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Lichterspiele am Niederrhein

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„Zur Mittagszeit kamen einige Spaziergänger aus dem Bruch zurück und redeten sich in der Gastwirtschaft bei Schnaps und Alt den Schrecken von der Seele. Niemand nahm sie wirklich ernst. Der Wind kann schon tückisch sein! hieß es. Da kann man schon mal das Gefühl haben, dass plötzlich jemand hinter einem steht und einem kalt in den Nacken atmet! Und nach einigen Korn waren die Spaziergänger ebenfalls so weit, das unheimliche Gefühl, von etwas beobachtet zu werden, was man nicht selbst sehen kann, als Einbildung abzutun. Keiner glaubte, dass etwas dran sein könnte an den alten Geschichten, die sich früher um das Tote Rahm und das Galgenrahm rankten. Damals. Bevor Männer aus den umliegenden Dörfern die Sümpfe am Rande der Aldekerker Platte trocken legten, um Ackerland zu schaffen. Als es im Bruch weder Straßen noch Brücken gab, und es in Nächten ohne Elektrizität leicht fiel an Dämonen und Geisterstimmen zu glauben, die unvorsichtige Seelen von den schmalen Pfaden weg in die Sümpfe locken.“ (aus: Futter für die Bestie).

Meine alte Heimat, der Niederrhein rund um meinen Geburtsort Aldekerk, findet sich an vielen Stellen meiner Geschichten. Wie schön es am Niederrhein ist, zeigen die folgenden Fotografien:

Lichterspiele – Fotografien meiner alten Heimat

Dass Gaby Schetters an meinem Geburtsort berühmt für tollen Knoblauch ist, wurde mir schon vor geraumer Zeit zugetragen, dass sie aber auch tolle Fotos vom Niederrhein macht, habe ich erst vor Kurzem erfahren. Tolle Fotos, von denen ich hier eine kleine Auswahl präsentieren möchte und darf. Vielen Dank Gaby!

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©Gaby Schetters (Kontakt)

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Buchvorstellung: „Abschied ist ein scharfes Schwert. Ein Mordsroman“

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Bin ich ihm auf den Leim gegangen, indem ich seine Briefe, seine bei unserem Treffen geäußerten Drohungen ernst nahm? Indem ich hinter seinen Geschichten, seinem ganzen Gehabe, einen dunkel dräuenden, bedrohlich wahren Kern vermutete? Aber vielleicht bestand in Wahrheit nie eine wirkliche Bedrohung. Vielleicht war er nur ein wunderlicher Kauz, der einen Narren an mir gefressen hatte. Alles nur Fiktion, Teil seines Spiels. Wie auch immer. Vorsicht ist die Mutter der Porzellankiste. Mir genügte es zu wissen, dass seine Hände so wenig fiktiv waren wie meine eigenen. Hände, die zupacken könnten, eine Bremsflüssigkeit ablassen, ein Feuer legen, ein Messer greifen…

„Der etwas andere Roman… Die einzelnen Charaktere sind gut herausgearbeitet und beschrieben, glaubhaft, wenn auch manchmal völlig abgedreht. Die zum Ende des Romans forcierten Elemente aus Krimi, Horror und Psychothriller münden in einem gewaltigen Finale der Haupthandlung; die Rahmenhandlung endet ebenfalls dramatisch. „Eine gute Geschichte. Eine Geschichte, die es wert war, veröffentlicht und gelesen zu werden“ – diesem Zitat aus der Nachbemerkung schließe ich mich gerne an.“ (Peka auf Amazon).

„Skurriler Krimi… Schräge Charaktere, eine “mordsmäßig spannende Story” (Leser) und dazwischen philosophisch verstiegene Gedankengänge – das liest sich gut und frisch, ist manchem Rezensenten aber dann doch “too much”. Ausprobieren!“ (Johannes Zum Winkel auf xtme).

„Eine außergewöhnliche Geschichte , spannend erzählt , am Ende vielleicht etwas dick aufgetragen. Daher vier Sterne. Ich kann das Buch empfehlen für Leser die keine Geschichte nach Standardschema lesen wollen.“ (Malika auf Amazon)

Abschied ist ein scharfes Schwert. Ein Mordsroman von Ralf Boscher

Liebe, Lust und Leichen im Keller. Leben und Sterben zwischen Nietzsche, dem Niederrhein und der Müllverbrennungsanlage in Wuppertal, in einer Nebenrolle: die Imperia in Konstanz außer Rand und Band.

