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Winzkriecher – Deleted Scene aus „Engel spucken nicht in Büsche. Roman über Liebe, Tod und Teufel“
Nackt setzte er sich auf die kalte Klobrille, stützte seine Hände auf seine Oberschenkel und betrachtete sich in dieser Pose lange in dem Spiegel, den er vor geraumer Zeit direkt davor an die Wand geschraubt hatte. Stolz tastete er mit den Augen seinen flachen, muskulösen Bauch ab, dem man das gerade verzehrte üppige Mahl nicht ansah. Dann spannte er seine Brustmuskulatur ein wenig an, und darüber vergaß er fast seinen Stuhlgang. Aber auch nur fast. Schließlich ließ er von seinen Betrachtungen ab und konzentrierte sich auf die Kontraktion der Enddarmmuskulatur und die Erschlaffung seines Schließmuskels bei gleichzeitiger Betätigung der Bauchpresse: neben schweißtreibendem Training und gutem Essen gehörte eben auch ausgiebiger, gesunder Stuhlgang zu einem gelungenen Tag.
Mit Grausen dachte er an die Erlebnisse seiner bisher einzigen Urlaubsreise zurück. Dabei hatte er sich damals noch nicht einmal weit von der Heimat entfernt: Frankreich. Aber wenn diese wenigen hundert Kilometer schon genügten, ihm eine seiner Lebensgrundlagen quasi unter dem Hintern wegzuziehen, dann war dieses eine Mal bereits viel zu weit gewesen.
Die erste französische Toilette hatte er zunächst erleichtert registriert, war sie doch an der Nationalstraße, auf der er fuhr, überhaupt vorhanden. Dann jedoch ‑ er hatte mit vorsorglich mitgebrachtem Toilettenpapier in der Hand die Klotür geöffnet ‑ hatte ihn der Ekel angefasst. Aber schließlich, da seinem Körper die bloße Ausscheidung seiner Abfallprodukte wichtiger gewesen war als zivilisierter Stuhlgang, hatte er vor diesem Hock‑ und Plumpsklo resigniert. Bück’ dich und scheiß’ dir auf die Hacken! hatte er zu sich selbst gemeint, geradeso als wäre nicht er es, der sich hier bücken und auf die Hacken scheißen würde.
Natürlich war es ein Vorurteil in Bezug auf diese spezielle Art einer Toilette gewesen. Schnell hatte er die richtige Technik herausgefunden. Und es dauerte nicht lange, bis er sich nach diesen Hockklos zurücksehnen sollte. Es war in der Bretagne. Er hatte sich von der kleinen, sauberen Pension, in der er ein Zimmer bezogen hatte, entfernt, um die Küste entlang zu fahren. Mitten in so einem Touristen‑Ort ließ sich dann das Bedürfnis nicht mehr weiter zurückhalten. So nahm das Geschehen seinen Lauf, denn das einzige Klo weit und breit war kein Scheiß‑dir‑auf‑die‑Hacken‑Klo, sondern einer jener Orte, an denen Winzkriecher, Bakterien, Mikroteilchen, Fäkalienfresser in Erwartung eines Menschen auf der Kloschüssel Amok liefen.
Diese Toilette war eine Telefonzelle zum Scheißhaus umgebaut, eine ehemalige in zwei Scheißzellen unterteilte Litfasssäule, eine chemische Toilette, und es war noch nicht einmal genug Platz vorhanden, sich vorzubeugen und gebückt stehen zu bleiben ‑ man konnte gar nicht anders, als sich hinzusetzen.
Ein Vorteil der Hock‑ und Plumpsklos war der, dass man quasi in einen Trichter sein Geschäft verrichtete, der in ein kleines Loch mündet. Und wenn die Spülung betätigt war, blieb nur dieses Loch in der weißen Emaille übrig. So klein, so tief unter einem gelegen, dass es die Phantasie kalt ließ. Aber an diesem Tag hatte er ein Loch fast so groß wie sein Hintern unter sich, und darunter war nicht ein Nirwana der Entsorgung. Keinen halben Meter darunter war eine feucht schimmernde, höllisch auch nach Chemie stinkende Masse, ein Hades der menschlichen Ausscheidung. Der Teufel wusste, was für Wesen am Grunde dieser Kloake lebten. Es war ja bekannt, dass man sich vor Angst in die Hosen machen konnte. Ihm aber verkrampfte sich alles. Er saß über der Hölle und konnte sich einfach nicht erleichtern.
Da fiel ihm der Klowandevergreen ein: Ich bin der Geist, der jedem, der zu lange scheißt, von unten in die Eier beißt! Aber in diesen Augenblicken angestrengten Drückens: Bauchpresse! Streng deine Bauchpresse an! fand er diesen alten Witz eigentlich weniger lustig. Warum hatte er sich überhaupt da hingesetzt? Kein Ausweg, das einzige Klo weit und breit. Eine Scheißtouristenfalle ist das, dachte er, und plötzlich in diesen bangen Momenten fielen ihm alle möglichen Gründe für eine Scheißtouristenfalle ein. War das nicht wahr, dass die Franzosen keine Deutschen mochten? Das einzige Klo weit und breit, und er war darauf hereingefallen.
Ich bin der Geist, der Dir in die Eier beißt! Als ob man Klosprüche ernst nehmen konnte. Geist! Du siehst Gespenster, ‑ etwas platschte, platschte unter ihm in die Masse. Er zuckte zusammen. Nur dein eigener Stuhl! beruhigte er sich, nur dein eigener Stuhlgang und kein Geist. Nicht der Geist! redete er sich gut zu und lächelte über seine Überempfindlichkeit: Du siehst Gespenster! Er lachte erleichtert über die endlich erfolgende Ausscheidung und belustigt über seine Unruhe. Ich scheiß‘ Dich tot!, lachte er und dachte doch im selben Atemzug, dass Gespenster unsichtbar sein können, unsichtbar und auch Bakterien sind unsichtbar! und…‑ Ich scheiß‘ dich tot! – tot scheißen lassen sie sich auch nicht…
Mit dem Klopapier, das er dann in diese Hölle hinein warf, ließ er alle Hoffnungen fahren, sich nicht mit irgendwas angesteckt zu haben. Er wusste zwar noch nicht welcher Art der Höllenhund war, welcher ihn an diesem Ort angesprungen hatte, aber als er das Klopapier auf dem Dreck liegen sah, da erschien ihm dies wie ein Grabstein: Weiß der Stein, braun die Inschrift Hier liegt begraben ‑ Mein Frankreichurlaub.
Er hatte sich damals nicht infiziert, was allerdings an seinem Eindruck nichts änderte: zu Hause ist es doch am Besten. Und in diesem Sinn erfreute er sich des gepflegten Stuhlgangs an diesem Abend.
Ende
Obwohl die Winzkriecher-Szene auf Lesungen mit ihrem speziellen Humor immer sehr gut ankam, habe ich sie nicht in die veröffentlichte Fassung meines Romans „Engel spucken nicht in Büsche. Roman über Liebe, Tod und Teufel“ übernommen. „Killing the darlings“, sagte mir damals ein Lektor in Bezug auf die Bearbeitung eines Manuskriptes, löse dich vom Liebgewonnenen und übernehme nur, was für die Geschichte wirklich notwendig ist, und dieses Darling hier sprang aus dramaturgischen Gründen über die Klinge.
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Verschlagwortet mit Frankreich, Leseproben, Ralf Boscher, Roman
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Verbunden, umschlungen Rose und Wolf sich küssen – Liebesgedichte
Ihre Augen
Sie zogen mich tief in sie hinein,
Und ich brachte ihr meine Augen dar.
Sie suchte mich, sie suchte sich
In meinem Blick,
Und dann
Fanden wir uns.
Zwischen Himmel und Erde
Eingetaucht in das Laken lagst Du nackt
Unter dem Abendhimmel Deines Haares,
Und weich bog sich Dein Körper meinem Blick,
erzählte mir nächtliche Geschichten,
geschwungen eingeschrieben
in den Fluss Deiner Weiblichkeit.
