sickert der Toilettengestank durch die dünne Wand, kriecht hinter seinem Rücken hervor, wabbert in der aufgeheizten Luft des Büros um seinen Kopf.

Und wie gesagt: Hier hilft kein Kaffee. Der beste, aromatisch duftende Caffé mit allerfeinster Crema schafft es nicht diesen Gestank zu vertreiben. Natürlich hilft hier das Aufreißen der Fenster, so dass der Gestank aus dem Büro in den Flur wabbert, wo immerhin niemand sitzt und versucht, zu arbeiten. Wobei hier das zweite „sommerliche Problem“ mehrmals in der Woche zu Unbilden führt.

Fettabscheider. Dieser ist wohl das zweite Problem. Ein Problem, das im Winter auch vorhanden ist, aber aufgrund der dämpfenden Niedrigtemperaturen nicht so gravierend empfunden wird. Unterhalb des Büros von meinem Freund ist die Kantine des Bürogebäudes. „Ist schon okay“, sagt mein Freund, „Keine weiten Wege, das Essen ist genießbar.“ Aber aufgrund dieser Kantine ist ein Fettabscheider notwendig und dieser liegt unterhalb der Kantine, also auch unterhalb des Büros meines alten Freundes. Und dieser äußert sich olfaktorisch auf zweierlei Weise, so dass es ratsamer erscheint, die Fenster im Sommer zu schließen, auch wenn der Gestank aus der Toilette durch die Wand sickert, auch wenn sich das Büro immer weiter aufheizt: Der olfaktorische Normalbetrieb. Soll heißen, der Fettabscheider tut, was er tun soll, und stinkt gewohnheitsmäßig vor sich hin, was sich mehrmals am Tag in intensiven Geruchsschwaden äußert. Der olfaktorische Extremfall, soll heißen, der mehr als intensive Gestank, wenn das Entsorgungsunternehmen in regelmäßigen Abständen seinem Auftrag nachkommt und den Fettabscheider auspumpt. Während im Normalbetrieb der Geruch aus der Toilette noch wahrnehmbar ist, ist er im Extremfall, bei schönstem Sonnenschein, der das Büro etliche Grad über Lufttemperatur aufheizt, dermaßen alle Sinne einnehmend, dass weder Toilettengestank noch Kaffeegeruch (selbst mit der Nase in der Tasse) mehr wahrnehmbar sind.

Und davon sprach der Frosch. Und davon sprach mein alter Freund, ein existentielles Problem, das ihn anrufen ließ. Ich hörte ein gewisses Grauen in seiner Stimme. Die heute vom Frosch verkündete Temperatur von 29 Grad im Büro galt ihm als Unheil dräuender Vorbote des nahenden Sommers. Zudem war die Toilette heute wieder verstopft. „Und wie war es bei dir heute?“, fragte er mich schließlich müde. Aber was sollte ich ihm sagen? Bei mir im Büro wabbert nur der Duft nach gutem Kaffee (gemischt mit ein wenig Teegeruch von den Teetrinkern) durch die Luft? Bei mir sorgt die Geschäftsleitung dafür, dass es im Winter warm und im Sommer angenehm temperiert ist? Bei uns sind die Wände dicker? Sollte ich ihm sagen, dass ich mich auf den Sommer freue?

Nein, ich sprach nicht über meine Arbeit. Ich erzählte von meinem Blog (den Beitrag über seinen Ex, seine Fröstlichkeit und die Wärmflasche hatte er gelesen und dabei wehmütig gelächelt). Ich richtete ihm schöne Grüße von meiner Liebsten aus, die gerade hereinkam. Dann verabschiedeten wir uns. „Morgen soll es ja schon wieder kühler werden!“, sagte er zum Abschied. Und die Hoffnung in seiner Stimme ließ mich die Tage danach nicht mehr los, und also ärgerte ich mich nicht, als es zu regnen begann und tatsächlich abkühlte. Und so lächele ich auch jetzt in den Regen hinaus, sehe den Pflanzen dabei zu, wie sie sich nach den warmen Sonnentagen gierig nach dem kühlen Nass strecken, ihre Blätter gen ausströmendem Himmel recken. Für den Moment scheint sich der Frosch geirrt zu haben. Vielleicht ein gutes Zeichen. Vielleicht irrt auch mein alter Freund. Ja, vielleicht unterschätzt er seinen Arbeitgeber und dieser Sommer wird als der Sommer in die Geschichte eingehen, der dem, was der Frosch sagt, seinen Schrecken nahm.

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Quelle für Froschthermometer-Bild

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Ein Blick hinter die Buchstaben… Fragen an die Schriftstellerin Birgit Böckli

Spannende Romane, faszinierende Geschichten, Figuren, die sich den Leserinnen und Lesern einprägen – ohne die Möglichkeiten des Self-Publishing wären vielleicht viele literarische Schätze nach wie vor verborgen geblieben. Aber seit einigen Jahren ist die Auswahl jenseits der Verlagswerke größer geworden – und das interessante, breit gefächerte Angebot in Eigenregie publizierender Autoren wird, wie z.B. die Bestsellerlisten bei Amazon zeigen, mit Begeisterung angenommen. Einigen dieser Autorinnen und Autoren aus der Self-Publisher-Szene habe ich einen Fragenkatalog vorgelegt. Ich fragte, was mich als Leser oder als Kollege interessierte. Diese so entstandenen „Interviews“ werde ich in loser Folge auf meinem Blog veröffentlichen.

Ich danke allen, die sich meinen Fragen gestellt haben und so allen Interessierten einen Blick hinter die Buchstaben ihrer Bücher gewähren.

Ralf Boscher

Birgit_Boeckli
Heute zu Gast auf Boschers Blog: Birgit Böckli

Hallo Birgit, schön, dass ich Dich auf meinem Blog begrüßen darf! Um gleich einzusteigen:

Was siehst Du als Deinen bisher größten schriftstellerischen Erfolg an?

