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Ein Blick hinter die Buchstaben… Fragen an die Schriftstellerin Susanne Gerdom

Spannende Romane, faszinierende Geschichten, Figuren, die sich den Leserinnen und Lesern einprägen – ohne die Möglichkeiten des Self-Publishing wären vielleicht viele literarische Schätze nach wie vor verborgen geblieben. Aber seit einigen Jahren ist die Auswahl jenseits der Verlagswerke größer geworden – und das interessante, breit gefächerte Angebot in Eigenregie publizierender Autoren wird, wie z.B. die Bestsellerlisten bei Amazon zeigen, mit Begeisterung angenommen. Einigen dieser Autorinnen und Autoren aus der Self-Publisher-Szene habe ich einen Fragenkatalog vorgelegt. Ich fragte, was mich als Leser oder als Kollege interessierte. Diese so entstandenen „Interviews“ werde ich in loser Folge auf meinem Blog veröffentlichen.

Ich danke allen, die sich meinen Fragen gestellt haben und so allen Interessierten einen Blick hinter die Buchstaben ihrer Bücher gewähren.

Ralf Boscher

Susanne_Gerdom_Portrait
Heute zu Gast auf Boschers Blog: Susanne Gerdom

Hallo Susanne, schön, dass ich Dich auf meinem Blog begrüßen darf! Um gleich einzusteigen:

Was siehst Du als Deinen bisher größten schriftstellerischen Erfolg an?

Ich glaube, das ist immer noch der Glückstreffer, mein allererstes Manuskript gleich bei einem renommierten Verlag untergebracht zu haben. Das ist so etwas wie ein Sechser im Lotto … Ansonsten freue ich mich bei jedem erschienenen Titel, ganz gleich, ob Verlag oder SP, wie ein Wildschwein darüber, wenn ich positives Feedback bekomme. Der Applaus ist leider auch in meiner Branche oft das einzige Brot des Künstlers. 😉

Wer ist Dir die liebste Figur in einem Deiner Romane oder in einer Deiner Geschichten?
Elbenzorn_Susanne-Gerdom
Im Prinzip sind das immer die Figuren, mit denen ich gerade zugange bin. Und da ist es nicht immer die Protagonistin oder der Hauptdarsteller, die mir die liebsten sind, sondern oft auch eine Nebenfigur. (Der Zwerg Trurre in „Elbenzorn“ ist so eine Figur. Der ist mir beim Schreiben so lieb geworden, dass ich ihm fast erlaubt hätte, das Buch zu kapern und aus einem Elbenbuch ein Zwergenabenteuer zu machen …)

Im Moment bin ich allerdings sehr verliebt in Magnus – Lord Magnus Algernon Seymour, der Protagonist des „Blauen Todes“. (Clockwork Cologne)

Wer ist Dir die liebste von Dir nicht erschaffene Figur in einem Roman oder einer Geschichte?

Einfache Antwort: Samuel Mumm. (Terry Pratchett)

Der für Dich gelungenste erste Satz einer Deiner Geschichten?

Ich bin kein „erste Sätze“-Fanatiker. Deshalb feile ich daran auch nicht besonders herum und ich hab sie auch beileibe nicht parat. Ein wirklich schöner erster Satz stammt von jemand anderem: „Wes Herd dies auch sei, hier muss ich rasten“. ;-))

Wenn Du nicht Schriftstellerin, sondern Musikerin wärst – welche Musik würdest Du machen?

Arrrrgh. Klassik, definitiv. Ich wollte, ich könnte singen, aber Klavierspielen wäre auch schon schön. Oder klassische Gitarre.

Was macht einen Menschen zum Schriftsteller? Das Schreiben oder das Gelesen werden? Oder…?

Das ist eine komplexe Frage. Schreiben allein reicht nicht, das ist ein Volkssport. Und genauso wenig, wie jemand, der in seiner Freizeit ein bisschen kickt, professioneller Fußballspieler ist, kann sich jemand, der in seiner Freizeit ein bisschen schreibt, sich gleich „Schriftsteller“ nennen. Das Gelesen-Werden ist aber auch kein ausreichendes Indiz.

Vielleicht ist es, wie bei allen Tätigkeiten, die eine gewisse Formung, Ausbildung und Disziplin erfordern, genau das: die Professionalität, mit der man sein Tun betreibt. Also muss ein Schriftsteller nicht notwendigerweise auch einen Leserstamm haben, aber er braucht auf jeden Fall die Ernsthaftigkeit und die Fähigkeit, sein Tun auch dann fortzuführen, wenn es eben keinen Beifall, keinen Erfolg, keine Sichtbarkeit erzielt. Dennoch dranbleiben, sich weiterentwickeln, nie stehenbleiben, nie zufrieden sein, jeden Tag schreiben, auch wenn tausend andere Dinge locken, auch wenn es weh tut … So jemanden würde ich Schriftsteller nennen, auch wenn er nie ein Wort veröffentlicht hat.

Deine Einschätzung: Ist es förderlicher für eine gute Schreibe, mit seiner schriftstellerischen Arbeit seine Brötchen zu verdienen oder einem anderen Brotberuf nachzugehen?

Förderlich für eine gute Schreibe ist Übung und Weiterentwicklung. Förderlich für ein ruhiges Kissen zum Schreiben ist ein Brotjob. Kaum zehn Prozent der Autoren können von ihrem Tun leben (und davon sind die Mehrzahl Sachbuchautoren, keine Belletristen). Und „davon leben“ heißt in der Regel: am Existenzminimum. Ich würde niemals einem jungen Autor mit Erstveröffentlichung raten, seinen Job zu schmeißen.

Von der Grundidee zur fertigen Geschichte: Ist das bei Dir ein gerader Weg oder passiert es Dir, dass Du Dich weit von der Grundidee entfernst?

Ich bin Pantserin. Ich habe eine Grundidee (und bei meinen Verlagsprojekten auch ein relativ ausgefeiltes Exposé), aber wenn man sich das fertige Manuskript anschaut, dann hält diese Grundlage maximal bis zur Hälfte. Meistens nur fürs erste Viertel. Ab da geht es holterdiepolter über Stock und Stein quer durch die Wildnis.

Welcher Art sind die Szenen, die für Dich die größten Herausforderungen stellen?

Die „Verbindungsszenen“. Die Stellen, an denen ich von einem Ereignis irgendwie zum nächsten überleiten muss. Zu bewältigende Wege und Strecken. Ich hasse Reisebeschreibungen. Und ich habe gelernt, wo es geht, einfach einen Schnitt zu machen. Wenn ich eine Szene schon mit langen Zähnen schreibe … wie soll sie einem Leser dann gefallen?

Die zweite Kategorie sind Sexszenen. Ich muss zugeben, dass ich sie in der Mehrzahl der Bücher für überaus überflüssig halte und auch hier eher dazu tendiere, einen Schnitt zu setzen.

Was bereitet Dir die größte Freude beim Schreiben?

Das Tüfteln. Ich liebe das Entwerfen von Szenerien, Welten, Konstellationen, Figuren, Sprachen … Und natürlich ist es immer wieder ein Gefühl, als würde man fliegen, wenn der Flow einsetzt. Das passiert nicht jeden Tag, aber wenn es passiert, ist es schöner als alles andere.

Der für Dich wertvollste Schreibtipp, den Du erhalten hast?

Ich habe bisher wenig Schreibtipps von anderen bekommen, aber ich höre mir immer gerne an, wie KollegInnen mit ihrer Arbeit umgehen. Das Wichtigste, denke ich, was ein Autor wirklich befolgen sollte, ist die Kontinuität. Wenn möglich, sollte man jeden Tag schreiben, und wenn es nur ein paar Zeilen sind.

Manchmal noch Papier und Stift? Oder nur noch Schreiben am Rechner?

Eindeutig und ausschließlich am Rechner. Ich habe ein Notizbuch, das ich noch mit Bleistift nutze, aber alles, was über das reine Aufschreiben von Gedankenfetzen hinausgeht, verlangt nach einer Tastatur. Mit der Hand schreibe ich zu langsam und zu unleserlich, das macht mich irre. Und auch, dass man nicht einfach löschen, verschieben, überschreiben kann, wenn man die altmodische Hardware benutzt. Ich tippe blind und im Zehnfingersystem, das ist schon sehr komfortabel.

Welches Schreibprogramm nutzt Du?

Angefangen habe ich mit Word. Das ist ja für umfangreiche Dokumente unpraktisch, also habe ich nach einer Alternative gesucht, bin bei Papyrus gelandet, hab mich damit aber nicht wirklich wohl gefühlt und schreibe jetzt seit ein paar Jahren in Scrivener, das bietet eine Reihe von ungeheuer praktischen Features neben der Textverarbeitung. Ich habe immer alle meine Notizen, Personenlisten, Recherchelinks usw gleich bei der Hand, ich kann den Text in jedes denkbare Format ausgeben (sogar, wenn ich das wollte, in ein ganz brauchbares epub oder mobi) und das Programm ist erstaunlich absturzsicher. Ich denke, damit habe ich mein Programm für den Rest des Schreiberlebens gefunden.

Schreibzeiten: Wann schreibst Du? Schreibst Du an festgelegten Uhrzeiten oder setzt Du Dir zum Beispiel pro Tag eine Zeichenmenge?

Ich schreibe den Löwenanteil abends bis nachts. Und ich habe eine Mindestseitenzahl, die ich erreichen will (pro Woche 50 Seiten). Das heißt, es ist ein „Sieben-Seiten-pro-Tag“-Ziel, das ich anstrebe.

Wie viel Zeit verwendest Du am Tag für das Marketing? Und welche Kanäle nutzt Du für die Werbung?

Immer noch zu wenig Zeit, obwohl mir das natürlich schmerzlich von der Schreibzeit abgeht. Zwei Stunden am Tag? Könnte Pi mal Daumen hinkommen. Dazu gehört es auch, Leserbriefe zu beantworten. (Oder Leserpostings, wenn man es genauer nimmt …)

Ich nutze meine eigene Website, Facebook und Google + – Twitter eher weniger, obwohl das dumm von mir ist.

Bereitet Dir das Schreiben größere Freude, seitdem es mehr Möglichkeiten der Veröffentlichung gibt (E-Books, Selfpublishing…)?

Größere Freude … nein. Es ist mehr Arbeit geworden, es ist weniger Schreiben, weil es Spaß macht, mehr Job. Aber das birgt ja seine eigenen Freuden und Befriedigungen. Die Möglichkeit, ein Projekt nach eigenem Gusto schreiben und gestalten zu können, hat viel Schönes. Auch wenn hier, genau wie beim Schreiben für den Verlag, das kaufmännische Denken leider wieder Grenzen setzt. Wenn ich schreiben will, um zu verkaufen, muss ich Kompromisse eingehen. Mein „unverkäufliches Buch“ – Projekt Armageddon – hat einen kleinen, begeisterten Leserkreis gefunden, aber das Verdikt meiner Verlage („Das kriegen wir nicht verkauft, das ist zu anspruchsvoll“) über das ich damals ungläubig gelacht habe, scheint verdammt zu stimmen.

Die „Thomas Mann“-Frage: Du schreibst, Dein Mann oder Freund kommt herein oder ein guter Freund ruft an oder Dein Kind möchte etwas von Dir wissen – verbittest Du Dir die Störung, weil Du schreibst, oder lässt Du Dich auf die „Planänderung“ ein?

Ich lebe in einer beständigen Planänderung, weil ich unser gemeinsames Arbeitszimmer nutze, in dem immer auch ein Teil unserer Katzen herumhängt. Ich bin inzwischen Meisterin im Ausblenden. Aber meine Familie bemüht sich, mich in Ruhe zu lassen. Weitgehend. In der Regel. (Ich schrieb oben, dass ich den Löwenanteil meiner Arbeit abends/nachts erledige. Noch Fragen? *g*)

Die „Charles Bukowski“-Frage: Hältst Du Alkohol für eine sinnvolle Stimulanz beim Schreiben?

LOL. Nein. Wenn ich unter Alkohol schreibe, was mir gelegentlich passiert ist, dann kann ich das Zeug morgens nüchtern besehen wegwerfen. Also lass ich es. Ein Glas Wein NACH dem Schreiben. Das kommt besser.

Du gehst schlafen, liegst bereits im Bett, das Licht ist aus – da kommt Dir eine Schreibidee in den Kopf: Stehst Du auf und notierst Dir die Idee?

Ja. Ich hab ein Notizbuch am Bett liegen.

Hast Du mit einer Geschichte abgeschlossen, wenn Du unter sie ein „Ende“ gesetzt hast?

Notgedrungen. (Es gibt keine Enden. Jede Geschichte geht im Prinzip endlos weiter, das ist das Leben.) Aber da ich in der Regel nach drei Monaten von jedem Projekt die Nase gestrichen voll habe und längst mindestens zwei andere Projekte dringend an die Tür klopfen, fällt es mir leicht, ein Manuskript abzuschließen. Ich leide in der Regel nicht unter Trennungsschmerz. Dass mir nachträglich eine Menge Verbesserungswürdiges ein- und auffällt – das ist normal. Da muss man lernen, die Finger davon zu lassen.