Mit Sternen geschrieben
Ich gab es dem Wind mit,
Damit er es Dir ins Ohr flüstert.
Spürst Du die Tropfen auf Deiner Haut,
Fühlst Du, was sie Dir von mir erzählen?
Könnt‘ ich’s doch den Donner brüllen lassen,
Mit Blitzen es in Wolken schreiben!
Nein, nein! Leise … heimlich … Dein …
Kannst Du es aus den Sternen herauslesen?
Ungesagt
Ich hätt‘ ihr gern einen Liebesbrief geschrieben,
Von ihren Haaren, ihren Lippen, hab‘ ich gedacht,
Von ihren Händen und Blicken im Fahrstuhlschacht
Könnte ich schreiben.
Aber ich träumte und träumte, sah sie in mir,
Sah sie an, sah ihr zu, brachte nichts zu Papier.
Und was ich erblickte, ist ungesagt geblieben.
Gefunden
Verbunden, verschlungen
Ineinander seit dem ersten Blick,
Verbunden, umschlungen,
Zwei Leben in eins, und Stück für Stück
Wurde aus dieser Eins mehr als einfach nur zu zweit.
Das ist des Rätsels Lösung, das sie band.
Ein Puzzle, das endlich zusammenfand.
Verbunden, umschlungen
Rose und Wolf sich küssen,
Zart, wild, ungezwungen,
Aneinander wachsend ohne zu müssen.
Verbunden, verschlungen
Auch nach dem tausendsten Blick,
Verbunden, umschlungen
Bin ich dankbar für dieses Glück,
Die Eine gefunden zu haben.
Die Eine, die mich an sich band,
Die mich vollständig macht, da ich sie fand.
Verbunden, umschlungen
Rose und Wolf sich küssen,
Zart, wild, ungezwungen,
Ich will es nicht missen müssen.
Veröffentlicht unter Boschers Schreibe
Verschlagwortet mit Gedichte, Liebe, Lyrik
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Historisches: Lesungen – Literatur ist geil oder Futter für die Bestie im Secondhand
Lesungen… das heißt Lampenfieber, die spannende Frage, ob ich das Publikum packe, die Freude, wenn ich spüre, ja, jetzt habe ich die Anwesenden gepackt. Was für ein Gefühl, wenn diese unglaubliche Verbindung zwischen Lesendem und Hörenden hergestellt ist, eine ganze eigene Art von Kribbeln, auch ein Gefühl der Macht, wenn man spürt, wie sie mit dem Text mitgehen, wenn man die Reaktionen der Zuhörer voraussagen kann „Gleich lachen sie, gleich stöhnen sie auf, gleich gefriert ihn das Lächeln im Gesicht, nun werden sie aufatmen…“ Wie wichtig dabei auch Humor ist, ein gewisses Augenzwinkern, vermitteln einige der Bilder, und mein Video zu meinem Gedicht „Epilog“. Denn dies ist ja bei einer Lesung unter anderem das Schöne: Hier ist der Dichter nicht alleine, hier gibt es ganz direkt Feedback. Ich denke: Ich sollte wirklich wieder einmal lesen.
Ein Rückblick:
„Unter anderem gibt es ein Wiedersehen mit der Krähe des Todes, Tante Marthas Hintern, dem in Weihnachtslieder vernarrten Metzger und einem liebeslüsternen Briefeschreiber. Achtung: auch dieses Mal wird gesungen. “ (so lautete ein Teil der Ankündigung der letzten „Literatur ist geil“-Lesung im Lebensart, dem Weinfachgeschäft der Spitalkellerei, welches es in dieser Form leider nicht mehr gibt).
“Sie mögen es lustvoll? Genießen es den Atem anzuhalten, wenn es gruselig wird? Dann kommen Sie in die SEEROSE, den Secondhand-Laden in Meersburg. Geboten werden spannende, erotische und gruselige Kurzgeschichten von und mit dem Schriftsteller Ralf Boscher. Bitte beachten: die Lesung ist für Kinder nicht geeignet.“ (Auszug aus der Pressemitteilung zu der „Futter für die Bestie“-Lesung in der Seerose, damals der schönste Secondhand-Laden am Bodensee, den es leider auch nicht mehr gibt).
25 Jahre… Ja, vor 25 Jahren hatte ich meine erste Lesung. Die Vorstellung meines ersten Romans „Engel spucken nicht in Büsche“. Ein Freund hatte das Plakat entworfen. 16:30 im Cafe Zweistein in Wuppertal. An meinem 25. Geburtstag. Rund 70 Zuhörer. Für mich unvergesslich. Seitdem gab es u.a. Lesungen in der Uni, organisiert vom AstA, im Konstanzer Neuwerk (auch eine interessante Erfahrung mit meinen Geschichten an einem Slam Poetry Abend mitzumachen).
Dann zwischen November 2004 und April 2005 alle vier Wochen die Literatur ist geil-Lesungen im Lebensart (gemeinsam mit Katharina Heyartz, damals Geschäftsführerin Lebensart, heute Bloggerin und Mitinhaberin einer Kreativagentur).
Von Dezember 2006 bis Dezember 2007 veranstaltete ich zusammen mit Esther Shepherd (damals Inhaberin Seerose Secondhand und mehr…, Meersburg) vierteljährlich Lesungen.
Weitere Lesungen von Ralf Boscher:
12. September 2009, Karlsruhe Prinz-Max-Palais
„13 Vortragskünstler: Erste „Karlsruher Lesenacht“ am Samstag
Karlsruhe (ps/pat) – Lange Nacht für Literaturfreunde: Im Karlsruher Literaturhaus im Prinz-Max-Palais findet am Samstag, 12. September, erstmals eine Lesenacht statt. Abwechslung ist Trumpf; die Veranstaltung zeigt die ganze Vielfalt der Literatur – von Lyrik über kurze Prosatexte bis hin zur szenischen Lesung ist für Liebhaber des geschriebenen Wortes alles dabei.
Die 13 Autoren sind Vortragskünstler, die bislang noch wenig Gelegenheit hatten, ihre Texte in einem größeren Forum zu präsentieren. In lockerer Folge lesen Simone Adams, Andrea Bayer, Inka Kleinke-Bialy, Ralf Boscher (liest die Kurzgeschichte „Grenze des guten Geschmacks“), Hartmut Brie, Birgit Jennerjahn-Hakenes (stellt preisgekrönte Geschichten vor, unter anderem das in der „Allmende“ erschienene „Bett 29“), Gesine Heinrich, Oliver Koch, Kajo Lang, Maurice Meijer (aus der Slampoetry-Szene), Paula Menzel, Nora Noe (liest aus ihrem zweiten Roman „Mitten im Jungbusch“ und dem neuen dritten „Zwischen Jungbusch und Filsbach“) sowie Jasmin Hambsch, die mit feiner Prosa die erste Karlsruher Lesenacht“ beschließt.
Es moderieren Hansgeorg Schmidt-Bergmann und Matthias Walz.“ (Quelle: ka-news.de)
Pressemitteilung des AStA zur Lesung (18. Mai 2005):
Ralf Boscher liest aus „Vom Höcksen aufs Stöcksken“
Konstanzer Autor trägt im Rahmen der AStA-Literaturreihe am 23. Juni an der Universität vor
Der Konstanzer Autor Ralf Boscher wird am 23. Juni um 20 Uhr an der Universität Konstanz aus seiner Textsammlung „Vom Höcksken aufs Stöcksken“ lesen. Die Veranstaltung findet im Internationalen Besucherzentrum der Universität Konstanz statt. Mit Ralf Boscher ist es dem AStA gelungen, einen vielsprechenden jungen Autor aus der Region für eine Lesung zu gewinnen.