Hallo Ralf, vielen Dank für die Einladung zum Interview. Mein bislang größter Erfolg war ganz klar der Verlagsvertrag für meinen Krimi Friesensturm. Ich hatte eine Leseprobe auf der Online-Plattform Neobooks eingestellt, wo Autoren ihre Texte vorstellen können und mit etwas Glück von den Mitarbeitern des Lektorats wahrgenommen werden. Schon nach kurzer Zeit wurde mein Buch von den Lesern auf einen der vorderen Ränge geschickt, und da der Roman thematisch genau ins Programm passte, erhielt ich als erster Neobooks-Autor nicht nur einen Ebook- sondern auch einen Taschenbuchvertrag im Knaur Verlagsprogramm. Das war damals sehr aufregend.

loremachturlaubcover
Wer ist Dir die liebste Figur in einem Deiner Romane oder in einer Deiner Geschichten?

Das ist Lore Badowski, die chaotische, aber liebenswerte Hauptfigur aus meinem heiteren Frauenroman Lore macht Urlaub. Lore ist eine Figur, die polarisiert. Mit ihrer schrägen, lauten Art geht sie manchen Lesern wohl ziemlich auf die Nerven, andere hingegen lieben ihre lebensfrohe Art und die oftmals naiven Versuche, ihr Leben zu meistern.

Wer ist Dir die liebste von Dir nicht erschaffene Figur in einem Roman oder einer Geschichte?

Das ist Beverly Marsh aus Stephen Kings ES. Ich finde es toll, wie dieses kleine Mädchen mit den Misshandlungen und der Angst umgeht, die ihr Leben bestimmen, und sich trotzdem ganz selbstverständlich für Gerechtigkeit einsetzt und ihre Freunde verteidigt.

Der für Dich gelungenste erste Satz einer Deiner Geschichten?

„Für Frau Hahn gab es nur eine Sache, die noch unangenehmer hätte sein können als unerträgliche Mieter, und das war die Vorstellung, beim Schnüffeln erwischt zu werden.“ Aus Lore macht Urlaub

Wenn Du nicht Schriftstellerin, sondern Musikerin wärst – welche Musik würdest Du machen?

Ich bin tatsächlich Mitglied in einem Vocalensemble und habe bereits erste Versuche gestartet, eigene Songs zu schreiben. Ich mag am liebsten klassische Popmusik oder RnB.

Was macht einen Menschen zum Schriftsteller? Das Schreiben oder das Gelesen werden? Oder…?

Wer schreibt, ist zunächst einmal ein Autor. Als Schriftsteller betreibt man das Schreiben möglichst professionell und mit dem Ziel, seine Leser zu erreichen. Daher würde ich zu Antwort zwei tendieren, das „Gelesen-Werden“.

Deine Einschätzung: Ist es förderlicher für eine gute Schreibe, mit seiner schriftstellerischen Arbeit seine Brötchen zu verdienen oder einem anderen Brotberuf nachzugehen?

Das hat wohl beides seine Vor- und Nachteile. Zum Schreiben und Überarbeiten der Bücher kommt ja heutzutage meist auch noch das Marketing hinzu, Kontakte müssen geknüpft und gepflegt werden, es gilt, Lesungen zu halten oder Vorträge zu organisieren. All das gemeinsam mit einem Brotberuf zeitlich unter einen Hut zu bringen, ist schon sehr anstrengend. Das liegt nicht jedem gleich gut und kann sicherlich auch zum Erschöpfen der Kreativität führen. Andererseits gibt einem das Feedback der Leser auch einen gewissen Auftrieb, der gerade bei kreativen Berufen sehr wichtig ist. Und wirklich allein vom Schreiben zu leben ist ein Traum, den sich leider nur wenige Autoren erfüllen können. Am wichtigsten, um einen guten Stil zu entwickeln, ist aber meiner Meinung nach, dass der Autor viel schreibt und auch selbst liest.

Von der Grundidee zur fertigen Geschichte: Ist das bei Dir ein gerader Weg oder passiert es Dir, dass Du Dich weit von der Grundidee entfernst?

Meistens bleibt der Grundgedanke erhalten, vorausgesetzt, es gab überhaupt schon einen Plot. Ich habe auch schon Geschichten mit einer einzelnen Szene oder einem bestimmten Satz begonnen, ohne zu wissen, was dabei herauskommen würde.

Welcher Art sind die Szenen, die für Dich die größten Herausforderungen stellen?

Das sind in der Regel die eher unspektakulären Szenen, die aber dennoch für den Verlauf der Handlung unerlässlich sind. Da ist es oft schwer, die Spannung aufrechtzuerhalten.

Was bereitet Dir die größte Freude beim Schreiben?

Am liebsten mag ich die Vorarbeit, die sich eigentlich nur im Kopf abspielt. Wenn sich die Handlung nach und nach entfaltet und ich weiß, dass ich demnächst loslegen kann. Und natürlich den Flow, wenn es ganz einfach läuft, ohne dass ich dabei nachdenken muss.

Der für Dich wertvollste Schreibtipp, den Du erhalten hast?

Es klingt vielleicht seltsam, aber ich bin lange Zeit überhaupt nicht auf die Idee gekommen, dass man eine Geschichte kürzen und überarbeiten muss. Jahrelang war ich der Meinung, eine einmal geschriebene Geschichte sei ein Kunstwerk, das man nicht mehr verändern dürfe, bis ich zufällig in einem Schreibratgeber auf ein Kapitel über die Überarbeitung von Texten stieß.

Manchmal noch Papier und Stift? Oder nur noch Schreiben am Rechner?

Ich arbeite immer noch gerne mit Stift und Papier. Da habe ich eine stärkere Verbindung zum Text als über die Tastatur.

Welches Schreibprogramm nutzt Du?