Vielen Dank Susanne, dass Du Dir die Zeit genommen hast, diesen „Blick hinter die Buchstaben“ zu ermöglichen!

Ich danke dir für die schönen Fragen!

Der_blaue_Tod_Susanne-Gerdom_Clockwork_Cologne
Susanne Gerdom wurde am 17. November 1958 in Düsseldorf geboren, aufgewachsen ist sie im niederrheinischen Rheinhausen. Nach Abschluss ihrer Lehre als Buchhändlerin begann sie sich mit Pantomime und Clownerie zu befassen und arbeitete mehrere Jahre als Schauspielerin und Regisseurin (Quelle)

Susanne Gerdom schreibt Fantasy für Jugendliche und Erwachsene (u.a. für die Verlage Piper, ArsEdition und Ueberreuter, man findet sie dort auch unter den Pseudonymen Frances G. Hill und Julian Frost). Zudem veröffentlicht sie unter ihrem Geburtsnamen im Self-Publishing-Bereich (Quelle).

Sie ist Gründungsmitglied der „42erAutoren – Verein zur Förderung der Literatur e.V.“ und gründete darüber hinaus 2013 mit einer Gruppe von AutorInnen und Autoren die Indie-Plattform „Qindie“, welche sich als unabhängige Plattform für Selfpublisher versteht und ein Qualitätssiegel für Indie-Literatur ins Leben gerufen hat. (Quellen: Wikipedia, Qindie)

Susanne Gerdom lebt, wohnt und arbeitet im Familienverband mit vier Katzen und zwei Menschen in einer kleinen Stadt am Niederrhein (Quelle).

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Ein Blick hinter die Buchstaben… Fragen an die Schriftstellerin Elsa Rieger

Spannende Romane, faszinierende Geschichten, Figuren, die sich den Leserinnen und Lesern einprägen – ohne die Möglichkeiten des Self-Publishing wären vielleicht viele literarische Schätze nach wie vor verborgen geblieben. Aber seit einigen Jahren ist die Auswahl jenseits der Verlagswerke größer geworden – und das interessante, breit gefächerte Angebot in Eigenregie publizierender Autoren wird, wie z.B. die Bestsellerlisten bei Amazon zeigen, mit Begeisterung angenommen. Einigen dieser Autorinnen und Autoren aus der Self-Publisher-Szene habe ich einen Fragenkatalog vorgelegt. Ich fragte, was mich als Leser oder als Kollege interessierte. Diese so entstandenen „Interviews“ werde ich in loser Folge auf meinem Blog veröffentlichen.

Ich danke allen, die sich meinen Fragen gestellt haben und so allen Interessierten einen Blick hinter die Buchstaben ihrer Bücher gewähren.

Ralf Boscher

Elsa_Rieger_Portrait
Heute zu Gast auf Boschers Blog: Elsa Rieger

Hallo Elsa, schön, dass ich Dich auf meinem Blog begrüßen darf! Um gleich einzusteigen:

Was siehst Du als Deinen bisher größten schriftstellerischen Erfolg an?

Wenn es bei der Frage um ein Buch geht, das meine Leser sehr schätzen, ist es mein Roman „LiebesWellen“, in dem es um eine junge Frau mit Persönlichkeitsspaltung geht.

Mein persönlich größter Erfolg hat jedoch damit zu tun, dass ich nach langen Übungsjahren begriffen habe, wie man Gedichte, Geschichten und Romane baut, ohne dass die Texte vor Adjektiven oder Kitsch triefen. Ich weiß, das ist kein Kriterium dafür, dass man seine Bücher gut verkauft, ich fürchte fast, das Gegenteil ist der Fall. Aber damit kann ich leben, mir geht es um literarischen Anspruch in meinen Texten. Dafür schreibe ich, dafür übe ich, noch besser zur werden.

Frau_die_sich_nicht_umdrehte
Wer ist Dir die liebste Figur in einem Deiner Romane oder in einer Deiner Geschichten?

Tja, eigentlich liebe ich alle Figuren, die ich entwickelt habe; die Guten und die Bösen. Im Moment liebe ich vielleicht am meisten die Claudette aus der Geschichte: Aus der Asche, die in meinem Erzählband „Die Frau, die sich nicht umdrehte“ zu lesen ist.

Wer ist Dir die liebste von Dir nicht erschaffene Figur in einem Roman oder einer Geschichte?

John Irvings „Garp“

Der für Dich gelungenste erste Satz einer Deiner Geschichten?

Nach seiner Sturzgeburt im Supermarkt war Pit fürs Leben geprägt. (aus „Die Frau, die sich nicht umdrehte“)

Wenn Du nicht Schriftstellerin, sondern Musikerin wärst – welche Musik würdest Du machen?

Rock’n‘Roll

Was macht einen Menschen zum Schriftsteller? Das Schreiben oder das Gelesen werden? Oder…?

Ich glaube, das lässt sich nicht verallgemeinern. Die einen werden dazu getrieben, weil sie etwas loswerden wollen, die anderen, weil sie wirklich etwas zu sagen haben. Wieder andere wittern Erfolg, weil sie überzeugt von ihren Ideen sind, manche bleiben dann enttäuscht zurück oder beginnen zu malen. Was mich angeht, ist es schon das Schreiben selbst; die Neugier auf meine Figuren und wie sie sich entwickeln. Klar freut man sich über Leser.

Deine Einschätzung: Ist es förderlicher für eine gute Schreibe, mit seiner schriftstellerischen Arbeit seine Brötchen zu verdienen oder einem anderen Brotberuf nachzugehen?

Der Prozentsatz jener, die vom Schreiben leben können, ist so gering, dass er nahezu nicht ins Gewicht fällt. Besser, einen Brotberuf zu haben, bevor man in seinem Schreibstübchen verhungert, denn das ist nicht gerade förderlich für Kreativität.

Von der Grundidee zur fertigen Geschichte: Ist das bei Dir ein gerade Weg oder passiert es Dir, dass Du Dich weit von der Grundidee entfernst?

Passiert mir selten. Ich bin da ziemlich pedantisch im Planen eines Plots und meiner Charaktere.

Welcher Art sind die Szenen, die für Dich die größten Herausforderungen stellen?

Liebesszenen. Da muss man schrecklich aufpassen, nicht in Klischees abzurutschen.

Was bereitet Dir die größte Freude beim Schreiben?

Wenn ich ENDE unter den Text schreiben kann, denn dann beginnt das Überarbeiten.

Der für Dich wertvollste Schreibtipp, den Du erhalten hast?

Das Buch „Story“ von Robert McKee. Meine Bibel.

Manchmal noch Papier und Stift? Oder nur noch Schreiben am Rechner?

Lyrik immer zuerst auf Papier, Plotline, Storyoutline für Romane ebenfalls.

Welches Schreibprogramm nutzt Du?

Das simple Word. Ich halte nichts von den vielen anderen Helferleins, die angeboten werden. Bin eher konservativ diesbezüglich.

Schreibzeiten: Wann schreibst Du? Schreibst Du an festgelegten Uhrzeiten oder setzt Du Dir zum Beispiel pro Tag eine Zeichenmenge?

Gerne in der Früh und am Abend, in der Nacht. Zeichenmenge setze ich mir nur, wenn ich Lektorat für Kollegen mache. Bei meinen Texten achte ich darauf, eine Szene zu vollenden, nicht mittendrin aufzuhören, denn wenn schon der Flow da ist, muss ich ihn nutzen.

Wie viel Zeit verwendest Du am Tag für das Marketing? Und welche Kanäle nutzt Du für die Werbung?

Ich werbe nicht täglich für meine Bücher. Mir fällt es immer schon schwer, anzuklopfen und mich anzubieten. Ist vielleicht, nein, sicher sogar, ein Fehler. Vielleicht würde ich mehr verkaufen, wäre ich da fleißiger. Ich nutze die social media Kanäle wie Google+, Facebook, Twitter.

Bereitet Dir das Schreiben größere Freude, seitdem es mehr Möglichkeiten der Veröffentlichung gibt (E-Books, Selfpublishing…)?

Nein, denn schreiben ist immer Freude für mich. Aber entgegen kommt mir natürlich, dass man nicht mehr auf die Gnade der Verlage angewiesen ist.

Die „Thomas Mann“-Frage: Du schreibst, Dein Mann oder Freund kommt herein oder ein guter Freund ruft an oder Dein Kind möchte etwas von Dir wissen – verbittest Du Dir die Störung, weil Du schreibst, oder lässt Du Dich auf die „Planänderung“ ein?

Anrufe lassen sich ignorieren. Menschen, die im Zimmer stehen, eher nicht. Ich lasse mich drauf ein, auch wenn ich es ärgerlich finde, aber man sollte das Leben neben dem Schreiben nicht vergessen.

Die „Charles Bukowski“-Frage: Hältst Du Alkohol für eine sinnvolle Stimulanz beim Schreiben?

Manchmal … nein, Spaß. Beim Schreiben saufen könnte ich nicht. Aber wenn ich mal was trinke, kann schon vorkommen, dass sich eine Idee für einen neuen Text manifestiert.

Du gehst schlafen, liegst bereits im Bett, das Licht ist aus – da kommt Dir eine Schreibidee in den Kopf: Stehst Du auf und notierst Dir die Idee?

Nein. Ich merke sie mir einfach für den nächsten Tag. Soweit funktioniert mein Gedächtnis gerade noch.

Hast Du mit einer Geschichte abgeschlossen, wenn Du unter sie ein „Ende“ gesetzt hast?

Aber nein! Da fängt das Spiel doch erst richtig an! Das Ringen um die besten Sätze, der Kampf um die stärksten Dialoge und das Abklopfen des Plots, ob er Hand und Fuß hat.

Vielen Dank Elsa, dass Du Dir die Zeit genommen hast, diesen „Blick hinter die Buchstaben“ zu ermöglichen!

Ich bedanke mich herzlich, Fragen, die mir Spaß gemacht haben!

LiebesWellen
„Mich fasziniert das Menschsein, Menschbleiben in unserer Welt der Polaritäten. Ist es nur möglich, ein kriegerisches ‚Entweder – Oder‘ ins Leben hinauszubrüllen und darauf zu beharren, Recht zu haben? Oder haben wir die Chance, uns auf ein behutsames ‚Sowohl – als auch‘ einzulassen und in die Welt zu tragen, damit sich die Akzeptanz unter uns ausbreiten kann? Die Akzeptanz, dass schwarz nicht immer einfach schwarz und weiß nicht unbedingt für jeden gleich weiß ist. Sowohl als auch. Das verbinde ich in meinen Texten.“ (Quelle)

Elsa Rieger wurde 1950 in Wien als Kind eines Schauspieler-Ehepaares geboren. Für sie war schon als Vierjährige klar, dass sie ebenfalls diesen Beruf ergreifen würde. Nach Schauspielausbildung und Buchhandelslehre war sie in der Inspizienz und Abendregie des Theater der Courage beschäftigt, verliebte sich ‚unsterblich‘, gründete eine Familie und ging einem bürgerlichen Beruf nach, dem Buchhandel. 
Mitunter quälte sie sich durch das Leben. Der Beginn ihres neuen Berufswegs, der Atemsynthese, die sie erfolgreich verbreitet, eröffnete Elsa Rieger andere Sichtweisen. Sie begann wie besessen zu schreiben. Ihre Texte zeichneten sich zunächst vor allem dadurch aus, dass sie schlecht waren. Sie gab jedoch nicht auf und fand ihren Schreib- und Lebensweg. Es ist das Alltägliche, es sind die ganz normalen Merkwürdigkeiten, die  Elsa Rieger faszinieren. So geht sie durch ihre Heimatstadt und staunt und schreibt. (Quelle).

Homepage von Elsa Rieger
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Schreibtalk – Blog von Elsa Rieger
Facebook-Profil der Autorin
Der (e)-Book-Salon -Elsa Rieger stellt AutorInnen vor
Elsa Rieger – Lektorat

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Ein Blick hinter die Buchstaben… Fragen an den Schriftsteller Jürgen Schmidt

Spannende Romane, faszinierende Geschichten, Figuren, die sich den Leserinnen und Lesern einprägen – ohne die Möglichkeiten des Self-Publishing wären vielleicht viele literarische Schätze nach wie vor verborgen geblieben. Aber seit einigen Jahren ist die Auswahl jenseits der Verlagswerke größer geworden – und das interessante, breit gefächerte Angebot in Eigenregie publizierender Autoren wird, wie z.B. die Bestsellerlisten bei Amazon zeigen, mit Begeisterung angenommen. Einigen dieser Autorinnen und Autoren aus der Self-Publisher-Szene habe ich einen Fragenkatalog vorgelegt. Ich fragte, was mich als Leser oder als Kollege interessierte. Diese so entstandenen „Interviews“ werde ich in loser Folge auf meinem Blog veröffentlichen.

