Mich erreichte eine sehr nett formulierte E-Mail, Betreff „Anfrage für Das perfekte Dinner am Bodensee“. Inhalt: „Bei meiner Recherche bin ich auf Sie gestoßen. Als Schriftsteller wären Sie ein spannender Kandidat für uns. Vielleicht kochen Sie ja auch gerne.“ Absender: die Produktionsfirma, welche für einen privaten Sender die Sendung „Das Perfekte Dinner“ herstellt.
Boscher beim „Perfekten Dinner“? Im TV? Warum nicht?
Ich bin natürlich geschmeichelt – „ein spannender Kandidat“… und was sich für Perspektiven ergeben… Wie viele Zuschauer hat wohl die Sendung? Wie vielen Menschen könnte ich mich als Schriftsteller präsentieren… Ich eloquent, charmant witzig am Herd werkelnd. Jeder Handgriff untermalt von literarischen Bonmots – nicht übertrieben natürlich. Eben gerade genau richtig dosiert, dass der Zuschauer neugierig wird. Ach, von diesem sympathischen und gut aussehenden Kerl möchte ich aber wirklich etwas lesen…
Und wohl dosiert würde natürlich das Menü sein, meiner Schriftsteller-Laufbahn folgend: Eine leckere Vorspeise vom Niederrhein, die mir Anlass geben würde, eine kleine Anekdote zum Besten zu geben, aus welcher Idee heraus die Niederrhein-Kapitel meines zweiten Romans entstanden sind (und die Ideen des Romans, an dem ich zur Zeit arbeite). Um dann überzuleiten zu den Bodensee-Kapiteln meines Romans und einem entsprechend für die Region typischen Gericht als Hauptspeise. Bevor letztendlich die Speisefolge mit einer bergischen Kaffeetafel gekrönt wird, die mir Anlass gibt, auf meinen ersten Roman einzugehen (und Hinweise zu den Wuppertal Kapiteln meines zweiten Romans einzustreuen).
Ja, dass klingt gut. Jedenfalls müsste ich ein typisches Bodensee-Gericht zubereiten, bei dem ich Fleisch schneiden müsste, um dann leichthin erzählen, dass ich dieses gelernt habe, weil ich mir für meine kriminalistischen Szenen fachkundige Beratung eingeholt habe – für die richtige Schnitttechnik. Es müsste etwas auf der Speisekarte stehen, bei dem ich bei großer Hitze etwas anbrate, dann mit Hochprozentigem ablösche, so dass eine Stichflamme entsteht – was mir Gelegenheit gibt, die wichtige Rolle auch heißer Erotik-Szenen für meine Schreibe zu verdeutlichen. Beim Nachtisch gäbe mir das Kneten des Teiges Gelegenheit, über die Sinnlichkeit des Schreibens ein paar Worte zu finden. Eine Sinnlichkeit, die – hier könnte ich effektvoll den Teig auf den Tisch knallen – auch in harten Horror umschlagen könnte (hier darf natürlich beim Nachtisch heiße rote Kirschsoße nicht fehlen).
Ja , so stelle ich es mir vor. Natürlich komme ich währenddessen nicht aus der Ruhe, bin eine Art gelassener, ein wenig düsterer Gourmetschreiber mit latent sinnlicher Ausstrahlung. Kurz: ich sehe einfach gut aus in der Kamera. In der Küche. In meinem (natürlich mit Unmengen an Büchern zugestellten) Arbeitszimmer, das Allerheiligste, in dem alles entsteht – eine inspirierende Mischung aus Chaos und Individualität. Schriftsteller halt. Die ganze Wohnung (also den Teil, den die geschickten Kamerafahrten zeigen): Schriftsteller halt.
Ach, schon der Wohnungsflur so individuell – und „ist das nicht die Puppe, die auf dem Cover Ihres ersten Romans zu sehen ist?“ Und die ganzen Bilder, Gemälde an den Wänden – „Ja, alle von befreundeten Künstlern.“ Und dann erst das Esszimmer (also eigentlich das Wohnzimmer als größter Raum, in den der Esstisch hineingetragen wurde) – Bücher natürlich (auch hineingetragen), Bilder (die da wirklich hängen) – und dieser Blick durch die Tür zum Garten. Hier kehrt die Ruhe ein, wenn die Inspirationsströme durch den Schriftstellerkopf und -körper jagen… Und hier findet das Dinner statt – hier fühlen sich die vom Sender ausgewählten Gäste einfach wohl, hier fühlen diese sich (wer immer dies auch ist) quasi selbst inspiriert. Und lecker. Ja, lecker ist es auch. Darauf am Ende eine Obstler aus Meersburg.
Wer wohl die Gäste sind? Schriftsteller-Kollegen vom See? Andere Künstler aus der Gegend? Oder vielleicht wählt der Sender nach dem Gladiatorprinzip aus? Nichtleser, Bücherhasser, Brotlosekunstvertreter?
Aber wie auch immer, eines ist gewiss: Ich kann nicht kochen. Leckere Dinge zubereiten, ja, das schon. Aber kochen… Und noch eines ist gewiss: Auf eine gewisse Weise bin ich extrovertiert (spiele literarisch auch gerne mit meiner eigenen Person). Ich liebe auch die Live-Situation einer Lesung. Mich reizt auch der Gedanke, als Schriftsteller bekannter zu werden (natürlich). Aber: ein Kamerateam in meine Wohnung lassen? Einigen Hunderttausend (oder Millionen) Menschen Einblick in meine Wohnung geben? Den Menschen, die ich liebe und mit mir leben, dies zumuten?
Nein. Das ist nicht mein Ding. Ich habe gewiss Dinge geschrieben, die von ebenjener Produktionsfirma, die das „Perfekte Dinner“ dreht, als Spielfilm, Serienepisode etc. „verbraten“ werden könnten. Aber vor den Kameras der Firma „ganz privat“ braten? Nein – selbst wenn ich ein begnadeter Koch wäre. Auch wenn die Anfrage zum Casting ebenso nett wie schmeichelhaft war. Auch wenn mir hier vielleicht eine große Chance durch die Lappen geht.
Ich bin sehr gerne Gastgeber. Und es macht mich immer glücklich, zu spüren, dass sich unterschiedlichste Menschen bei mir einfach wohlfühlen. Aber dieses Vergnügen bleibt dann wohl privat.