Ich benutze Word 2007

Schreibzeiten: Wann schreibst Du? Schreibst Du an festgelegten Uhrzeiten oder setzt Du Dir zum Beispiel pro Tag eine Zeichenmenge?

Ich schreibe hauptsächlich vormittags und versuche dabei, eine bestimmte Seitenzahl zu erreichen, manchmal zehn, manchmal auch nur vier Seiten. Je nachdem, wie viel Zeit ich gerade habe und wie dringlich das Projekt ist.

Wie viel Zeit verwendest Du am Tag für das Marketing? Und welche Kanäle nutzt Du für die Werbung?

Das ist sehr unterschiedlich bei mir. Natürlich nutze ich in begrenztem Maße auch die üblichen Kanäle wie Facebook oder Twitter. Ich halte allerdings nichts davon, den Leuten mit Dauerbeschallung auf die Nerven zu fallen, daher streue ich nur hin und wieder kleinere Hinweise zu meinen Büchern ein. Einzelne Aktionen können aber schon mal viel Zeit in Anspruch nehmen. So habe ich auch schon kleinere Offline-Kampagnen gestartet und beispielsweise als Hexe verkleidet Halloween-Schokolade in der Fußgängerzone verteilt, um auf eine neue Gruselgeschichte hinzuweisen.

Bereitet Dir das Schreiben größere Freude, seitdem es mehr Möglichkeiten der Veröffentlichung gibt (E-Books, Selfpublishing…)?

Dass mir das Schreiben an sich dadurch mehr Freude macht, würde ich nicht sagen, aber die Möglichkeiten, die das Netz heutzutage bietet, gefallen mir persönlich sehr gut. Ich arbeite ja zum Teil mit einem Verlag zusammen, gleichzeitig veröffentliche ich aber auch Bücher als Selfpublisher. Ich finde es einfach unheimlich spannend, auszuprobieren, was funktioniert und was nicht und einen direkten Draht zu meinen Lesern zu haben.

Die „Thomas Mann“-Frage: Du schreibst, Dein Mann oder Freund kommt herein oder ein guter Freund ruft an oder Dein Kind möchte etwas von Dir wissen – verbittest Du Dir die Störung, weil Du schreibst, oder lässt Du Dich auf die „Planänderung“ ein?

Für mein Kind bin ich grundsätzlich immer zu sprechen, ich habe sogar schon halbe Bücher geschrieben mit Kind auf dem Schoß. Das Telefon würde ich unter Umständen auch mal klingeln lassen.

Die „Charles Bukowski“-Frage: Hältst Du Alkohol für eine sinnvolle Stimulanz beim Schreiben?

Nein, weder Alkohol noch andere berauschende Drogen.

Du gehst schlafen, liegst bereits im Bett, das Licht ist aus – da kommt Dir eine Schreibidee in den Kopf: Stehst Du auf und notierst Dir die Idee?

Morgens passiert mir das öfter, wenn ich mich an einen interessanten Traum erinnere. Den schreibe ich dann auch auf. Nachts bin ich zu faul dazu.

Hast Du mit einer Geschichte abgeschlossen, wenn Du unter sie ein „Ende“ gesetzt hast?

Nicht immer. Es gibt einzelne Figuren, die mich noch lange nach Vollendung der Geschichte begleiten. Wenn jedoch die Überarbeitung an einem Text sehr anstrengend war, bin ich schon froh, wenn ich die Geschichte endlich abschließen kann.

Vielen Dank Birgit, dass Du Dir die Zeit genommen hast, diesen „Blick hinter die Buchstaben“ zu ermöglichen!

Friesensturm
Birgit Böckli ist Autorin von Krimis und Gruselgeschichten. (Quelle). Geboren 1972 in Mönchengladbach Rheydt, lebt sie seit Anfang der Achtziger in einer Kleinstadt in Nordbaden. Mit dem Schreiben begann sie schon in frühester Kindheit. So entstanden im Laufe der Zeit eine große Anzahl an Kurzgeschichten, in den letzten Jahren auch längere Erzählungen und erste Romane. Mit ihren Texten möchte Birgit Böckli nicht nur unterhalten, sondern auch aufrütteln und zum Nachdenken anregen. (Quelle)

Die Homepage von Birgit Böckli
Amazon-Autorenprofil
Facebook-Seite der Autorin
Autorenseite bei Droemer Knaur

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Buchvorstellung: Best of… und andere schaurige Kurzgeschichten von Monstern und Kindern

Best of... und andere schaurige Geschichten von Monstern und Kindern

Best of… und andere schaurige Geschichten von Monstern und Kindern

Sie lachte laut auf. Auch der Spiegel lachte. Das hatte ihm gefallen. Das war doch mal Einsatz! In diesem Moment schlug Alex das erste Mal mit der Axt gegen die Tür: „Ich komm Zoe!“, schrie sie, und holte mit der Axt wieder aus, während Zoe sich mit der Nagelschere erneut eine Haarsträhne abschnitt…

„Diese drei Kurzgeschichten haben es wirklich in sich und greifen dabei auch noch aktuelle Themen wie den Schönheitswahn der Kinder und Jugendlichen auf… Jede Story für sich ist spannend und regt, anders als viele andere Horrorgeschichten, zum Nachdenken an. Gesellschaftliche Probleme in eine Horrorgeschichte gepackt; eigentlich traurig, dass die Storys so viel Wahrheit enthalten. … Wer auf Horrorgeschichten steht, der wird nicht enttäuscht sein. Der Autor schafft es ein schillerndes Kopfkino zu erzeugen…“ (Kathrin Bolte, Rezension auf Amazon).