Ich danke allen, die sich meinen Fragen gestellt haben und so allen Interessierten einen Blick hinter die Buchstaben ihrer Bücher gewähren.

Ralf Boscher

Juergen_Schmidt_Portrait
Heute zu Gast auf Boschers Blog: Jürgen Schmidt

Hallo Jürgen, schön, dass ich Dich auf meinem Blog begrüßen darf! Um gleich einzusteigen:

Was siehst Du als Deinen bisher größten schriftstellerischen Erfolg an?

Wenn man Erfolg nicht mit Verkaufszahlen gleichsetzt, ist es „Chiliherzen“. Dieses gemeinsame Buch mit Sandra Wagner hat uns alles abverlangt, obwohl es kein dickes Buch geworden ist. Es war schwierig, mich immer wieder auf Ideen, Launen und Streichvorschläge einzulassen, die aus Sandras Sicht natürlich ihre Berechtigung hatten. Ich war schließlich nicht anders als sie, jeder hat um seine Person im Roman gekämpft. Dass am Ende mit dem Buch eine runde Sache entstanden ist, betrachte ich als Erfolg.

Wer ist Dir die liebste Figur in einem Deiner Romane oder in einer Deiner Geschichten?
Lange_Weg_Amouliani
Ganz klar der Frank aus dem „langen Weg nach Amouliani“. Er ist der Typ, der ich gerne mit Anfang zwanzig gewesen wäre. Ich glaube, dass er mit all seinen Fehlern und seiner Tollpatschigkeit ganz liebenswürdig beim Leser ankommt.

Wer ist Dir die liebste von Dir nicht erschaffene Figur in einem Roman oder einer Geschichte?

Der Jakob aus „Jakob der Lügner“ von Jurek Becker.

Der für Dich gelungenste erste Satz einer Deiner Geschichten?

„Normalerweise machten wir das nicht, aber normalerweise waren auch die Stehplätze in der Nordkurve unser Zuhause.“ (Beginn der Kurzgeschichte „Als Uli Hoeneß mir seinen Platz anbot“, 2015 erscheint ein Buch mit Fußballgeschichten)

Wenn Du nicht Schriftsteller, sondern Musiker wärst – welche Musik würdest Du machen?

Ganz bestimmt deutschsprachige Musik. Rosenstolz, Silly, Revolverheld und die Toten Hosen finde ich sehr gut. Auch ältere, fast vergessene Bands, wenn ich zum Beispiel an Grobschnitt oder Novalis denke. Von den jungen Musikern gefällt mir Christina Stürmer am besten.

Was macht einen Menschen zum Schriftsteller? Das Schreiben oder das Gelesen werden? Oder…?

Schriftsteller ist für mich jemand, der vom Schreiben leben kann. Davon bin ich weit entfernt. Aber jeder Autor möchte natürlich auch gelesen werden. Für mich ist beides wichtig.

Deine Einschätzung: Ist es förderlicher für eine gute Schreibe, mit seiner schriftstellerischen Arbeit seine Brötchen zu verdienen oder einem anderen Brotberuf nachzugehen?

Das kann ich nicht generell beurteilen: Manche benötigen gerade den Druck, um kreativ zu sein. Andere lähmt es … Ich arbeite lieber ohne Zeitdruck.

Von der Grundidee zur fertigen Geschichte: Ist das bei Dir ein gerader Weg oder passiert es Dir, dass Du Dich weit von der Grundidee entfernst?

Die Grundidee bleibt! Was allerdings zwischendurch so alles passiert, entwickelt sich mit der Zeit. Manchmal erstaunt mich die Entwicklung. „Chiliherzen“ war bis 2011 nur eine achtseitige, unveröffentlichte Kurzgeschichte mit dem simplen Titel „Dazwischen“. Aus einigen sinnvollen Ergänzungen wurde am Ende tatsächlich ein langer Prozess und ein Taschenbuch mit 160 Seiten.

Welcher Art sind die Szenen, die für Dich die größten Herausforderungen stellen?

Alles Neue ist eine große Herausforderung. Vor zwei Monaten habe ich angefangen, einen Krimi zu schreiben. Ich weiß nicht einmal, ob ich das kann. Es ist aber eine riesige Herausforderung, das solange zu versuchen, bis alles stimmig ist und Leute das mögen. Im Moment bin ich mit großer Begeisterung dabei und lege ein Schreibtempo vor, das mir bislang fremd war.

Was bereitet Dir die größte Freude beim Schreiben?

Gelungene Formulierungen. Bei manchen meiner Sätze kann ich später gar nicht glauben, dass die von mir sein sollen.

Der für Dich wertvollste Schreibtipp, den Du erhalten hast?

Kam von Heinz Körner, dem Autor von „Johannes“. Damals wäre ich fast im Lucy-Körner-Verlag untergekommen. Der letztendliche Ablehnungsgrund lautete, im gesamten Manuskript wären die Soldaten immer die schlechten Menschen, Kriegsdienstverweigerer dagegen grundsätzlich die guten. Der Vorwurf war berechtigt. Ich war gerade über zwanzig und hatte zu sehr auf meine Freunde aus der Friedensbewegung gehört. Seitdem versuche ich alles auch aus der Perspektive des Anderen zu betrachten.

Manchmal noch Papier und Stift? Oder nur noch Schreiben am Rechner?

Rechner! Notizen zu den Personen, Orten oder der zeitlichen Übersicht mache ich mir in einem extra Heft. Da kommt alles rein, denn sonst passiert es, dass Paula einmal blaue und später braune Augen hat.

Welches Schreibprogramm nutzt Du?

Microsoft Word.

Schreibzeiten: Wann schreibst Du? Schreibst Du an festgelegten Uhrzeiten oder setzt Du Dir zum Beispiel pro Tag eine Zeichenmenge?

Nein, davon halte ich nichts! Manchmal schreibe ich drei Wochen gar nichts, dann an drei Tagen hintereinander ganze Abende. Ein gelungener Tag kann 3.000 Wörter beinhalten oder auch nur die Idee zu einer zusätzlichen Person in der Geschichte. Die Menge allein besagt wenig.

Wie viel Zeit verwendest Du am Tag für das Marketing? Und welche Kanäle nutzt Du für die Werbung?

Nur ein bisschen Werbung bei Facebook und auf meiner Homepage. Die Verlockung bei Facebook ist natürlich riesengroß: Wenn ich Werbung in einige Gruppen poste, werden nach einigen Stunden Verkäufe bei Amazon sichtbar. Allerdings erhöht sich mit jedem Posting auch die Gefahr, Leute zu nerven. Das möchte ich nicht. Einige Autoren mit extremer, fast aggressiver Werbung sind mir inzwischen sehr unsympathisch geworden. Das ist mir eine Warnung.

Die „Thomas Mann“-Frage: Du schreibst, Deine Frau oder Freundin kommt herein oder ein guter Freund ruft an oder Dein Kind möchte etwas von Dir wissen – verbittest Du Dir die Störung, weil Du schreibst, oder lässt Du Dich auf die „Planänderung“ ein?

In der Regel sollten Menschen wichtiger sein. Sollte ich gerade tatsächlich eine super Idee haben, mache ich mir Notizen, dann müssen die Leute vielleicht zehn Minuten warten. Wenn gerade niemand zur Notaufnahme gefahren werden muss, ist das doch ein guter Kompromiss, oder?

Die „Charles Bukowski“-Frage: Hältst Du Alkohol für eine sinnvolle Stimulanz beim Schreiben?

Überhaupt nicht. Wenn ich was trinken will, mache ich vorher Schluss. Das schließt natürlich nicht aus, dass sich beim Feierabend-Bier noch brauchbare Ideen entwickeln können. Das kommt sogar häufig vor.

Du gehst schlafen, liegst bereits im Bett, das Licht ist aus – da kommt Dir eine Schreibidee in den Kopf: Stehst Du auf und notierst Dir die Idee?

Selbst mitten in der Nacht mach ich das, wäre doch sonst schade um die Idee!

Hast Du mit einer Geschichte abgeschlossen, wenn Du unter sie ein „Ende“ gesetzt hast?

Nein, eine Geschichte ist abgeschlossen, wenn sie veröffentlicht ist. Vorher gibt es immer noch etwas zu verbessern. Theoretisch auch später noch, aber dann sag ich mir: Es ist, wie es ist. Irgendwann muss auch Schluss sein.

Vielen Dank Jürgen, dass Du Dir die Zeit genommen hast, diesen „Blick hinter die Buchstaben“ zu ermöglichen!

Ich danke dir, Ralf. Mir hat es Spaß gemacht.

Chiliherzen
Jürgen Schmidt, geboren in Geldern am Niederrhein, erlernte zunächst den Beruf des Buchdruckers. Später besuchte er die Fachoberschule für Sozialpädagogik. Heute ist er als Fachkraft für Arbeits- und Berufsförderung bei den Nordeifelwerkstätten beschäftigt. Er wohnt in Grevenbroich und Bad Münstereifel. Jürgen Schmidt ist Herausgeber und Autor der Bücher „Herz kopfüber“, „Zwischen Heine und Altbier“, „Die Nebelfrau“ und „Dichter Nebel am Niederrhein“. Im Herbst 2012 erschien sein Roman „Der lange Weg nach Amouliani“, zusammen mit Sandra Wagner schrieb er den Roman „Chiliherzen“ (2013). Im Moment arbeitet er an einem Münstereifel-Krimi und an einem Erzählband mit Geschichten aus dem Mönchengladbacher Stadion.

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Ein Blick hinter die Buchstaben… Fragen an den Schriftsteller Béla Bolten

Spannende Romane, faszinierende Geschichten, Figuren, die sich den Leserinnen und Lesern einprägen – ohne die Möglichkeiten des Self-Publishing wären vielleicht viele literarische Schätze nach wie vor verborgen geblieben. Aber seit einigen Jahren ist die Auswahl jenseits der Verlagswerke größer geworden – und das interessante, breit gefächerte Angebot in Eigenregie publizierender Autoren wird, wie z.B. die Bestsellerlisten bei Amazon zeigen, mit Begeisterung angenommen. Einigen dieser Autorinnen und Autoren aus der Self-Publisher-Szene habe ich einen Fragenkatalog vorgelegt. Ich fragte, was mich als Leser oder als Kollege interessierte. Diese so entstandenen „Interviews“ werde ich in loser Folge auf meinem Blog veröffentlichen.

Ich danke allen, die sich meinen Fragen gestellt haben und so allen Interessierten einen Blick hinter die Buchstaben ihrer Bücher gewähren.

Ralf Boscher

Béla Bolten
Heute zu Gast auf Boschers Blog: Béla Bolten

Hallo Béla, schön, dass ich Dich auf meinem Blog begrüßen darf! Um gleich einzusteigen:

Was siehst Du als Deinen bisher größten schriftstellerischen Erfolg an?

Die Frage ist nicht leicht zu beantworten, denn ich muss trennen zwischen dem Krimiautor Béla Bolten, den du hier befragst, und dem Sachbuchautor, der ich unter meinem bürgerlichen Namen bin. Als solcher habe ich 1988 ein Buch mit dem Titel „Nach unbekannt verzogen“ geschrieben, in dem ich die Schicksale der jüdischen Bürger meiner Heimatstadt in der NS-Zeit dokumentiere. Dass dieses Buch in die Bibliothek der Gedenkstätte Yad Vashem aufgenommen wurde und ich damit einen winzigen Beitrag wider das Vergessen leisten konnte, betrachte ich noch heute als meinen größten Erfolg als Autor.

Da du mich aber als Béla ansprichst, will ich dir auch hier die Antwort nicht schuldig bleiben. Ich hätte nie geglaubt, dass man es mit zeithistorischen, im Zweiten Weltkrieg spielenden Kriminalromanen in die TOP 10 der Amazon-Charts schafft. Das ist ja nun wirklich kein Mainstream und es macht mich stolz, das erreicht zu haben.

Wer ist Dir die liebste Figur in einem Deiner Romane oder in einer Deiner Geschichten?
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Alexander Thal, der Ermittler in meinen Bodenseekrimis. Er ist mir einfach ans Herz gewachsen mit seiner Trauer, die er in Leas Vermächtnis durchleben muss und die ihn fast um den Verstand bringt. Ein paar seiner Eigenschaften habe ich außerdem bei mir selbst entlehnt, und einige andere hätte ich selber gerne.

Wobei, wenn ich jetzt so darüber nachdenke: Seit Claras Schatten gefällt mir Madlaina Veicht immer besser, Thals Schweizer Kollegin und …. – das lassen wir mal noch offen. Mit der Figur habe ich jedenfalls noch einiges vor.

Wer ist Dir die liebste von Dir nicht erschaffene Figur in einem Roman oder einer Geschichte?