Boscher, der 1968 in Aldekerk am Niederrhein geboren wurde und sein Studium an der Universität Konstanz abgeschlossen hat, legt mit „Vom Höcksken aufs Stöcksken“ nicht seine erste Veröffentlichung vor. Viele Texte Boschers sind bereits in Literaturanthologien erschienen. Mit Spannung darf sein Romandebüt erwartet werden.“Vom Höcksken aufs Stöcksken“ ist beleibe nicht das das literarische Motto der Texte Boschers, denn erzählerisch begibt sicher der Konstanzer sicherlich nicht vom Hundersten ins Tausendste. Eher geradlinig ist die literarische Produktion des Konstanzer angelegt, sie kommt ohne prätentiöse Abschweifungen aus. Aussagekräftiger ist der Untertitel von Boschers Buch: „Hartes und Zartes in Geschichten und Gedichten“.
K9 Konstanz … Am 3. März 2005 trat Boscher im Rahmen der Splitternacht im Kulturzentrum K9 in Konstanz auf. Er las das Gedicht ‚Ungesagt‘ und die Kurzgeschichte ‚Der Bierdeckel und das Warten‘.
Neuwerk Konstanz … „Kalter Kaffee“, „Ruhe im Kartong“ und „Winzkriecher“ waren die Geschichten, die Boscher auf der vom AStA der Universität Konstanz veranstalteten Kulturnacht am 15.12.2004 im Neuwerk aus seinem Buch Vom Höcksken aufs Stöcksken gelesen hat.
Schnappschüsse aus Boschers Lesungen:
Zu einem kurzen Clip umgearbeitete Lesungspremiere meines Gedichts „Epilog“
Der Text zum Video:
Epilog
Einsam und traurig ist des Dichters Herz,
Denn zu wahrer Dichtung gerinnt nur Schmerz.
Und wenn er einmal glücklich ist,
Er den Schmerz schon bald vermisst.
Auf Glück, da kennt er keinen Reim,
Im Unglück liegt der Dichtung Keim.
Und ist er wirklich einmal froh,
Kneift er sich in den eigenen Po,
Das tut weh und so ist’s fein,
Denn nur auf Schmerz fallen Reime ihm ein.
Und reicht der Schmerz am Arsch nicht aus
Springt er einfach aus dem Fenster raus.
Der Weg ist weit und so ist’s recht
Bei kurzem Wege reimt sich’s schlecht.
Er fällt und fällt, und das ist’s fein,
Den Abgrund vor Augen, so soll es sein,
Des Wahren Dichters Dichterleben.
Im freien Fall nach Höherem Streben
Als Glück und Lust und Lachen viel.
Der Dichter lebt und stirbt mit Stil.
Und Stil ist Schmerz, das ist doch klar,
Denn auf Schmerz reimt sich Herz, wie wunderbar.
Ein steter Fall so’n Dichter Leben,
So ist das eben.
Veröffentlicht unter Boschers Schreibe
Verschlagwortet mit Autor, Fotos, Historisches, Lesung, Ralf Boscher
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Ein haariger Heiligabend – „Ho! Ho! Ho! oder Tante Marthas Hintern“, eine unbesinnliche Weihnachtsgeschichte
Ungekürzte Weihnachts-Kurzgeschichte aus Ralf Boschers eBook / Taschenbuch „Tiefer in die Dunkelheit. Von Frauen, Männern und Monstern“
Es traf mich völlig unvorbereitet. Wenn es bereits November gewesen wäre, oder wenigstens Ende Oktober, ja dann hätte ich damit gerechnet, aber doch nicht Mitte Oktober. Ich hatte gerade die Obsttheke im Supermarkt hinter mir gelassen und bog Richtung Tiefkühlkost ab, da sah ich sie. Eine ganze Palette. Lebkuchen. Ich versuchte noch, meinen Blick abzuwenden, aber es war zu spät. Und es geschah, wie es jedes Jahr seit diesem verhängnisvollen Heiligabend damals geschah. Ich sah das Bild vor mir.
Meine Therapeutin hatte es bei mir mit Desensibilisierung versucht, schließlich wollte ich einmal eine Familie gründen und würde es meinen Kindern schuldig sein, ihnen ein schönes Weihnachtsfest zu bereiten. Da konnte ich doch nicht bei der kleinsten weihnachtlichen Kleinigkeit zusammenbrechen. Aber all ihre Versuche, mich allmählich an Weihnachten zu gewöhnen, zum Beispiel indem sie mir winzig kleine Weihnachtsmänner in der Absicht in die Hand gab, mich durch den Anblick gewissermaßen abzuhärten und mich so aus dem Bann des Bildes zu befreien, fruchteten nicht. Da mochte sie auch noch so beruhigend auf mich einreden, ich begann zu zittern, mein Puls raste, mir brach der Schweiß aus, ich sah das Bild vor meinem inneren Auge und zerquetschte so manchen Schokoweihnachtsmann in meiner sich verkrampfenden Hand. Die Therapie scheiterte. Und so war ich dem Anblick der Lebkuchen hilflos ausgeliefert.
Es war an jenem Heiligabend des Jahres geschehen, in dem ich 14 Jahre alt geworden war. Zusammen mit meinem Vater hatte ich wie jeden Heiligabend zuvor den Tannenbaum vom Garten ins Wohnzimmer geschleppt und aufgestellt. Das war ein Männerjob. Schmücken würden ihn meine Mutter und meine kleine Schwester, die – als Vater und ich uns mit dem Baum abmühten – in der Küche waren und Plätzchen backten. Auf diese Plätzchen freute ich mich schon seit Wochen, gab es bei uns im Elternhaus doch nur selten Süßigkeiten, und war Weihnachten eine der wenigen Gelegenheit im Jahr – vor allem neben Ostern und Nikolaus – an denen wir Kinder nach Herzenslust Süßes essen durften. Ich mochte Weihnachten. Daran änderte auch der Umstand nichts, dass ich schon längst nicht mehr an den Weihnachtsmann glaubte. Ich hatte damit aufgehört, kurz nachdem ich entdeckte, dass es Tante Martha war, die Jahr für Jahr als Nikolaus verkleidet unser Haus besuchte (was sie mit offensichtlicher Freude tat, vielleicht allein schon deswegen, weil sie sich als Nikolaus ihren sprießenden Damenbart nicht rasieren musste). Von einer Tante Martha als Nikolaus zu ernsten Zweifeln an der Existenz auch anderer im Kinderleben wichtiger Gestalten war es kein weiter Weg, und als ich ihn einmal eingeschlagen hatte, dauerte es nicht lange und ich eröffnete meinen Eltern, dass es den Weihnachtsmann und den Osterhasen genauso wenig gäbe wie den Nikolaus. Meine kleine Schwester ahnte von all dem nichts. Ich brachte es einfach nicht über mich, sie in meine Erkenntnisse einzuweihen. So wie ihre Augen glänzten, wenn der 6. Dezember nahte und sie ihren Stiefel (oder wie sie es einmal in der Hoffnung tat, mehr Süßes zu bekommen, ein ganzes Dutzend Stiefel) vor die Tür stellte. Zauber der Weihnachtszeit. Und meine Eltern gaben sich alle Mühe, diesen Zauber nicht verfliegen zu lassen. Sie verkleideten sich sogar.