„Was haben ein Spiegel, ein Stück Holz und ein totes Haustier gemeinsam? Sie alle sind die Hauptdarsteller in Ralf Boschers neuen Kurzgeschichten. Alltägliche Dinge und Begebenheiten werden hier in Horrorszenarien verpackt, die den Leser länger beschäftigen als vielleicht gedacht…“ (Kubine, Rezension auf Lovelybooks)

Best of… und andere schaurige Kurzgeschichten von Monstern und Kindern

Das Böse begegnet uns auf vielfältige Weise. Wir treffen es auf einem Flohmarkt, es lauert in einem Holzstoß hinter dem Haus, es kommt zu uns auf leisen Pfoten. Und oft ist es zunächst nicht schrecklich. Nein, das Böse kann so reizend sein. Es lächelt und ist nett und höflich. Es verspricht uns etwas, wonach wir uns sehnen. Schönheit zum Beispiel. So laden wir es mit offenen Armen in unser Leben ein. Und wenn wir merken, dass wir einen schrecklichen Fehler begangen haben, ist es zu spät. Unter dem Lächeln bricht die Fratze des Grauens hervor. Was als Verheißung begann, wird zu einem fürchterlichen Alptraum aus Angst, Schmerz und Blut. Wird zum Stoff für schaurige Geschichten, zupackend, düster, vielfältig.

Das eBook bietet Horror-Kurzgeschichten von Ralf Boscher (Länge: über 86000 Zeichen).

Das eBook ist bei Amazon erhältlich.

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„Schau doch mal Alter, was für ein Panorama…“

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Originalton auf der Fähre nach einem offensichtlich entspannten Ausflug am Bodensee mit dem Fahrrad: „Schau doch mal Alter, was für ein Panorama…“

Nach einem wie gewohnt stressfreien Arbeit als Werbetexter, der neben viel Freude an kreativer Textarbeit auch die Befriedigung gut auf wichtige Deadlines zugeschnittene Arbeitsabläufe mit sich brachte, fuhr ich um kurz vor 19 Uhr von Konstanz mit der Fähre nach Meersburg. Die Alpen mit ihrem vom Bodensee aus gesehen visuellen Höhepunkt, dem Säntis, waren gut zu sehen. Föhn schien im Anzug. Der Tag war bisher klimatisch unbeständig gewesen. Der Wind trieb die Wolken wild vor sich her über den See. In einem Moment strahlte die Sonne. Im nächsten Augenblick drohte ein Regenguss. Stand man im Wind, so fröstelte es einem. Im nächsten Moment erhitzte einen für ein paar windstille Atemzüge die durch die Wolken brechende Sonne. Doch nun am frühen Abend schwebten kaum noch Wolken über den Bodensee. Die Sonne hatte sich durchgesetzt. Blau. In welchem Blau strahlte der See. Und so nah die Berge…

Es ist schon erstaunlich, über was sich Menschen aufregen. Nein, noch erstaunlicher ist es, mit welcher Vehemenz sich Menschen über Nichtigkeiten aufregen. Menschen im Urlaub sind da erstaunlicherweise eine gute Beobachtungsbasis. Touristen also. Menschen in ausgedehnter Freizeit, die doch eigentlich in einem gewissen Zustand der Entspanntheit sein sollten. Aber nein. Es ist erstaunlich, was bereits 15 Minuten Fährefahrt hier an Stress-Dramen offenlegen. Zum Beispiel die Fahrradfahrer. Die drängeln sich (den durch das Fährepersonal angewiesenen Platz ignorierend) auf der Fähre, um den besten Platz für ihr oft geliehenes Bike zu ergattern, so dass letztlich alles kreuz und quer steht, weil keiner dem anderen einen Fußbreit Platz einräumen will – der könnte ja eher von der Fähre herunterfahren. Und es ist greifbar, dass der eine oder andere nur darauf wartet, dass jemand sein Bike, das er geparkt hat als wäre es ein Auto, nur antippt…

Wobei oben erwähnte Fahrradtouristen so mit sich selbst beschäftigt waren, dass sie weitgreifend andere Fahrradtouristen ignorierten. Wahrscheinlich zwei Ehepaare. Fortgeschrittenen Alters. Die Damen schafften es gerade noch auf die Fähre. Der Schlagbaum war schon geschlossen. Er wurde auf bittendes Zurufen der Damen noch einmal geöffnet, während ihre Männer in einem vehementen Streitgespräch über die letzte Runde in einem Lokal versunken waren, die der eine doch ruhig hätte übernehmen können, als ihre (von ihnen offensichtlich ganz vergessenen) Frauen auf die Fähre radelten. „Warum seid ihr voraus gefahren?“ (Ein Klassiker). „Wir haben doch gesagt, wir nehmen die nächste Fähre, und das ist sie“ (wäre ein Drama gewesen, die Fähre 15 Minuten später zu nehmen). „Du hast deinen Helm nicht auf!“ (ach die Fürsorge). „Stehen tut der dir aber nicht“ (die Fürsorgliche als der Angesprochene seinen Helm demonstrativ aufzieht). „Das Bier schmeckte eh schal“ (der die letzte Runde schuldig gebliebene Beschuldigte). „Abgemacht ist abgemacht!“ (der die Zeche zahlende). „Abgemacht war, wir bleiben zusammen!“ (eine der Frauen). „War doch mal gut, dass ihr auf Trab kommt, habt es ja geschafft!“ (der eine – denke ich – Ehemann).

Da ich nach meinem stressfreien Arbeitstag die Überfahrt ebenso stressfrei auf dem Oberdeck in der Sonne genießen wollte, ließ ich die vier hinter mir zurück. „Toll hier, schöne Aussicht, Wetter gut, aber kein gutes Netz!“, schrie der Herr in der Sitzbank neben mir in sein Handy, während er auf der Suche nach dem guten Netz allerlei Verrenkungen machte, mal mit dem Kopf fast den Boden berührte, mal sich, einen Fuß auf der Bank, gen Himmel streckte, ohne der herrlichen Aussicht überhaupt einen Blick zu würdigen (aber vielleicht hatte er zuvor mit seinem Handy ja ein Bild geschossen). Eine Sitzgruppe weiter stritten sich zwei Kinder um ein halbes Brötchen, weil beide – und das heißt nur eines von beiden – gerne den Möwen Brotkrumen hingeworfen hätten. Der Vater ignorierte den Streit, weil er im Fahrtwind seine Zigarette nicht zum Brennen brachte. Die Mutter löste den Streit, indem sie das ganze halbe Brötchen nahm und es einfach über die Reeling warf, was sich produktiv auf die Stimmung der Kinder auswirkte, und den Vater anregte, eine ziemlich unflätige Tirade über die Fähigkeiten seiner Frau, Kinder zu erziehen, und über den Wind loszulassen. „Scheiß Wind und halt doch endlich mal die Kinder ruhig!“ (zensiertes und gekürztes Zitat).

