Ralf Boscher, sind Sie zufrieden mit ’10 Stück Mäusefallen‘?

Mäusefallen_Luna
Eigentlich wollte ich heute Abend, nachdem ich aus der Werbeagentur an meinen privaten Schreibtisch heimgekehrt bin, über Musik schreiben. Aber dann flatterte diese nette E-Mail des allgegenwärtigen Amazon Kunden-Service in mein Postfach – und ich erinnerte mich an den heutigen Morgen, als ich – noch vor dem ersten Kaffee – auf etwas Weiches getreten bin. Also schreibe ich nun über Mäuse, also über Werbung.

Werbung ist toll. Klar, muss ich ja auch sagen. Arbeite schließlich in der Werbebranche. Aber Spaß beiseite. Werbung ist wirklich toll. Ohne sie wüsste ich überhaupt nicht, wohin mit meinen ganzen wohlverdienten Mäusen. Womöglich würde ich sie, ohne all die dezenten Informationen über die diversen Möglichkeiten, meine Mäuse zu verteilen, gar in der „Mäusefalle Sparkonto“ belassen. Nicht auszudenken. Welch Verlust an Lebensqualität! Wobei: Letztens habe ich eine sehr schön gemachte Werbung für Sparkonten gesehen, da kam ich doch beinahe in Versuchung… Aber das war bei der nächsten Werbung schon vorbei. Das ist ja das Schöne daran. Eine Werbung kommt nie allein. Wenn ich nicht per se – also deswegen per se, weil ich ja selbst in der Werbung arbeite – annehmen würde, dass hinter jeder Werbung wohlmeinende Menschen stecken, dann könnte beinahe der Eindruck entstehen, dass es hier um eine Art Verteilungskampf geht. Geht es natürlich nicht. Es geht um Information. Und es geht um Animation. Werbung will den Menschen zum Handeln bringen. Und das ist doch etwas Gutes, oder? Wer nicht handelt, der hinterläßt keine Spuren auf der Erde. Wer nicht selbst handelt, dem wird das Handeln aus der Hand genommen. Handeln ist also gut. Handeln ist die Quintessenz unseres Zusammenlebens. Handeln ist Wirtschaft. Und was wäre Wirtschaft ohne Werbung?

Eben nichts. Oder besser: Ein Chaos an handlungsunfähigen Individuen, die nicht wissen, wohin mit ihren Mäusen. Denen die Lenkung fehlt. Die Impulse. Die Informationen, die in einer Wirtschaft eben nur die Werbung zur Verfügung stellen kann. Was natürlich auch bedeutet: An den richtigen Stellen verteilen. Denn was nützt die beste Werbung, wenn sie ins Leere stößt. Wenn an der Stelle, wohin all die Informations- und Animationskompetenz fließt, niemand ist, der sich dafür interessiert?

Eben nichts. Und eben das ist die Krux an Werbung. Oder besser die Krux am Menschen: Leider – also aus der Sicht des Werbenden – ist der Mensch, um das einmal umgangssprachlich auszudrücken, zickig. Er will gar nicht immer umworben werden. Oder nur in einem gewissen Rahmen. Und dieser gewisse Rahmen ist leider – also leider aus Umwerbender Sicht – sehr flexibel, geradezu fragil. Was in einem Moment noch okay war, ist im anderen ein „No go!“. Von jetzt auf gleich sind Sympathien verspielt – und ohne Sympathien keine Werbung. Das ist wie in der Liebe. Da kann jemand noch so alle Register der erfolgsversprechenden Werbung durchexerzieren, die durchdachtesten Werbemittel verteilen – ohne Sympathie ist hier Hopfen und Malz verloren.

Wobei ich wieder bei den Mäusen angelangt bin. Ich hege ja eine gewisse Sympathie gegenüber Nagern. Also die Maus heute Morgen, die war niedlich. Große Ohren, große Augen, aus denen sie mich mit einer Mischung aus Erstaunen und Schrecken ansah, als ich auf sie trat. Und niedlich ist gut. Aber in diesem Fall kein Grund, nicht zu handeln. Denn manche Dinge haben an manchen Orten einfach nichts verloren – und so ein Ding war die niedliche Maus in unserem Flur. Ein Mitbringsel unserer Katze, die auch nicht weit war. Miauuu! Ich hörte sie schon um die Ecke fegen, um sich ihrem Spielkameraden zu widmen (was an sich kein Problem wäre, nur haben diese Spielkameraden die Angewohnheit, sich zum Sterben an die ungewolltesten Orte zurückzuziehen, um dort langsam zu verwesen, Gestank zu verbreiten…). Also griff ich zu – und das vor dem ersten Kaffee. Packte die Maus und beförderte sie in den Garten. „Du hast hier nichts verloren!“, rief ich ihr hinterher und hoffte, sie war klug genug, sich nicht wieder von unserer Katze einfangen zu lassen. „Du hast hier nichts verloren!“, rief ich also. Und ich finde, das ist ein schönes Gleichnis auf Werbung: Sie kann noch so gut gemacht sein, mit niedlichen großen Augen und putziges großen Ohren daherkommen, wenn sie an einem Ort nicht gewünscht ist, dann ist das verlorene Liebesmüh.

Menschen sind da wohl zickig. Wobei ich da wohl, schließlich arbeite ich in der Werbung, großmütiger bin. Klar, da verdiene ich ja auch meine Mäuse. Ach ja, ich bin übrigens sehr zufrieden mit den Mäusefallen. Vielleicht teile ich das sogar mit, mache Werbung für den Mäusefallen-Hersteller.

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