„Abschied ist ein scharfes Schwert“ ist ein ungewöhnlich erzählter, an Ironie reicher Mordsroman über einen Schriftsteller und einen Fan, über Gewalt und Gier, Tod und Wiederauferstehung.

Oft anrührend, manchmal melodramatisch, immer wieder witzig entblättert der Ich-Erzähler der Haupthandlung sein Leben und seine Leiden. Ist er sympathisch? Ja. Ist er abstrus, sogar dubios? Oh ja. Ist er ein psychopathischer Serienmörder? Seine Erzählungen sind temporeich und farbenfroh (von blutrot bis schwarzhumorig). Eine Lebensgeschichte voller skurriler, ja grotesker Momente. Wir begegnen interessanten Charakteren (mit meist nur kurzer Lebenserwartung) und dämonischen Gestalten. Würzig abgeschmeckt wird das Ganze mit einem Hauch von Philosophie, einem satten Pfund Sex and Crime, einer guten Prise Wahnsinn und zwei Messerspitzen Horror.

„Abschied ist ein scharfes Schwert. Ein Mordsroman“ – ein Buch, das in vielen Genres wildert.

Der Roman ist als eBook und Taschenbuch erhältlich.

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Futter für die Bestie – Zweiter Teil der Geschichte

Futter_Bestie_Cover
Zweiter Teil der ungekürzten Kurzgeschichte “Futter für die Bestie” aus der dann ebenso benannten Gruselgeschichten-Anthologie des Schreiblust-Verlages. Den ersten Teil findet Ihr hier…

Futter für die Bestie

II.

Mary bleibt am Rand der Lichtung stehen. Ihr ist nicht wohl in der Haut, nervös tritt sie von einem Bein auf das andere. Meine Güte, denkt sie beim Anblick der Skelette, im ersten Moment mehr erstaunt, als erschrocken, bin ich hier etwa auf einem Tierfriedhof gelandet, oder was? Sie beginnt, zu frieren. An diesem herrlichen Spätsommertag. Blauer Himmel, die Sonne scheint, Vögel zwitschern in den Bäumen. Aber sie hat sich den ganzen Weg über schon nicht gut gefühlt. Warum mußte Arko auch ausbüxen! Und wie das hier riecht. Eine Gänsehaut läuft ihr über den Armrücken. Und nun ist sie nicht mehr nur nervös, jetzt ist ihr unheimlich zu Mute. Plötzlich weiß sie, daß sie hier weg muß. Hier stimmt etwas nicht! Um das zu wissen, mußte ihr niemand von den Spaziergängern erzählen. Aber Arko macht noch immer keine Anstalten, zu ihr zu kommen. Und um keinen Preis auf der Welt will sie auf die Lichtung hinaus. Mary weiß sich nicht anders zu helfen, als ihn anzuschreien:

„Arko! Komm sofort her!“

Sie hat ihn noch nie angeschrien. Arko sieht sie denn auch – wie Mary findet – aus großen Augen beleidigt an. Und sofort schämt sie sich. Aber anscheinend hat es geholfen, lauter zu werden. Denn endlich erhebt sich Arko. Mary atmet erleichtert auf. Aber anstatt zu ihr zu kommen, macht Arko einige Schritte rückwärts, und in diesem Moment hört Mary die Stille. Die Vögel schweigen. Und plötzlich spürt Mary den Drang, ihm zu folgen. Im ersten Augenblick ist es wie eine leise Stimme, die heiser flüstert: Hey, komm! Dann ist es wie eine Art Sog, der bei jedem der Schritte des Bernhardiners stärker wird. Dem sie kaum widerstehen kann. Die Erleichterung schlägt um in Furcht. Es ist, als würde eine unsichtbare Hand nach ihr greifen. Koommm! Das Flüstern wird zu einem langgestreckten Ton, der in ihren Kopf kriecht, eine Wortschlange, die sich zischend und züngelnd um ihr Hirn legt: Kooooommm! Mir! Zu mir! Sie spürt, wie sie sich gegen ihren Willen in Bewegung setzte. Aus der Furcht wird Angst.