Es ist schon erstaunlich, über was sich Menschen aufregen. Nein, noch erstaunlicher ist es, mit welcher Vehemenz sich Menschen über Nichtigkeiten aufregen. Wahrscheinlich so wie ich gerade. Da ich mich von derlei nichtigen Beobachtungen anregen lasse, einen Blog-Senf abzugeben. Wobei ich nach meinem stressfreien Arbeitstag diese Worte ganz ruhig, unaufgeregt niederschreibe. Amen, Yoga und Qigong und so. Also quasi locker aus der Hüfte geschossen. Aber wie dem auch sei, die Viererbande war, als ich zurück zu meinem Roller ging, immer noch intensiv dabei, über das Vornewegfahren der Männer (und das nicht Bezahlen der letzten Runde des einen Mannes) zu disputieren.

Aber was heißt schon Nichtigkeit? Jeder Krebs beginnt mit einer kleinen, winzigen Zelle, die aus dem Ruder läuft. Nichtigkeiten, die zu Streitigkeiten führen, sind die Keime, die es behutsam aufzunehmen gilt, zu betrachten – und zu isolieren, denn an ihnen zeigt sich Größeres. Sie sind der kleinste gemeinsame Nenner für das Chaos. Packt man sie nicht, löst diese kleinen Keime nicht auf, dann war es das. „Siehst du, so ist das nach so vielen Jahren Ehe“, meinte der eine Mann, der sich immer noch offensichtlich dämlich mit seinem Fahrradhelm fühlte, als seine Frau, die sich zuvor über das Nichttragen mokiert hatte, in dem Moment, als ich zum Roller zurückkehrte, meinte: „Zieh doch mal den dämlichen Helm ab, noch brauchst du den nicht!“

„Nichts kann man richtig machen!“, meinte er. Dies war der Augenblick, als sie sagte: „Schau doch mal Alter, was für ein Panorama…“ – und die Touristen endlich für einen Moment dort ankamen, wo sie eigentlich hinwollten. Dorthin, wo wir alle sein wollen. Im Angesicht des Schönen. Alle vier blickten gen Alpen. Der eine Mann zückte seine Kamera. Klick. So schön war es am Bodensee. Der andere Mann meinte schnippisch. „Teures Modell. Aber zu geizig, die Runde zu zahlen.“

Nichtigkeiten halt. Der kleinste gemeinsame Nenner für das Chaos in der Welt.

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Auch Du Brutus? Von Rauchern und Nichtrauchern

Raucher_Nichtraucher
Ach die Nichtraucher, zur Zeit gibt es immer mehr von ihnen. Das ist wie mit der Grippe. Nur später. Nicht im Herbst. Sondern nach Neujahr. Jahr für Jahr kommt diese Welle. Und geht meist schnell wieder vorbei. Ganz ohne Impfen. Dabei wäre es natürlich vernünftig, sich gegen die Grippe impfen zu lassen. Und natürlich ist es vernünftig, mit dem Rauchen aufzuhören. Nie zu beginnen. Und so handeln alle, die mit dem Rauchen aufhören, sehr vernünftig. Der Mensch ist das „animal rationale“. Also nachgedacht, und gut ist. Kommt in Wellen, wie gesagt. Dieses vernünftige Nachdenken – und vor allem, sich seine Vernunft zur Richtschnur seines Handelns zu machen. Adé Zigarette. Und weil in diesem Jahr die Welle bei vielen noch nicht am Strand der Rückfälligkeit gebrochen ist, ist das „Aufhören“ auch jetzt noch Thema. Wie gesagt, es ist eine Epidemie. Selbst er, den man seit Jahrzehnten nur als Raucher kannte – basta, fini. Auch Du Brutus?, denkt man, während er mit den Schultern zuckt, an seiner Cola Zero nuckelt (noch so eine Epidemie) und man selbst mannhaft sein Bier nimmt und hinaus in die Kälte geht.

Und so stehen mittlerweile immer weniger Unverzagte (Unvernünftige) in der Kälte, im Regen, auf einem Balkon, vor der Gaststätte, vor dem Bürogebäude. Kurz draußen vor der Tür. „Draußen vor der Tür“ war eine dieser Erzählungen, die einen nachhaltig beeindruckten, ob dieser unerbittlichen Zwangsläufigkeit des Schicksals, der Trauer, die den Einzelnen fasste und gleichzeitig in die Einsamkeit entließ. Na gut, jetzt sollte der Boscher nicht den Borchert machen. Schließlich ist Rauchen kein Schicksal, sondern eine Sucht. Und dem Brutus klopfe ich ja auch auf die Schulter, weil er es endlich geschafft hat, seit Wochen ohne Zigarette zu leben. Ein Wunsch, den ich von ihm ebenso lange kannte, wie ich ihn mit Zigarette erlebte. Und weil Alkohol und Zigaretten gerne Hand in Hand durchs Leben wanken, hat er auch gleich dem Alkohol abgeschworen. Nieder mit dem Diktatoren! Nieder!, ich prostete ihm mit meinem Bier zu.