Tom Ripley, der Titelheld in gleich fünf Romanen von Patricia Highsmith. Wobei hier der Begriff „liebste Figur“ missverständlich ist, denn Ripley ist der amoralische Held schlichtweg. Für mich ist Patricia Highsmith bis heute die Königin des „Suspense“. Sie leuchtet ihren Helden bis in den letzten Winkel seiner Seele aus und treibt uns Leser dazu, diesen Widerling zu mögen, mit ihm zu fiebern, ihm zu verfallen. Einfach großartig!

Der für Dich gelungenste erste Satz einer Deiner Geschichten?

Sehr schwierige Frage. Meine ersten Sätze sind oft stakkatohaft kurz, weil ich die Leser direkt in die Geschichte ziehen möchte. Vielleicht ist es der Anfang des Thrillers „Das Jesuskomplott“, weil er die Stimmung der Situation, in der sich der Protagonist befindet, gut einfängt: „Engel nahm den Finger von Sanikas Hals und wischte ihn an seiner Hose ab, als müsse er die Erinnerung an die kühle Haut von jeder Nervenfaser tilgen. „

Wenn Du nicht Schriftsteller, sondern Musiker wärst – welche Musik würdest Du machen?

Rock und Rhythm and Blues, wie ihn die Stones in ihren besten Tagen gespielt haben.

Was macht einen Menschen zum Schriftsteller? Das Schreiben oder das Gelesen werden? Oder…?

Schreiben und gelesen werden zusammen, denke ich. Es kann einen Menschen sehr bereichern, nur für sich zu schreiben, allerdings würde ich ihn dann nicht Schriftsteller oder Autor nennen. Dazu gehört der Wille, das Ergebnis seiner Arbeit der Öffentlichkeit zu übergeben und zuzusehen, wie sich das Werk durch die Leser verändert.

Deine Einschätzung: Ist es förderlicher für eine gute Schreibe, mit seiner schriftstellerischen Arbeit seine Brötchen zu verdienen oder einem anderen Brotberuf nachzugehen?

Das kann ich kaum beantworten, weil mein Brotberuf seit nunmehr elf Jahren das Schreiben ist, konkret die Auftragsschreiberei bzw. das Ghostwriting. Ich sitze also Tag für Tag am Computer und schreibe, was, so glaube ich zumindest, meinem Stil sehr gut getan hat. Schreiben ist zu einem großen Teil Handwerk und das will geübt werden. Mein belletristisches Schreiben hat zudem sehr davon profitiert, dass ich mich mit verschiedenen Genres beschäftigen musste. Inzwischen hat sich der Schwerpunkt meiner Arbeit mehr und mehr vom Auftragsautor weg und zum Schriftsteller hin verschoben, trotzdem genieße ich es, immer mal wieder etwas ganz anderes schreiben zu dürfen.

Von der Grundidee zur fertigen Geschichte: Ist das bei Dir ein gerade Weg oder passiert es Dir, dass Du Dich weit von der Grundidee entfernst?

Ich bin ein fanatischer und detaillierter Plotter. Ich konstruiere meine Geschichten sehr exakt, sodass beim Schreiben nicht mehr viel Spielraum für Veränderungen bleibt. Während der Entwicklungsphase eines Plots kann es aber vorkommen, dass ich eine ursprüngliche Idee abwandele oder sogar ganz verwerfe.

Welcher Art sind die Szenen, die für Dich die größten Herausforderungen stellen?

In meinen zeithistorischen Krimis um den Berliner Polizisten Axel Daut treten Figuren der Zeitgeschichte auf. In „Codewort Rothenburg“ zum Beispiel die Widerstandskämpfer Libertas und Harro Schulze-Boysen oder in „Der Aufbewarier“ die Schauspielerin und Sängerin Zarah Leander. Diese Figuren lebendig agieren und sprechen zu lassen, ohne dass ihre Darstellung zu einer Kolportage oder gar einer überzeichneten Karikatur verkommt, ist immer wieder eine große Herausforderung. Um diesen Menschen gerecht zu werden, schaue ich mir so viel Bild- und Filmmaterial wie möglich an. Keine anderen Textpassagen überarbeite und verändere ich so oft, wie die Dialoge mit Personen der Zeitgeschichte.

Was bereitet Dir die größte Freude beim Schreiben?

Gott zu spielen, Menschen und ihre Geschichten zu erfinden. Anders gesagt: die Entwicklung des Plots.

Der für Dich wertvollste Schreibtipp, den Du erhalten hast?

Es sind zwei Tipps und sie scheinen sich sogar zu widersprechen. Der erste lautet: Du musst lesen. Sehr viel lesen und vor allem Bücher, deren Schöpfer besser schreiben als du selbst. Es bringt einen als Autor nicht weiter, wenn man sagt, „das kann ich auch“. Ich lerne nur von den Meistern, nicht von den anderen Lehrlingen. Der zweite Tipp lautet: Schreiben, schreiben, schreiben! Denn nur durch die beständige Übung verbessert man sich.

Manchmal noch Papier und Stift? Oder nur noch Schreiben am Rechner?

Nur am Rechner – ausschließlich und schon lange. Mein erstes Schreibprogramm war Wordstar und wurde auf 5,25 Zoll Floppy Disk ausgeliefert. Vermutlich weiß der größte Teil der Leser dieses Interviews nicht mal mehr, wovon der Opa hier erzählt, deshalb konkret: Ich schrieb zum ersten Mal 1984 auf einem Computer und so halte ich es seit dreißig Jahren.

Welches Schreibprogramm nutzt Du?

Papyrus Autor. Das ist für mich das mit Abstand beste Werkzeug, das ein Autor zur Verfügung hat. Kein Wunder, hat doch mit Andreas Eschbach ein Großer unserer Zunft bei der Entwicklung Pate gestanden. Kein anderes Programm ist so durchdacht und bietet so viele Hilfestellungen – ich nenne hier nur den perfekt integrierten Duden Korrektor, den Thesaurus und vor allem die für mich inzwischen unverzichtbare Stilanalyse. Wenn ein Schreibprogramm einen Autor besser machen kann, dann Papyrus.

Schreibzeiten: Wann schreibst Du? Schreibst Du an festgelegten Uhrzeiten oder setzt Du Dir zum Beispiel pro Tag eine Zeichenmenge?

Schreiben ist mein Beruf, dem ich täglich nachgehe. Ich setzte mir jeden Tag ein bestimmtes Ziel. In der Phase des Plottens lege ich fest, wie viele Kapitel ich an einem Tag planen will. In der eigentlich Schreibphase definiere ich eine bestimmte Textmenge, in der Regel sind es zwei- bis dreitausend Wörter pro Tag. Kolleginnen und Kollegen, die einem nicht schreibenden Brotberuf nachgehen, werden das vielleicht für utopisch halten, aber ich sitze nun mal einen kompletten Arbeitstag – und der kann auch schon mal mehr als acht Stunden haben – am Schreibtisch und arbeite am Manuskript. Da relativiert sich das.

Wie viel Zeit verwendest Du am Tag für das Marketing? Und welche Kanäle nutzt Du für die Werbung?

Das ist sehr unterschiedlich. Wenn ein Buch neu erscheint, wende ich mehr Zeit dafür auf als zu anderen Zeiten. Ich nutze Facebook und Twitter und habe meine eigene Website. Meinen Schreibtäter-Blog habe ich in der letzten Zeit sträflich vernachlässigt, ich gelobe meinen Leserinnen und Lesern Besserung.

Bereitet Dir das Schreiben größere Freude, seitdem es mehr Möglichkeiten der Veröffentlichung gibt (E-Books, Selfpublishing…)?

Vor allem haben mir diese neuen Publikationsmöglichkeiten die Chance eröffnet, den Schwerpunkt meiner Arbeit mehr und mehr vom Auftragsschreiben zum selbstbestimmten belletristischen Schreiben zu verschieben. Ich muss heute nicht mehr jeden Auftrag annehmen, damit mein Kühlschrank gefüllt ist. Für diese Freiheit bin ich sehr dankbar. Außerdem behalte ich über den gesamten Prozess bis zur Publikation des fertigen Buches die Kontrolle. Es macht mir großen Spaß, an jedem einzelnen Schritt beteiligt zu sein und meine Wünsche einbringen zu können.

Die „Thomas Mann“-Frage: Du schreibst, Deine Frau oder Freundin kommt herein oder ein guter Freund ruft an oder Dein Kind möchte etwas von Dir wissen – verbittest Du Dir die Störung, weil Du schreibst, oder lässt Du Dich auf die „Planänderung“ ein?

Das lässt sich pauschal nicht beantworten. Grundsätzlich habe ich das Problem aller Freiberufler, die ausschließlich zu Hause arbeiten, Störungen zu minimieren. Ich kommuniziere klar und deutlich, wenn ich nicht gestört werden will. Außerdem schreibe ich gerne am Abend, da habe ich eh mehr Ruhe.

Die „Charles Bukowski“-Frage: Hältst Du Alkohol für eine sinnvolle Stimulanz beim Schreiben?

Die beste Antwort darauf hat Hemingway, der große Zecher, gegeben. „Write drunk, edit sober.“ Wobei das „drunk“ bei mir sicher nicht funktionieren würde, aber ein Glas Rotwein darf es schon mal sein, wenn ich abends noch spät am Schreibtisch sitze.

Du gehst schlafen, liegst bereits im Bett, das Licht ist aus – da kommt Dir eine Schreibidee in den Kopf: Stehst Du auf und notierst Dir die Idee?

Ich brauche nicht aufzustehen, denn auf dem Nachttisch liegen Notizblock und Stift, die ich relativ häufig benutze. Es ist erstaunlich, wie oft einem etwas einfällt, wenn man völlig abschaltet. Wenn ich es dann nicht sofort aufschreibe, lässt mich die Idee die ganze Nacht am Schlafen hindern.

Hast Du mit einer Geschichte abgeschlossen, wenn Du unter sie ein „Ende“ gesetzt hast?

Wenn sie endgültig publiziert ist – das heißt, wenn die Arbeit vollständig getan ist – lasse ich die Geschichte los. Das gelingt mir am besten, wenn ich gleich mit einer neuen Arbeit beginne, also fange ich unmittelbar mit dem Plot der nächsten Geschichte an.

Vielen Dank Béla, dass Du Dir die Zeit genommen hast, diesen „Blick hinter die Buchstaben“ zu ermöglichen!

Realisation:ebook
Béla Bolten ist ein Pseudonym des Autors Matthias Brömmelhaus. 1957 im Münsterland geboren, lebt und schreibt er jetzt in Konstanz am Bodensee. Unter seinem Realnamen arbeitete er nach dem Studium zunächst als Historiker und veröffentlichte verschiedene Artikel und Sachbücher zur Zeitgeschichte. 2003 eröffnete er den Autobiografieservice und gehört heute zu den erfolgreichsten »Personal Historians« im deutschsprachigen Raum. (Quelle)

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Béla Bolten – Schreibtischtäter
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Ein Blick hinter die Buchstaben… Fragen an die Schriftstellerin Birgit Böckli

Spannende Romane, faszinierende Geschichten, Figuren, die sich den Leserinnen und Lesern einprägen – ohne die Möglichkeiten des Self-Publishing wären vielleicht viele literarische Schätze nach wie vor verborgen geblieben. Aber seit einigen Jahren ist die Auswahl jenseits der Verlagswerke größer geworden – und das interessante, breit gefächerte Angebot in Eigenregie publizierender Autoren wird, wie z.B. die Bestsellerlisten bei Amazon zeigen, mit Begeisterung angenommen. Einigen dieser Autorinnen und Autoren aus der Self-Publisher-Szene habe ich einen Fragenkatalog vorgelegt. Ich fragte, was mich als Leser oder als Kollege interessierte. Diese so entstandenen „Interviews“ werde ich in loser Folge auf meinem Blog veröffentlichen.

Ich danke allen, die sich meinen Fragen gestellt haben und so allen Interessierten einen Blick hinter die Buchstaben ihrer Bücher gewähren.

Ralf Boscher

Birgit_Boeckli
Heute zu Gast auf Boschers Blog: Birgit Böckli

Hallo Birgit, schön, dass ich Dich auf meinem Blog begrüßen darf! Um gleich einzusteigen:

Was siehst Du als Deinen bisher größten schriftstellerischen Erfolg an?

Hallo Ralf, vielen Dank für die Einladung zum Interview. Mein bislang größter Erfolg war ganz klar der Verlagsvertrag für meinen Krimi Friesensturm. Ich hatte eine Leseprobe auf der Online-Plattform Neobooks eingestellt, wo Autoren ihre Texte vorstellen können und mit etwas Glück von den Mitarbeitern des Lektorats wahrgenommen werden. Schon nach kurzer Zeit wurde mein Buch von den Lesern auf einen der vorderen Ränge geschickt, und da der Roman thematisch genau ins Programm passte, erhielt ich als erster Neobooks-Autor nicht nur einen Ebook- sondern auch einen Taschenbuchvertrag im Knaur Verlagsprogramm. Das war damals sehr aufregend.

loremachturlaubcover
Wer ist Dir die liebste Figur in einem Deiner Romane oder in einer Deiner Geschichten?