„Komm sofort her! Du blöder Hund!“, schreit Mary, plötzlich einer Panik nahe. Mary setzt einen Fuß auf die Lichtung. Dann macht sie noch einen Schritt. Die Stimme in ihrem Kopf schwillt zu einem tosenden Hmmm, jaaaa! an. Mary hält sich die Ohren zu. Aber das hilft nicht. Die Stimme ist in ihr. Jetzt ist ihr nicht mehr nur kalt, sondern eisig. Die blonden Härchen an ihren Armen richten sich auf. Ihr wird schwindelig. Sie schwankt. Wie durch einen Schleier sieht sie, daß sich Arko auf den Rücken legt und seine vier Beine von sich streckt, wie er es oft macht, damit Mary ihn kraulen kann. Aber Mary ist nicht nach Streicheleinheiten. Ganz und gar nicht. Obwohl. Warum sich nicht ein wenig hinlegen. Und ausruhen. Den Kopf auf Arkos Bauch legen, und die Augen schließen. Hey, das wär‘ doch was! Die Stimme ist zu einem fürsorglichen Streicheln geworden. Und Mary ist wirklich sehr erschöpft. Kann sich kaum noch auf den Beinen halten. Und warum auch? Ihre eigenen Gedanken sind neben dieser Stimme kaum mehr zu hören. Nur noch ein verwehtes Ich mach‘ besser, daß ich hier verschwinde! Dann fällt sie auf die Knie, eine ihrer Hände landet in etwas Weichem. Eh, wohl auch etwas müde gewesen, was? Mary kann nicht mehr unterscheiden, was ihre Gedanken sind, was die Stimme ist. Jedenfalls lächelt sie beim Anblick des Eichhörnchens, dessen matschige Überreste sie in der Hand hält. Lächelt, als sie schwerfällig aufsteht und – das Eichhörnchen an sich pressend – zu Arko geht. Hey, Du Rabauke! Arko antwortet nicht, liegt nur da, die Läufe in die Luft gestreckt. Mary plumpst neben ihm zu Boden und fährt gedankenverloren mit ihrer freien Hand durch das weiche Fell seines Bauches. Wie durch Nebel registriert sie, daß Arko sich anders als sonst anfühlt. Wie ein Fellsack gefüllt mit Fleischabfällen. Aber dies findet sie nicht unangenehm. Auch nicht den Geruch. Im Gegenteil. Ihr ist eigentlich ganz behaglich zu Mute. Sie bettet ihren Kopf auf Arkos Bauch, der unter ihrem Gewicht prompt herrlich anschmiegsam nachgibt. Wie in Mutters Schoß. Warm und weich und feucht. Und irgendwie auch lecker. Mary merkt, wie hungrig sie ist. Das Wasser läuft ihr im Mund zusammen. Was sind wir doch hungrig! Die Hand, in der sie das Eichhörnchen hält, hebt sich auf Höhe ihres Gesichts. Mary schnüffelt am Kadaver. Hmm, ja! Leckt sich die Lippen. Was Feines. Dann beginnt sie, genüßlich schmatzend zu fressen.

III.

Kurz nach Sonnenuntergang. Jan lehnt sein Fahrrad an das Geländer der Autobahnbrücke, welche die A40 nahe des Stendener Bruchs überspannt. Jan ist gerne hier. Und oft. Er liebt diese Gegend. Die Wege vorbei an Kartoffeläckern und Getreidefeldern. Vorbei an Weideflächen mit Schwarz-Bunten drauf. Dann durch den Wald. Dort kann man Eichhörnchen sehen. Und manchmal, wenn man lange ganz still gewesen ist, ein Reh. Mäusebussarde, die über Tannenschonungen kreisen. Einmal hat er nach Einbruch der Dunkelheit eine Eule gesehen.