Politisch gesehen ist dies natürlich ein bedeutender Schritt. Selbst die „gesunden“ Zigaretten, also jene ohne Zusatzstoffe, atmen den Hauch von Ausbeutung. Da können sie noch so viele Indianer auf die Verpackung drucken, nach Fair Trade-Richtlinien sind hier kaum Zigaretten hergestellt worden. Vom Rest mal ganz zu Schweigen. Freiheit. Immer Freiheit. So die Werbung. Aber eher Freiheit der Globalisierung. Der Riesenfirmen. Da bekommt man als Raucher auch politisch ein schlechtes Gewissen. Nur gut, dass das Bier, mit welchem man Abends in der Kälte steht und in das der Regen tropft, aus deutschen Landen ist. Quasi um die Ecke. Kurze Wege. Gut für die Ökobilanz. Regional ist der Affront gegen Globalisierung. Das klappt bei Zigaretten nicht so gut. Wobei das Nachdenken über derlei Dinge sich irgendwie hohl anfühlt. Denke tiefer. Lasse die Zigarette und gut ist!

Jawohl! Aber was ist mit der Steuer? Und mit der Rente?, so fragt der gleichwohl unverbesserliche Raucher. Tabaksteuer. Kein Klacks. Blauer Dunst für schwarze Zahlen im Staate. Und die Rente? Die Sterblichkeitsrate bei Rauchern ist aufgrund von durch das Rauchen verursachten Erkrankungen hoch. Und sie sterben nicht erst dann, wenn die Rentenkasse für ihr Auskommen aufkommen muss. Sondern früher. Gut für die Rente der anderen – und all die, die einzahlen müssen.

Aber was ist mit den Erkrankungen zuvor?, so lautet der wichtige Hinweis. Die kommen doch allen teuer zu stehen… Ja, es heißt, dass Raucher die Krankenkassen im Quartal 500 Euro kosten. Also 2000 Euro im Jahr (Quelle: Deutsches Krebszentrum Heidelberg).

Ist natürlich ein horrender Betrag, erst einmal. Wobei, bei der richtigen Verteilung der Einnahmen der Tabaksteuer bei einem Raucher, der eine Schachtel am Tag raucht, die Hälfe der 2000 Euro wieder eingenommen wird (Quelle: Wikipedia: „Nimmt man eine Packung mit 19 Zigaretten zu 5 Euro ergibt sich folgende Rechnung: 19 * 0,0963 Euro + 5,00 Euro * 21,74% = 1,8297 Euro + 1,087 Euro = 2,9167 Euro.“, macht aufs Jahr gerechnet 1064 Euro.)

Es heißt Raucher sterben im Schnitt 10 Jahre früher als Nichtraucher. Sagen wir also wir haben einen 70jährigen Raucher, jetzt verstorben, daneben sein Kumpel, seit Jahren rauchfrei, der sich somit 10 Jahre länger auf Mutter Erde halten wird. Der Raucher rauchte seit dem er 20 ist. Also laut obiger Rechnung 50 Jahre Mehrkosten für die Krankenkassen. 50mal 2000 Euro im Jahr, insgesamt (auf Grundlage heutiger Zahlen) 100.000 Euro auf Kosten der Kassen. Minus pi mal Daumen Tabaksteuer (50.000 Euro) = 50.000 Euro, die der verstorbene Raucher der Allgemeinheit schulden blieb.

Leider hat der nichtrauchende Kollege beruflich nicht so gut für sein Alter vorsorgen können, seine Rente reicht nicht aus, um die Kosten für den Pflegedienst (oder das Altersheim) zu bezahlen. Er ist ja eigentlich fit. Rüstig. Also mit einem Augenzudrücken Pflegestufe eins. Sind knapp 1000 Euro, die von der Pflegekasse übernommen werden. Ein Pflegeheim kostet bei dieser Pflegestufe ungefähr 2500 Euro (wobei die 2500 Euro nach Hörensagen – auch bezüglich eines Pflegedienstes – eher niedrig gegriffen ist). Bleiben also 1500 Euro im Monat. Davon bekommt er mit seiner Rente 1000 Euro im Monat gerockt. Bleiben also 500 Euro fürs das Sozialamt. Macht also für die 10 Jahre länger leben als der Raucher: 120.000 Euro aus der Pflegekasse aufgrund Pflegestufe 1, dazu 60.000 Euro vom Sozialamt, um die Differenz auszugleichen.

Also böse gerechnet kostet dieser 10 Jahre länger lebende Nichtraucher die Allgemeinheit 130.000 Euro mehr als der früher verstorbene Raucher.

Nun gut, wie dem auch sei. Vielleicht habe ich mich ja auch verrechnet. Außerdem liegen die Renten derzeit im Schnitt noch höher als oben genannter Betrag. Und zudem: Natürlich ist es vernünftiger, nicht zu rauchen. Und wenn man überlegt, wie groß die Schnittmenge von Rauchern und Trinkern ist, dann fallen die Zahlen sicherlich günstiger für die Vernünftigen aus. Und so kann man allen, die es schaffen, aufzuhören, nur auf die Schulter klopfen. Sie als Vorbild nehmen – wenn sie nicht gerade das „Lassen der Zigarette“ mit einer gehörigen Portion Arroganz untermalen. Aber das tun nur die Wenigsten. Bei den meisten „Ehemals Rauchern“ ist eine gehörige Portion Demut zu spüren. Und so ist es wohl auch angemessen gegenüber einer großen Gefahr. Demut. Keine andere Handlung lässt einem so sehr die Chance, die Gefahr richtig einzuschätzen und ihr zu entgehen.

Also unter dem Strich: Hut ab! Egal, dass Du Brutus mich in der Kälte stehen lässt. Sei stolz auf Dich! Und was immer auch 10 Jahre mehr kosten, wenn es denn 10 glückliche und auch gesunde Jahr sind… Ohne Lungen- oder Kehlkopfkrebs. Ohne aufgrund von Gefäßerkrankungen absterbende Gliedmaßen. Ohne COPD. Wer mag das mit Geld aufwiegen? Und wer weiß, vielleicht war der erwähnte, länger lebende Nichtraucher ein Kumpel des verstorbenen Rauchers und hat sich vor etlichen Jahren gedacht: „Also was der am Tag an Kohle veratmet, das leg ich mir zur Seite“. Wären, nur mal so auf die letzten 10 Jahre gerechnet (bei einer Schachtel am Tag), rund 18.000 Euro. Wie gesagt: Brutus ist vernünftiger.