Das ist Lore Badowski, die chaotische, aber liebenswerte Hauptfigur aus meinem heiteren Frauenroman Lore macht Urlaub. Lore ist eine Figur, die polarisiert. Mit ihrer schrägen, lauten Art geht sie manchen Lesern wohl ziemlich auf die Nerven, andere hingegen lieben ihre lebensfrohe Art und die oftmals naiven Versuche, ihr Leben zu meistern.

Wer ist Dir die liebste von Dir nicht erschaffene Figur in einem Roman oder einer Geschichte?

Das ist Beverly Marsh aus Stephen Kings ES. Ich finde es toll, wie dieses kleine Mädchen mit den Misshandlungen und der Angst umgeht, die ihr Leben bestimmen, und sich trotzdem ganz selbstverständlich für Gerechtigkeit einsetzt und ihre Freunde verteidigt.

Der für Dich gelungenste erste Satz einer Deiner Geschichten?

„Für Frau Hahn gab es nur eine Sache, die noch unangenehmer hätte sein können als unerträgliche Mieter, und das war die Vorstellung, beim Schnüffeln erwischt zu werden.“ Aus Lore macht Urlaub

Wenn Du nicht Schriftstellerin, sondern Musikerin wärst – welche Musik würdest Du machen?

Ich bin tatsächlich Mitglied in einem Vocalensemble und habe bereits erste Versuche gestartet, eigene Songs zu schreiben. Ich mag am liebsten klassische Popmusik oder RnB.

Was macht einen Menschen zum Schriftsteller? Das Schreiben oder das Gelesen werden? Oder…?

Wer schreibt, ist zunächst einmal ein Autor. Als Schriftsteller betreibt man das Schreiben möglichst professionell und mit dem Ziel, seine Leser zu erreichen. Daher würde ich zu Antwort zwei tendieren, das „Gelesen-Werden“.

Deine Einschätzung: Ist es förderlicher für eine gute Schreibe, mit seiner schriftstellerischen Arbeit seine Brötchen zu verdienen oder einem anderen Brotberuf nachzugehen?

Das hat wohl beides seine Vor- und Nachteile. Zum Schreiben und Überarbeiten der Bücher kommt ja heutzutage meist auch noch das Marketing hinzu, Kontakte müssen geknüpft und gepflegt werden, es gilt, Lesungen zu halten oder Vorträge zu organisieren. All das gemeinsam mit einem Brotberuf zeitlich unter einen Hut zu bringen, ist schon sehr anstrengend. Das liegt nicht jedem gleich gut und kann sicherlich auch zum Erschöpfen der Kreativität führen. Andererseits gibt einem das Feedback der Leser auch einen gewissen Auftrieb, der gerade bei kreativen Berufen sehr wichtig ist. Und wirklich allein vom Schreiben zu leben ist ein Traum, den sich leider nur wenige Autoren erfüllen können. Am wichtigsten, um einen guten Stil zu entwickeln, ist aber meiner Meinung nach, dass der Autor viel schreibt und auch selbst liest.

Von der Grundidee zur fertigen Geschichte: Ist das bei Dir ein gerader Weg oder passiert es Dir, dass Du Dich weit von der Grundidee entfernst?

Meistens bleibt der Grundgedanke erhalten, vorausgesetzt, es gab überhaupt schon einen Plot. Ich habe auch schon Geschichten mit einer einzelnen Szene oder einem bestimmten Satz begonnen, ohne zu wissen, was dabei herauskommen würde.

Welcher Art sind die Szenen, die für Dich die größten Herausforderungen stellen?

Das sind in der Regel die eher unspektakulären Szenen, die aber dennoch für den Verlauf der Handlung unerlässlich sind. Da ist es oft schwer, die Spannung aufrechtzuerhalten.

Was bereitet Dir die größte Freude beim Schreiben?

Am liebsten mag ich die Vorarbeit, die sich eigentlich nur im Kopf abspielt. Wenn sich die Handlung nach und nach entfaltet und ich weiß, dass ich demnächst loslegen kann. Und natürlich den Flow, wenn es ganz einfach läuft, ohne dass ich dabei nachdenken muss.

Der für Dich wertvollste Schreibtipp, den Du erhalten hast?

Es klingt vielleicht seltsam, aber ich bin lange Zeit überhaupt nicht auf die Idee gekommen, dass man eine Geschichte kürzen und überarbeiten muss. Jahrelang war ich der Meinung, eine einmal geschriebene Geschichte sei ein Kunstwerk, das man nicht mehr verändern dürfe, bis ich zufällig in einem Schreibratgeber auf ein Kapitel über die Überarbeitung von Texten stieß.

Manchmal noch Papier und Stift? Oder nur noch Schreiben am Rechner?

Ich arbeite immer noch gerne mit Stift und Papier. Da habe ich eine stärkere Verbindung zum Text als über die Tastatur.

Welches Schreibprogramm nutzt Du?

Ich benutze Word 2007

Schreibzeiten: Wann schreibst Du? Schreibst Du an festgelegten Uhrzeiten oder setzt Du Dir zum Beispiel pro Tag eine Zeichenmenge?

Ich schreibe hauptsächlich vormittags und versuche dabei, eine bestimmte Seitenzahl zu erreichen, manchmal zehn, manchmal auch nur vier Seiten. Je nachdem, wie viel Zeit ich gerade habe und wie dringlich das Projekt ist.

Wie viel Zeit verwendest Du am Tag für das Marketing? Und welche Kanäle nutzt Du für die Werbung?

Das ist sehr unterschiedlich bei mir. Natürlich nutze ich in begrenztem Maße auch die üblichen Kanäle wie Facebook oder Twitter. Ich halte allerdings nichts davon, den Leuten mit Dauerbeschallung auf die Nerven zu fallen, daher streue ich nur hin und wieder kleinere Hinweise zu meinen Büchern ein. Einzelne Aktionen können aber schon mal viel Zeit in Anspruch nehmen. So habe ich auch schon kleinere Offline-Kampagnen gestartet und beispielsweise als Hexe verkleidet Halloween-Schokolade in der Fußgängerzone verteilt, um auf eine neue Gruselgeschichte hinzuweisen.

Bereitet Dir das Schreiben größere Freude, seitdem es mehr Möglichkeiten der Veröffentlichung gibt (E-Books, Selfpublishing…)?

Dass mir das Schreiben an sich dadurch mehr Freude macht, würde ich nicht sagen, aber die Möglichkeiten, die das Netz heutzutage bietet, gefallen mir persönlich sehr gut. Ich arbeite ja zum Teil mit einem Verlag zusammen, gleichzeitig veröffentliche ich aber auch Bücher als Selfpublisher. Ich finde es einfach unheimlich spannend, auszuprobieren, was funktioniert und was nicht und einen direkten Draht zu meinen Lesern zu haben.

Die „Thomas Mann“-Frage: Du schreibst, Dein Mann oder Freund kommt herein oder ein guter Freund ruft an oder Dein Kind möchte etwas von Dir wissen – verbittest Du Dir die Störung, weil Du schreibst, oder lässt Du Dich auf die „Planänderung“ ein?

Für mein Kind bin ich grundsätzlich immer zu sprechen, ich habe sogar schon halbe Bücher geschrieben mit Kind auf dem Schoß. Das Telefon würde ich unter Umständen auch mal klingeln lassen.

Die „Charles Bukowski“-Frage: Hältst Du Alkohol für eine sinnvolle Stimulanz beim Schreiben?

Nein, weder Alkohol noch andere berauschende Drogen.

Du gehst schlafen, liegst bereits im Bett, das Licht ist aus – da kommt Dir eine Schreibidee in den Kopf: Stehst Du auf und notierst Dir die Idee?

Morgens passiert mir das öfter, wenn ich mich an einen interessanten Traum erinnere. Den schreibe ich dann auch auf. Nachts bin ich zu faul dazu.

Hast Du mit einer Geschichte abgeschlossen, wenn Du unter sie ein „Ende“ gesetzt hast?

Nicht immer. Es gibt einzelne Figuren, die mich noch lange nach Vollendung der Geschichte begleiten. Wenn jedoch die Überarbeitung an einem Text sehr anstrengend war, bin ich schon froh, wenn ich die Geschichte endlich abschließen kann.

Vielen Dank Birgit, dass Du Dir die Zeit genommen hast, diesen „Blick hinter die Buchstaben“ zu ermöglichen!

Friesensturm
Birgit Böckli ist Autorin von Krimis und Gruselgeschichten. (Quelle). Geboren 1972 in Mönchengladbach Rheydt, lebt sie seit Anfang der Achtziger in einer Kleinstadt in Nordbaden. Mit dem Schreiben begann sie schon in frühester Kindheit. So entstanden im Laufe der Zeit eine große Anzahl an Kurzgeschichten, in den letzten Jahren auch längere Erzählungen und erste Romane. Mit ihren Texten möchte Birgit Böckli nicht nur unterhalten, sondern auch aufrütteln und zum Nachdenken anregen. (Quelle)

Die Homepage von Birgit Böckli
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Facebook-Seite der Autorin
Autorenseite bei Droemer Knaur

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Ein Schriftsteller beim „Perfekten Dinner“ – Boscher zum Casting eingeladen

Perfektes_Dinner
Mich erreichte eine sehr nett formulierte E-Mail, Betreff „Anfrage für Das perfekte Dinner am Bodensee“. Inhalt: „Bei meiner Recherche bin ich auf Sie gestoßen. Als Schriftsteller wären Sie ein spannender Kandidat für uns. Vielleicht kochen Sie ja auch gerne.“ Absender: die Produktionsfirma, welche für einen privaten Sender die Sendung „Das Perfekte Dinner“ herstellt.

Boscher beim „Perfekten Dinner“? Im TV? Warum nicht?

Ich bin natürlich geschmeichelt – „ein spannender Kandidat“… und was sich für Perspektiven ergeben… Wie viele Zuschauer hat wohl die Sendung? Wie vielen Menschen könnte ich mich als Schriftsteller präsentieren… Ich eloquent, charmant witzig am Herd werkelnd. Jeder Handgriff untermalt von literarischen Bonmots – nicht übertrieben natürlich. Eben gerade genau richtig dosiert, dass der Zuschauer neugierig wird. Ach, von diesem sympathischen und gut aussehenden Kerl möchte ich aber wirklich etwas lesen…

Und wohl dosiert würde natürlich das Menü sein, meiner Schriftsteller-Laufbahn folgend: Eine leckere Vorspeise vom Niederrhein, die mir Anlass geben würde, eine kleine Anekdote zum Besten zu geben, aus welcher Idee heraus die Niederrhein-Kapitel meines zweiten Romans entstanden sind (und die Ideen des Romans, an dem ich zur Zeit arbeite). Um dann überzuleiten zu den Bodensee-Kapiteln meines Romans und einem entsprechend für die Region typischen Gericht als Hauptspeise. Bevor letztendlich die Speisefolge mit einer bergischen Kaffeetafel gekrönt wird, die mir Anlass gibt, auf meinen ersten Roman einzugehen (und Hinweise zu den Wuppertal Kapiteln meines zweiten Romans einzustreuen).

Ja, dass klingt gut. Jedenfalls müsste ich ein typisches Bodensee-Gericht zubereiten, bei dem ich Fleisch schneiden müsste, um dann leichthin erzählen, dass ich dieses gelernt habe, weil ich mir für meine kriminalistischen Szenen fachkundige Beratung eingeholt habe – für die richtige Schnitttechnik. Es müsste etwas auf der Speisekarte stehen, bei dem ich bei großer Hitze etwas anbrate, dann mit Hochprozentigem ablösche, so dass eine Stichflamme entsteht – was mir Gelegenheit gibt, die wichtige Rolle auch heißer Erotik-Szenen für meine Schreibe zu verdeutlichen. Beim Nachtisch gäbe mir das Kneten des Teiges Gelegenheit, über die Sinnlichkeit des Schreibens ein paar Worte zu finden. Eine Sinnlichkeit, die – hier könnte ich effektvoll den Teig auf den Tisch knallen – auch in harten Horror umschlagen könnte (hier darf natürlich beim Nachtisch heiße rote Kirschsoße nicht fehlen).

Ja , so stelle ich es mir vor. Natürlich komme ich währenddessen nicht aus der Ruhe, bin eine Art gelassener, ein wenig düsterer Gourmetschreiber mit latent sinnlicher Ausstrahlung. Kurz: ich sehe einfach gut aus in der Kamera. In der Küche. In meinem (natürlich mit Unmengen an Büchern zugestellten) Arbeitszimmer, das Allerheiligste, in dem alles entsteht – eine inspirierende Mischung aus Chaos und Individualität. Schriftsteller halt. Die ganze Wohnung (also den Teil, den die geschickten Kamerafahrten zeigen): Schriftsteller halt.
Ralf Boscher - Engel
Ach, schon der Wohnungsflur so individuell – und „ist das nicht die Puppe, die auf dem Cover Ihres ersten Romans zu sehen ist?“ Und die ganzen Bilder, Gemälde an den Wänden – „Ja, alle von befreundeten Künstlern.“ Und dann erst das Esszimmer (also eigentlich das Wohnzimmer als größter Raum, in den der Esstisch hineingetragen wurde) – Bücher natürlich (auch hineingetragen), Bilder (die da wirklich hängen) – und dieser Blick durch die Tür zum Garten. Hier kehrt die Ruhe ein, wenn die Inspirationsströme durch den Schriftstellerkopf und -körper jagen… Und hier findet das Dinner statt – hier fühlen sich die vom Sender ausgewählten Gäste einfach wohl, hier fühlen diese sich (wer immer dies auch ist) quasi selbst inspiriert. Und lecker. Ja, lecker ist es auch. Darauf am Ende eine Obstler aus Meersburg.