Seine Großmutter, Oma Hyskens, warnt ihn zwar ständig davor, sich nach Sonnenuntergang im Bruch aufzuhalten. Und es ist wirklich gruselig, wenn sie mit leiser, eindringlicher Stimme von der alten Hinrichtungsstelle erzählt. Von den zu Tode Verurteilten, die an der Galgenrahm geköpft oder gehenkt wurden. Dort ist es nicht geheuer!, gibt sie ihrem Enkel mit. Weil man ihre Leichname nicht beerdigt, sondern einfach im Sumpf versenkt hat. Aber Jan glaubt nicht an Geister. Da könnte er ja auch wieder an den Weihnachtsmann glauben. Trotzdem gelingt es seiner Oma manchmal, ihm eine Gänsehaut über den Rücken zu jagen. Sie hat so eine gewisse Art, zu erzählen. Einmal rückte sie plötzlich an ihn heran und packte ihn mit einer ihrer kleinen, aber erstaunlich kräftigen Hände am Arm. Dann, so leise als befürchtete sie, daß jemand anderes (oder etwas anderes) ihre Worte hört, flüsterte sie ihm einen Namen ins Ohr. Spulmans. „Meine Urgroßmutter kannte noch jemanden, der ihn gekannt hat“, whisperte Oma Hyskens. Spulmans. Als sie diesen Namen nochmals aussprach, senkte sie ihre Stimme so weit, daß Jan sie kaum mehr verstehen konnte, „Er hat Menschen ermordet und aufgegessen. Und noch meine Oma, Gott habe sie gnädig, glaubte…“, Oma Hyskens sah sich plötzlich um, als stünde jemand hinter ihr, was für Jan das Unheimlichste an der ganzen Geschichte war, „Meine Oma glaubte daran, daß er eines Tages zurückkommen würde!“ Aber so lieb Jan seine Oma auch hat, dies hält er denn doch für Altweibergewäsch. Denn natürlich würde diese Bestie nicht erwachen. Man hat ihn gefaßt, und nach den Sitten der alten Zeit gevierteilt, geköpft und anschließend die Überreste dem Sumpf übergeben. Damit basta. Das Gefährlichste, das Jan manchmal im Bruch begegnet, ist Bauer Brandt. Vor ihm hatte er sich einmal auf den Acker flüchten müssen, als Brandt ihm auf seinem alten Trekker besoffen und ohne Licht entgegen kam.

Jan schaut auf die Straße und die dahin brausenden Autos hinab. Träumt davon, in knapp zwei Jahren selbst hier entlang zu rasen. Er spuckt hinunter. „Treffer, schon wieder einen Holländer abgeschossen!“, meint er triumphierend zu sich selbst. Plötzlich spürt er, daß er nicht mehr alleine ist. Am anderen Ende der Brücke steht eine Gestalt. Im ersten Moment kann er sie nur undeutlich erkennen. Das Licht der Autoscheinwerfer, in das er geblickt hat, flimmert noch vor seinen Augen. Dann klärt sich sein Blick. Mary. Ihm stockt der Atem. Sofort bekommt er feuchte Handflächen. Schon seit Jahren schwärmt er für sie, ohne sich jemals getraut zu haben, sie auch nur nach der Uhrzeit zu fragen. Das hübscheste Mädchen aus dem Dorf. Alle Jungs sind hinter ihr her. Und jetzt steht sie dort. Und Jan meint doch tatsächlich, zu hören, daß sie seinen Namen ruft. Merkwürdigerweise hört er dies nicht mit seinen Ohren, sondern in seinem Kopf. Das ist ein wenig unheimlich. Kommt aber bestimmt nur von der Aufregung. Wie oft hat er sich dies gewünscht. Schön, Dich hier zu treffen. So ein netter Zufall. Und jetzt kommt sie auf ihn zu. Zwei Schritte nur, sie bleibt im Schatten stehen, den die Lichter der Autos werfen. Aber immerhin. Gefalle ich Dir?, hört Jan sie fragen. Er bringt kein Wort heraus. Mary bleibt stehen. Gefalle ich Dir?, wiederholt sie. Jetzt bringt Jan ein zittriges „Ja“ zustande. Gut!, antwortet Mary. Komm‘ zu mir! Jan setzt sich in Bewegung. Mary ebenfalls. Sie geht rückwärts, von der Brücke herunter, in die Dunkelheit hinein. Du gefällst mir auch!, hört Jan sie sagen. Hast Du schon immer getan! Er kann sein Glück kaum fassen. Dort wartet sie auf ihn. Nur noch wenige Schritte trennen ihn von ihr. Und Mary hebt doch tatsächlich ihre Arme. Als wolle sie ihn umarmen. Hey, komm!

Ende

„Boschers Bestie
Aldekerk. ‚Aldekerk im Rücken‘ heißt die vor rund anderthalb Jahren in der Anthologie ‚Dichter Nebel am Niederrhein‘ veröffentlichte Kurzgeschichte von Ralf Boscher. Jetzt ist der gebürtige Aldekerker, der in Konstanz lebt, literarisch wieder an seinen Geburtsort zurückgekehrt mit ‚Futter für die Bestie‘. Die Erzählung findet sich in der gleichnamigen Grusel-Geschichten-Sammlung des Schreiblust-Verlags Andreas Schröter. 9,90 Euro kostet das 248-seitige Taschenbuch mit 24 Beiträgen.“
(Rheinische Post, Ausgabe Gelderland, Nr. 110, Dienstag, 11. Mai 2004)

Zum Verlag
Rezension auf Dunkelblick
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Futter für die Bestie – Erster Teil der Geschichte

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Erster Teil der ungekürzten Kurzgeschichte „Futter für die Bestie“ aus der dann ebenso benannten Gruselgeschichten-Anthologie des Schreiblust-Verlages.