PS: Der Auslöser für meine Gedanken übers Rauchen war, dass ich von einem Ehepaar hörte, dass sich kennt, seitdem beide 17 sind. Heute sind sie über 70. Und der Mann weiß bis heute nicht, dass seine Frau seit damals raucht (1 Schachtel am Tag).

Engel_Boscher_Rückumschlag
Zitat aus „Engel spucken nicht in Büsche. Roman über Liebe, Tod und Teufel“:
„Das Zittern hatte sich schließlich gelegt. Er hatte sich zusammengerissen. Alex war dann in die Küche hinaufgegangen, um eine Tasse Kaffee zu trinken, bevor er sich an den angefallenen Schreibkram machen würde.

Bis vor zwei Jahren hatte er bei dieser Gelegenheit geraucht. Eine Tasse Kaffee und eine Benson & Hedges. Oder zwei. Oder je nachdem, wie kräftig er die Entspannung herbei rauchen musste: drei. Irgendwann aber war Alex aufgefallen, dass da etwas nicht stimmen konnte. Stress wirkt sich ja bekanntlich auf den Kreislauf aus, er fühlte sich gehetzt, atmete nicht durch, atmete nur flach und verkrampfte sich dadurch. Jeder Atemzug blieb ihm im Hals stecken und erreichte den Rest des Körpers nicht. Manchmal fühlte er sich, als hätte er die Stirnhöhlen vereitert, Kopfschmerzen bekam er und Sehstörungen, dazu Nackenschmerzen, Kälteschauer, das ganze Programm. Am liebsten war ihm dann, schlafen zu gehen, sich einfach ins Bett zu legen und zu schlafen, ohne jemals wieder aufzustehen. Denn aufzuwachen war deprimierend, wenn man sich nach dem Schlaf noch genauso zerschlagen fühlte, wie vor dem Einschlafen. Eine Zigarette war da nur Wasser auf die marode Mühle, denn er fühlte sich nach ein paar Zügen nur noch kaputter, zerschlagener.

Und dazu kam dann noch das deprimierende Gefühl, trotz alledem nicht anders zu können, und wieder und wieder der Illusion der entspannenden Zigarette zu erliegen. Der deprimierende Zwang, unter Belastung zur Halt und Stärke versprechenden Zigarette zu greifen, nur um sich danach noch beschissener zu fühlen, denn nach einer Zigarette sah für ihn das Leben viel zu oft noch grauer, enger und bedrückender aus als vor ihr.

Seinen Entschluss, mit dem Rauchen aufzuhören, stärkte, dass die Zigaretten einer Zeit angehörten, die Alex als längst überwunden ansah: seiner Jugend, abgeschlossen mit der Trennung von Sandra. Und darin, nicht mehr zu rauchen, sah er ein weiteres Indiz für seine Veränderung, für seine positive Entwicklung weg vom kleinen, schwachen, dicklichen Jungen und hin zum autonomen, von den Eltern und dem Urteil der anderen unabhängigen, leistungsstarken, erfolgreichen Mann.

Mit 15 etwa hatte er mit dem Rauchen angefangen, denn er wollte ein Mann sein, wie die Werbung es versprach, ein Mann ein Ganzer Kerl allen Lebenslagen gewachsen und so fest in seiner eigenen Kraft verwurzelt wie die kräftige Zigarette in seinem Mundwinkel. So wollte er sein, und damals hatte er noch eine andere Marke als die Benson & Hedges geraucht. Doch dann dachte sich Alex, wie kann jemand unabhängig, kraftvoll, mit sich im Reinen sein, der raucht?

Und dennoch… So stolz er auch immer darauf war, als einer der wenigen wirklich aufgehört zu haben, heute hätte Alex verdammt gerne eine geraucht. So schlecht wie er sich fühlte, hatte er sich nach einem Halt gesehnt, um all dem Scheiß der letzten Tage etwas entgegensetzen zu können. Er hatte das Bedürfnis nach etwas Qualmendem zwischen den Fingern gehabt, um das Gefühl zu bekommen, alles im Griff zu haben.
Seit langem das erste Mal hatte Alex sich danach gesehnt, die Plastikhülle einer Zigarettenschachtel abzureißen, die Schachtel zu öffnen und sich eine würzig riechende Benson & Hedges unter die Nase zu klemmen. Er würde am Fenster sitzen, eine dampfende Tasse vor sich auf dem Tisch. Draußen wäre die Straße in warmes, oranges Straßenlaternenlicht getaucht, und er entzündete ein Streichholz an. Der strenge Schwefelgeruch würde sich mit dem kräftigen Aroma des Kaffees mischen und zusammen mit dem Duft brennenden Holzes eine entspannende Atmosphäre verbreiten. Alles würde nicht mehr so schlimm erscheinen, und in aller Ruhe hielte er die Flamme an die Spitze der Zigarette. Tief würde Alex den Rauch einatmen, und mit den vielfältigen Stoffen würde Ruhe durch seinen Körper strömen. Von neuer Kraft erfüllt würde er die Benson & Hedges zwischen seinem Mittel‑ und Zeigefinger betrachten, und hier fände sich die Lösung für jedes Problem. Tanjas Tod sähe nicht mehr so furchtbar aus, und seine Gewissensbisse würden sich mit dem Rauch in Luft auflösen.