Am Morgen des besagten Heiligabends wurden wir – wie in den Jahren zuvor – von einem Engel geweckt. Mutter trug ein strahlend-weißes Nachthemd, aus dem an ihrem Rücken Engelsflügel herausragten, außerdem hatte sie ihre blonden, langen Haare zu einer Lockenpracht frisiert. Am Frühstücktisch wartete dann unser Vater als Weihnachtsmann verkleidet auf uns, in einem langen, roten Mantel, mit einem langen, weißen, umgehängten Bart und einer Weihnachtsmannmütze auf dem Kopf, wobei er – während er uns Kindern heißen Kakao einschenkte – immer aufpassen musste, dass der weiße Bommel am Ende der Mütze nicht in unsere Tassen fiel. Diesen Bommel hatte ich den ganzen Heiligabend vor Augen. Er baumelte vor meinem Gesicht, als Vater und ich den Weihnachtsbaum aufstellten, er baumelte hin und her, während Vater und ich auf den Wegen rund ums Haus die abgefallenen Blätter zusammenfegten, und später am Abend dann, während meine Eltern uns Kinder vor dem Fernsehapparat wähnten, würde ich ihn bei einer Gelegenheit baumeln sehen, bei der ich den Bommel nicht hätte baumeln sehen wollen…
Bis zu dieser Gelegenheit verlief alles so, wie es sich für einen Heiligabend gehört (inklusive jäher Übelkeitsattacken bei meiner kleinen Schwester aufgrund übertriebenen Keksgenusses, was sie aber nicht daran hinderte, auch noch die Lebkuchen zu probieren und eine ganze Packung Marzipankartoffeln zu essen). Nach dem Aufstellen des Baumes, dem Backen der Plätzchen, dem allgemeinen Herrichten eines weihnachtlichen Hauses, aßen wir festlich zu Abend (was der Magen meiner Schwester zunächst einmal gut verkraftete). Im Sonntagsstaat saßen wir Kinder mit Engel und Weihnachtsmann am Tisch, wobei mir zwar die Blicke auffielen, die sich meine Eltern zuwarfen, aber ich dachte, dass aus ihnen die Vorfreude auf die Bescherung spricht, wenn wir Kinder nach dem Essen mit strahlenden Gesichtern die Geschenke auspacken würden. Ein paar Mal zupfte der Weihnachtsmann dem Engel neckisch am Flügel, wobei ich mir gar nichts dachte. Darüber, dass sich meine Eltern öfter als sonst einen Kuss gaben, regte ich mich nicht auf, ich nicht (meine kleine Schwester kommentierte es jedes Mal mit einem „das ist eklig!“), schließlich war ich schon vierzehn, hatte schon selbst ein Mädchen geküsst (den Sommer zuvor, im Freibad, hinter der Pommes-Bude) und natürlich wusste ich, dass meine Eltern auch andere Dinge taten. So Dinge, die Erwachsene halt tun. Ich glaubte wenigstens, zu wissen, was Erwachsene so tun.
Nach dem Essen kam die Bescherung, während der der Engel dem Weihnachtsmann einmal herzhaft an den Hintern fasste, was der mit einem „Ho! Ho! Ho!“ quittierte. Das bekam ich aber nur aus den Augenwinkeln mit, war ich doch viel zu sehr damit beschäftigt, das Papier von dem größten aller Geschenke abzureißen, von dem ich vermutete, dass es die ersehnten Rollerskates sein würden. Nach der Bescherung sah sich unsere ganze Familie wie jedes Jahr den Kleinen Lord an, ich im Sessel mit meinen Rollerskates an den Füßen, meine Eltern und meine kleine Schwester, die sich herzhaft von dessen Kopf abwärts einem Schokoweihnachtsmann widmete, auf dem Sofa, während eine Kerze auf dem Tisch heimeliges Licht spendete. Tante Martha und Onkel Peter kamen kurz vorbei und brachten uns Kindern noch mehr Geschenke. Wir müssen aber gleich wieder weiter, sagte Onkel Peter, der der Bruder von Papa war. Aber auf ein Eierlikörchen bleiben wir noch! meinte Tante Martha. Nachdem die Erwachsenen ihr Gläschen getrunken hatten, meinte Mutter, sie bringe die beiden noch zur Tür und stand auf. Außerdem müsse sie in der Küche nach dem Braten für Morgen schauen, sagte sie noch. Und so begann meine heile Weihnachtswelt aus den Fugen zu geraten. Denn nur wenig später brummelte Vater etwas von „Schauen, wo Mutter bleibt!“ in seinen umgehängten Bart und ging ebenfalls hinaus. Meine Schwester hatte sich mittlerweile ihrer Tafel Kinderschokolade angenommen und schob sich einen Riegel nach dem anderen in den Mund. Ich versuchte in diesen unbeobachteten Momenten meine ersten Schritte mit den Rollerskates zu unternehmen, was aber auf dem Teppichboden nicht so gut ging, so dass ich mehr lief als rollte. Plötzlich begann meine Schwester zu husten, was ich zunächst nicht weiter beachtete, saß ich doch mittlerweile auf dem Boden und lauschte fasziniert dem surrenden Geräusch der Rollen, die ich mit der Hand drehte. Erst als meine Schwester aufhörte zu husten und stattdessen würgende Geräusche von sich gab, sah ich auf. Ich sah auf und erschrak. Offensichtlich hatte sie sich verschluckt, ihr kleines Gesicht war vor Anstrengung bereits rot angelaufen, während sie mich aus großen Augen anschaute und verzweifelt versuchte, das in der Luftröhre festsitzende Stück Schokoriegel herauszubefördern. Ich sprang sofort auf, um ihr zu helfen, vergaß in meinem Schrecken aber die Rollerskates an meinen Füßen, so dass ich das Gleichgewicht verlor. Leider stand ich neben dem Weihnachtsbaum. Hilflos ruderte ich mit meinen Armen, versuchte meine Füße sicher auf den Boden zu bekommen, aber nun taten die Rollerskates, was sie tun sollten, sie rollten, und so fand ich mich stürzend in der Rückenlage wieder, hörte noch für einen kurzen Augenblick das Surren der Rollen, dann krachte ich in den Weihnachtsbaum. Glücklicherweise kippte der Baum nicht um, und glücklicherweise erschrak sich meine Schwester, als sie mich fallen sah, so sehr, dass ihr reflexhafter Aufschrei das Schokostück aus ihrem Hals beförderte. Allerdings begann sie nun vor lauter Aufregung, sich wieder zu übergeben, ihre Händchen verkrallten sich in der Tischdecke, als sie der Krampf schüttelte und sie sich über den Teppich beugte. Und nun war es an mir, der ich mich aus dem Tannenbaum aufrappelte, aufzuschreien, denn meine Schwester zog an der Tischdecke, und die Kerze, die auf dem Tisch stand, kippte um. Kippte um und blieb brennend auf der Fernsehzeitung liegen. Als ich es endlich geschafft hatte, mich vom Weihnachtsbaum zu befreien, brannte die Zeitung bereits lichterloh, wovon meine Schwester nichts bemerkte, schüttelte sie sich doch noch immer in Krämpfen. Ich erreichte den Tisch, als auch noch der weihnachtliche Tischschmuck aus Trockenblumen Feuer gefangen hatte. Das passierte alles so schnell, dass mir keine Zeit blieb zu fragen, wo denn meine Eltern blieben, die doch sicherlich vom ganzen Lärm und unseren Schreien hätten alarmiert sein müssen. Weil ich mir nicht anders zu helfen wusste, packte ich mein Schwesterlein und zog es vom Tisch und dem Feuer weg, das mittlerweile auf die Tischdecke übergriff, während meine Schwester immer noch würgte und statt dem Teppich nun mich bekleckerte. Ich brauchte Wasser, das war mir klar. Schnell. So ließ ich meine Schwester im Raum neben dem Wohnzimmer einfach auf dem Boden liegen und stakste so schnell es ging auf meinen Rollerskates Richtung Küche. Dort gab es Wasser und Töpfe, in denen ich das Wasser würde tragen können. Dort war sicher auch Mutter, die nach dem Braten schaute. Und Vater würde auch nicht weit sein. Dies war der Moment, in dem ich mich das erste Mal fragte, wo sie bei all dem Lärm denn blieben. Ich rief nach ihnen: „Mama! Papa!“ Rief: „Es brennt, es brennt!“ „Mama, Papa, es brennt!“ rief ich, als ich über den glatten Boden des Flures rollte, an dessen Ende die Küche lag, rief es in dem Augenblick, als ich die Küche erreichte und die Küchentüre aufriss und –
„Ho! Ho! Ho!“, rief der Weihnachtsmann wieder und wieder, er hatte die Augen geschlossen und der Bommel seiner Weihnachtsmannmütze baumelte hin und her, „Ho! Ho! Ho!“ Auch die auf dem Küchentisch liegende Tante Martha hatte die Augen geschlossen, dafür waren ihre Bluse und ihre Schenkel geöffneter, als ich es je hätte sehen wollen, vor allem weil mein Vater zwischen ihnen stand und den Bommel baumeln ließ, hin und her, wie der Kopf des Engels hin und her, der strahlendweiße Engel, der wie zum Gebet auf dem Boden kniete und seinen Blick andächtig erhoben hatte, nur dass dieser Engel nicht hinauf zum Himmel blickte, sondern hoch zu Onkel Peter, der genüsslich an einer Zigarre paffend und mit heruntergelassener Hose am Kühlschrank lehnte und wieder und wieder sagte: „Mein Engel, mein Engel!“, bis er mich, der ich fassungslos in der Küchentür stand, endlich bemerkte und nach einer Schrecksekunde, in der er wie in Zeitlupe die Zigarre aus dem Mund nahm, tonlos sagte: „Martha, Du solltest doch die Tür abschließen!“ „Ho! Ho! Ho!“, rief der Weihnachtsmann noch einmal, während Tante Martha die Augen öffnete und mich erblickte und dermaßen erschrak, dass sie nach dem Weihnachtsmann trat, der aufstöhnend in der Mitte zusammenklappte, woraufhin Tante Martha vom Tisch fiel.
