In meinem Beitrag „8400 Wörter für 7,95 Euro – ist der Preis korrekt?“ ging es um folgende Ausgangssituation: Der günstige Preis (manchmal sogar gratis) war für Indie-Autoren auf dem neu entstandenen eBook-Markt der Fuß, den sie in die Tür zu den Lesern bekamen. Daran schlossen sich meine Fragen an: Aber befinden wir uns heute immer noch in dieser Situation? Oder verkaufen wir Indie-Autoren uns unter Wert? Gleichzeitig habe ich auf meinem Blog zu diesem Thema eine kleine Umfrage gestartet.
Im Folgenden möchte ich die Reaktionen auf meinen Beitrag skizzieren, wie sie sich aus den Kommentaren auf meinem Blog und auch in einigen Literatur-Gruppen auf Facebook ergeben haben.
Es gibt zwei divergierende Haupteinschätzungen zur Preisgestaltung.
1. Die Qualität bestimmt den Preis. Also können auch Indie-Autoren höhere Preise verlangen – wenn sie denn Qualität bieten.
2. Indie-Autoren sind nicht in der Lage höhere Preise zu verlangen, da der günstige Preis das bislang wirksamste Mittel ist, um bekannt zu werden.
Zu 1.: Wichtigstes Kriterium für die preisrelevante Qualität eines Buches ist die handwerkliche Qualität zu sein.
Rechtschreibung, Grammatik, Stil, Cover-Aufmachung, Formatierung, Schriftbild, Satz, gravierende logische Fehler, Lektorat, Korrektorat.. All das sind Punkte, die – wenn sie denn ordentlich abgearbeitet wurden – für ein Indie-Buch einen Preis rechtfertigen, der auf dem derzeitigen Niveau von Verlagsbüchern liegt.
Zitate:
„…die Fehlerquote und ein wenig auch aufs Cover, finde ich.“
„Lektoriert? annehmbarer Satz?“
„…mich persönlich gruselt es schon, wenn ich ein Buch lese, bei dem ich abwägen muss, ob ich den Inhalt oder die katastrophale Rechtschreibung und Grammatik lustiger finde…“
„Ich denke, die Indies sollten umdenken. Ihre Arbeit ist nicht schlechter oder weniger wert. Und sehr viele von uns haben die gleichen Ausgaben, wie ein Verlag! Auch wir kaufen Lektorat, Cover etc. ein, das bezahlt werden muß!“
„Gute Autoren, die viel Arbeit und Geld in ihr Werk gesteckt haben, müssen nur aufhören, Angst zu haben und sich unter Wert zu verkaufen.“
„Es gibt inzwischen Bemühungen in der Indie-Bewegung, sich da ganz klar von der Masse abzugrenzen und eine Art Gütesiegel einzuführen, das dem Leser hilft, wenigstens handwerklich auf der sicheren Seite zu sein.“ (im Originalkommentar kein Link, R.B.)
Zu 2.: Wichtigstes Kriterium für die sehr günstigen Preise von Indie-Büchern sind die nicht vorhandenen Verkäufe bei höheren Preisen.
Unabhängig von der Qualität eines Buches – die Marketingmöglichkeiten eines Indie-Autors bestimmen den günstigen Preis. Denn die günstigen Preise sind immer noch das beste Mittel, um bekannt zu werden. Ja, vielleicht sogar das einzige Mittel.
Zitate:
„…ist der Preis leider mehr oder minder das einzige Marketinginstrument, das ein Indie hat.“
„Habe ich als Indie eine Wahl? Nein! … Gehe ich mit einem EBook über 2,99 Euro, brechen die eh schon mageren Verkäufe ein.“
„Ja, seitdem eBooks sich durchsetzen, befürchte ich, dass sie irgendwann nach Gewicht abgerechnet werden müssen. (und ich meine das nicht einmal ironisch)“
„Wenn sie gut sind … Nur leben wir in einer Wegwerfgesellschaft, in der die >Geiz-ist-geil-Mentalität< vorherrscht. Leider, aber so ist das Leben. “
Somit lassen die hier skizzierten Überlegungen bezüglich meiner Fragestellung so zusammenfassen:
Ja, viele Indie-Autoren verkaufen sich unter Wert. Ja, Indie-Autoren befinden sich heute immer noch in der Situation, über den Preis punkten zu müssen.