Es war so verlockend, wieder eine Zigarette, nur ein einzige Zigarette, zu rauchen, auch wenn sie nach Niederlage schmecken würde, auch wenn sie ein Rückfall wäre, der bestimmt auf sein Ego drücken würde. Obwohl er wusste, dass der Druck nicht ab‑, sondern zunehmen würde, da sein Kreislauf durch das Rauchen geschwächt, und er statt Entspannung doch nur Schwindelgefühle und Kopfschmerzen ernten würde, und trotz der Erinnerung, dass der Rauch, der von vielen Zigaretten aufstieg, zum Ende hin eigentlich immer mehr nach der Wirbelsäule eines Gerippes aussah, eine Andeutung, die sich gnädigerweise meistens schnell verflüchtigte, wollte Alex ein paar Mal an einer Zigarette ziehen. Denn vielleicht würde ja dieses Mal doch alles anders aussehen. Allerdings hätte er sich erst Zigaretten kaufen müssen…“

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Die Seite 99 aus „Engel spucken nicht in Büsche. Roman über Liebe, Tod und Teufel“

Ralf Boscher - Engel
Die Idee bei einem unbekannten Roman die Seite 99 zu lesen, um sich von der Qualität zu überzeugen, geht auf den britischen Autor Ford Maddox Ford (u.a. „Keine Paraden mehr“) zurück. Gefällt einem diese Seite, will man erfahren, was auf den 98 Seiten zuvor geschah, wird man neugierig auf das, was noch folgen mag. Das erste Mal von dieser Idee von Maddox habe bei Béla Bolten gelesen. Auf der Internetplattform Seite 99 findet Ihr viele entsprechende Leseproben.

Und hier nun die Seite 99 meines ersten Romans „Engel spucken nicht in Büsche. Roman über Liebe, Tod und Teufel“:

„Das Geschirr ließ Hartmut auf dem Tisch stehen. Er pustete die Kerze aus, und zufrieden gestimmt durch das gute Essen blieb er eine Weile im Dunkeln sitzen. Dann ging er auf die Toilette.

Er zog den Seidenmantel aus. Nackt setzte er sich auf die kalte Klobrille, stützte seine Hände auf seine Oberschenkel und betrachtete sich in dieser Pose lange in dem Spiegel, den er vor geraumer Zeit direkt davor an die Wand geschraubt hatte. Stolz tastete er mit den Augen seinen flachen, muskulösen Bauch ab, dem man das gerade verzehrte üppige Mahl nicht ansah. Dann spannte er seine Brustmuskulatur ein wenig an, und darüber vergaß er fast seinen Stuhlgang. Aber auch nur fast. Schließlich ließ Hartmut von seinen Betrachtungen ab und konzentrierte sich auf die Kontraktion der Enddarmmuskulatur und die Erschlaffung seines Schließmuskels bei gleichzeitiger Betätigung der Bauchpresse.

Körpergefühl war ihm enorm wichtig, und wie Zahnpflege, Muskeltraining und ab und zu Sex gehörte auch ausgiebiger Stuhlgang zu einem gelungenen Tag. Zu spüren, wie der Körper und dass er gut funktionierte, war für ihn eine Form von Glück. Und in diesem Sinne lag Hartmut dann wenig später mit dem Rücken und nackt auf der Hantelbank, stemmte wieder und wieder das Gewicht über den Kopf.

Wie immer, wenn er seine Übungen durchzog, dachte er an das Mädchen, dachte er an diesen düstersten Punkt seiner Vergangenheit. Er riss die Hantel hoch und sah ihre Augen, die ihn erst voller Hoffnung angeblickt hatten und dann nur noch tot gewesen waren. Er saugte neue Luft in seinen Brustkorb hinein und stemmte das Gewicht: die Jungen hatten ihn auf den Boden geschmissen, unfähig und schwach, wie er damals gewesen war. Langsam senkte er die Hantel herab… Hartmut lag wieder auf dem Mädchen, Wange an Wange, sah in ihre toten Augen, fühlte sich schuldig, ihr nicht geholfen zu haben… und stemmte die Hantel wieder hoch… unfähig und schwach war er… Sein Schweiß tropfte auf den Boden, er kämpfte gegen das Gewicht an… und dann kamen die Tritte, und er, unfähig und schwach, ließ sie geschehen. Und wieder Tritte. Und Blut tropfte auf den Boden und… die Hantel hoch, sein Schweiß rann durch die Haare auf seiner Brust und die Hantel wieder hoch und wieder… Tritte und schwach, SCHWACH lag er mit dem Kopf in ihrem Blut und… Schweiß tropfte von seiner Stirn und sein Körper glänzte“

Zum Roman:

Engel spucken nicht in Büsche: Roman über Liebe, Tod und Teufel, von Ralf Boscher

Der Tod ist in die Stadt gekommen, und er ist auf einer Mission. „Abtreibungskiller“ nennt ihn schon bald die Presse. Der Polizei gelingt es nicht, den heimtückischen Frauenmörder zu stoppen. Gelingt dies Hartmut, dem Krankenpfleger mit einer ausgeprägten Vorliebe für Prostituierte? Der Tod ist in die Stadt gekommen, und düstere Visionen quälen den aufstrebenden Künstler Krish. “Kann es sein, dass ich nicht nur male, was war, sondern auch, was sein wird?” Wo ist seine große Liebe Helen? Ist ihr etwas zugestoßen? Nein. Ja. Aber sie lebt. Noch. Denn nun ist der Mörder auf dem Weg zu ihr.

“Engel spucken nicht in Büsche” – eine packende Geschichte. Lebendige Figuren, die Sie nicht vergessen werden. Starke Frauen. Ein teuflischer Mörder. Männer zwischen Sehnsucht und Furcht, getrieben. Ein Krimi. Ein Roman über den Verlust der Unschuld. Erotisch. Hart. Zärtlich. Schonungslos. Ein spannendes Buch über Hoffnung und Schmerz, über Liebe, Leid und Lust.

Erhältlich Taschenbuch in allen Buchhandlungen

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