Wer wohl die Gäste sind? Schriftsteller-Kollegen vom See? Andere Künstler aus der Gegend? Oder vielleicht wählt der Sender nach dem Gladiatorprinzip aus? Nichtleser, Bücherhasser, Brotlosekunstvertreter?

Aber wie auch immer, eines ist gewiss: Ich kann nicht kochen. Leckere Dinge zubereiten, ja, das schon. Aber kochen… Und noch eines ist gewiss: Auf eine gewisse Weise bin ich extrovertiert (spiele literarisch auch gerne mit meiner eigenen Person). Ich liebe auch die Live-Situation einer Lesung. Mich reizt auch der Gedanke, als Schriftsteller bekannter zu werden (natürlich). Aber: ein Kamerateam in meine Wohnung lassen? Einigen Hunderttausend (oder Millionen) Menschen Einblick in meine Wohnung geben? Den Menschen, die ich liebe und mit mir leben, dies zumuten?

Nein. Das ist nicht mein Ding. Ich habe gewiss Dinge geschrieben, die von ebenjener Produktionsfirma, die das „Perfekte Dinner“ dreht, als Spielfilm, Serienepisode etc. „verbraten“ werden könnten. Aber vor den Kameras der Firma „ganz privat“ braten? Nein – selbst wenn ich ein begnadeter Koch wäre. Auch wenn die Anfrage zum Casting ebenso nett wie schmeichelhaft war. Auch wenn mir hier vielleicht eine große Chance durch die Lappen geht.

Ich bin sehr gerne Gastgeber. Und es macht mich immer glücklich, zu spüren, dass sich unterschiedlichste Menschen bei mir einfach wohlfühlen. Aber dieses Vergnügen bleibt dann wohl privat.

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Cyber-Angriff auf die eBook-Gemeinde – das verloren gegangene Interview…

Cyber-Attacke
„Sehr geehrte(r) Besucher(in), leider kam es kürzlich zu einem gezielten Cyber-Angriff auf die Forensoftware der eBook-Gemeinde.

Dieses Forum wurde ehrenamtlich betrieben. Aus mangelnden zeitlichen und finanziellen Mitteln für die Wiederherstellung des Forums und Identifizierung vorhandener Sicherheitslücken muss das Forum leider geschlossen werden.

Das Team der eBook-Gemeinde bedankt sich für Ihr Verständnis.“

So die Meldung im Herbst 2013 – und somit war alles weg was auch zu meiner Person, meinen Büchern auf der eBook-Gemeinde gepostet worden war. Leseproben, Rezensionen, Buchtipps, ein Interview mit mir – alles weg.

Ich war geschockt.

Das im Sumpf der Internetkriminalität verloren gegangene eBookgemeinde-Interview:

eBookgemeinde_Interview
Interview mit Ralf Boscher, Mai 2012

Hallo Ralf, vielen Dank das du dir Zeit für unsere neugierigen Fragen nimmst. Erstmal kurz zu deiner Person: 1968 geboren und aufgewachsen in Aldekerk am Niederrhein. Dann Studium Philosophie und Deutsche Literatur in Wuppertal und Konstanz. Kurzgeschichten von dir wurden abgedruckt in Literaturzeitschriften (Federwelt, Lesestoff, Literatur am Niederrhein, Maskenball, Macondo) und Anthologien (z.B. Titelgeschichte von „Futter für die Bestie. Grusel-Geschichten“). Seit November 2011 sind eBooks mit Kurzgeschichten von dir erhältlich. Du lebst und arbeitest am Bodensee.

ebookgemein.de:
Dein erster Roman war „Engel spucken nicht in Büsche“. Aus dem Inhalt: Der Tod ist in die Stadt gekommen, und er ist auf einer Mission. „Abtreibungskiller“ nennt ihn schon bald die Presse. Der Polizei gelingt es nicht, den heimtückischen Frauenmörder zu stoppen. Gelingt dies Hartmut, dem Krankenpfleger mit einer ausgeprägten Vorliebe für Prostituierte? Der Tod ist in die Stadt gekommen, und düstere Visionen quälen den aufstrebenden Künstler Krish. „Kann es sein, dass ich nicht nur male, was war, sondern auch, was sein wird?“ Wo ist seine große Liebe Helen? Ist ihr etwas zugestoßen? Nein. Ja. Aber sie lebt. Noch. Denn nun ist der Mörder auf dem Weg zu ihr.

Wie brachtest du diese Geschichte auf das Papier? Hat man so was im Kopf und muss es dann nur noch aufschreiben oder kommt die Story mit dem Schreiben?

Ralf Boscher:
Vielen Dank für die sehr nette Einladung zu diesem Interview, ein schönes Willkommen für einen „jungen“ eBook-Autor bei der ebookgemein.de. Um gleich mit einer klassischen Interview-Antwort einzusteigen: Sowohl als auch.

Im Kopf hatte ich die Grundidee zu „Engel“: Ein Roman über verlorene Unschuld. Dazu als roten Faden, der die verschiedenen Lebensläufe der Figuren verknüpft, eine Krimi-Handlung: Etwas Böse bricht in das Leben einiger Menschen ein, und zwar ein sehr reales Böses in Form eines religiösen Fanatikers. Aus dieser Idee entstand als Bösewicht der Priester Hannes, der Krankenpfleger Hartmut als unheroischer Held und auch Alex, der durch den Mord an seiner Exfreundin mit den Taten des Mörders konfrontiert wird.

Andere Figuren entstanden erst beim Schreiben. Von Krish, Alex‘ bestem Freund, z.B. hatte ich anfangs nur eine grobe Vorstellung. Er war der Gegenpol zu Alex. Während jener versuchte zu seinen Gefühlen Distanz zu halten, ging der Künstler Krish emotional in die Vollen. Ganz nach dem Motto: „Lieber randvoll mit Kummer, als gar nichts empfinden“. Klarer sah ich Krish, als sich seine Freundin Helen entwickelte: Als ihn inspirierende, starke, unabhängige Frau.

Aber, um auf das „als auch“ zurückzukommen: Jede der Figuren entwickelte sich beim Schreiben weiter, manchmal sogar sehr eigenwillig. Plötzlich war Helen schwanger. Ich hatte an einer Szene geschrieben und unvermittelt waren diese Worte da. Ich hatte eigentlich eine andere Idee im Kopf, wohin die Reise gehen sollte. Aber ich ließ mich von dieser plötzlichen Wendung leiten, löschte den Satz nicht, und ich finde, dass gerade diese Wendung Helen zu einer sehr starken, interessanten Frauenfigur macht. Eine faszinierende Frau, die dann ins Fadenkreuz des Mörders gerät.

eBookgemein.de:
„Ich war so aufgeregt. Meine erste Lesung. Die Vorstellung meines ersten Romans „Engel spucken nicht in Büsche“. Ein Freund hatte das Plakat entworfen. 16:30 im Cafe Zweistein. An meinem 25. Geburtstag. Für mich unvergesslich. Seitdem vergingen die Jahre. Ich ließ Wuppertal hinter mir. Konstanz. Ich schrieb einen zweiten Roman, begann einen Dritten. Jahre, in denen mich „Engel spucken nicht in Büsche“ begleitete. Jahre, in denen die Thematik nichts von ihrer Aktualität verlor und in denen der Text zu seiner heutigen Form heranwuchs. Nun schließt sich der Kreis. 2010. Mein Geburtstag. „Engel spucken nicht in Büsche“ ist nun im Buchhandel erhältlich. Ich wünsche allen Lesern ein spannendes Leseerlebnis.“ (Ralf Boscher; gefunden auf deiner Webseite)

Es scheint als lägen zwischen der Fertigstellung des Romans und der Veröffentlichung als Buch einige Zeit. Warum?

Ralf Boscher:
Oh ja, eine sehr lange Zeit. Und eine umso kürzere Antwort: Ich habe damals keinen Verlag gefunden, der sich für meine Roman begeistern konnte. Und ich denke, wenn ich mir heute die Urform von „Engel“ ansehe, zu Recht. „Fertig gestellt ist anders“.

Etliche Jahre habe ich den Roman dann liegen lassen. Ich habe begonnen unter Pseudonym zu schreiben, womit ich auch meinen Lebensunterhalt bestreite, und diese Arbeit hat mich von meiner eigenen Schreibe etwas weggebracht.

Schließlich aber habe ich „Engel“ wieder zur Hand genommen (religiöser Fanatismus und auch das Thema „Misshandlung“ haben, leider, nichts von ihrer Aktualität verloren) und komplett überarbeitet. Das Ergebnis habe ich dann, ohne es nochmals bei einem Verlag zu versuchen, über Books on Demand mit dem Untertitel „Roman über Liebe, Tod und Teufel“ veröffentlicht. Und dann festgestellt: Love it or hate it. Die Reaktionen sind sehr unterschiedlich, aber nie lauwarm. „Engel“ scheint wie eine der CDs zu sein, von denen es in Rezensionen heißt: „Mir gefällt die CD sehr gut, aber der Sound ist schon speziell, also hört vorm Kauf am besten hinein…“

Also: Was lange währt, wird endlich gut… Aber lest vor dem Kauf am besten hinein. Wer einen reinen Krimi erwartet: Finger weg. Aber wer sich für interessante Charaktere, spannende Schicksale interessiert…

eBookgemein.de:
Lesungen sind ein toller Rahmen um ein Buch bekannt zu machen. Veranstaltest du heute auch noch Lesungen? (Wann, wo?) Welche Tipps kannst du in diesem Zusammenhang anderen Nachwuchsautoren geben?

Ralf Boscher:
Als ich diese Frage gelesen habe, dachte ich zuerst: Meine Güte, wie die Zeit vergeht! Schließlich hatte ich meine letzte Lesung im Herbst 2009.

Lesungen sind ein ganz toller Rahmen, und es macht vor allem sehr viel Spaß, selbst das Lampenfieber im Vorfeld (das ich trotz regelmäßiger Lesungen, über 2 Jahre hinweg mindestens einmal im Monat, hatte) ist etwas Besonders. Und dann erst dieses Hochgefühl, wenn man spürt, die Zuhörer gehen mit. Lachen bei lustigen Szenen. Aufstöhnen, wenn sich das Chaos in der Geschichte Bann bricht.

Also, mein Tipp von Nachwuchsautor zu Nachwuchsautor: Macht es anders als ich in den letzten Jahren, lasst die Zeit nicht vergehen, schaut euch um, wer wo in euer Nähe Lesungen veranstaltet, putzt Klinken, sagt Hallo, hier bin ich! Und dann wählt Geschichten aus, die emotional packend sind. Beste Ergebnisse habe ich mit Geschichten wie „Ein haariger Heiligabend“ oder „Grenze des guten Geschmacks“ erzielt. Aaahs und Ooohs. Packt eure Zuhörer beim Gefühl.

Meine Güte, ist das wirklich schon so lange her, dass ich „Grenze“ gelesen habe?

eBookgemein.de:
Wenn man dich googelt, bekommt man super viele Ergebnissen – ganze 256.000. Wie lange hat es gedauert, bis du dir einen Namen als Autor gemacht hast?

Ralf Boscher:
Ich weiß noch, wie ich meine Homepage online gestellt habe, und welches Hochgefühl ich  hatte, schon nach kurzer Zeit bei den Google Ergebnissen an erster Stelle zu erscheinen. Seitdem sind einige Treffer dazu gekommen (wobei ich Treffer in umgekehrter Reihenfolge wesentlich interessanter finde: also nicht die Suche nach „Ralf Boscher“ und man findet eBooks mit z.B. spannenden Horror-Geschichten, sondern die Suche nach z.B. „spannend Horror eBook“ und man findet gleich oben den Link zu Amazon und bei den ersten Treffern „Ralf Boscher“).

Ich glaube, mich findet man im Netz häufiger, seitdem ich mich im eBook-Bereich engagiere. Denke, das ist aber auch der generellen Entwicklung im Netz geschuldet. Der eine postet etwas, was er gut findet, schreibt eine Rezension in seinem Blog, postet bei Amazon etc. Oder ich entdecke eine sympathische Möglichkeit mit Lesern in Kontakt zu treten, wie z.B. die ebookgemein.de, und es entwickelt sich ein kleiner Dialog, der dann auch zu neuen Treffern führt. Seitdem ich die eBooks für mich entdeckt habe, hat sich einiges getan, was mich auch dazu inspiriert in diesem Bereich mehr Geschichten zu bieten, weil diese meine Geschichten Leserinnen und Leser finden. Und mit jedem neuen eBook kommen mehr Treffer hinzu.

eBookgemein.de:
Welche Romane gibt es noch so von dir und vor allem wo?