In diesem Moment sah ich, was sich mir dergestalt wie glühende Kohlen in mein Gedächtnis einbrennen sollte, dass mir Weihnachten vielleicht für alle Zeit verleidet ist. Da lag sie auf dem Boden, Tante Martha, sie lag auf dem Bauch, den Rock bis über die Hüften hinaufgezogen. Ich hörte kaum, wie mein Vater fluchte, wie meine Mutter wieder und wieder Oh Gott, Oh Gott rief, und Onkel Peter meinte Hier riecht es verbrannt (glücklicherweise schafften Vater und er es nur wenig später mit vereinten Kräften das Feuer im Wohnzimmer zu löschen). Alles um mich herum schien zu verschwimmen, nur Tante Marthas Hintern sah ich klar und deutlich vor mir aufragen, ich konnte meinen Blick nicht von ihrem Hinterteil nehmen, das, ich wage es kaum auszusprechen, behaart war wie ihre Oberlippe zu Nikolaus, dunkle Haare noch und nöcher, und jedes dieser auf ihren Pobacken sprießenden Haare prägte sich mir ein. Erst als mein kleines Schwesterlein plötzlich inmitten der geschockten Erwachsenen stand, mit klarer Stimme rief: „Mir ist schlecht!“, und sich noch einmal mit Nachdruck auf die Küchenfliesen erbrach, nur um uns alle dann anzustrahlen, als hätte sie gerade Gottweißwas vollbracht, konnte ich mich von diesem erschreckenden Bild losreißen. Ich begann zu lachen, lachte noch, als bereits alle die Küche Richtung Wohnzimmer verlassen hatten, lachte noch, als mir bereits Tränen über die Wangen liefen. Akuter Schockzustand, nannte es Jahre später meine Therapeutin, eine vegetative Überreaktion aufgrund pathogener Reizüberflutung, dann drückte sie mir den kleinsten Schokoweihnachtsmann in die Hand, den sie hatte finden können, und lächelte mich aufmunternd an: „Versuchen wir es doch mal mit dem!“
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Historisches: Der Zauberer in Blau. Oder: meine Ankunft am Bodensee
1995 zog ich an den Bodensee, die Landschaft, der See, die historische Altstadt von Konstanz und die schönen Orte in der Nähe hatten mich gleich für sich eingenommen. Aus dieser Zeit stammt die kleine Geschichte, die ich – unverkennbar – für den Südkurier, die Tageszeitung hier, geschrieben habe. Die Fotos von „Goldenen Bodensee“ entstanden etwas später.
Der Zauber in Blau
Ohne Gepäck kam ich in Konstanz an. Der Blick auf die Konstanzer Bucht, eingerahmt von Seestraße und altem Kloster, berührten mich tiefer noch als beim ersten Mal, als ich langsam über die Rheinbrücke fuhr: Denn an diesem Freitagnachmittag kam ich nicht als Tourist, Konstanz sollte meine neue Heimat werden. Endlich betrat ich nach einer langen Zugfahrt Konstanzer Boden. Was zu meinem Glück noch fehlte, waren meine eigenen vier Wände.
Leider hatte ich nur dieses eine Wochenende Zeit, etwas Bezahlbares zu finden. Und leider war der Wohnungsmarkt nicht gerade übersättigt mit bezahlbaren Wohnungen. So führte mich mein erster Weg hoch zur Universität. Dort suchte ich die schwarzen Bretter nach „meiner kleinen Wohnung“ ab. Erfolglos.
Nach diesem Fehlschlag zog ich mit gemischten Gefühlen durch die Konstanzer Kneipen: die Seekuh, das K9, das Radieschen. Immer in der Hoffnung, dass auf einem Aushang im Eingangsbereich mein neues Zuhause auf mich wartete. Dem war leider nicht so. Alleine saß ich bei einem Bier und keine gute Fee sprach mich an, kein Zauberer zog eine Wohnung aus seinem Hut.
Es war genauso gekommen, wie ich es vorhergesehen hatte: die Zeit lief mir davon. Schlaflos verbrachte ich die Nacht in einem Bett der Jugendherberge.
Würde dies in nächster Zukunft mein Dach über dem Kopf sein? So fragte ich mich bang. Ich wusste, dass meine größte, und vielleicht auch letzte Chance, an diesem Wochenende eine Wohnung zu finden, die Samstagsausgabe des Südkurier war. So früh als möglich wollte ich die druckfrische, ja noch beinahe warme Zeitung in meinen Händen halten. Und während mein Zimmergenosse in aller Seelenruhe schlief und schnarchte, betete ich voller Inbrunst zu den Schutzengeln aller Wohnungssuchenden, bis endlich der Morgen graute.
Ich war wieder voller Hoffnung, als ich, ohne gefrühstückt zu haben, in die erwachende Stadt hinunterging. Und wirklich: da stand er an einer Straßenkreuzung. Ich fühlte es ganz deutlich: dies war der Zauberer, den ich am Abend zuvor vermisst hatte. Lächelnd kam er einige Schritte auf mich zu: der Südkurierverkäufer.
Mein Gefühl hatte mich nicht getrogen: Heute, wo ich diese kleine, aber für mich sehr wichtige Begebenheit, mein schönstes Zeitungserlebnis, aufschreibe, kauere ich glücklicherweise nicht mit gekrümmten Rücken auf der obersten Etage eines Jugendherbergsbettes. Ich sitze vielmehr in meiner gemütlichen Küche, eine Tasse Kaffee steht vor mir auf dem Tisch, durch das Fenster blicke ich auf einen großen Garten.
Der Zauberer hatte wirklich meine kleine Wohnung aus seiner Tasche gezogen. Denn kaum hatte ich den Immobilienmarkt aufgeschlagen, da hatte ich die Anzeige entdeckt. Und kaum dass ich sie mit dickem, rotem Stift unterstrichen hatte, stand ich auch schon in der nächsten Telefonzelle, den Hörer in der Hand.
„Viel Glück!“ hatte mir der Südkurierverkäufer gewünscht, als er sah, auf welcher Seite ich die Zeitung sofort aufschlug. Und ich konnte es kaum glauben, am Samstagnachmittag unterschrieb ich den Mietvertrag für eine sehr schöne, bezahlbare Wohnung. Ich hatte wirklich Glück gehabt. Und einen Zauberer in Blau.