Futter für die Bestie

Zur Mittagszeit kamen einige Spaziergänger aus dem Bruch zurück und redeten sich in der Gastwirtschaft bei Schnaps und Alt den Schrecken von der Seele. Niemand nahm sie wirklich ernst. Der Wind kann schon tückisch sein! hieß es. Da kann man schon mal das Gefühl haben, daß plötzlich jemand hinter einem steht und einem kalt in den Nacken atmet! Und nach einigen Korn waren die Spaziergänger ebenfalls so weit, das unheimliche Gefühl, von etwas beobachtet zu werden, was man nicht selbst sehen kann, als Einbildung abzutun. Keiner glaubte, daß etwas dran sein könnte an den alten Geschichten, die sich früher um das Tote Rahm und das Galgenrahm rankten. Damals. Bevor Männer aus den umliegenden Dörfern die Sümpfe am Rande der Aldekerker Platte trocken legten, um Ackerland zu schaffen. Als es im Bruch weder Straßen noch Brücken gab, und es in Nächten ohne Elektrizität leicht fiel an Dämonen und Geisterstimmen zu glauben, die unvorsichtige Seelen von den schmalen Pfaden weg in die Sümpfe locken.

I.

Unweit der Stelle, an der es den Spaziergängern nicht geheuer gewesen war, befindet sich ein Waldstück, und darin eine Lichtung. Ein Platz, wie geschaffen für Verliebte, verborgen zwischen den Bäumen, so nah am Weg, daß die Decke und der Korb mit dem Wein nicht schwer werden, und doch genügend abseits des Weges gelegen, daß niemand zufällig das romantische Picknick stört. Nach einem kürzlich abgehaltenen Picknick sieht es auf der Lichtung auch aus. Allerdings nach einem der weniger romantischen Sorte. Der von der Nachmittagssonne beschienene Boden ist übersät mit ausgedorrten Insektenkörpern. Bienen und Schmetterlinge, Fliegen, Bremsen und einige Hummeln. Chitinleichen, wie ausgesaugt. Daneben ein Hasenskelett. Die Überreste einiger Vögel. Der verwesende Kadaver einer streunenden Katze, die sich von einem sterbenden Vogel auf die Lichtung hatte locken lassen, und dann selbst zur Beute geworden war.

Der Lichtung nähert sich nun ein Eichhörnchen. Es springt im angrenzenden Wald von Baum zu Baum. Mit schnellen Sprüngen folgt ihm laut bellend ein Hund auf dem Fuße. Ein junger Bernhardiner, der spielerisch der flinken Beute nachjagt. Doch kaum, daß beide die Lichtung erreichen, verliert er das Interesse an dem Eichhörnchen. Voller Neugier springt er einer summenden und brummenden Hummel nach, die in der Sonne torkelt. Dann, er hat die Hummel ausgebellt und schnüffelt gerade an einigen ausgebleichten Knochen, scheint er etwas zu spüren, daß ihn unruhig macht. Der Bernhardiner legt die Ohren an. Seine Nackenhaare richten sich auf. Er knurrt und bleckt die Zähne, weicht schließlich zum Wald zurück. Schritt für Schritt. Plötzlich geht er winselnd in die Knie, als hätte ihn eine Faust brutal am Halsband gepackt und zu Boden gezogen. Der Hund schüttelt seinen Kopf, reibt ihn an der Erde, genauso wie er es macht, wenn er ein lästiges Insekt abstreifen will. Was ihn gepackt hat, läßt sich aber nicht abschütteln. Das junge Tier springt auf. Jaulend läuft es im Kreis, rammt dabei einige Male seinen Kopf auf den Boden. Plötzlich verstummt es. Seine Bewegungen werden langsam und von einer gewissen drolligen Unbeholfenheit, als könne es sich nicht mehr recht daran erinnern, was es mit seinen Beine anfangen soll. Es bellt noch zweimal, wie um sein Frauchen zu rufen, daß es ihn hier abholen könne. Dann legt es sich am Rande der Lichtung in die Sonne und blickt aus trüben Augen in den Wald hinein. Wartet, während mitten auf der Lichtung das Eichhörnchen tot am Boden liegt und bereits seine Körperfestigkeit verliert.