Ralf Boscher:
Status quo: „Engel spucken nicht in Büsche. Roman über Liebe, Tod und Teufel“. Als gedrucktes Buch und eBook überall zu bestellen. Wobei ich den Roman in der eBook-Version gerne günstiger anbieten würde (allerdings habe ich hier keinen Einfluss). Demnächst: „Abschied ist ein scharfes Schwert“ (der wird günstiger). Mein zweiter Roman, den ich (siehe oben „Warum habe ich für Engel so lange gebraucht“) unter Hochdruck überarbeite (und zu dem ich, wenn es soweit ist, sehr gerne bei der ebookgemein.de eine Probeleserunde anbieten möchte). Aber vorher werde ich mein neues eBook veröffentlichen, was in die Kategorien „Horror“ und „Erotik“ fällt: „Tiefer in die Dunkelheit. Erotik, Thrill, Horror“.

ebookgemein.de:
Jetzt neu, eBook von Ralf Boscher: Best of… Drei schaurige Kurzgeschichten von Monstern und Kindern.

Aus dem Inhalt: Das Böse begegnet uns auf vielfältige Weise. Wir treffen es auf einem Flohmarkt, es lauert in einem Holzstoß hinter dem Haus, es kommt zu uns auf leisen Pfoten. Und oft ist es zunächst nicht schrecklich. Nein, das Böse kann so reizend sein. Es lächelt und ist nett und höflich. Es verspricht uns etwas, wonach wir uns sehnen. Schönheit zum Beispiel. So laden wir es mit offenen Armen in unser Leben ein. Und wenn wir merken, dass wir einen schrecklichen Fehler begangen haben, ist es zu spät. Unter dem Lächeln bricht die Fratze des Grauens hervor. Was als Verheißung begann, wird zu einem fürchterlichen Alptraum aus Angst, Schmerz und Blut. Wird zum Stoff für schaurige Geschichten, zupackend, düster, vielfältig.

Wieso Kurzgeschichten? Was fasziniert dich daran so besonders? Wo kommen die Ideen für die Storys her?

Ralf Boscher:
Faszinierend an Kurzgeschichten ist: Leser wie Autor sind gleich mittendrin sind im Geschehen. Es geht um Action. Aber wenn die Geschichte gelingt, dann weist die Geschichte weit über die geschilderte Action hinaus, dann packt sie den Leser auch deswegen, weil hinter den kurz erzählten besonderen Ereignissen eine viel umfassendere Geschichte steckt. Es ist die Faszination mit vergleichsweise wenigen Pinselstrichen ein großes Gemälde zu schaffen. Kurzgeschichten sind nur kurz, was die Zeichenanzahl angeht. Wenn sie gelingen, sind sie kurz im Sinne von einem schönen, wilden, gefühlvollen Quickie. Unvergesslich, und gerne wieder.

Wo kommen die Ideen her? Manchmal starren sie einen aus einem Stück Holz an, wie bei „Hunger“ aus dem eBook „Best of“. Ich habe diese Maserung in einem Holzbalken gesehen, die einer Wolfsschnauze bzw. einer Teufelsfrat­ze ähnlich sieht, und dachte, daraus mache ich eine Geschichte. Oder ein Mädchen, welches ich kennengelernt habe und das an keinem Spiegel vorbeigehen kann, ohne hineinzusehen (die Titelgeschichte von „Best of“). Oder das Internet, bzw. die Gefahren dieses doch so tollen Medium (wie bei „So anders“). Kurz gesagt: Manchmal aus dem Kopf, manchmal aus dem Bauch. Die Frage bei allen Ideen für Kurzgeschichten ist immer: Trägt die Inspiration soweit, etwas Knackiges, Kurzweiliges, Unterhaltsames, aber dennoch Nachhaltiges zu schaffen. Z.B. „Hunger“, auf den ersten Blick eine Gruselgeschichte über ein junges Mädchen und ein Wesen im Holz, das Hunger hat, welches das junge Mädchen braucht, um seinen Hunger zu stillen. Auf den zweiten Blick eine Geschichte über Missbrauch. Ich packe den Leser gerne beim Bauch, wenn dann der Kopf mitschwingt… um so besser.

ebookgemein.de:
Dein neuester Streich: „Pommes weiß rot, Papagei und Tod…“ auch hierbei handelt es sich um berührende, dramatische und überaus spannende Geschichten.

Aus dem Inhalt:
…Ihr kleiner Bruder weinte in ihren Armen und drückte sein nasses Gesicht an ihre Wange. Er wollte weg von diesem unheimlichen, grauen Wesen. Doch Doro blieb stehen und blickte den Papagei an „Na, ist das nicht ein Blödkopf, Paul!“, sagte sie. „Blödkopf!“, rief sie dem grauen Vogel zu und lachte. Doro lachte, und Paul blickte mit großen, feuchten Augen zu ihr auf. Ihr Lachen trocknete seine Tränen, seine Furcht schwand, und als sie mit ihm durch die Küche hüpfte und: „Blödkopf! Blödkopf!“ rief, da lachte auch er. Der große graue Vogel aber beobachtete sie stumm aus starren, gelben Augen…

Man hat bei deinen Kurzgeschichten den Eindruck, da muss noch etwas kommen. Die Geschichte aber ist zu Ende. Es fehlt auch nichts, dennoch hat man den Eindruck da fehlt eine Erklärung – sie fehlt aber nicht – Sorry, besser beschreiben kann ich es nicht – machst du das extra?

Ralf Boscher:
Ja.

Und wenn dieser Eindruck entsteht, habe ich es wohl richtig gemacht. Die Kurzgeschichte gibt dem Leser das Gefühl etwas Ganzes zu sein, wobei sie natürlich aufgrund der Kürze nur einen Ausschnitt darbieten kann. Somit fehlt einiges. Aber weil gleichzeitig, wie du es beschreibst, nichts fehlt, beinhaltet der Ausschnitt alles, was wichtig ist. Manchmal ist einfach richtig aufzuhören, wenn es am Schönsten ist… (oder am Schrecklichsten).

ebookgemein.de:
Was macht Ralf Boscher in seiner Freizeit? Hat er welche?

Freizeit ist für mich die Zeit, die ich nicht damit verbringe, meine Brötchen zu verdienen (also Texte für die oben erwähnten Leser unter Pseudonym zu schreiben). Ich habe meine Frau, meine Familie, meine Freunde. Ich habe meine Schreibprojekte. Meinen Garten, in dem ich einfach gerne sitze und ins Grüne blicke (wenn ich dieses nicht gerade beischneiden muss). Ich lese. Ich höre viel Musik, gerne auch wenn ich schreibe, oder wie jetzt, da ich auf die Fragen antworte.

ebookgemein.de:
Wo steht Ralf Boscher in zehn Jahren?

Ralf Boscher:
Hoffentlich genau dort, wo ich im Moment stehe. In einer Liebesbeziehung. Gesund. Noch voll von Ideen. Und Lesern, die sich für meine niedergeschriebenen Ideen begeistern. Mit einem monatlichen Salär auf meinem Konto. Morgens mit dem guten Gefühl erwachend, mit dem ich Abends eingeschlafen bin. Vielleicht mit einer email in meinem Postfach von der ebookgemein.de: Hallo Ralf, du hast neulich…

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Kommentare, Reaktionen, Gedanken: „8400 Wörter für 7,95 Euro – ist der Preis korrekt? – ein Nachtrag

Umfrage_Preis_Ralf_Boscher
In meinem Beitrag „8400 Wörter für 7,95 Euro – ist der Preis korrekt?“ ging es um folgende Ausgangssituation: Der günstige Preis (manchmal sogar gratis) war für Indie-Autoren auf dem neu entstandenen eBook-Markt der Fuß, den sie in die Tür zu den Lesern bekamen. Daran schlossen sich meine Fragen an: Aber befinden wir uns heute immer noch in dieser Situation? Oder verkaufen wir Indie-Autoren uns unter Wert? Gleichzeitig habe ich auf meinem Blog zu diesem Thema eine kleine Umfrage gestartet.

Im Folgenden möchte ich die Reaktionen auf meinen Beitrag skizzieren, wie sie sich aus den Kommentaren auf meinem Blog und auch in einigen Literatur-Gruppen auf Facebook ergeben haben.

Es gibt zwei divergierende Haupteinschätzungen zur Preisgestaltung.

1. Die Qualität bestimmt den Preis. Also können auch Indie-Autoren höhere Preise verlangen – wenn sie denn Qualität bieten.
2. Indie-Autoren sind nicht in der Lage höhere Preise zu verlangen, da der günstige Preis das bislang wirksamste Mittel ist, um bekannt zu werden.

Zu 1.: Wichtigstes Kriterium für die preisrelevante Qualität eines Buches ist die handwerkliche Qualität zu sein.

Rechtschreibung, Grammatik, Stil, Cover-Aufmachung, Formatierung, Schriftbild, Satz, gravierende logische Fehler, Lektorat, Korrektorat.. All das sind Punkte, die – wenn sie denn ordentlich abgearbeitet wurden – für ein Indie-Buch einen Preis rechtfertigen, der auf dem derzeitigen Niveau von Verlagsbüchern liegt.

Zitate:
„…die Fehlerquote und ein wenig auch aufs Cover, finde ich.“

„Lektoriert? annehmbarer Satz?“

„…mich persönlich gruselt es schon, wenn ich ein Buch lese, bei dem ich abwägen muss, ob ich den Inhalt oder die katastrophale Rechtschreibung und Grammatik lustiger finde…“

„Ich denke, die Indies sollten umdenken. Ihre Arbeit ist nicht schlechter oder weniger wert. Und sehr viele von uns haben die gleichen Ausgaben, wie ein Verlag! Auch wir kaufen Lektorat, Cover etc. ein, das bezahlt werden muß!“

„Gute Autoren, die viel Arbeit und Geld in ihr Werk gesteckt haben, müssen nur aufhören, Angst zu haben und sich unter Wert zu verkaufen.“

„Es gibt inzwischen Bemühungen in der Indie-Bewegung, sich da ganz klar von der Masse abzugrenzen und eine Art Gütesiegel einzuführen, das dem Leser hilft, wenigstens handwerklich auf der sicheren Seite zu sein.“ (im Originalkommentar kein Link, R.B.)

Zu 2.: Wichtigstes Kriterium für die sehr günstigen Preise von Indie-Büchern sind die nicht vorhandenen Verkäufe bei höheren Preisen.

Unabhängig von der Qualität eines Buches – die Marketingmöglichkeiten eines Indie-Autors bestimmen den günstigen Preis. Denn die günstigen Preise sind immer noch das beste Mittel, um bekannt zu werden. Ja, vielleicht sogar das einzige Mittel.

Zitate:
„…ist der Preis leider mehr oder minder das einzige Marketinginstrument, das ein Indie hat.“

„Habe ich als Indie eine Wahl? Nein! … Gehe ich mit einem EBook über 2,99 Euro, brechen die eh schon mageren Verkäufe ein.“

„Ja, seitdem eBooks sich durchsetzen, befürchte ich, dass sie irgendwann nach Gewicht abgerechnet werden müssen. (und ich meine das nicht einmal ironisch)“

„Wenn sie gut sind … Nur leben wir in einer Wegwerfgesellschaft, in der die >Geiz-ist-geil-Mentalität< vorherrscht. Leider, aber so ist das Leben. “ Somit lassen die hier skizzierten Überlegungen bezüglich meiner Fragestellung so zusammenfassen:
Ja, viele Indie-Autoren verkaufen sich unter Wert. Ja, Indie-Autoren befinden sich heute immer noch in der Situation, über den Preis punkten zu müssen.

Ergebnis meiner kleinen Umfrage und Daten der Selfpublisher-Bibel zum Preisgefüge von eBooks:

Umfrage_Ergebnis_Buchpreis
In meiner kleinen Umfrage habe ich gefragt: „Ein Verlagsroman und ein Roman eines Indie-Autors aus dem gleichen Genre bei vergleichbarem Umfang kosten beide als Taschenbuch 13,90 Euro, was denkt Ihr über den Preis?“

36 Besucher meines Blogs haben gevotet. Eine geringe Datenmenge, aber immerhin ein Fingerzeig: Den genannten Preis fanden die meisten bei beiden zu teuer (17x), 10x wurde für „bei beiden angemessen“ gevotet. Relevant für meine Fragestellung sind vor allem die anderen Votes: 7x wurde bei Indie-Autoren und 6x bei Verlagsautoren für „korrekter Preis“ gevotet.