Mehr lesen: Am Bodensee – Leseprobe aus “Abschied ist ein scharfes Schwert. Ein Mordsroman”
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Historisches: Ralf Boscher und die Presse…
Am 20. September 2004 wurde Ralf Boscher in den Redaktionsräumen der Rheinischen Post in Geldern von Herrn Michael Klatt interviewt. Der Artikel erschien am 22.10.2004:
Am 10. September wurde Ralf Boscher von Karin Stei, Redakteurin beim Anzeiger Südwest, in Konstanz interviewt. Der Artikel erschien am 3. November 2004:
Auch die Konstanzer Tageszeitung Südkurier brachte am 16.07.2004 einen Artikel (hier liegt mir leider nur der Text vor):
Wenn Imperia vom Sockel steigt
Der Horror-Schriftsteller Ralf Boscher lebt und schreibt in Konstanz
Ein sonniger, warmer Tag in Konstanz. Ein Mann sitzt bei einer Tasse Kaffee auf der Marktstätte, beobachtet die Menschen, und langsam stellt sich ein Gefühl der Entspanntheit ein. Doch dann hört der Café-Gast die Melodie von ‚House of the rising sun‘ von einem Gitarrenspieler und all die schrecklichen Erlebnisse kommen wieder hoch. Die Kinder auf der Marktstätte starren ihn an, ihre Luftballone platzen, die Menschenmassen sind in Feuer gehüllt. Er wird panisch, ängstlich. Und da steigt Imperia von ihrem Sockel im Konstanzer Hafen und kommt auf ihn zu. Zwölf Meter hoch steht geballte Laszivität vor ihm. Er will flüchten…
Eine Szene aus dem Grusel-Roman ‚Abschied ist ein scharfes Schwert‘ von Ralf Boscher. Imperia und Marktstätte, die Boscher in seinen Roman einbaut, sind auch Fixpunkte in seinem täglichen Leben. Der Schriftsteller lebt in Konstanz. Und mittlerweile schreibt er an seinem dritten Roman. Vor kurzem erschien der Sammelband von Horror-Geschichten ‚Futter für die Bestie‘. Ralf Boscher schrieb die Titelgeschichte. Boscher, Jahrgang 1968, ist in Aldekerk am Niederrhein geboren. Schon als Kind las er mit Vorliebe Detektiv- und Krimi-Geschichten, wie ‚Die drei Fragezeichen‘. Auch hat er schon immer gerne Geschichten erzählt – mit Hang zur Übertreibung, Dramatik und Melancholie. Vielleicht erste Anzeichen dafür, dass er sich später als Autor dem Horror-Genre zuwenden würde? Nach Abschluss seines Grundstudiums in Wuppertal fand er in Konstanz eine neue Heimat. ‚In Wuppertal schrieb ich meinen ersten Roman, Die Heimsuchung‘, erinnert sich Boscher an seine Anfänge. Das Studium war damals Nebensache. Mit allen möglichen Jobs finanzierte er sich eine kleine Dachwohnung, in der er jede freie Minute an der Schreibmaschine saß. Nach seinem Wechsel nach Konstanz schrieb er zunächst nicht. Er konzentrierte sich auf sein Studium der Philosophie und der deutschen Literatur. Doch bald darauf entstand sein zweites Werk. Der Titel: ‚Abschied ist ein scharfes Schwert‘. Inzwischen arbeitet er an einem Lehrstuhl für Philosophie an der Konstanzer Universität. ‚Schließlich muss ich ja Geld verdienen‘, so der Schriftsteller. Mit ein wenig Disziplin bringt er sein wissenschaftliches Arbeiten mit seinem künstlerischen Schaffen unter einen Hut. Bis heute wurden zahlreiche Kurzgeschichten von Ralf Boscher in Fachzeitschriften oder in Sammelwerken veröffentlicht. Zurzeit entsteht sein dritter Roman, und vielleicht passt er ja mit diesem in die ‚Schublade‘ der Verlage. Ralf Boschers Art zu erzählen, erzeugt Bilder beim Leser. Ein wenig ist es wie ein Film. Oft beinhalten seine Grusel-Geschichten historische Bezüge. ‚Manchmal denk ich mir selbst, dass ich gar nicht gut bin zu meinen Figuren‘, überlegt der Geschichtenerzähler. Doch es gibt auch rührende Züge in den Grusel-Storys. ‚Außerdem spielen Liebe und Verlassenwerden oftmals mit‘, erzählt Boscher. Für ihn ist der Unterschied wichtig zwischen dem, was er schreibt und was er ist. Er schreibt groteske, tragische Horror-Geschichten, doch seine persönliche Welt ist nicht grau in grau. In einem Satz, den der Philosoph Friedrich Nietzsche über sich selbst sagte, fühlt Boscher seine eigene Persönlichkeit widergespiegelt: ‚Ich bin gesegnet mit fröhlichem Fatalismus.’“
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Historisches: Vom Höcksken aufs Stöcksken
…Transzendentalerotik am Abend einer philosophischen Tagung…
…Horror rund um einen in Weihnachtslieder vernarrten Fleischer…
…von Winzkriechern, oder: der Eingang zur Hölle ist ein Klo…
…was geschehen kann, wenn nur einer in der WG Sex hat…
…Geschichte vom Bierdeckel und den Apokalyptischen Reitern über Wuppertal…
…als der Mähdrescher das Mädchen fand und in einem Dorf
am Niederrhein die Blaue Kugel fiel…
außerdem ein sprechender Bleistift,
ein schweigender Papagei,
das Jojo-Herz
und vieles mehr auf
141 dramatischen, rührenden, erotischen, gruseligen, skurrilen, poetischen Seiten.
Das Cover wurde gestaltet von: kreativ|werk|staDt
Sehr geehrte Leserinnen und Leser, mein Buch „Vom Höcksken aufs Stöcksken*“ ist nun AUSVERKAUFT!
Vielen Dank für all das positive Feedback, das mich seit Erscheinen meines Buches erreicht hat – es freut mich sehr, Ihnen spannenden, rührenden, skurrilen, erotischen Lesegenuss geboten zu haben!
