Ich denke, als bin ich (so die Vernunftoptimisten). Ich lenke, also bin ich (die Automobilisten). Ich fühle, also bin ich (die Innerlichsten) – ich poste, also bin ich (die Social-Medialisten)…
Versäumt. Einfach die Zeichen der Zeit nicht erkannt. Es ist nichts im Verstand, was nicht zuvor in den Sinnen gewesen ist: Also vor allem im Gesichtssinn. Die Welt mit Augen lesen. Kurz: Facebook.
Dabei gibt es sogar Fotos. Aber nein. Das ist zu privat – hieß es. Wurde mir gesagt. Aber dabei weiß man doch: „privat“ kommt von „privare“, und das bedeutet „berauben“.
Kurz: Dadurch, dass ich es nicht gepostet habe, habe ich mich der Möglichkeit beraubt, zu begreifen, was ich da eigentlich getan habe. Mehr noch: Ich habe alle beraubt – der Welt einen wichtigen Moment vorenthalten…
Die Quittung folgte auf dem Fuße: 2013 – Sieh dir deinen Jahresrückblick für 2013 an. Sieh dir deine 20 wichtigsten Momente des vergangenen Jahres an. Und? Nichts und. Woher auch. Plötzlich regte sich mein schlechtes Gewissen: Warum habe ich nur auf die Stimmen gehört, die da sagten „Poste es nicht“?
Vielleicht war ich mir einfach nicht sicher genug? Es hätte nur wenige Mausklicks benötigt, um diesen wichtigen Moment des Jahres sichtbar zu machen. Und ich habe es nicht getan.
Viele Likes, Kommentare, „Teilen“-Klicks – keine Likes, keine Kommentare, niemand teilt meine Tat. Angesichts solcher Optionen muss man sich natürlich sicher sein, etwas zu posten. Dahinter stehen, egal wie die Reaktionen ausfallen.
Stand ich also nicht hinter meiner Tat? Scheute ich mich davor zu begreifen, was sie für mein Leben bedeutet?
Da fällt mir eine Szene aus dem „13 Krieger“ mit Antonio Banderas ein: Wikinger kommen mit einem Boot an. Ein Junge steigt aus und wartet vor einem Haus im Sonnenlicht darauf, hineingebeten zu werden. Und warum wartet er: Weil er den Menschen im Haus erst die Möglichkeit einräumen will, zu erkennen, dass er wirklich ist. Wirklich ist also nur, was im Sonnenlicht der Öffentlichkeit geschieht.
Ja, das Licht der Öffentlichkeit… Wie konnte ich nur so blind sein! Jetzt sehe ich es ein: Ich scheute es, weil ich insgeheim hoffte, meine Tat sei nicht real. Ich stand nicht hinter meiner Tat und hörte deswegen nur zu gern auf die Stimmen, die da mahnten „Das ist zu privat“.
Dabei haben schon die alten Griechen gesagt: Der Mensch muss das Private verlassen. Denn im Privaten, im Oikos, dem Haushalt, da gibt es keine Freiheit. Nur in der Öffentlichkeit ist die Verwirklichung von Freiheit möglich…
Und ich nutze meine Freiheit nicht, weil ich zweifle? Wie konnte ich nur!
Ja, wie konnte ich nur so blind und unfrei sein. Mich abhängig machen von meinen Zweifeln! Stehe ich hinter meiner Tat oder nicht? Egal! Ich habe es getan, also gehört es gepostet. Punkt.
Also raus aus dem stillen Kämmerchen. Sich dem Urteil der Gemeinschaft stellen. Sichtbar werden. Nur in der Öffentlichkeit ist die Verwirklichung von Freiheit möglich. Klick. Nur was im Sonnenlicht der Öffentlichkeit geschieht, ist wirklich. Klick. Ich poste, also bin.