Aus diesem „Kopf-an-Kopf-Rennen“ schließe ich, dass zwischen Indie-Autoren und Verlagsautoren keine großen Unterschiede hinsichtlich der Preise gemacht werden: Indie- und Verlagsautoren könnten sich also in der gleichen Preisebene bewegen.

In diese Richtung deuten auch Kommentare auf meinen ursprünglichen Beitrag:

„Für mich würde es bei der Kaufentscheidung preislich keinen Unterschied machen, ob das Buch von einem “Indie” oder einem Verlagsautoren stammt. Wenn ich mich für ein Buch interessiere, lese ich kurz rein und entscheide, ob mir der Stil gefällt oder nicht. Und dann kaufe ich es oder nicht.“

„Kann mir nicht vorstellen, das die meisten Leser explizit zwischen Indie und Verlag direkt unterscheiden und ihre Preisforderungen danach ausrichten. Die gehen wie sonst auch nach Inhalt. Wenn einem eine Story den Beitrag X wert ist, wird es gekauft, wenn nicht, dann nicht. Dass man die Käuferschaft, speziell die eBooker, mit Niedrigpreisen auch konditionieren ‚kann‘, ist etwas das man sich genauer anschauen sollte.

Letzten Hinweis finde ich hinsichtlich des derzeitigen Preisgefüges auf dem eBook-Markt sehr interessant, da sich die Entwicklung abzeichnet, dass eBooks im Schnitt günstiger werden. Eine Entwicklung, die vielleicht mit dieser erwähnten „Konditionierung auf Niedrigpreise“ zusammenhängt – eine Entwicklung, gegen die aber gerade Indie-Autoren mittlerweile ansteuern:

Also wie sieht derzeit das Preisgefüge bei eBooks aus?

Self-Publisher-Bibel
Die Self-Publisher-Bibel (Grundlage Amazon e-Book Charts zweite Hälfte 2013) lieferte in einem tollen Beitrag hierzu sehr interessante Zahlen, die ich hier kurz paraphrasieren möchte:

Indie-Bücher unter den Top 10-eBooks kosteten im Schnitt 2,87 Euro – Verlagsbücher 6,50. Indie-Bücher in den Top 100 kosteten im Mittel 2,44 Euro – Verlagsbücher 7,11. Bei den Top 1000 lagen Indie-Bücher bei 3,30 Euro – Verlagsbücher bei 7,42 Euro.

Erfolgreiche, in den Charts präsente Indie-eBooks kosteten also im Schnitt weniger als die Hälfte eines Verlags-eBooks.

Insgesamt ist allerdings die Tendenz zu beobachten, dass mit Höhe der Chartplatzierung die Preise sanken: Aufs Ganze betrachtet kosteten eBooks in den Top 1000 6,22 Euro, in den Top 100 durchschnittlich 5,06 Euro und in den Top 10 im Mittel 4,56 Euro.

Sind also günstigere Titel erfolgreicher?

Bei Indie-Titeln ist interessanterweise die gegenteilige Tendenz festzustellen. Unter die Top 10 schafften es: 37 Titel unter 1 Euro, 45 eBooks zwischen 1-2 Euro, 60 Titel über 2,68 und unter 3 Euro. 117 Titel zwischen 3 und 4 Euro. 83 Titel über 4 Euro.

Die erfolgreichste Preisgruppe ist bei Indie-Titeln also nicht das Niedrigpreis-Segment unter 2 Euro, sondern die „höherpreisige“ Gruppe.

Somit führt obige Durchschnittszahl etwas in die Irre: Im Durchschnitt kosten Indie-Titel zwar weniger als die Hälfte von Verlagstiteln, aber erfolgreicher sind jene Titel, die innerhalb des Indie-Preisgefüges einen höheren Preis veranschlagen.

Ist also insgesamt die Tendenz zu beobachten, dass die Preise bei höherer Chartplatzierung niedriger sind, so schwimmen Indie-eBooks hier gegen den Trend. Aufgrund der Gesamtverteilung zwischen Indie- und Verlagsproduktionen in den Charts, kann man schließen, dass hauptsächlich die Verlage an der Preisschraube drehen (der Anteil der Indie-Bücher lag bei circa 39% unter den Top 10, 42% unter den Top 100 und 43% unter den Top 1000 lag).

Es sieht also so aus, also nähern sich Indie-eBooks und Verlags-eBook preislich aneinander an: Indie-Bücher werden teurer, Verlags-eBooks günstiger.

Somit möchte ich meine obige Schlussfolgerung ein wenig revidieren:
Nein, immer weniger Indie-Autoren verkaufen sich unter Wert, dies zeigt der Erfolg „höherpreisiger“ Indie-Titel. Ja, Indie- und auch Verlagsautoren müssen über den Preis punkten, das zeigt das sich verändernde Preisgefüge.

Die Frage ist nur: Wie punktet man sinnvoll über den Preis?

Ein genereller Niedrigpreis scheint, wie gerade ausgeführt, nicht der Weisheit letzter Schluss zu sein. Aber vielleicht führen Preisaktionen zum erwünschten Erfolg?

Mit Einführung von Amazons KDP-Programm und von KDP Select wurden die Gratis-Aktionen zum bevorzugten Mittel, um mit dem Preis zu punkten und Sichtbarkeit, Rezensionen und Charteinstiege zu erreichen. Und seit Einführung der Möglichkeit seine eBooks 5 Tage innerhalb von 3 Monaten gratis anzubieten, wird der Sinn und Unsinn der Gratis-Tage heiß diskutiert (einen sehr interessanten Beitrag zu diesem Thema von Matthias Brömmelhaus aka Béla Bolten findet Ihr hier). Auch in Reaktionen auf meinen ursprünglichen Beitrag wurde die „Gratis-Frage“ angeschnitten:

“Schlimmer finde ich aber die Gratis-Verramscher und 99 Cent Schnäppchenanbieter. Denen gebe ich die Schuld am Preisverfall der Indie-EBooks.”

“Meine Bücher wird es nie für 99 Cent geben, geschweige denn gratis.“

„Leider gelten diese (Gratis-)Aktionen unter Indies immer noch als probates Marketinginstrument, obwohl sie kaufmännisch ein reiner Alptraum sind.“

Wobei, ein Buch gratis potentiellen Lesern anzubieten, war schon immer Usus: Gratis-Exemplare an Multiplikatoren (wie Kritiker, Blogger, Buchhändler…), Leseaktionen mit Verlosungen von Gratis-Exemplaren auf entsprechenden Seiten (wie Lovelybooks) etc. Der große Unterschied ist hier: Die Gratis-Aktion betrifft nur einen sehr kleinen, ausgewählten Teil der potentiellen Leserschaft – bei KDP Select war diese selektive Auswahl nicht gegeben, im Extremfall hatte ein Autor mit der Gratis-Aktion seine gesamte Leserschaft bereits mit einem kostenlosen Exemplar versorgt. Anschließende Verkäufe und nachhaltiger Erfolg in den Charts stellten sich folglich nicht ein.

Aber wie auch immer, das Thema „Gratis-Aktionen“ scheint an Wichtigkeit zu verlieren: Sieht man sich eine der meistgelesenen Seiten zu diesem Thema an (xtme), so ist der Anteil der hier geposteten reinen Gratis-Aktionen sehr zurückgegangen. Einen mindestens ebenso großen Anteil nehmen nun zeitlich begrenzte Preisaktionen mit gesenktem Verkaufspreis (Einführungspreis, kurzzeitige Reduzierung etc.) ein.

Abschlussgedanke:

Von Verlagen lernen, heißt siegen lernen: Es heißt, die Verlage hätten den Einstieg in den eBook-Markt verpennt. Wie auch immer. Doch vielleicht haben sie einen längeren Atem, da sie aus ihren Fehlern – und den Fehlern der Indies – gelernt haben: So fahren auch Verlage seit geraumer Zeit bei Amazon Gratis-Aktionen, aber sie bieten keine ganzen Bücher gratis an, sondern XXL-Leseproben.

Leider funktioniert das für Indie-Autoren noch nicht, zumindest bei Amazon. Also sollte man vielleicht als aufstrebender Indie-Autor gleich zwei eBooks hochladen: seine XXL-Leseprobe (auch wenn die nur 5 Tage gratis ist innerhalb 3 Monaten) und sein gesamtes Buch zum regulären Preis, der sich dann auch gerne am Preisgefüge von Verlags-eBooks orientieren darf.

Ein letztes Zitat aus den Kommentaren:
„…schlussendlich wird es wohl immer so sein, Verlagsveröffentlichung oder Indie, dass sich erst nach dem Umblättern der letzten Seite wirklich herausstellt, ob der Preis für ein Buch “sich gelohnt hat”, oder nicht?“

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SuperBuchTrailer – eine Chance für Autoren – Bucherfolg über die Lust am Schauen?

Youtube_Kanal_Super_BuchtrailerGänsehaut. Die dramatische Musik schwillt an, Trommelwirbel, Pauken – schnelle Schnitte verstärken den Eindruck des „Hier darfst du keinen Moment wegsehen!“

Aus der Tiefe des Raumes wächst der Titel zu riesigen Lettern heran, während einen die Musik in den Sitz drückt… Ich sehe mir Filmtrailer wirklich gerne an. Andeutungen, die einen neugierig aufhorchen lassen, rasante und dadurch unscharfe Einstellungen, die beabsichtigen, Lust auf deutlichere Einblicke zu machen, Vorfreude erzeugen.

Und – so die Frage des Schriftstellers – können wir Schreiblinge das auch? Potentielle Leser über die Augen gewinnen?

Laut einem interessanten Artikel auf Börsenblatt.net können wir das, sollten wir das, wie eine dort kolportiere Erfolgsstory belegt – nicht ohne ein bissel Werbung zu machen für ein Buchtrailer-Portal, das gleichzeitig ebensolche herstellt.

Apropos.

In einer Facebook-Gruppe deutschsprachiger Indie-Autoren kam die Frage auf, ob es nicht eine Idee wäre, einen Facebook-Kanal zu erstellen, auf dem Gruppenmitglieder ihre Buchtrailer gemeinsam präsentieren könnten, um so mehr Aufmerksamkeit zu erhalten. Eine Idee, die gut ankam, auch bei mir. Und als dann nur wenig später eine Facebook-Gruppe zu dieser Idee ins Leben gerufen wurde, trat ich gleich bei. Wie habe ich es letztens formuliert: „Als Autor, gerade als Indie-Autor, sollte man keinen der Social Media-Kanäle ungenutzt lassen…“

Und dann gab es ihn: den Youtube-Kanal „SuperBuchTrailer“, den, so die Info, „YouTube-Kanal für Eure Buch-Trailer! … Für Leser wird dieser Kanal ein Füllhorn an Videos anbieten. Sei auch Du mit Deinem Trailer dabei!“ Und auch mein in der Facebook-Gruppe „SuperBuchtrailer“ vorgeschlagener Buchtrailer ist dabei.

Ach ja, das Apropos… Wie ich heute gelesen habe, endet die Info mit einem Link zu einem Service rund um das (digitale) Buch (der natürlich ganz tolle Buchtrailer produzieren kann). Na toll, da will ich werben und werde durch einen Werbenden „eingefangen“…

Aber was soll`s. Social-Media ist nun mal Werbung. Werben um Aufmerksamkeit. Egal ob im persönlichen Bereich oder im kommerziellen Sektor. Wenn ich irgendwo etwas poste, will ich auch, dass dies jemand zur Kenntnis nimmt.

Und zudem: Eine Hand wäscht die andere. Wenn es dem Linksetzer gelingt, über diese Aktion bekannter zu werden, so bedeutet dass, dass wohl auch mein Buchtrailer – also mein Roman – bekannter wird. Mal schauen.

Also zurück zur Frage des Schriftstellers: Können wir Schreiblinge das auch? Potentielle Leser über die Augen gewinnen?

Auf buch-trailer-blogspot liegt mein Buchtrailer (übrigens selbst erstellt, allerdings habe ich für die „dramatische Gänsehaut-Musik“ aus Copyright-Gründen Gema-frei bezahlt) zu meinem Mordsroman derzeit auf Platz 3 der „Topliste aller Zeiten“. Ein Blog, auch wenn er zum Verkauf steht, der bei der Google-Suche nach dem Begriff „Buchtrailer“ unter den ersten Treffern auftaucht, und somit öfter besucht wird. Haben Buchverkäufe etwas damit zu tun?

Laut Börsenblatt besteht ein Zusammenhang zwischen Bucherfolg und Trailererfolg. Heute habe ich so einen Tag, an dem ich skeptisch bin. Vielleicht sieht das Morgen anders aus, die Zahlen werden es weisen.

Aber wie auch immer: Ich erachte nach wie vor einen Youtube-Kanal als Sammelbecken für Buchtrailer für sinnvoll, sonst hätte ich auf meinem Kanal nicht begonnen, Buchtrailer zu verlinken, die mir gefallen.

Apropos… „Hier darfst du keinen Moment wegsehen!“ Können wir Schreiberlinge dies mit visueller Werbung auch?

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