Ihr Ralf Boscher
(*ein Ausdruck der soviel bedeutet wie: Vom Hundersten aufs Tausendste kommen…)
Rezensionen:
„Hart und Zart
Untertitel sind manchmal hilfreich. So auch in diesem Fall. ‚Hartes und Zartes in Geschichten und Gedichten‘ hat Ralf Boscher als Zusatzinformation zu seinem ‚Vom Höcksken aufs Stöcksken‘ betitelten Buch auf dem Frontblatt stehen. Das lotet die ganze Spannungsbreite auf 140 Seiten aus. Wobei das Zarte vorwiegend der Lyrik des gebürtigen Aldekerkers vorbehalten bleibt. In seinen Kurzgeschichten hingegen lässt er, neben nostalgischen Reminiszenzen an die (eigene?) Jugendzeit, immer wieder Abgründe hinter der (niederrheinischen) Idylle gähnen. Seien es sexuelle Extravaganzen (‚Was spricht die Mitternacht‘), sei es Horror im Bruch (‚Futter für die Bestie‘), sei es der beste Fleischer im Dorf, der seine Ehefrau auf wenig appetitliche Weise ermordet – Boscher macht aus seiner Vorliebe für Literatur à la Stephen King keinen Hehl. Doch wirklich erschüttert lässt den Leser eine Geschichte zurück, die nicht mit Schock-Effekten arbeitet. Die fünf Seiten von ‚Der graue Vogel‘ sind der Höhepunkt in dem Band, der sich in einer sturmdurchtosten Herbstnacht wundervoll lesen lässt.“
Buchtipp von Michael Klatt, aus der Rheinischen Post/Gelderland vom 22.10.2004
-> Anzeiger vom 3.11.2004
Zwischen Horror und Romantik
von Karin Stei
„Thriller, – Tragödien-, Horrorelemente und Liebesgeschichten verquickt Boscher in seinen Romanen und Kurzgeschichten zu einer Mixtur, die nur schwer einzuordnen ist. Gleichzeitig verleiht diese Vielseitigkeit den Erzählungen einen ganz eigenen Reiz. Der Titel seines neuen Buches „Vom Höcksken aufs Stöcksken – Hartes und Zartes in Geschichten und Gedichten“ spiegelt dies wider. Vom Hundersten ins Tausendste, so kann man den niederrheinischen Ausdruck übersetzen, der die Klammer für die 23 Kurzgeschichten und Gedichte bildet. … Dreht es sich in den „zarten“ Geschichten überwiegend um Liebeskummer, um Trauer und Abschied, bricht in den harten der Horror ganz unvermittelt in Alltagssituationen ein. So wie in der Titelgeschichte, die von einem Jungen handelt, dessen Beziehungen zu Mädchen meist mit dem ‚zufälligen Tod der Partnerin enden. Aber hat seine Hauptfigur tatsächlich gemordet? Boscher lässt dies offen. Er spielt gern mit den Erwartungen der Leser. … Boscher findet es spannend zu zeigen, was hinter den Fassaden der Menschen schlummert. Seien es seelische Abgründe oder auch sexuelle Wunschvorstellungen, die sich plötzlich Bahn brechen … Es geht Boscher … darum, Emotionen beim Leser zu wecken, ‚Filme im Kopf entstehen zu lassen‘.“
Anzeiger (2004)
Unter der Überschrift Konstanzer mit literarischem Erstling findet sich im qlt-Blatt vom 28.1.2005 eine Besprechung Johannes Fröhlichs von Vom Höcksken aufs Stöcksken:
„…Im vorliegenden Band … schreibt der Autor Hartes und Zartes in Geschichten und Gedichten. Das Zarte dabei sind vor allem die lyrischen Passagen Boschers, seine einfühlsamen Sequenzen, so zum Beispiel in dem Gedicht ‚Mit Sternen geschrieben‘. ‚Ich gab es dem Wind mit, damit er es dir ins Ohr flüstert. Spürst du die Tropfen auf deiner Haut….‘ Von wem das Lesen aus den Sternen handelt, ob von einem Kind oder einer Frau, das läßt der Autor offen, gerade darin liegt die Stärke seiner Betrachtungen. Boscher erzählt von Augen, von Himmel und Erde, von Ferne und Schneefall. Also ganz und gar alltägliche Dinge und Begebenheiten, die so formuliert etwas ganz Besonderes werden. Rührend die Geschichte über den Opa, der eben genau so liebenswürdig ist, wie ihn Boscher in Erinnerung behalten will. ‚Einsam und traurig ist des Dichters Herz‘, so schließt Boscher seinen Band. Man möge ihm alles andere als Einsamkeit wünschen, viele Begegnungen hier am Bodensee, auf dass er Menschen kennen lerne, deren Geschichten er erzählen kann.“
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Historisches: Boschers Veröffentlichungen in Anthologien und Zeitschriften – eine Chronik
Boschers kurze Erzählung Aldekerk im Rücken erschien zunächst in der Zeitschrift „Literatur am Niederrhein. Zeitschrift für Literatur niederrheinischer Autoren“ und wurde dann im Herbst 2002 erneut abgedruckt in der Anthologie „Dichter Nebel am Niederrhein. Ein Lesebuch hiesiger Autoren“, herausgegeben von M. Kura/J. Schmidt, Buchverlag SeitenWind Grevenbroich (ISBN 3-9806290-5-8).
Buchbesprechung aus der Rheinischen Post/Gelderland vom 28.12.2002:
„Reizvolle Anthologie im Grevenbroicher Verlag SeitenWind Dichter Nebel am Niederrhein
NIEDERRHEIN. ‚Er ist ganz erfüllt von dieser Hochstimmung, die ihn da plötzlich erfasst hat. Nun beginnt ein neues Leben. Denkt er. Und rast seinem Heimatdorf, der Kirche entgegen.‘ So endet Ralf Boschers Kurzgeschichte Aldekerk im Rücken. Heimat ist viel – nicht nur auf diesen drei Seiten, sondern auf allen rund 150 in ‚Dichter Nebel am Niederrhein‘. Diesen Titel hat der SeitenWind-Verlag aus Grevenbroich seiner neuen Anthologie gegeben. Die positiven Reaktionen auf die Erstausgabe ‚Zwischen Heine und Altbier haben zu diesem zweiten Band geführt. 36 Autoren sind, teilweise mit mehreren Beiträgen, vertreten. Einige, wie beispielsweise Hiltrud Leenders (vom Krimi-Trio Leenders/Bay/Leenders), Herbert Sleegers und Peter Klusen, sind Routiniers in der niederrheinischen Literaturszene und mitunter preisgekrönt. Andere machen in dem Buch ihre ersten schriftstellerischen Gehversuche. Herausgekommen ist eine reizvolle Mischung von Unbekanntem und Etabliertem, von Alltäglichem und Subtilem, von Banalem und Geheimnisvollem. 150 Seiten, die sich in einer Nacht weglesen lassen“
Leseprobe aus Aldekerk im Rücken:
Tränen laufen ihm über die Wangen, während er mit seinem alten Opel über die B9 Richtung Autobahn rast. Das Geschenk seiner Eltern zu seinem 18. Geburtstag im letzten Monat. Ist dies wirklich erst ein paar Wochen her? Er weiß, dass er im Begriff ist, seinen Eltern etwas Furchtbares anzutun. Ohne ein Wort des Abschieds. Ohne eine Erklärung. Es wird so sein, als hätten sie jetzt auch noch ihren zweiten Sohn verloren. Aber Jan Hoen ist wild entschlossen, sein Heimatdorf zu verlassen und nie wieder zurückzukommen. Der Tank seines Autos ist randvoll. So schnell halt ich nicht mehr! Werde Mama und Papa eine Karte schreiben, von weit weit weg.
Jan weiß, dass er seinen Eltern nicht wird erklären können, warum er gehen musste. Aber was sollte er ihnen auch schon sagen?! Hey, wißt ihr, das war so. Meine Kumpels und ich waren im Bruch, an der Galgenrahm, da wo sie damals 1743 die Leute hingerichtet haben. Haben so eine Art Zeremonie gemacht. Kerzen. Beschwörungsformeln. Unheimlich war es. Aber nur ein Spaß. Hatten auch was getrunken. Haben viel gelacht. Aber am Tag danach ist Timmi dieses schreckliche Unglück zugestoßen. Und in der Nacht nach seiner Beerdigung kam er zurück. Plötzlich stand Timmi bei mir im Zimmer. Ich kann euch sagen, das war kein angenehmer Anblick. Und er sprach mit einer fremden Stimme. Mit der Stimme eines der damals Hingerichteten. Die sagte, ich solle etwas Bestimmtes tun. Aber ich wollte nicht. Ich will es immer noch nicht. Und weil ich es leid bin, dass mich Nacht für Nacht mein toter, kleiner Bruder besucht und mit schrecklicher Stimme schreckliche Dinge von mir verlangt, muß ich gehen! Nein, er würde es seinen Eltern nicht erklären können…
Im März 2003 erschien die Erzählung Der Graue Vogel von Ralf Boscher
in der Anthologie „Der Lauf der Dinge. Geschichten aus dem Leben“,
herausgegeben von: I. E. Wolf, Amicus Mitteldeutscher Literaturverlag
(ISBN 3-935660-21-9).