Einige Minuten später tritt ein Mädchen in Blue-Jeans zwischen den Bäumen hervor.

„Da bist Du ja endlich!“, schimpft das Mädchen mit dem schönen niederrheinischen Namen Mary van Eyll,
„Unartiger Hund!“, und holt die Leine aus ihrer Jackentasche hervor.
„Das hast Du jetzt davon, Arko! Komm‘ her!“ Arko aber bleibt in der Sonne liegen, sieht Mary lediglich mit einem undefinierbaren Blick aus seinen braunen Augen an. Dann legt er seinen Kopf quer, als horche er auf etwas, und schnüffelt am Waldboden.

[…]

Hier geht es zur Fortsetzung: „Futter für die Bestie“ – Zweiter Teil der Geschichte

„Boschers Bestie
Aldekerk. ‚Aldekerk im Rücken‘ heißt die vor rund anderthalb Jahren in der Anthologie ‚Dichter Nebel am Niederrhein‘ veröffentlichte Kurzgeschichte von Ralf Boscher. Jetzt ist der gebürtige Aldekerker, der in Konstanz lebt, literarisch wieder an seinen Geburtsort zurückgekehrt mit ‚Futter für die Bestie‘. Die Erzählung findet sich in der gleichnamigen Grusel-Geschichten-Sammlung des Schreiblust-Verlags Andreas Schröter. 9,90 Euro kostet das 248-seitige Taschenbuch mit 24 Beiträgen.“
(Rheinische Post, Ausgabe Gelderland, Nr. 110, Dienstag, 11. Mai 2004)

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Captain Future und die Krähe des Todes – eine Geschichte

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Captain Future und die Krähe des Todes

Sie waren bislang folgsame Kinder gewesen. Hatten bis zu jener Nacht an Michaels zwölftem Geburtstag getan, was sie ihren Eltern versprochen hatten. Jedes Mal zuvor, wenn sie im Garten hinter dem Haus von Michaels Eltern gezeltet hatten, waren sie in der Nähe ihrer beiden Zelte geblieben, und ebenso folgsam waren sie um elf Uhr in die Schlafsäcke gekrochen. Aber in jener Nacht schlichen sie sich aus dem Garten heraus. Oh, wie das kribbelte. Alleine schon, dass sie ungehorsam waren, bescherte ihnen einen gewaltigen Nervenkitzel. Zusätzliche Spannung entstand dadurch, dass sie auf einem fremden Planeten unterwegs waren. Eigentlich hatten die Jungs ja die Drei ??? sein wollen, die das Rätsel der Nächtlichen Gestalten lösen, aber da hätte Esther einen Jungen spielen müssen, was sie nicht wollte. Nun war Esther die hübsche Joan Landor, Michael Captain Future und Thomas war Otto. Sie waren auf einem fremdem Planeten gestrandet und auf Erkundungsgang. Professor Simon Wright, das lebende Gehirn, und Grag der Roboter waren im Raumschiff zurückgeblieben, um ihre Mission über die Monitore zu überwachen. Keiner der Bewohner dieses Planeten durfte sie sehen. So hielten sie sich im vom Vollmond geworfenen Schatten der Häuser, drückten sich in Hauseingänge hinein, sprangen über Hecken und versteckten sich hinter ihnen, sobald sie hörten, dass sich ein Auto näherte. Dann hörten sie die Glocken der Kirche zweimal schlagen. Es war halb Zwölf. Kurz vor Mitternacht.