Ergebnis meiner kleinen Umfrage und Daten der Selfpublisher-Bibel zum Preisgefüge von eBooks:
In meiner kleinen Umfrage habe ich gefragt: „Ein Verlagsroman und ein Roman eines Indie-Autors aus dem gleichen Genre bei vergleichbarem Umfang kosten beide als Taschenbuch 13,90 Euro, was denkt Ihr über den Preis?“
36 Besucher meines Blogs haben gevotet. Eine geringe Datenmenge, aber immerhin ein Fingerzeig: Den genannten Preis fanden die meisten bei beiden zu teuer (17x), 10x wurde für „bei beiden angemessen“ gevotet. Relevant für meine Fragestellung sind vor allem die anderen Votes: 7x wurde bei Indie-Autoren und 6x bei Verlagsautoren für „korrekter Preis“ gevotet.
Aus diesem „Kopf-an-Kopf-Rennen“ schließe ich, dass zwischen Indie-Autoren und Verlagsautoren keine großen Unterschiede hinsichtlich der Preise gemacht werden: Indie- und Verlagsautoren könnten sich also in der gleichen Preisebene bewegen.
In diese Richtung deuten auch Kommentare auf meinen ursprünglichen Beitrag:
„Für mich würde es bei der Kaufentscheidung preislich keinen Unterschied machen, ob das Buch von einem “Indie” oder einem Verlagsautoren stammt. Wenn ich mich für ein Buch interessiere, lese ich kurz rein und entscheide, ob mir der Stil gefällt oder nicht. Und dann kaufe ich es oder nicht.“
„Kann mir nicht vorstellen, das die meisten Leser explizit zwischen Indie und Verlag direkt unterscheiden und ihre Preisforderungen danach ausrichten. Die gehen wie sonst auch nach Inhalt. Wenn einem eine Story den Beitrag X wert ist, wird es gekauft, wenn nicht, dann nicht. Dass man die Käuferschaft, speziell die eBooker, mit Niedrigpreisen auch konditionieren ‚kann‘, ist etwas das man sich genauer anschauen sollte.
Letzten Hinweis finde ich hinsichtlich des derzeitigen Preisgefüges auf dem eBook-Markt sehr interessant, da sich die Entwicklung abzeichnet, dass eBooks im Schnitt günstiger werden. Eine Entwicklung, die vielleicht mit dieser erwähnten „Konditionierung auf Niedrigpreise“ zusammenhängt – eine Entwicklung, gegen die aber gerade Indie-Autoren mittlerweile ansteuern:
Also wie sieht derzeit das Preisgefüge bei eBooks aus?
Die Self-Publisher-Bibel (Grundlage Amazon e-Book Charts zweite Hälfte 2013) lieferte in einem tollen Beitrag hierzu sehr interessante Zahlen, die ich hier kurz paraphrasieren möchte:
Indie-Bücher unter den Top 10-eBooks kosteten im Schnitt 2,87 Euro – Verlagsbücher 6,50. Indie-Bücher in den Top 100 kosteten im Mittel 2,44 Euro – Verlagsbücher 7,11. Bei den Top 1000 lagen Indie-Bücher bei 3,30 Euro – Verlagsbücher bei 7,42 Euro.
Erfolgreiche, in den Charts präsente Indie-eBooks kosteten also im Schnitt weniger als die Hälfte eines Verlags-eBooks.
Insgesamt ist allerdings die Tendenz zu beobachten, dass mit Höhe der Chartplatzierung die Preise sanken: Aufs Ganze betrachtet kosteten eBooks in den Top 1000 6,22 Euro, in den Top 100 durchschnittlich 5,06 Euro und in den Top 10 im Mittel 4,56 Euro.
Sind also günstigere Titel erfolgreicher?
Bei Indie-Titeln ist interessanterweise die gegenteilige Tendenz festzustellen. Unter die Top 10 schafften es: 37 Titel unter 1 Euro, 45 eBooks zwischen 1-2 Euro, 60 Titel über 2,68 und unter 3 Euro. 117 Titel zwischen 3 und 4 Euro. 83 Titel über 4 Euro.
Die erfolgreichste Preisgruppe ist bei Indie-Titeln also nicht das Niedrigpreis-Segment unter 2 Euro, sondern die „höherpreisige“ Gruppe.
Somit führt obige Durchschnittszahl etwas in die Irre: Im Durchschnitt kosten Indie-Titel zwar weniger als die Hälfte von Verlagstiteln, aber erfolgreicher sind jene Titel, die innerhalb des Indie-Preisgefüges einen höheren Preis veranschlagen.
Ist also insgesamt die Tendenz zu beobachten, dass die Preise bei höherer Chartplatzierung niedriger sind, so schwimmen Indie-eBooks hier gegen den Trend. Aufgrund der Gesamtverteilung zwischen Indie- und Verlagsproduktionen in den Charts, kann man schließen, dass hauptsächlich die Verlage an der Preisschraube drehen (der Anteil der Indie-Bücher lag bei circa 39% unter den Top 10, 42% unter den Top 100 und 43% unter den Top 1000 lag).