Leseprobe aus Der Graue Vogel:
Der Tag, an dem sie das erste Mal das Papageienspiel spielten, war ein glücklicher Tag aus einer langen Reihe glücklicher Tage. In der Küche stand ein Käfig, ein Ungetüm aus Metall und beißendem Geruch. Bis zu jenem Tag ein Schrecken für den kleinen Oliver, wie auch die starren, gelblichen Augen des großen, grauen Vogels bis zu jenem Tag, da Doro das Spiel erfand, ein Schrecken waren für ihn. Auch Doro mochte den Vogel nicht. Jedesmal, wenn er aufkreischte, lief ihr ein kalter Schauer über den Rücken. Sie fand, daß er stank. Doch ihre Mutter hatte einen Narren an dem Tier gefressen. Vielleicht, weil der Papagei folgsam all das nachplappert, was Mutter ihm vorsagt, dachte Doro gehässig an jenem Tag, da sie mit Olli auf dem Arm vor dem Käfig stand. Ihr kleiner Bruder weinte in ihren Armen und drückte sein nasses Gesicht an ihre Wange. Er wollte weg von diesem unheimlichen, grauen Wesen. Doch Doro blieb stehen und blickte den Papagei an. „Na, ist das nicht ein Blödkopf, Olli!“, sagte sie. „Blödkopf!“, rief sie dem grauen Vogel zu und lachte. Doro lachte, und Olli blickte mit großen feuchten Augen zu ihr auf. Ihr Lachen trocknete seine Tränen, seine Furcht schwand, und als sie mit ihm durch die Küche hüpfte und: „Blödkopf! Blödkopf!“ rief, da lachte auch er. Der große graue Vogel aber beobachtete sie stumm aus starren, gelben Augen…
„Boschers Bestie
Aldekerk. ‚Aldekerk im Rücken‘ heißt die vor rund anderthalb Jahren in der Anthologie “Dichter Nebel“ veröffentlichte Kurzgeschichte von Ralf Boscher. Jetzt ist der gebürtige Aldekerker, der in Konstanz lebt, literarisch wieder an seinen Geburtsort zurückgekehrt mit ‚Futter für die Bestie‘.
Die Erzählung findet sich in der gleichnamigen Grusel-Geschichten-Sammlung des Schreiblust-Verlags Andreas Schröter. 9,90 Euro kostet das 248-seitige Taschenbuch mit 24 Beiträgen.“
(Rheinische Post, Ausgabe Gelderland, Nr. 110, Dienstag, 11. Mai 2004)
Futter für die Bestie
Grusel-Geschichten.
Schreiblust-Verlag Andreas Schröter 2004
ISBN: 3-9808278-3-6
9,90 €
Das Buch ist in jeder Buchhandlung und ebenfalls über Amazon erhältlich.
Im November 2004 erschienen: die Weihnachtshorror-Anthologie „Höllische Weihnacht“ des Lacrima Verlages, darin Boschers Geschichte: Oh Du Fröhliche.
Das Gedicht Traumlos wurde Ende November 2003 in der Anthologie „Ausgewählte Werke VI“ der Nationalbibliothek des deutschsprachigen Gedichtes veröffentlicht (66€, 1040 Seiten, Halbleinenband mit Goldprägung, Kapitalband, Lesezeichen, gedruckt auf alterungsbeständigem Papier, ISBN 3-930048-44-2).
Boschers Gedicht „Epilog“ wurde in der Zeitschrift für Literatur „Allmende N. 82“ abgedruckt (ISBN 978-3-88190-527-5).
Leseprobe aus Boschers Ruhe im Kartong,
abgedruckt in
„Lesestoff. Ein Magazin rund ums geschriebene Wort“
(Nr.4/2002, Seite 35-38):
Es musste doch nicht ausgerechnet der Kühlschrank sein, und gerade zu der Zeit, da ich zumeist – wie Udo es doch mittlerweile wissen musste – von der Arbeit nach Hause komme und gerne noch ein letztes Bier in der Küche trinke. Also, das Letzte, was ich in einer solchen Nacht noch sehen möchte, ist Udos Hintern, eingerahmt von zweien in der Luft hängender Beinen, untermalt von einem geradezu obszönen, so lauten Klatschen, dass ich dies eigentlich schon – wenn ich nicht so müde gewesen wäre – im Flur hätte hören müssen. Mal ganz abgesehen von Udos angestrengtem Keuchen, dem Geklirre und Geschepper im Kühlschrank und der hörbaren Freude von Udos Bekanntschaft an dieser ganzen Aktion. Zu allem Überfluss schäumte mein Bier über, das ich mir dann – als die Küche wieder frei war – doch noch genehmigen wollte.
Als ich Udo am nächsten Tag darauf ansprach, zuckte der nur mit den Achseln. War ihm wohl zu Kopf gestiegen, auch mal was mit einer Frau zu haben. Okay, zugegeben, diese Frau nahm ihn ganz schön ran, der Küchenszene folgte schon bald heftigstes Treiben in der Dusche, aber muß man sich denn gleich seinen ganzen Anstand aus dem Hirn ficken? Schließlich hatte ich mein Zimmer direkt neben dem Bad, und dieses Gekicher, lauthalse Lachen, dieses ganze Geplätscher, und schließlich dieses beständige Rumsen gegen die Wand, mal schneller, mal langsamer, in solch einem unberechenbarem Rhythmus, daß es einfach nicht zu ignorieren war, zumal diese Frau irgendwann begann, Udo lautstark anzufeuern: Ja ja, pack mich, tiefer, schneller, höher, weiter, weiter, meine Muschi, mein Arsch, meine Titten. Fehlte nur noch, daß Udo auch noch anfing: Mein Schwanz, mein Arsch, meine Eier…
Leseprobe aus Pfannekuchen von Ralf Boscher,
veröffentlicht in „Federwelt. Zeitschrift für Autorinnen und Autoren“
(Nr.22, August 2002, Seite 43-44): Bildname
Am frühen Morgen wurde der im Krankenhaus herumirrende Junge aufgegriffen. Die Schwestern packten ihn in Decken und versuchten, ihn zu beruhigen. Sie glaubten zunächst, daß der Junge sich während der Besuchszeit verlaufen hätte und seitdem herumgeirrt wäre. So fragten sie Hartmut nach seiner Mutter und seinem Vater. Ob sie vielleicht zur Behandlung hier wären? Der Junge schaute sie nur an. Er hatte Angst, und er war so müde, daß er die Worte gar nicht mehr richtig verstand. „Ist deine Mutter hier? Liegt deine Mutter vielleicht irgendwo im Haus?“ fragten sie nochmals. Er nickte kaum merklich. „Deine Mutter ist also hier?“ Er nickte, der Junge faßte etwas Mut: „Ja, im Städtischen hat er gesagt.“ „Wer?“ „Herr Kraus.“ „Herr Kraus hat dir also gesagt, deine Mutter wäre hier.“ Hartmut nickte, ein unsicheres Lächeln um die roten Augen: „Und er hat noch gesagt, im Kühlhaus. Im Kühlhaus wäre sie. Aber das finde ich nicht.“ Er schaute die Schwestern erwartungsvoll an…
Leseprobe aus Kalter Kaffee, Kurzgeschichte von Boscher abgedruckt im Weihnachtsheft der Literaturzeitschrift „Der Maskenball“ (Nr. 56, Dez. 2003, 6.Jahrgang, ISSN 01616-0118):
Bildname
Nerven wie Drahtseile sollte haben, wer zur Weihnachtszeit bei einem Partyservice arbeitet. Von wegen, Fest der Liebe! Bring‘ mir meinen Drink‘, sonst setzt es Hiebe! Manche Gäste sind wie verwöhnte Kinder, die schon zu lange auf das Christkind warten. Aber der Gast ist Kunde, und der Kunde ist bekanntlich König. Freundlich lächelnd brachte ich also auch an jenem Abend Bier um Bier, schließlich war ich das grinsende Servicetier. Servierte flink einen Kaffee. Bitte? Ach nein, Sie wollten einen Tee. Nein? nun wollen Sie doch lieber einen Sekt, fragen, wie wohl der Gänsebraten schmeckt? Glauben Sie mir, an dem ist noch keiner verreckt! Natürlich dachte ich dies nur im Eifer des Gefechts und lächelte dabei…
Die Erzählung Was spricht die Mitternacht ist im Dezember 2003 in der „Edition Zehn“ des Literaturmagazins „Macondo“ (ISSN 1436-7378) erschienen.
In der unter dem Motto Lachen stehenden 11. Ausgabe des Literaturmagazins „Macondo“ erschien im Juli 2004 Ralf Boschers Erzählung Ich erzähle Euch von Regenbögen.
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