„Huhuuuu! Bald ist Geisterstunde!“, meinte Michael und tippte Esther auf die Schulter. Bei der unerwarteten Berührung erschreckte sie sich, beinahe hätte sie aufgeschrien. Aber sie riss sich zusammen, hieb Michael dafür einmal heftig auf den Rücken.
„Du Blödmann!“ sagte sie. Michael lachte und meinte:
„Kein Blödmann, sondern Hui Buh!“ Michael stakste nun über die Straße und rasselte mit imaginären Ketten:
„Das Schloßgespenst mit der rooooostigen Rasselkette! Und gleich ist Geisterstunde!“
„Hui! Buuuuhuu!“ fiel Thomas ein und dann hüpften die Jungs gemeinsam um Esther herum, „Mit der roooooostigen Rasselkette!“ Nun musste sie lachen, unheimlich war an diesen zwei Gestalten nichts, gleichzeitig machte sie sich über die Lautstärke sorgen.
„Wenn ihr nicht leiser seid, gibt es morgen keine Blaubeerensuppe!““ sagte Esther, und allmählich beruhigten sich die Jungs wieder. Dann meinte Thomas:
„Unser Mädchen hat Schiß in der Bux!“ Das konnte sie natürlich nicht auf sich sitzen lassen.
„Selber Mädchen!“, gab sie zurück, was Besseres fiel ihr auf die Schnelle nicht ein.
„Klar!“, kicherte Thomas und tat so, als wolle er Michael umarmen, „Bin die Gräfin Etepetete! Oh mein lieber König Julius, lass mich dich küssen!“ Michael schupste Thomas weg:
„Bäh, bleib mir bloß vom Leib!“

In diesem Moment hatte Esther eine Idee und platzte mit ihr heraus:
„Werd‘ dir beweisen, dass ich keinen Schiss hab! Wir gehen jetzt auf den Friedhof!“
Die Jungs ließen augenblicklich das Herumalbern sein. Sie erschrak wegen ihrer eigenen Worte. Jedes Mal, wenn sie ihre Mutter begleitet hatte, um die Gräber der Großeltern zu pflegen, die vor ihrer Geburt gestorben waren, war ihr der Friedhof als ein unheimlicher Ort erschienen. Und das war tagsüber gewesen. Eigentlich wollte sie um nichts in der Welt nachts an diesem Ort sein. Aber einen Rückzieher wollte sie noch weniger machen.

„Wer hat jetzt Schiss von uns beiden, Thomas?!“, meinte sie also, „Wenn wir uns beeilen sind wir rechtzeitig zur Geisterstunde da!“
„Klar! Null Problemo!“, antwortete Thomas, aber es war ihm anzumerken, dass ihm genauso unbehaglich war wie Esther, „Glaub‘ eh nicht an Gespenster!“
„Aber ich!“, sagte da plötzlich Michael, und Esther lief eine Gänsehaut über den Rücken, „Ich glaub‘ an Geister!“, gab Michael zu, „Sie sind überall, unsichtbar, und hören uns jetzt bestimmt auch zu!“, meinte er mit leiser Stimme und sah sich nach allen Seiten um. Esther bekam es ein wenig mit der Angst zu tun, hatte plötzlich das Gefühl, beobachtet zu werden.
„Und vielleicht macht sie euer Gerede böse!“, meinte er, und nun wäre Esther am liebsten weggelaufen.
„Ich jedenfalls wär‘ böse, wenn jemand behaupten würde, es gäbe mich nicht. Und deswegen warten sie auf uns auf dem Friedhof, warten, dass wir zwischen den Gräbern hin- und herlaufen…“ Michael machte eine bedeutungsschwangere Pause, sah uns andere mit aufgerissenen Augen an. Plötzlich musste er grinsen:
„Hey Leute, war doch nur Spaß! Ihr glaubt doch nicht wirklich an Gespenster, oder!“
In diesem Moment krächzte etwas laut auf dem nahen Feld, sie zuckten alle zusammen, Thomas schrie vor Schrecken auf, klammerte sich an Esther genauso fest wie sie an ihm, dann flatterte eine große, schwarze Krähe über ihre Köpfe hinweg. Thomas lachte erleichtert auf:
„Eine Krähe! Buhuuu!“
Thomas und Esther ließen sich verlegen los. Michael lief nun mit seinem Armen schlagend im Kreis:
„Buhuuh! Bin die Krähe des Todes! Buhuuu!“
Nun mussten sie alle lachen und begannen ebenfalls mit unseren Armen zu wedeln. Michael lief um seine Freunde herum:
„Drah Dich nit um, die Krähe des Todes geht um!“