Es sieht also so aus, also nähern sich Indie-eBooks und Verlags-eBook preislich aneinander an: Indie-Bücher werden teurer, Verlags-eBooks günstiger.
Somit möchte ich meine obige Schlussfolgerung ein wenig revidieren:
Nein, immer weniger Indie-Autoren verkaufen sich unter Wert, dies zeigt der Erfolg „höherpreisiger“ Indie-Titel. Ja, Indie- und auch Verlagsautoren müssen über den Preis punkten, das zeigt das sich verändernde Preisgefüge.
Die Frage ist nur: Wie punktet man sinnvoll über den Preis?
Ein genereller Niedrigpreis scheint, wie gerade ausgeführt, nicht der Weisheit letzter Schluss zu sein. Aber vielleicht führen Preisaktionen zum erwünschten Erfolg?
Mit Einführung von Amazons KDP-Programm und von KDP Select wurden die Gratis-Aktionen zum bevorzugten Mittel, um mit dem Preis zu punkten und Sichtbarkeit, Rezensionen und Charteinstiege zu erreichen. Und seit Einführung der Möglichkeit seine eBooks 5 Tage innerhalb von 3 Monaten gratis anzubieten, wird der Sinn und Unsinn der Gratis-Tage heiß diskutiert (einen sehr interessanten Beitrag zu diesem Thema von Matthias Brömmelhaus aka Béla Bolten findet Ihr hier). Auch in Reaktionen auf meinen ursprünglichen Beitrag wurde die „Gratis-Frage“ angeschnitten:
“Schlimmer finde ich aber die Gratis-Verramscher und 99 Cent Schnäppchenanbieter. Denen gebe ich die Schuld am Preisverfall der Indie-EBooks.”
“Meine Bücher wird es nie für 99 Cent geben, geschweige denn gratis.“
„Leider gelten diese (Gratis-)Aktionen unter Indies immer noch als probates Marketinginstrument, obwohl sie kaufmännisch ein reiner Alptraum sind.“
Wobei, ein Buch gratis potentiellen Lesern anzubieten, war schon immer Usus: Gratis-Exemplare an Multiplikatoren (wie Kritiker, Blogger, Buchhändler…), Leseaktionen mit Verlosungen von Gratis-Exemplaren auf entsprechenden Seiten (wie Lovelybooks) etc. Der große Unterschied ist hier: Die Gratis-Aktion betrifft nur einen sehr kleinen, ausgewählten Teil der potentiellen Leserschaft – bei KDP Select war diese selektive Auswahl nicht gegeben, im Extremfall hatte ein Autor mit der Gratis-Aktion seine gesamte Leserschaft bereits mit einem kostenlosen Exemplar versorgt. Anschließende Verkäufe und nachhaltiger Erfolg in den Charts stellten sich folglich nicht ein.
Aber wie auch immer, das Thema „Gratis-Aktionen“ scheint an Wichtigkeit zu verlieren: Sieht man sich eine der meistgelesenen Seiten zu diesem Thema an (xtme), so ist der Anteil der hier geposteten reinen Gratis-Aktionen sehr zurückgegangen. Einen mindestens ebenso großen Anteil nehmen nun zeitlich begrenzte Preisaktionen mit gesenktem Verkaufspreis (Einführungspreis, kurzzeitige Reduzierung etc.) ein.
Abschlussgedanke:
Von Verlagen lernen, heißt siegen lernen: Es heißt, die Verlage hätten den Einstieg in den eBook-Markt verpennt. Wie auch immer. Doch vielleicht haben sie einen längeren Atem, da sie aus ihren Fehlern – und den Fehlern der Indies – gelernt haben: So fahren auch Verlage seit geraumer Zeit bei Amazon Gratis-Aktionen, aber sie bieten keine ganzen Bücher gratis an, sondern XXL-Leseproben.
Leider funktioniert das für Indie-Autoren noch nicht, zumindest bei Amazon. Also sollte man vielleicht als aufstrebender Indie-Autor gleich zwei eBooks hochladen: seine XXL-Leseprobe (auch wenn die nur 5 Tage gratis ist innerhalb 3 Monaten) und sein gesamtes Buch zum regulären Preis, der sich dann auch gerne am Preisgefüge von Verlags-eBooks orientieren darf.
Ein letztes Zitat aus den Kommentaren:
„…schlussendlich wird es wohl immer so sein, Verlagsveröffentlichung oder Indie, dass sich erst nach dem Umblättern der letzten Seite wirklich herausstellt, ob der Preis für ein Buch “sich gelohnt hat”, oder nicht?“