Dergestalt mit allerlei Scherzen und Blödsinn gingen sie durch die Nacht. Schließlich aber kamen sie am Friedhof an und alle drei verstummten. Unschlüssig blieben sie vor dem alten gusseisernen Tor stehen.
„Sollen wir wirklich?“, fragte Thomas unsicher.
„Gekniffen wird nicht!“, meinte Esther forsch, aber ihr war anzumerken, dass sie hoffte, ihre beiden Freunde würden einen Rückzieher machen. Doch Michael trat einen Schritt vor und öffnete das schwere Tor, das in den Angeln quietschte.
„Na, dann wollen wir mal!“, sagte er und sah Esther an, die schluckte und dann ebenfalls einen Schritt nach vorn machte. Thomas aber blieb stehen.
„Ich geh nicht mit!“, sagte er bestimmt, „Ich schau euch zu!“
„Feigling!“, sagten Esther und Michael beinahe gleichzeitig, dann betraten sie den Friedhof. In diesem Moment schoben sich Wolken vor den Mond, es wurde so richtig dunkel. Nebeneinander gingen sie über den Weg, aus dem Zwielicht tauchten die ersten Grabmäler auf. Ihre Schritte wurden langsamer. Jetzt war ihnen beiden doch unheimlich zu Mute. Instinktiv nahmen sie sich an der Hand. Es war sehr leise dort auf dem Friedhof. Sie hörten nur ihre Schritte auf dem Weg.
Leise sagte Michael mit einem Mal: „Weißt du, vorhin, da habe ich gelogen.“
„Womit?“
„Das mit den Gespenstern“
„Ja, was?“
Michael sah sich kurz um. Bei diesem flüchtigen Blick über seine Schulter hinweg lief es Esther kalt über den Rücken. Plötzlich fühlte sie sich wieder beobachtet. In diesem Moment kam Michael ganz nah an sie heran und flüsterte ihr so leise ins Ohr, dass sie ihn kaum verstand:
„Ich glaube doch an Gespenster!“
Er machte eine kurze bedeutsame Pause, dann:
„BUH!“, rief er plötzlich und Esther schrie vor Schrecken auf. Und Michael begann zu lachen, bis Esther ihm einen ordentlichen Hieb auf den Arm verpasste:
„Du Idiot! Wie kannst du mir nur so einen Schrecken einjagen!“
Was keiner von beiden in diesen Augenblicken bemerkte, war der Nebel, der von den Gräbern her über den Boden auf sie zu kroch. Dichter Nebel, der von unten heraus zu leuchten schien. Ein kaltes, bläuliches Leuchten.
Michael: „Quatsch! Du glaubst doch nicht wirklich, dass ich an Gespenster glaube! Hui Bui! Das Gespenst mit der roooostigen Rasssselkette!“
Sie beruhigten sich, Esther schlug Michael noch einmal auf die Schulter:
„Du Idiot!“, dann lachte auch sie.
In diesem Moment schlug die Kirchenglocke Mitternacht, und beide schrieen vor Schreck auf. Dies war der Moment, in dem sie den Nebel sahen. Esther schlug eine Hand vor den Mund und zeigte auf den Nebel. Plötzlich begann Thomas, der vor dem Friedhofstor stand, zu schreien:
„Weg da! Lauft!“
Thomas schrie:
„Macht dass ihr weg kommt! Schnell! Lauft!“
Michael drehte den Kopf, um zu schauen, was es da wohl zu sehen gab.
„Seht euch nicht um! LAUFT!“, schrie Thomas
Und Esther packte Michael‘ Hand, zog ihn weg. Dann rannten sie beide, so schnell sie konnten zum Tor.
„Schneller!“, schrie Thomas, offenbar nahe einer Panik,
„Schneller!“
Und sie rannten, und während sie rannten hörten sie hinter sich ein Stöhnen und Knirschen und es wurde lauter und es kam näher, schnell näher, schneller näher als das Friedhofstor, hinter dem Thomas stand und schrie:
„SCHNELLER!“
Endlich erreichten sie das Tor und rannten hindurch, rannten die Straße nach ein ganzes Stück entlang. Dann blieben sie atemlos stehen, während Thomas zu ihnen geschlendert kam.
„Da habe ich euch beiden Helden aber einen Schrecken eingejagt, was?“, meinte er grinsend. Esther sah ihn einen Moment lang verständnislos an, dann verstand sie. Ohne eine Wort zu sagen, ging sie wütend in die Nacht davon.

„Was?“, meinte Thomas noch.
„Du Idiot!“, sagte Michael. Dann folgten die Jungs Esther.
Keiner von ihnen sah sich um. Und so sahen sie auch nicht die Vielzahl blasser Hände, die sich um die Gitterstäbe des Friedhofstores schlossen und es langsam und quietschend zuzogen.

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